Alfred Heinrich Bucherer

Alfred Heinrich Bucherer
Alfred Bucherer

Alfred Heinrich Bucherer (* 9. Juli 1863 in Köln; † 16. April 1927 in Bonn) war ein deutscher Physiker, der vor allem für seine Experimente zur relativistischen Masse bekannt wurde. Bucherer war auch der Erste, der wörtlich den Begriff „Einsteinsche Relativitätstheorie“ gebrauchte.

Inhaltsverzeichnis

Ausbildung

Er studierte von 1884 bis 1899 an der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover, der Johns Hopkins University, der Universität Straßburg, der Universität Leipzig, und an der Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. In Bonn habilitierte er 1899 und lehrte bis 1923.[1]

Werk

1903 veröffentlichte Bucherer das erste in deutscher Sprache erschienene Buch, das sich ausschließlich mit der Darstellung der Vektorrechnung beschäftigte.[2]

Wie Henri Poincaré (1895, 1900) glaubte auch Bucherer (1903b) an die Gültigkeit des Relativitätsprinzips, d.h. alle Beschreibungen der elektrodynamischen Effekte dürfen nur Relativbewegungen der Körper, nicht des Äthers, enthalten. Jedoch ging er noch einen Schritt weiter und leitete daraus die Nichtexistenz des Äthers ab. Die Theorie, welche er darauf aufbauend 1906 entwickelte, beinhaltete auch die Annahme, dass der Raum eine Riemannschen Geometrie besitze. Jedoch war Bucherers Theorie recht vage formuliert, und 1908 konnte Walter Ritz zeigen, dass sie überdies widersprüchlich ist. Und im Gegensatz zu Albert Einsteins Relativitätstheorie zog Bucherer aus der Verwerfung des Äthers auch keine Konsequenzen in Bezug auf die Relativität der Zeit.[3] Dabei war Bucherer 1906 der Erste, der in allerdings kritischer Weise den Begriff „Relativitätstheorie“ für Einsteins Theorie verwendete, indem er Max Plancks Bezeichnung „Relativtheorie“ für die „Lorentz-Einstein Theorie“ abwandelte.[4][5] Bucherer selbst verwarf 1908 jedoch bald seine eigene Version des Relativitätsprinzips und wurde ein Anhänger der „Lorentz-Einsteinschen“ Theorie.

Von Bedeutung war auch sein 1904 entwickeltes Elektronenmodell, nach welchem das Elektron in Bewegungsrichtung kontrahiert, und senkrecht dazu expandiert − unabhängig von ihm hatte Paul Langevin 1905 ein sehr ähnliches Modell aufgestellt. Das Bucherer-Langevin Modell war eine Alternative:

  • zum Elektronenmodell von Hendrik Antoon Lorentz (1899), Poincaré (1905, 1906), und Einstein (1905), wonach das Elektron aufgrund der Längenkontraktion zwar auch kontrahiert, jedoch senkrecht dazu nicht expandiert,
  • und dem Modell von Max Abraham, wonach das Elektron als starr aufzufassen ist.

Alle drei Modelle sagten voraus, dass die Masse eine Elektrons zunimmt, je näher es sich der Lichtgeschwindigkeit annähert. Nachdem das Bucherer-Langevin Modell relativ schnell verworfen wurde, ging es darum, zwischen der Abrahamschen und der Lorentz-Einsteinschen Hypothese zu unterscheiden. Besonders wichtig waren in diesem Zusammenhang Bucherers Experimente (1908), in welchen er die Experimente zur Geschwindigkeitsabhängigkeit der Masse von Walter Kaufmann verbessert wiederholte. Kaufmann war zwar der Erste (1901-1903), der nachwies dass die Masse mit der Geschwindigkeit variierte, jedoch glaubte er, dass die Daten seiner neueren Experimente (1905) eher für Abrahams Theorie sprachen. Bucherer hingegen glaubte, dass seine eigenen Experimente das Lorentz-Einsteinsche Modell und somit das Relativitätsprinzip bestätigt hätten. Dem folgend wurden in vielen Darstellungen Bucherers Messungen (welche 1914 z.b. von Neumann wiederholt wurden) als Bestätigung für die Spezielle Relativitätstheorie und die relativistische Masse und als Widerlegung der Abrahamschen Theorie gewertet. Jedoch später (1938) wurde festgestellt, dass die Kaufmann-Bucherer-Neumann Experimente zwar allgemein die Geschwindigkeitsabhängigkeit der Masse bestätigten, jedoch nicht genau genug waren, um zwischen den verschiedenen konkurrierenden Modellen zu unterscheiden. Das ist erst 1940 zugunsten der Relativitätstheorie gelungen.[6]

Bucherer kritisierte (1923, 1924) in einigen Arbeiten die Allgemeine Relativitätstheorie. Diese Kritik wurde jedoch von Wenzl zurückgewiesen, der auf eine Fehlinterpretation des Äquivalenzprinzips durch Bucherer verwies.[7]

