Geussenfriedhof

Geussenfriedhof
Gräber auf dem Geusenfriedhof

Der Geusenfriedhof in Köln-Lindenthal ist der älteste evangelische Friedhof des Rheinlandes. Bei seiner Anlage im Jahre 1584 befand er sich außerhalb der Stadttore Kölns und bot während der Gegenreformation zunächst die einzige Möglichkeit der Bestattung evangelischer Christen.

Die Bezeichnung ist auf niederländische Protestanten zurückzuführen, die als Glaubensflüchtlinge nach Köln kamen und als Geusen bezeichnet wurden. Geusen (abgeleitet aus französischen Wort gueux für Bettler) nannten sich die niederländischen Freiheitskämpfer während des Achtzigjährigen Krieges (1568 - 1648).

Inhaltsverzeichnis

Geschichtlicher Hintergrund

Im katholischen Köln des 16. Jahrhunderts unterlagen Menschen, die sich offen zu den Schriften und Lehren Martin Luthers bekannten, der Verfolgung durch den einflussreichen Klerus. So wurden im Jahre 1529 protestantische Reformatoren wie Adolf Clarenbach und Peter Fliesteden durch Verbrennung hingerichtet. Auch unter dem Kölner Erzbischof Salentin von Isenburg wurden die „Falschgesinnten“ ab 1570 im Zuge der Gegenreformation bekämpft - Verhör, Haft oder ein Verweis aus der Stadt drohten Bürgern, die etwa nicht am katholischen Gottesdienst teilnahmen oder sich bei den Prozessionen nicht am Blumenschmuck beteiligten. Neben der offenen Ausrichtung eines evangelischen Gottesdienstes waren auch protestantische Bestattungen im damaligen Köln nicht denkbar und vom Rat der Stadt seit 1583 verboten worden.[1] Allenfalls auf dem Elendsfriedhof war eine Bestattung „Unkatholischer“ neben Selbstmördern und „Ehrlosen“ gestattet.

Älteste erhaltene große Grabplatte aus dem Jahr 1597

Die in Köln heimischen Anhänger der Reformation - neben den als Glaubensflüchtlingen eingewanderten, niederländischsprachigen „Geusen“ gab es auch deutschsprachige Gemeinden der Lutheraner und Reformierten sowie eine französischsprachige reformierte Gemeinde - praktizierten ihren Glauben angesichts der feindlichen Bedingungen in Köln weitgehend verdeckt. Es gilt als wahrscheinlich, dass zunächst Pfarrer aus der damals in Glaubensfragen tolereranteren rechtsrheinischen Stadt Mülheim diese frühen Kölner Protestanten seelsorgerisch betreuten.

In diesem Klima stiftete die Katholikin Ursula von Gohr zu Kaldenbroek um 1576 ein Grundstück zur Anlage eines Friedhofes vor dem Weyertor im außerhalb Kölns gelegenen Kriel. Der rund 7.200 Quadratmeter große Friedhof war damit die erste und einzige Möglichkeit für evangelische Kölner, ihre Verstorbenen auf einem christlichen Friedhof zu bestatten.

Im Zuge der Aufklärungsbewegung des 17./18. Jahrhunderts ergaben sich erste Verbesserungen für die evangelischen Kölner Bürger: Nach dem aus Sicht der Protestanten erfolglosen Kölner Toleranzstreit des Jahres 1787 gestattete Kaiserin Maria Theresia den Lutheranern und Reformierten 1788 ein „stilles Beth-, Schul- und Predigerhaus“, wovon die diese Minderheit allerdings aus Vorsicht zunächst keinen Gebrauch machte. Auch die Belegung des Geusenfriedhofes wurde in Ermangelung einer Bestattungserlaubnis in Köln weiter fortgesetzt.

