Graf von Hennegau

Graf von Hennegau
Die Grafschaft Hennegau um 1250

Die Grafschaft Hennegau (lat. Hannonia, niederl. Henegouw (die Gau) oder Henegouwen (die spätere Grafschaft), franz. le Hainaut, nach dem Flüsschen Haine benannt) ist ein historisches Territorium auf dem heutigen Gebiet Belgiens und Frankreichs.

Inhaltsverzeichnis

Altertum und Frühmittelalter

Der Hennegau war ein fränkischer Gau. Das Gebiet gehörte in römischer Zeit zur Silva carbonaria (Kohlenwald) und war die Heimat der Nervier.

Vom Hochmittelalter in die Neuzeit

Die Grafschaft Hennegau entstand aus der Vereinigung von drei Reichslehen:

1051 starb Graf Hermann von Bergen, Sohn des Grafen Reginar V. Seine Witwe, Richilde von Egisheim, brachte die drei Grafschaften an ihren zweiten Gemahl, den Grafen Balduin VI. von Flandern († 1070), den man im Hennegau Balduin I. nannte. Nach ihrer Niederlage in der Schlacht von Cassel in Flandern (1071) versuchte Richilde, ihre Grafschaften und Allode beim deutschen König Heinrich IV. zu Geld zu machen. Bischof Theodwin von Lüttich kaufte die Lehnshoheit über die Allode und die Reichslehen. Er gab die Lehen über die neue Grafschaft Hennegau an den Herzog von Niederlothringen, der darauf die Grafschaft der Gräfin Richilde zu Lehen gab. Auf diese Weise (Refeodalization genannt) ging die Reichsunmittelbarkeit verloren.

Balduin V. von Hennegau vereinigte durch seine Heirat mit Margarete von Elsass und Flandern 1191 die Grafschaft Hennegau zum zweiten Mal mit Flandern (und Namur). Balduin VI. (IX. von Flandern), ein Sprössling dieser Ehe, wurde 1204 erster lateinischer Kaiser zu Konstantinopel; seine Erblande fielen zuerst an seine älteste Tochter, Johanna von Flandern, dann 1244 an deren Schwester Margarete von Flandern, die zuerst mit Burchard von Avesnes und dann mit Wilhelm von Dampierre verheiratet war. Im Jahr 1246 wurde den Kindern erster Ehe der Hennegau, denen zweiter Ehe Flandern zugeteilt. Zwischen den Söhnen aus beiden Ehen kam es nun zu langwierigen Kämpfen, in denen sich Margarete auf die Seite der Dampierres stellte. Gegenstand des Zwistes war vornehmlich Reichsflandern (Flämischer Erbfolgekrieg)

Die Grafschaft Hainaut im Jahr 1477

Doch folgte 1279 nach Margaretes Tod ihr Enkel Johann II. im Hennegau, und er erwarb 1299 auch die Grafschaft Holland. Mit Wilhelm II. erlosch 1345 die männliche Linie der Avesnes im Hennegau. Des Grafen Wilhelm I., des Guten (1304-37) Tochter Margarethe, Gemahlin Kaiser Ludwigs des Bayern, brachte den Hennegau samt Holland und Zeeland 1345 an das Haus Bayern. Ihre Urenkelin, die ebenso leichtsinnige wie heroische Jakoba von Bayern, trat 1433 ihr Erbe an Philipp den Guten von Burgund ab, und so kam der Hennegau mit der burgundischen Erbschaft 1477 an das Haus Habsburg, bei welchem es (1556-1713 bei der spanischen, dann bei der österreichischen Linie) bis zur Französischen Revolution blieb.

Seit dem Pyrenäischen Frieden (1659) und dem von Nijmegen (1678) war inzwischen der heute zum französischen Département Nord gehörige südliche Teil von Hennegau mit der Hauptstadt Valenciennes an Frankreich gekommen. Aus dem übrigen wurde 1815 mit Einverleibung der vormals flandrischen Landschaft Tournaisis, des namurschen Distrikts Charleroi und einiger Teile von Brabant und Lüttich, welche vorher das französische Département Jemappes ausmachten, die zwischen 1815 und 1830 niederländische, danach belgische Provinz Hennegau gebildet.

Grafen von Hennegau

Bis 923:

  • 908–921 Sigehard, auch Graf im Lüttichgau
  • 921–923 Haganon

Haus der Reginare

  • 924–931 Reginar II.
  • 931–957 Reginar III., abgesetzt († 971/997)

Ab 957 ist die Grafschaft Hennegau in die Grafschaft Bergen und die Markgrafschaft Valenciennes getrennt

Haus von Flandern

Ab 1071: refeodierte Grafschaft Hennegau:

Haus Avesnes

Haus Wittelsbach

Herzöge von Burgund

Haus Habsburg

Literatur

Charles Duvivier: Recherches sur le Hainaut ancien. Fr. J. Olivier, Brüssel 1865.


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