Grundwortstellung

Grundwortstellung

Die Sprachtypologie ist ein System (eigentlich mehrere solcher Systeme) zur Klassifizierung von Sprachen anhand grammatischer Merkmale. Die typologische Klassifikation unterscheidet sich von der genetischen Klassifikation, welche Sprachen nach primären etymologischen Ursprüngen, das heißt nach ihren Ursprachen, in Sprachfamilien einordnet, und von der geographischen Klassifikation, welche Sprachen aufgrund von durch anhaltenden Sprachkontakt entstandenen Ähnlichkeiten in Sprachbünden gruppiert.

Eine typologische Klasse wird Sprachtyp genannt.

Es bestehen verschiedene Ansätze zur Sprachtypologie.

Inhaltsverzeichnis

Morphologische Sprachtypologie

Klassische Morphologische Typologie

Zu den frühesten Typologien gehört die von August Wilhelm Schlegel und Wilhelm von Humboldt. Sie teilten die Sprachen aufgrund morphologischer Kriterien in synthetische und analytische Sprachen ein.[1]

Die moderne, mit Parametern operierende morphologische Typologie

Obwohl die klassische Klassifikation auch heute noch häufig verwendet wird, sind in der jüngeren Vergangenheit einige Schwachpunkte des Systems kritisiert worden: Das größte Manko ist, dass die klassische morphologische Typologie eine Reihe starrer Sprachtypen postuliert, die bestenfalls Prototypen repräsentieren und in ihrer reinen Form nur sehr selten zu finden sind. Zum Beispiel kann eine Sprache überwiegend agglutinierende Affixe, aber auch einige fusionale Elemente besitzen. Deshalb ist in den letzten Jahrzehnten ein alternatives Klassifikationssystem vorgeschlagen worden, das nicht mit vorgefertigten Typen, sondern mit zwei Parametern arbeitet, auf denen Sprachen sich mit jeweils fließenden Übergängen bewegen.[3]

  • Der erste Parameter ist die Morphem-pro-Wort-Rate, Kriterium ist also die Anzahl an Morphemen pro Wort. Extremfälle, die die Endpunkte der Skala markieren (aber eben nicht die einzigen Möglichkeiten darstellen) wären auf der einen Seite völlig isolierende Sprachen (typischerweise genau ein Morphem pro Wort), auf der anderen Seite polysynthetische Sprachen (typischerweise potentiell sehr viele Morpheme pro Wort).
  • Der zweite Parameter ist der Fusionsgrad, also das Ausmaß der Segmentierbarkeit der grammatischen Morpheme. Extremfälle wären hier hochgradig fusionierende Sprachen (mit geringer Segmentierbarkeit und hoher morphophonologischer Varianz der Morpheme) und Agglutination (Segmentierbarkeit und Invarianz der Morpheme).

Durch die Kombination der beiden Parameter lassen sich sehr viele Sprachen der Welt zufriedenstellend charakterisieren.

Aussagen wie „Türkisch ist eine agglutinierende Sprache“, bei denen nur eine Angabe zum Sprachtyp gemacht wird, beziehen sich auf die klassische morphologische Typologie, wenn zwei Angaben gemacht werden ist zumeist die modernere Variante als zugrundeliegend impliziert. Die Aussage „Nahuatl ist eine agglutinierende, polysynthetische Sprache“ (vgl. den entsprechenden Artikel) ist also so zu lesen, dass es sich um eine Sprache mit vielen Morphemen pro Wort handelt (polysynthetisch), wobei diese zumeist segmentierbar sind (agglutinierend).

Sprachtypologie mit den Mitteln der Statistik

Im Bewusstsein, dass Sprachen Eigenschaften wie „isolierend“, „agglutinierend“ oder „flektierend“ in unterschiedlichem Maße aufweisen, wurden von Greenberg [4] insgesamt 10 Maße für morphologische und syntaktische Eigenschaften entwickelt, die es erlauben, den Grad, in dem eine Sprache eine bestimmte Eigenschaft aufweist, genau zu messen. Das bekannteste Maß ist der sog. „Syntheseindex“, in dem die Zahl der Morpheme eines Textes in Relation zur Zahl der Wörter gebracht wird, in denen diese Morpheme vorkommen. Als Ergebnis erhält man eine Charakteristik für eine betrachtete Sprache, die aus 10 Messwerten besteht und exakte Vergleiche mit beliebigen anderen Sprachen ermöglicht. Dieses Konzept wurde von Altmann & Lehfeldt[5] weiterentwickelt, in dem sie die theoretischen Grundlagen erörtert und gezeigt haben, dass zwischen den Indizes (Maßen) Korrelationen bestehen. Sie haben ferner gezeigt, wie man auf dieser Basis mit Hilfe der numerischen Taxonomie zu einer typologischen Klassifikation der Sprachen kommen kann und mit welchem Ergebnis. Eine Fortführung dieser Ansätze findet sich bei Silnitzki[6], der u.a. ein weiteres Sprachmaß testet und weitere Sprachen in seine Untersuchungen einbezieht.