Erst als die französischen Revolutionstruppen 1794 die Stadt am Rhein besetzen und den Kölner Bürgern das Recht auf Religionsfreiheit zusicherten, feierten die bis dahin heimlichen Gemeinden ihren ersten öffentlichen Gottesdienst im angemietetem Saal des Hauses der Brauerzunft an der Schildergasse. Ihr erstes eigenes Gotteshaus, die Antoniterkirche, bekamen sie 1802 von der französischen Stadtverwaltung. Ab dem Jahre 1829 durften schließlich auch auf dem Kölner Melatenfriedhof erstmals evangelische Christen bestattet werden, was dazu führte, dass der Geusenfriedhof nur noch bis ins Jahr 1876 belegt und danach geschlossen wurde.

Gegenwart

Heute findet man den Geusenfriedhof in Köln-Lindenthal auf dem Eckgrundstück Kerpener Straße/Weyertal in direkter Nachbarschaft des Evangelischen Krankenhauses. Der Bau desselben im Jahre 1902 hatte zur Verkleinerung des Friedhofes auf die Hälfte seiner ursprünglichen Größe, verbunden mit der Umsetzung vieler Grabsteine, geführt. Die danach folgende Verwilderung und Verwahrlosung des Geländes endete erst in den 1980er Jahren, als die Evangelische Gemeinde mit Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfalens mit der Restaurierung von Grabsteinen und der Herrichtung des Geländes begann.[2]

Das Grundstück mit altem Baumbestand ist heute auch durch den Einsatz ehrenamtlicher Helfer auf einem Rundweg und zwei Querwegen sicher begehbar. Die einzelnen Gräber sind nicht mehr mit Wegen erschlossen, zwischen ihnen ist der Boden dicht mit Efeu bewachsen. Einige der alten, liegenden Grabsteine wurden konserviert und auf neuen Sockeln gelagert, andere sind zugewachsen und verwittert. Die Anlage steht seit 1981 unter Denkmalschutz.

Kunsthistorische Bedeutung

Detail der Grabplatte Johannes Böcking (1737-1762): Sensenmann betet mit Verstorbenem, Engel mit Flammenschwert bewacht das Paradies darüber

Viele Grabdenkmale des Geusenfriedhofes sind sowohl künstlerisch als auch gemeindegeschichtlich sehr bemerkenswert. Vor Aufkommen des Klassizismus zeigten die frühen Grabsteine gegenüber den zeitgenössischen katholischen Grabanlagen eine deutlich abweichende Formensprache, insofern sie auf kreuzförmige Steine weitgehend verzichteten und stattdessen geschrägt liegende rechteckige oder quadratische Grabplatten verwendeten, die an Gedenksteine in einer Kirchengruft erinnern. Danach ist eine Annäherung an tradierte Formen, etwa in der Verwendung von aufrechten klassizistischen Stelen und Obelisken feststellbar.

Bildliche Darstellungen von Heiligen sind seltener als in der katholischen Grabkultur. Die Darstellung von Wappen, Hausmarken, beruflichen Symbolen oder Bildmetaphern für Tod, Vergänglichkeit und Auferstehung wie Gerippe, Sensenmann, Schädel oder Engel ist dagegen häufig anzutreffen, wobei der religiöse Bezug durch Bibelzitate unterstrichen wird.

Anmerkungen

  1. „Leitner / Buddeberg, S. 5
  2. „Leitner / Buddeberg, S. 27

Literatur

  • Rudolf Löhr: Protokolle der Niederländisch-Reformierten Gemeinde in Köln 1651 - 1677, 2 Bde., Rheinland Verlag Düsseldorf: Köln 1971
  • Jürgen Fritsch, Günter Leitner: Friedhöfe in Köln - Mitten im Leben. 1. Auflage. Köln 2003, ISBN 978-3936333015. 
  • Günter Leitner, Bernhard Buddeberg; Evangelische Gemeinde Köln (Hrsg.): Ich weiß, dass mein Erlöser lebt - Ein Rundgang über den evangelischen Geusenfriedhof in Köln. Eigenverlag, Köln 2007. 

Weblinks


50.9254166666676.92691666666677Koordinaten: 50° 55′ 32″ N, 6° 55′ 37″ O


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