Gewebezüchtung

Gewebezüchtung

Die Methode des Tissue Engineering (TE) („Gewebezüchtung“) beruht darauf, lebende Zellen eines Organismus als dreidimensionales Konstrukt zu kultivieren[1]. Diese können dann in meist denselben Organismus implantiert werden und so eine Gewebefunktion erhalten oder wiederherstellen. Daher ist das TE eine der zentralen Technologien für die Regenerative Medizin.

Pressekonferenz mit Beispielen des Armed Forces Institute of Regenerative Medicine (AFIRM) im April 2008

„Tissue Engineering ist die Anwendung von Prinzipien und Methoden der Ingenieur-, Werkstoff- und Lebenswissenschaften zur Gewinnung eines fundamentalen Verständnisses von Struktur-Funktions-Beziehungen in normalen und pathologischen Säuger-Geweben; und die Entwicklung von biologischem Ersatz zur Erneuerung, Bewahrung oder Verbesserung der Gewebefunktion“[2]. Im engeren Sinne versteht man darunter die Zellentnahme am Patienten zur Züchtung des gewünschten Organs.

Das Tissue Engineering beinhaltet vier Elemente, nämlich

  • ein strukturelles Gerüst (optional, oft Scaffold genannt)
  • lebende Zellen oder Gewebe
  • die Kontrolle der Signaltransduktion an den lebenden Bestandteil (Wachstumsfaktoren)
  • ein Kulturmedium (Nährlösung) bzw. Organismus.

Das Gerüst biologischer oder synthetischer Art wird vor der Kultur mit dem entnommenen vitalen Material kombiniert. Die Kultivierung kann sowohl im Körper (in vivo- Tissue Engineering) als auch im Labor (in vitro- Tissue Engineering) erfolgen. In beiden Fällen erfolgt idealerweise eine Kontrolle der Signalstoffe, die die Zelle erreichen, sodass die Bildung des neuen Gewebes unterstützt wird.

Die bioartifiziellen Regenerate oder Konstrukte werden wieder in die Zielregion des Organismus implantiert. Der Vorteil bei einem solchen Implantat mit autologem (patienteneigenem) Zellanteil besteht darin, dass es vom Immunsystem des Patienten akzeptiert wird, denn die kultivierten Zellen weisen nur solche Proteine auf den Zelloberflächen auf, die das Immunsystem als „eigene“ erkennt. Damit sollten Tissue-Engineering-Implantate normalerweise nicht abgestoßen werden.

Eine weitere wichtige Anwendung des Tissue Engineering ist die Anwendung in der Grundlagenforschung. Dem natürlichen Gewebe nachempfundene Konstrukte dienen dort zur Aufklärung zellulärer Mechanismen. Darüber hinaus ermöglichen die Methoden des TE die Herstellung dreidimensionaler gewebeähnlicher Zellkonstrukte, an denen sich die Wirkung von Schadstoffen (z. B. Pestiziden), aber auch die Wirkung von Pharmazeutika testen lässt.[3].

Das Problem der Gewebezüchtung liegt darin, dass spezifizierte Zellen ihre Funktionalität verlieren (Dedifferenzierung). Bisher ist es gelungen, Haut-[4], und Knorpelgewebe[5] sowie Blutgefäße[6] zur kommerziellen Anwendung zu züchten.

Motor für die Entwicklung des Tissue Engineering ist der steigende Bedarf an sicheren Ersatzgeweben und -organen sowie die Grundlagenforschung.


Allgemein werden hier vier Arten von Implantaten unterschieden:

  • von anderen Lebewesen stammende (xenogen) - z. B. Herzklappen,
  • von einem Individuum gleicher Spezies (allogen) - z. B. Niere,
  • vom Patienten selbst (autogen) - z. B. Haut.
  • von genetisch identischen Individuen (syngen) - wie z. B. von eineiigen Zwillingen [7]

