Großherzogtum Hessen-Darmstadt

Großherzogtum Hessen-Darmstadt
Großherzogtum Hessen
Wappen Flagge
Wappen des Großherzogtums Hessen Flagge des Großherzogtums Hessen ab 1866
Lage im Deutschen Reich
Lage des Großherzogtums Hessen im Deutschen Kaiserreich
 
Landeshauptstadt Darmstadt
Regierungsform Monarchie (bis 1820 absolutistische Monarchie, danach konstitutionelle Monarchie)
Staatsoberhaupt Großherzog
Dynastie Haus Hessen
Bestehen 1806-1918
Fläche 8.345 km² (1815) [1]
7.682 km² (ab 1866)
Einwohner 854.300 (1865)
1.282.051 (1910) [2]
Bevölkerungsdichte 102 Einwohner/km² (1865)
167 Einwohner/km² (1910)
Entstanden aus Landgrafschaft Hessen-Darmstadt
Aufgegangen in Volksstaat Hessen
Hymne Fürstenhymne
Stimmen im Bundesrat 3 Stimmen
Kfz-Kennzeichen VO, VR, VS
Karte
Hessen-Darmstadt ab 1866

Das Großherzogtum Hessen und bei Rhein war von 1815 bis 1866 ein Mitgliedsstaat des Deutschen Bunds und 1871 bis 1919 ein Bundesstaat des Deutschen Reiches. Das Großherzogtum ging 1806 aus dem Reichsfürstentum der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt hervor. Die regierenden Fürsten entstammten dem Haus Hessen.

Nach den preußischen Annexionen Kurhessens 1866 verblieb das Großherzogtum als letzter selbständiger hessischer Staat und gilt deshalb als einer der Vorgängerstaaten des heutigen Bundeslandes Hessen.

Die Hauptstadt des Landes war Darmstadt, andere wichtige Städte waren Mainz, Offenbach, Worms und Gießen.

Inhaltsverzeichnis

Geographie

Das Großherzogtum lag im Süden und der Mitte des heutigen Hessen. Neben den großen Ebenen von Rhein (Hessisches Ried), Main und Wetterau gehörten auch Mittelgebirge wie der Vogelsberg und der Odenwald zum Staatsgebiet.

Das Staatsgebiet grenzte im Westen an die bayerische Pfalz, im Süden an Baden, mit der Exklave Wimpfen an Württemberg, im Osten an Bayern, im Nordosten und Norden an das Kurfürstentum Hessen, im Nordwesten an den Kreis Wetzlar, einer Exklave der preußischen Rheinprovinz, an Hessen-Homburg sowie an Nassau. Zwischen beiden Hauptgebietsteilen lag die Freie Stadt Frankfurt. Kurhessen, Nassau, Homburg und Frankfurt fielen 1866 an Preußen und bildeten dort ab 1868 die neue Provinz Hessen-Nassau.

Wappen

Durch Großherzogliche Verordnung vom 9. Dez. 1902 wurde das 1808 eingeführte Wappen ersetzt. Der Schild ist zweimal gespalten und zweimal geteilt. Der Herzschild zeigt den mit einem Schwert bewaffneten hessischen Löwen. Von (heraldisch) rechts oben nach links unten werden im Schild neun Felder für folgende ehemaligen, nun eingegliederten Herrschaften gezeigt:

1. Landgrafschaft Hessen
2. Reichsfürstentum Mainz
3. Reichsfürstentum Worms
4. Grafschaft Ziegenhain
5. Kleines Staatswappen des Großherzogtums Hessen
6. Grafschaft Katzenelnbogen
7. Grafschaft Büdingen
8. Grafschaft Hanau
9. Grafschaft Nidda
Die fünf Spangenhelme tragen (ebenfalls heraldisch von rechts) die Helmzierden zum 4., 2., 1., 6. und 8. Feld. Zwei gekrönte Löwen dienen als Schildhalter.

