- Größter anzunehmender Unfall
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Ein Auslegungsstörfall (auch GAU, für Größter Anzunehmender Unfall) ist ein statistisch unwahrscheinlicher, schwerer Störfall in einem Kernkraftwerk, für den die Anlage noch ausgelegt ist, ohne dass radioaktive Strahlung über die zulässigen Grenzwerte hinaus aus der Anlage austritt. Es ist der größte Unfall, der bei der Planung einer kerntechnischen Anlage anzunehmen ist, und dessen Beherrschbarkeit im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens nachzuweisen ist.
Der Begriff Auslegungsstörfall wird von staatlichen Stellen und Kraftwerksbetreibern der älteren und bekannteren Bezeichnung GAU vorgezogen. Er weist darauf hin, dass es sich um Störfälle handelt, die bereits durch Analysen in der Planungsphase berücksichtigt wurden und gegen die Kraftwerke redundant ausgelegt sind.
Inhaltsverzeichnis
GAU
Bei der Planung einer kerntechnischen Anlage müssen unterschiedliche Szenarien berücksichtigt werden. Es sind verschiedene Störfälle denkbar, die zur Freisetzung von strahlendem Material führen würden, wenn die Anlage nicht gegen einen solchen Unfall ausgelegt wäre. Bei deutschen Kernkraftwerken mit Druckwasserreaktor wäre ein GAU beispielsweise ein Bruch der Hauptkühlmittelleitung mit massivem Kühlmittelverlust.
Da mit der Zeit neue Erkenntnisse über mögliche Unfallabläufe gewonnen werden, kann es notwendig sein, dass die Definition des GAU für ein bestimmtes Kernkraftwerk verändert wird. Der GAU ist also keine Konstante, sondern muss immer wieder neu bewertet werden. Das kann beispielsweise das Nachrüsten von zusätzlichen Sicherheitseinrichtungen erforderlich machen oder gegebenenfalls bis zum Entzug der Betriebsgenehmigung führen.
Ein Beispiel dafür sind die Folgerungen aus dem Unfall in Three Mile Island im Jahr 1979. Dort entstanden durch eine chemische Reaktion von Wasser mit dem heißen Material des geschmolzenen Reaktorkerns innerhalb weniger Stunden etwa tausend Tonnen Wasserstoffgas. Diese Gasentwicklung war in der Auslegung der Kernkraftwerke bis dahin nicht berücksichtigt worden. Einige Jahre nach dem Unfall wurden die Betreiber deutscher Kernkraftwerke verpflichtet, Vorkehrungen gegen diese Gefahr zu treffen. Das geschah durch die Nachrüstung der Anlagen mit im Notfall zu betätigenden Ventilen (Wallmann-Ventil) und Rekombinatoren.
Super-GAU
Als Super-GAU wird ein Unfall bezeichnet, bei dem stärkere Belastungen auftreten, als beim schlimmsten Störfall, für den die Anlage noch ausgelegt wurde.
Mit der Vorsilbe „Super“ wird angedeutet, dass die Folgen des GAU übertroffen werden. Dabei wird „Super“ linguistisch korrekt in der lateinischen Bedeutung „über“, „darüber hinaus“ verwendet. Bei Kernkraftwerken ist der Begriff daher synonym mit der etwas umständlicheren Umschreibung Auslegungsüberschreitender Störfall.
Eine Bedingung für die Genehmigung von kerntechnischen Anlagen ist der Nachweis, dass selbst im Falle des größten anzunehmenden Unfalls (GAU) kein radioaktives Material der Anlage an die Umwelt abgegeben wird. Bei einer Freisetzung von Radioaktivität jenseits der gesetzlich festgelegten Grenzwerte ist daher nach Definition der Rahmen des GAU überschritten und der Super-GAU eingetreten. Streng genommen erfüllt ein Unfall ab INES-Stufe 5 diese Bedingung. Es ist jedoch üblich, erst schwere und katastrophale Unfälle mit Super-GAU zu bezeichnen (INES 6 und INES 7). Bekanntestes Beispiel für einen Super-GAU ist die Katastrophe von Tschernobyl.
Umgangssprachliche Verwendungen von „GAU“ und „Super-GAU“
Umgangssprachlich werden die Begriffe auch in anderen Zusammenhängen benutzt.
Zum einen werden sie – wie bei den kerntechnischen Anlagen – für einen Unfall verwendet, bei dem vorher geplante Sicherheitsmaßnahmen versagen und ein besonders großer, katastrophaler Schaden eintritt.
Noch allgemeiner stehen beide für den schlimmsten denkbaren Fall, der eintreten kann. Umgangssprachlich wird dabei zwischen „GAU“ und „Super-GAU“ kaum unterschieden.
Ein synonymer Anglizismus lautet Worst Case-Szenario.
Besonders im ostdeutschen Sprachraum werden technische Unfälle, einschließlich kerntechnischer Unfälle mit katastrophalen Folgen, als Havarie bezeichnet.
Der Abkürzung GAU angelehnt ist scherzhaft der DAU.
Siehe auch
- Sicherheit von Kernkraftwerken
- Liste von Unfällen in kerntechnischen Anlagen
- Kühlmittelverluststörfall
Weblinks
- Manfred Quiring: 1957 - Der bestverschwiegene GAU der Geschichte (Welt Online, 26. September 2007 - über die „Havarie“ in der Plutoniumfabrik Majak im Südostural 1957)
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