Weblinks

Literatur

  1. Lindl T, Gstraunthaler G: Zell- und Gewebekultur: Von den Grundlagen zur Laborbank, Spektrum Akademischer Verlag; Auflage: 6. Auflage. (Oktober 2008), ISBN-10: 3827417767, ISBN-13: 978-3827417763
  2. Skalak: Tissue Engineering (Proc Lake Tahoe Ca 1988), John Wiley & Sons Inc (February 22, 1989), ISBN-10: 0471505137, ISBN-13: 978-0471505136
  3. Andreas K, Lübke C, Häupl T, Dehne T, Morawietz L, Ringe J, Kaps C, Sittinger M.: Key regulatory molecules of cartilage destruction in rheumatoid arthritis: an in vitro study. Arthritis Res Ther. 2008;10(1)
  4. Kuroyanagi Y, Kenmochi M, Ishihara S, Takeda A, Shiraishi A, Ootake N, Uchinuma E, Torikai K, Shioya N.: A cultured skin substitute composed of fibroblasts and keratinocytes with a collagen matrix: preliminary results of clinical trials.Ann Plast Surg. 1993 Oct;31(4):340-9; discussion 349-51.
  5. Haisch A, Schultz O, Perka C, Jahnke V, Burmester GR, Sittinger M.: Tissue Engineering von humanem Knorpelgewebe für Wiederherstellungschirurgie mithilfe biokompatiblem Fibringelen und Polymerträgern [Tissue engineering of human cartilage tissue for reconstructive surgery using biocompatible resorbable fibrin gel and polymer carriers]. HNO. 1996 Nov;44(11):624-9
  6. Liu SQ.: Prevention of focal intimal hyperplasia in rat vein grafts by using a tissue engineering approach.Atherosclerosis. 1998 Oct;140(2):365-77.
  7. Erich Wintermantel; Suk-Woo Ha: Medizintechnik mit biokompatiblen Werkstoffen und Verfahren. 3. Auflage. Springer Verlag, Berlin Heidelberg New York 2002, ISBN 3-540-41261-1

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Gewebezüchtung — Ge|we|be|züch|tung 〈f. 20; Med.〉 Züchtung lebenden Gewebes in Gewebekulturen * * * Ge|we|be|züch|tung, die: Gewebekultur. * * * Gewebezüchtung,   Zellkultur. * * * Ge|we|be|züch|tung, die: Gewebekultur …   Universal-Lexikon

  • Biotech — Als Biotechnologie wird die Umsetzung von Erkenntnissen aus der Biologie und der Biochemie in technische oder technisch nutzbare Elemente verstanden. Die Kurzform Biotech wird meist auf kommerzielle Betriebe angewandt, die in diesem Bereich… …   Deutsch Wikipedia

  • Biotechnik — Als Biotechnologie wird die Umsetzung von Erkenntnissen aus der Biologie und der Biochemie in technische oder technisch nutzbare Elemente verstanden. Die Kurzform Biotech wird meist auf kommerzielle Betriebe angewandt, die in diesem Bereich… …   Deutsch Wikipedia

  • Tissue Engineering — Prinzip des Tissue Engineerings Tissue Engineering (TE) (engl. Gewebekonstruktion bzw. Gewebezüchtung) ist der Überbegriff für die künstliche Herstellung biologischer Gewebe durch die gerichtete Kultivierung von Zellen, um damit kranke Gewebe bei …   Deutsch Wikipedia

  • In-Vitro-Fleisch — In vitro Fleisch, auch kultiviertes Fleisch, umgangssprachlich Laborfleisch, ist das Ergebnis von Gewebezüchtung mit dem Ziel, Fleisch zum menschlichen Verzehr im industriellen Maßstab synthetisch herzustellen.[1] Inhaltsverzeichnis 1 Herstellung …   Deutsch Wikipedia

  • REBIRTH — Dieser Artikel wurde im Projekt Bildung zur Verbesserung eingetragen. Hilf mit, ihn zu bearbeiten und beteilige dich an der Diskussion! Vorlage:Projekthinweis/Wartung/Bildung Folgendes muss noch verbessert werden: Werbung entfernen und Quellen… …   Deutsch Wikipedia

  • explantieren — entfernen * * * ex|plan|tie|ren <sw. V.; hat (Med., Zool.): (Zellen, Gewebe, Organe) für die Gewebezüchtung od. Transplantation aus dem lebenden Organismus entnehmen, auspflanzen. * * * ex|plan|tie|ren <sw. V.; hat (Med., Zool.): (Zellen,… …   Universal-Lexikon

  • Explantation — Ex|plan|ta|ti|on 〈f. 20; Med.〉 Entnahme von Gewebe od. Organen zur Transplantation od. zur Gewebezüchtung [<lat. ex „aus“ + planta „Setzling, Pflanze“] * * * Ex|plan|ta|ti|on, die; , en [zu lat. ex = (her)aus u. planta = Gewächs, Pflanze] (Med …   Universal-Lexikon

  • Butenandt: Biochemiker und Wissenschaftspolitiker —   Adolf Butenandt war ein herausragender Biochemiker, dem vom Beginn der Dreißigerjahre an drei Jahrzehnte lang große Entdeckungen gelangen: die Isolierung der drei Steroidhormone Östron, Androsteron und Progesteron, Erkenntnisse über die… …   Universal-Lexikon

  • Augustinus Bader — (* 1959 in Augsburg) ist ein deutscher Mediziner und Biomediziner. Augustinus Bader gehört zu führenden Kapazitäten auf dem Gebiet der Stammzellenforschung und befasst sich in seiner Arbeitsgruppe, die im Biotechnologisch Biomedizinischen Zentrum …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”