Kleines Staatswappen des Großherzogtums Hessen

Das Großherzogliche kleine Staatswappen besteht aus dem als Feld 5 bezeichneten Schild, der ebenfalls von zwei Löwen gehalten wird. Von den goldenen Ornamenten hängen folgende Orden herab: Der Ludwigsorden mit einem achtspitzigen, schwarzen, rotbordierten und goldgesäumten Kreuz. Dieser wurde am 25. August 1807 von Großherzog Ludwig von Hessen-Darmstadt gestiftet. Die Verleihung des Großkreuzes war auf fürstliche Personen sowie auf das Prädikat „Exzellenz“ führende höchste Würdenträger beschränkt. Daneben ist der Großherzoglich Hessische goldene Löwenorden zu sehen. Schließlich noch der Großherzoglich Hessische Philippsorden, der am 1. Mai 1840 von Großherzog Ludwig II. von Hessen-Darmstadt als „Verdienstorden Philipp des Großmütigen“ zum Andenken an den von 1509 bis 1567 regierenden Ahnherrn gestiftet wurde. Der Orden konnte zur Belohnung besonderer Verdienste an Zivil- und Militärpersonen verliehen werden. Der alles überschirmende Purpurbaldachin ist mit einem edelsteinbesetzten Reif geschmückt und trägt eine königliche Krone.

Geschichte

Am 14. August 1806 wurde die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt, gegen Stellung hoher Militärkontingente an Frankreich und den Beitritt zum Rheinbund, von Napoleon zum Großherzogtum erhoben. Widrigenfalls drohte Napoleon mit Invasion. Gleichzeitig trat das Land aus dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation aus.

Durch Artikel 47 der Wiener Kongreßakte erhielt Hessen-Darmstadt 1815/16 weitere Gebiete zugewiesen, unter anderem Worms, Alzey, Bingen und Mainz, das als Rheinhessen bezeichnet wurde. 1815 trat das Großherzogtum dem Deutschen Bund bei.

Infolge der Märzrevolution 1848 wurde der rheinhessische Liberale Heinrich von Gagern Ministerpräsident des Großherzogtums. Er vertrat die rheinhessischen Gebiete auch in der Frankfurter Nationalversammlung, deren Präsident er zeitweise war.

Nach der Niederlage im Krieg von 1866 musste Hessen-Darmstadt das Hessische Hinterland an Preußen abtreten, ebenso die Gebiete des Landgrafentums Hessen-Homburg, die erst zu Beginn des Jahres nach Erlöschen der dortigen Seitenlinie an das Großherzogtum gefallen waren. Im Gegenzug erhielt es die bisher kurhessische Enklave in Oberhessen Bad Nauheim.

Die nordmainische Provinz (Oberhessen) wurde 1866 Mitglied des Norddeutschen Bundes. 1871 wurde das gesamte Großherzogtum Bundesstaat des neu gegründeten Deutschen Reichs.

Nach dem Ersten Weltkrieg und der Novemberrevolution wurde aus dem Großherzogtum nach der dabei erfolgten Absetzung des damaligen (und letzten) Großherzogs der republikanische Volksstaat Hessen.

Politisches System

Für den Landtag siehe auch: Landstände des Großherzogtums Hessen

Mit der am 17. Dezember 1820 eingeführten Hessischen Verfassung beendete Großherzog Ludwig I. den Absolutismus in seinem Staat zugunsten einer konstitutionellen Monarchie mit einer aber nach wie vor starken Position des regierenden Großherzogs, der als Oberhaupt des Staates „alle Rechte der Staatsgewalt“ innehatte[1] und dessen Person „heilig und unverletzlich“[2] war.