Wortstellungstypologie

Ein neuerer Ansatz ist die Universalienforschung von Joseph Greenberg, die nach allgemein auftretenden Strukturgesetzmäßigkeiten in den Sprachen der Welt sucht. Ein Beispiel hierfür ist die Wortstellungstypologie, die auf syntaktischen Kriterien beruht. Sie klassifiziert Sprachen nach der Reihenfolge von Subjekt, Objekt und Verb im Satz. Den jeweiligen dieser Sprachtypen einer Klasse nennt man häufig auch einfach nur selbst „Typ der Sprache“:

In fast allen Sprachen geht allerdings das Subjekt dem Objekt voraus, sodass die folgenden drei Typen nur sehr vereinzelt auftreten:

  • VOS Verb-Objekt-Subjekt, z. B. Malagasy, Javanesisch
  • OSV Objekt-Subjekt-Verb, z. B. Xavante
  • OVS Objekt-Verb-Subjekt, z. B. Guarijio

Beim Deutschen und Niederländischen wird diese Klassifikation dadurch erschwert, dass das Verb oft in mehreren Teilen über den Satz verteilt wird und Subjekt wie Objekt auch dazwischen platziert werden können, beispielsweise: „Im Wald habe ich einen Fuchs gesehen“. Diese Sprachen werden daher häufig als V2-Sprachen klassifiziert, da sich das gebeugte Prädikat (unabhängig von der Position von Subjekt und Objekt) in jedem Fall an der zweiten Stelle eines Hauptsatzes befindet. Häufiger wird allerdings die im Nebensatz verwendete Reihenfolge als Grundwortstellung angenommen, in diesem Beispiel also „dass ich im Wald einen Fuchs gesehen habe“. In der Nebensatz-Stellung nimmt das Subjekt eine feste Position ein und die einzelnen Teile des Verbs können nicht voneinander getrennt werden, sodass das Deutsche dementsprechend als SOV klassifiziert werden kann.

Einige Sprachen, insbesondere stark flektierende, bereiten bei der Einordnung in dieses System besondere Probleme, da sie im Grunde jede beliebige Reihenfolge von Verb und Objekt zulassen. Beispiele sind Latein und die polnische Sprache. Dies liegt aber eher an dem syntaktischen Analyse-Ansatz, der hier nicht weiterhilft. Dagegen scheint ein pragmatischer Ansatz weiterzuhelfen wie etwa derjenige, den die „Funktionale Grammatik“ von S. C. Dik bereitstellt und der grob zwischen Topik (der bekannte Aktant, über den etwas ausgesagt wird) und Fokus (das wichtigste Element der Äußerung) unterscheidet. Auch im noch stärker flektierenden Altgriechischen hilft dieser Ansatz weiter, wie H. Dik in zwei Büchern über Herodot und die Tragödiensprache von 1995 und 2007 gezeigt hat. Allerdings relativieren solche pragmatischen Analyseansätze die weitgehend syntaktisch arbeitenden Wortstellungstypologien nicht unerheblich.

Theo Vennemann und Winfred Lehmann haben die sechs grundlegenden Typen durch Herausnahme des Subjektes auf zwei reduziert (VO und OV). Die weitreichenden Konsequenzen, insbesondere sprachhistorischer Natur, die sie daraus ableiten, sind in der Fachwelt allerdings umstritten[7]

Relationale Typologie (morphosyntaktische Ausrichtung)

Die relationale Typologie klassifiziert Sprachen bezüglich ihres morphosyntaktischen Ausdrucks der fundamentalen grammatischen Relationen (siehe Akkusativ-, Aktiv- und Ergativsprache).

Phonologische Sprachtypologie

Je nach Forschungsinteresse kann man typologischen Betrachtungen Kriterien aus allen Teildisziplinen der Linguistik zu Grunde legen. Aus phonologischer Perspektive kann man Sprachen beispielsweise in akzentzählende beziehungsweise silbenzählende einteilen. Siehe auch: Sprechrhythmus.

Siehe auch

Literatur

  • Joseph H. Greenberg (Hrsg.): Universals of Language. The M.I.T. Press, Cambridge, Mass. 1966.
  • Harald Haarmann: Grundzüge der Sprachtypologie. Kohlhammer, Stuttgart 1976, ISBN 3-17-002486-8
  • Gustav Ineichen: Allgemeine Sprachtypologie. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1991, ISBN 3-534-07409-2
  • Thorsten Roelcke: Sprachtypologie des Deutschen. de Gruyter, Berlin/ New York 1997, ISBN 3-11-015276-2
  • Hansjakob Seiler (Hrsg.): Language Universals. Narr, Tübingen 1978, ISBN 3-87808-111-1
  • Winfred P.Lehmann: Syntactic Typology: Studies in the Phenomenology of Language. University of Texas Press, Austin 1978, ISBN 0-292-77545-8, S. 463 (http://www.utexas.edu/cola/centers/lrc/books/type00.html ; Englisch). 

Einzelnachweise

  1. http://www.cl.uni-heidelberg.de/kurs/ss07/morph/ws03_morph_grundbegriffe-c4.pdf morph_grundbegriffe-c4.pdf Skript Uni Heidelberg SS07]
  2. http://www.fask.uni-mainz.de/inst/iaspk/Linguistik/Morphologie/Typologie.html
  3. siehe Bernard Comrie: Language Universals and Linguistic Typology. Chicago University Press, Chicago 1989, insbesondere Kapitel 2.3
  4. Joseph H. Greenberg: A quantitative approach to the morphological typology of languages. In: International Journal of American Linguistics. Band 26, 1960, S. 178–194.
  5. Gabriel Altmann und Werner Lehfeldt: Allgemeine Sprachtypologie. Fink, München 1973, ISBN 3-7705-0891-2
  6. George Silnitsky: Typological Indices and Language Classes. A Quantitative Study. In: Gabriel Altmann (Hrsg.): Glottometrika. Band 14, Wissenschaftlicher Verlag Trier, Trier 1993, ISBN 3-88476-081-5, S. 139–160
  7. Contra: Bernard Comrie: Language Universals and Linguistic Typology. Chicago University Press, Chicago 1989 (Englisch); vorsichtig pro: Larry Trask: Historical Linguistics. Hodder Arnold, London 1996, 8.3, ISBN 0-340-60758-0. (Englisch), 8.8

Weblinks


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