Graf von Tours

Graf von Tours

Die Grafschaft Tours war ein mittelalterliches Feudalterritorium Frankreichs und entsprach in seinem Umfang der historischen Provinz Touraine (heute Département Indre-et-Loire). Es lag im Südwesten des Pariser Beckens, zum Teil im Tal der Loire, Hauptstadt war Tours. Im Spätmittelalter wurde die Grafschaft zum Herzogtum Touraine aufgewertet.

Das Wappen Philipp des Kühnen, der das Herzogtum Touraine 1360–64 als Apanage innehielt, das später zum Wappen der Provinz wurde

Im frühen 9. Jahrhundert war Tours im Besitz der Etichonen, fiel dann aber zum Herrschaftsbereich der Robertiner die als Markgrafen von Neustrien den Nordwesten des heutigen Frankreichs kontrollierten. Sie setzten in ihren wichtigsten Städten ihre Gefolgsmänner als Vizegrafen ein. In Tours war es zunächst Hardrad (Ardradus), welcher mit den Herren von Preuilly verwandt war und um 898 von Fulko dem Roten gefolgt wurde. Fulko musste nach der Übernahme der Grafschaft Nantes um 909 Tours an Theobald den Alten, der bereits als Vizegraf von Blois amtierte und Stammvater des Hauses Blois wurde, abtreten. Des Alten Sohn und Nachfolger Theobald der Betrüger nahm für seine Besitzungen den Grafentitel an.

Bedingt durch den Zerfall der Zentralmacht unter den ersten Königen aus der Dynastie der Kapetinger, entbrannte zwischen den Häusern Blois und Anjou um die Vorherrschaft in Westfrankreich ein lang andauernder Konflikt. Der rechtmäßige Besitz von Tours, der auch von den Anjous beansprucht wurde, war dabei einer der Ursachen. Graf Fulko III. von Anjou stärkte zu Beginn des 11. Jahrhunderts seine Position in der Touraine durch einen umfangreichen Burgenbau (z. B. Loches, Montrésor) und wehrte in der Schlacht bei Pontlevoy (1016) eine Offensive des Grafen Odo II. von Blois ab. Dessen Sohn Theobald III. von Blois musste Tours nach der Niederlage in der Schlacht bei Nouy (1044) jedoch endgültig an Anjou abtreten.

Das erste Grafenhaus von Anjou wurde zum Ende des 11. Jahrhunderts durch die Dynastie Plantagenet beerbt. Durch deren Macht und Heiratspolitik im 12. Jahrhunderts wurde Tours zu einem Teil ihres umfangreichen Besitzes, das in der modernen Forschung als „Angevinisches Reich“ bezeichnet wird. Obwohl die Plantagenets für ihre französischen Territorien den französischen König als ihren Lehnsherren anerkennen mussten, waren sie tatsächlich weit mächtiger als dieser. In seinem Machtkampf gegen die Plantagenets gelang es König Philipp II. bis 1205 deren gesamten Besitz nördlich und teilweise auch südlich der Loire, darunter die Touraine, zu unterwerfen und der Krondomäne einzugliedern. Im Vertrag von Paris (1259) verzichtete Heinrich III. von England auf seine Ansprüche.

Seither wurden Prinzen des königlichen Hauses mit der Grafschaft apanagiert. Als König Johann II. 1360 die Touraine an seinen jüngsten Sohn Philipp den Kühnen vergab wertete er das Lehen zum Herzogtum auf, zugleich war mit diesem Besitz die Pairswürde verbunden. Im Rahmen der Auld Alliance vergab König Karl VII. das Herzogtum an den schottischen Heerführer Archibald Douglas. Dies war das erste Mal das ein französischer Herzogstitel an kein Mitglied des Königshauses und auch erstmals an keinen Franzosen vergeben wurde. Archibald fiel ein Jahr später in der Schlacht von Verneuil, das Herzogtum Touraine wurde danach nicht mehr verliehen.