Die standesrechtliche Verfassung des Großherzogtums Hessen sah ein Zweikammersystem vor:

Die erste Kammer bestand aus den Prinzen des Großherzoglichen Hauses, den Häuptern standesherrlicher Familien, dem Erbmarschall von Hessen, welcher seit 1432 in ganz Hessen der jeweilige Senior der Familie Riedesel Freiherren zu Eisenbach war, dem katholischen Landesbischof, einem vom Großherzog auf Lebenszeit in das Amt eines Prälaten erhobenen protestantischen Geistlichen, dem Kanzler der Landes-Universität oder dessen Stellvertreter sowie bis zu zehn Staatsbürgern, denen der Großherzog aufgrund besonderer Verdienste einen Sitz in der Kammer verleihen durfte."[3]. Voraussetzung für ein Amt in der ersten Kammer war zudem die Vollendung des 25. Lebensjahres.[4]

Die zweite Kammer bestand aus sechs Abgeordneten, die der Adel aus seiner Mitte wählte, aus zehn Abgeordneten, die von den Bürgern der wichtigsten Städte, d.h. Darmstadt, Mainz, Gießen, Offenbach, Friedberg, Alsfeld, Worms und Bingen, gewählt wurden (wobei Darmstadt und Mainz je zwei Abgeordnete, die anderen je einen stellten) sowie 34 weiteren Abgeordneten, die von den restlichen Städten und Gemeinden nach Wahlkreisen eingeteilt gewählt wurden. [5]

Das aktive Wahlrecht wurde durch eine Drei-Stufen-Wahl gewährleistet. Im ersten Wahlgang war jeder Staatsbürger berechtigt, der das 25. Lebensjahr vollendet hatte und wenigstens 20 Gulden direkte Steuern zahlte. Zur Veranschaulichung: In Darmstadt waren dies 1820 bei einer Einwohnerzahl von ca. 18.000 gerade einmal 2.799 Bürger. [6]

Diese wahlberechtigten Bürger bestimmten jedoch nicht direkt die Abgeordneten, sondern wählten lediglich Bevollmächtigte, die wiederum Wahlmänner bestimmten, von denen dann erst die Abgeordneten gewählt wurden. [7] Wahlmann durfte man nur werden, wenn man wenigstens 30 Jahre alt war und zu den 60 Höchstbesteuerten im jeweiligen Wahlkreis gehörte. [8] Da zudem die Anzahl der Wahlmänner auf 25 festgesetzt wurde [9], hielt sich der tatsächliche Einfluss der von den Bürgern Bevollmächtigten stark in Grenzen.

Das passive Wahlrecht der letztendlich in der zweiten Kammer sitzenden Abgeordneten setzte eine Steuerquote von mindestens 100 Gulden direkter Steuern voraus. Wieder am Beispiel Darmstadt handelte es sich hierbei 1820 um lediglich 20 Bürger, die faktisch Abgeordneter werden konnten. [10]. Trotz des Rechts auf freie Wahlen blieb die politische Macht also in den Händen des Adels und der reichsten Bürger.

Als Reaktion auf die Märzrevolution wurde im Oktober 1850 zudem ein Dreiklassenwahlrecht nach preußischem Vorbild eingeführt, was das ohnehin schon sehr zum Vorteil der Adligen und Wohlhabenden ausgelegte Wahlsystem noch mehr zu deren Gunsten verstärkte. [11]

Großherzöge

von bis Großherzog Residenzschloss Darmstadt
Das Residenzschloss der Großherzöge in Darmstadt
14. August 1806 6. April 1830 Ludwig I. (ab 1790 als Landgraf Ludwig X.)
6. April 1830 16. Juni 1848 Ludwig II.
16. Juni 1848 13. Juni 1877 Ludwig III.
13. Juni 1877 13. März 1892 Ludwig IV.
13. März 1892 November 1918 Ernst Ludwig

