Gütekriterien psychodiagnostischer Verfahren

Gütekriterien psychodiagnostischer Verfahren

Jede wissenschaftliche Messmethode muss bestimmten Gütekriterien (im Sinne von Qualitätskriterien) genügen. Objektivität und Zuverlässigkeit sind Forderungen für nahezu alle Messungen. Im engeren Sinne sind diese Kriterien für psychologische Tests verfeinert worden – sie sind Spezifikationen mehr oder weniger allgemeingültiger Gütekriterien für wissenschaftliche Erkenntnismethoden.

Unterschieden werden Haupt- und Nebengütekriterien.

Als Hauptgütekriterien gelten in sich ausschließender Reihenfolge (d. h. jede nachfolgende Stufe ist nur nach Erfüllung der vorhergehenden zu erreichen):

  • Objektivität (Sind die Ergebnisse unabhängig von Einflüssen der Untersucher oder der Untersuchungssituation bei Durchführung, Auswertung und Interpretation zustande gekommen?)
  • Reliabilität (Wird das Merkmal zuverlässig gemessen oder ist die Messung in zu großem Ausmaß mit Messfehlern behaftet?)
  • Validität (Misst das Verfahren tatsächlich das gewünschte Merkmal? Ist das Verfahren für die Messung des Merkmales tauglich?) In der Psychologischen Diagnostik werden die einzelnen Messmethoden hinsichtlich ihrer Validität in zwei Beziehungen beurteilt:
    • Wird das gewünschte Merkmal durch die Methode gemessen (z. B. wird tatsächlich Intelligenz oder Konzentration oder Extraversion gemessen)?
    • Ist mittels dieses Merkmales eine diagnostische Entscheidung mit entsprechender Güte zu treffen (z. B. kann aufgrund des gemessenen Testwertes eine Zulassungsentscheidung für ein Studium getroffen werden oder kann aufgrund des Konzentrationswertes auf Aspekte der Fahrtauglichkeit geschlossen werden)?

Nebengütekriterien sind unter anderem

  • Utilität (Ist das Verfahren nützlich oder tauglich für die Beantwortung einer speziellen Fragestellung?). Dies wird manchmal auch als externe Validität (der Messung für die Entscheidung) bezeichnet.
  • Testfairness (Werden Personengruppen z. B. nach Alter, Geschlecht, Regionen u. a. gleich behandelt, haben sie die gleichen Chancen auf ein entsprechendes Testergebnis?)
  • Testökonomie (Steht der Aufwand der Verfahrensanwendung im Verhältnis zum Nutzen durch das Verfahren, wird die Information des Verfahrens für die diagnostische Entscheidung wirklich benötigt?)
  • Transparenz (Beinhaltet das Verfahren verständliche Instruktionen? Kann der Kandidat sich vorher genügend mit dem Verfahren vertraut machen (ggf. sogar durch Übungsitems)? Gibt es danach ein angemessenes Feedback?)
  • Unverfälschbarkeit (Ist das Verfahren so konstruiert, dass der Kandidat seine Ergebnisse möglichst nicht gezielt steuern oder verfälschen kann?)
  • Zumutbarkeit (Belastet das Verfahren den Kandidaten in zeitlicher, psychischer und körperlicher Hinsicht nicht über Gebühr?)
  • Normierung (Die Normierung eines Tests liefert das Bezugssystem, um die individuelle Testergebnisse im Vergleich zu denen einer größeren und meist repräsentativen Stichprobe von Testteilnehmer einordnen zu können)

Beispiel Schulnoten als Anwendung in einem anderen Bereich

  • Objektivität: Sind die Noten frei von Willkür, z. B. durch unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe?
  • Reliabilität/Zuverlässigkeit: Werden gleiche Leistungen in einer Arbeit gleich bewertet und drücken sich Leistungsunterschiede von Personen angemessen in Notenunterschieden aus?
  • Validität/Gültigkeit: Ist eine Fach-Note aussagefähig für einen entsprechenden Wissensstand für ein bestimmtes Fach?
  • Fairness: Gibt es Benachteiligungen für bestimmte Personengruppen?

Literatur

  • Gustav A. Lienert, Ulrich Raatz: Testaufbau und Testanalyse. 6. Auflage. BeltzPVU, Weinheim 1998, ISBN 3-621-27424-3 („Klassiker“ in diesem Bereich).
  • M. Amelang, L. Schmidt-Atzert: Psychologische Diagnostik und Intervention. 4 Auflage. Springer, 2006.

Siehe auch


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