Grafen von Tours

Vizegrafen von Tours

Grafen von Tours

  • Odo I. († 996), dessen Sohn, Graf von Blois und Tours ect.
  • Theobald II. († 1004), dessen Sohn, Graf von Blois und Tours ect.
  • Odo II. († 1037), Bruder Theobalds II., Graf von Blois und Tours ect.
  • Theobald III. († 1089), dessen Sohn, Graf von Blois und Tours ect.

Die Grafschaft Tours ging 1044 in den Besitz der Grafen von Anjou über.


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Graf von Blois — Die Grafschaft Blois war im frühen Mittelalter eines der wichtigsten Territorien Frankreichs. Robert der Tapfere setzt in Blois – wie in den anderen wichtigen Städten an der Loire – einen Vizegrafen ein, vererbte das Land dann aber (als… …   Deutsch Wikipedia

  • Graf von Chartres — Die bereits zur Zeit der Karolinger bestehende Grafschaft Chartres war seit 956/960 im Besitz der Grafen von Blois, und damit Bestandteil des Machtbereichs des Theobald I. († 978), der von Vierzon im Süden bis Dreux im Norden reichte und aufgrund …   Deutsch Wikipedia

  • Graf von Le Mans — Wappen der Grafschaft Maine Maine ist eine ehemalige französische Provinz in der heutigen Region Pays de la Loire. Sie entspricht ungefähr den Départements Sarthe und Mayenne. Sie war von der Bretagne, Normandie …   Deutsch Wikipedia

  • Graf von Maine — Wappen der Grafschaft Maine Maine ist eine ehemalige französische Provinz in der heutigen Region Pays de la Loire. Sie entspricht ungefähr den Départements Sarthe und Mayenne. Sie war von der Bretagne, Normandie …   Deutsch Wikipedia

  • Graf von Troyes — Im 10. Jahrhundert bestand eine Grafschaft Troyes mit dem Hauptort Troyes im Besitz des Grafenhauses Vermandois, einer Linie der Karolinger. Durch Erbschaft kam Troyes an das Haus Blois, ebenso wie die Grafschaft Meaux (Theobald I., Graf von… …   Deutsch Wikipedia

  • Graf von Sancerre — Die Grafschaft Sancerre mit dem Hauptort Sancerre lag nordöstlich von Bourges. Sie entstand als eigenständiges Herrschaftsgebiet, als nach dem Tod des Grafen Theobald IV. von Blois, (Theobald II. von) Champagne etc. der Besitz von seinem ältesten …   Deutsch Wikipedia

  • Graf von Sens — Die Grafschaft Sens mit dem Hauptort Sens bestand bereits zur Zeit der Karolinger. Mitte des 11. Jahrhunderts wurde sie vom französischen König erworben und in die Domaine royal eingegliedert. Arnulf (* wohl 794, † nach März/April 841),… …   Deutsch Wikipedia

  • Graf von Anjou — Grafen bzw. Herzöge von Anjou waren: Inhaltsverzeichnis 1 Liste der Grafen von Anjou 2 Apanagierte Herzöge von Anjou aus dem Haus Valois 3 Apanagierte Herzöge von Anjou aus dem Haus Haus Bourbon 4 Bourbonische Thronprätendenten …   Deutsch Wikipedia

  • Hugo von Tours — (* um 780; † 20. Oktober 837, beigesetzt in Monza) war vermutlich ein Sohn des Grafen Haicho aus dem Haus der Etichonen und damit ein Ururenkel des Herzogs Eticho von Elsass; sicher ist, dass er ein Nachkomme Etichos war. Der Zweig der Familie,… …   Deutsch Wikipedia

  • Adelheid von Tours — (auch Adelais, Aelis; † nach 866) war eine Tochter des Grafen Hugo von Tours († 837) aus dem Haus der Etichonen und der Ava († 839). Durch ihre beiden Ehen steht sie an zentraler Stelle in den Genealogien sowohl der Welfen, der Konradiner als… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”