Präsidenten des Gesamtministeriums

Die offizielle Amtsbezeichnung des Ministerpräsidenten und Regierungschefs war „Präsident des Gesamtministeriums“. Amtsinhaber waren:

von bis Ministerpräsident
1821 1829 Karl von Grolman
1829 1848 Karl du Thil
1848 1848 Heinrich von Gagern
1848 1848 Carl Wilhelm Zimmermann
1848 1850 Heinrich Carl Jaup
1852 1871 Reinhard von Dalwigk
1871 1872 Friedrich von Lindelof
1872 1876 Karl von Hofmann
1876 1879 Philipp Gustav August Julius Rinck
1884 1898 Jakob Finger
1898 1906 Carl Friedrich Rothe
1906 1918 Christian von Ewald

Verwaltungsgliederung

Das Großherzogtum besaß drei Provinzen:

Zwischen 1803 und 1816 gab es in Hessen außerdem eine Provinz Westfalen (Sitz: Arnsberg), die anschließend an Preußen fiel.

Die Provinzen wurden 1832 in Landkreise eingeteilt:

Während der Revolutionszeit wurde für kurze Zeit eine abweichende Verwaltungsgliederung eingeführt. Am 31. Juli 1848 wurden Provinzen und Kreise zugunsten von elf Regierungsbezirken (Alsfeld, Biedenkopf, Darmstadt, Dieburg, Erbach, Friedberg, Gießen, Heppenheim, Mainz, Nidda und Worms) abgeschafft. Zum 12. Mai 1852 wurde die Reform jedoch wieder rückgängig gemacht und die früheren Provinzen und Kreise wiederhergestellt.


Literatur

  • Helmut Schmahl: Verpflanzt, aber nicht entwurzelt: Die Auswanderung aus Hessen-Darmstadt (Provinz Rheinhessen) nach Wisconsin im 19. Jahrhundert. Frankfurt/Main (u. a.) 2000 (Mainzer Studien zur Neueren Geschichte, 1)

Weblinks

Quellen

  1. Artikel 4 Abs. 1 der Verfassungsurkunde für das Großherzogtum Hessen vom 17. Dezember 1820
  2. Artikel 4 Abs. 2 der Verfassungsurkunde für das Großherzogtum Hessen vom 17. Dezember 1820
  3. Artikel 52 der Verfassungsurkunde für das Großherzogtum Hessen vom 17. Dezember 1820
  4. Artikel 54 der Verfassungsurkunde für das Großherzogtum Hessen vom 17. Dezember 1820
  5. Artikel 53 der Verfassungsurkunde für das Großherzogtum Hessen vom 17. Dezember 1820
  6. Darmstadts Geschichte - Fürstenresidenz und Bürgerstadt im Wandel der Jahrhunderte, Abschnitt 3: Vom Biedermann in die Katastrophe des Feuersturms, Eckhart G. Franz, Eduard Roether Verlag, Darmstadt 1980, S. 306, ISBN 3-7929-0110-2
  7. Artikel 57 Abs. 2 der Verfassungsurkunde für das Großherzogtum Hessen vom 17. Dezember 1820
  8. Artikel 57 Abs. 3 der Verfassungsurkunde für das Großherzogtum Hessen vom 17. Dezember 1820
  9. Artikel 57 Abs. 4 der Verfassungsurkunde für das Großherzogtum Hessen vom 17. Dezember 1820
  10. Darmstadts Geschichte - Fürstenresidenz und Bürgerstadt im Wandel der Jahrhunderte, Abschnitt 3: Vom Biedermann in die Katastrophe des Feuersturms, Eckhart G. Franz, Eduard Roether Verlag, Darmstadt 1980, S. 307, ISBN 3-7929-0110-2
  11. Darmstadts Geschichte - Fürstenresidenz und Bürgerstadt im Wandel der Jahrhunderte, Abschnitt 3: Vom Biedermann in die Katastrophe des Feuersturms, Eckhart G. Franz, Eduard Roether Verlag, Darmstadt 1980, S. 352, ISBN 3-7929-0110-2

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