Publikationen

  • Bucherer, A. H.: Die Wirkung des Magnetismus auf die electromotorische Kraft. In: Annalen der Physik. 294, Nr. 7, 1896, S. 564–578. doi:10.1002/andp.18962940710
  • Bucherer, A. H.: Nachtrag zu: Die Wirkung des Magnetismus auf die electromotorische Kraft. In: Annalen der Physik. 295, Nr. 12, 1896, S. 735–741. doi:10.1002/andp.18962951208
  • Bucherer, A. H.: Berichtigung zu "Magnetismus und electromotorische Kraft". In: Annalen der Physik. 297, Nr. 8, 1897, S. 807. doi:10.1002/andp.18972970814
  • Bucherer, A. H.: Zur Theorie der Thermoelektricität der Elektrolyte. In: Annalen der Physik. 308, Nr. 10, 1900, S. 204–209. doi:10.1002/andp.19003081004
  • Bucherer, A. H.: Ueber das Kraftfeld einer sich gleichförmig bewegenden Ladung. In: Annalen der Physik. 313, Nr. 6, 1902, S. 326–335. doi:10.1002/andp.19023130606
  • Bucherer, A. H.: Elemente der Vektor-Analysis mit Beispielen aus der theoretischen Physik. Leipzig: Teubner 1903
  • Bucherer, A. H.: Mathematische Einführung in die Elektronentheorie. Leipzig: Teubner 1904
  • Bucherer, A. H.: Das deformierte Elektron und die Theorie des Elektromagnetismus. In: Physikalische Zeitschrift. 6, 1905, S. 833–834
  • Bucherer, A. H.: Ein Versuch, den Elektromagnetismus auf Grund der Relativbewegung darzustellen. In: Physikalische Zeitschrift. 7, 1906, S. 553-557
  • Bucherer, A. H.: On a new Principle of Relativity in Electromagnetism. In: Philosophical Magazine. 13, 1907, S. 413–421
  • Bucherer, A. H.: The Action of Uniform Electric and Magnetic Fields on Moving Electrons. In: Philosophical Magazine. 13, 1907, S. 721
  • Bucherer, A. H.: Messungen an Becquerelstrahlen. Die experimentelle Bestätigung der Lorentz-Einsteinschen Theorie.. In: Physikalische Zeitschrift. 9, 1908, S. 755–762
  • Bucherer, A. H.: On the Principle of Relativity and on the Electromagnetic Mass of the Electron. A Reply to Mr. Cunningham. In: Philosophical Magazine. 15, 1908, S. 316–318
  • Bucherer, A. H.: Die experimentelle Bestätigung des Relativitätsprinzips. In: Annalen der Physik. 333, Nr. 3, 1909, S. 513–536. doi:10.1002/andp.19093330305
  • Bucherer, A. H.: Nachtrag zu meiner Arbeit: "Bestätigung des Relativitätsprinzips". In: Annalen der Physik. 334, Nr. 10, 1909, S. 1063. doi:10.1002/andp.19093341011
  • Bucherer, A. H.: Antwort auf die Kritik des Hrn. E. Bestelmeyer bezüglich meiner experimentellen Bestätigung des Relativitätsprinzips. In: Annalen der Physik. 335, Nr. 15, 1909, S. 974–986. doi:10.1002/andp.19093351506
  • Bucherer, A. H.: Erwiderung auf die Bemerkungen des Hrn. A. Bestelmeyer. In: Annalen der Physik. 338, Nr. 14, 1910, S. 853–856. doi:10.1002/andp.19103381414
  • Bucherer, A. H.: Die neuesten Bestimmungen der spezifischen Ladung des Elektrons. In: Annalen der Physik. 342, Nr. 3, 1912, S. 597–598. doi:10.1002/andp.19123420311
  • Bucherer, A. H.: Gravitation und Quantentheorie. II. In: Annalen der Physik. 373, Nr. 14, 1922, S. 545–550. doi:10.1002/andp.19223731403
  • Bucherer, A. H.: Berichtigung zur Arbeit "Die Rolle des Standorts in der Relativitätstheorie". In: Annalen der Physik. 379, Nr. 9, 1924, S. 104. doi:10.1002/andp.19243790906

Einzelnachweise

  1. Max von Laue: Bucherer, Alfred Heinrich. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 2, Duncker & Humblot, Berlin 1955, S. 700.
  2. Crowe, M. J.: A History of Vector Analysis: The Evolution of the Idea of a Vectorial System. University of Notre Dame Press, Notre Dame 1967. 
  3. Darrigol, Olivier: Bucherer's theory. In: Electrodynamics from Ampére to Einstein, S. 369-372, Oxford: Clarendon Press 2000, ISBN 0198505949
  4. Planck, Max: Die Kaufmannschen Messungen der Ablenkbarkeit der β-Strahlen in ihrer Bedeutung für die Dynamik der Elektronen. In: Physikalische Zeitschrift. 7, 1906b, S. 753-761
  5. Miller, A.I.: Albert Einstein’s special theory of relativity. Emergence (1905) and early interpretation (1905–1911). Addison–Wesley, Reading 1981, ISBN 0-201-04679-2. 
  6. Janssen, M., Mecklenburg, M.: From classical to relativistic mechanics: Electromagnetic models of the electron. In: V. F. Hendricks, et.al. (Hrsg.): Interactions: Mathematics, Physics and Philosophy. Springer, Dordrecht 2007, S. 65–134. 
  7. Wenzl, M.,: Gegen ein Mißverständnis der Äquivalenzhypothese. In: Annalen der Physik. 377, 1923, S. 457-460. 

Siehe auch


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