H. P. Berlage

H. P. Berlage
Hendrik Petrus Berlage

Hendrik Petrus Berlage (oft auch HP Berlage, * 21. Februar 1856 in Amsterdam; † 12. August 1934 in Den Haag), war ein niederländischer Architekt an der Schwelle vom Historismus zur Moderne.

Inhaltsverzeichnis

Werdegang und Architektur

Berlage nahm zunächst ein Studium an der Reichsakademie für Bildende Künste in Amsterdam auf, um Maler zu werden, brach dieses aber nach einem Jahr ab und begann ein Architekturstudium unter Gottfried Semper und Eugène Viollet-le-Duc am Polytechnikum Zürich, das er 1878 abschloss. Anschließend begab er sich auf eine dreijährige Reise, vor allem durch Italien und Deutschland. 1881 kehrte er in seine Heimat zurück und trat in das Amsterdamer Büro des Ingenieurs Theodore Sanders ein, dessen Partner er von 1884 bis 1889 war, bevor er sich mit einem eigenen Architekturbüro selbständig machte.

Obwohl selbst im Sinne des Historismus ausgebildet, übte Berlage bald heftige Kritik an dieser Stilrichtung, die er als unehrlich und nicht mehr zeitgemäß empfand. In seinem Text „Baukunst und Impressionismus“ von 1893 entwarf Berlage ein Bild der Architektur in einer (von ihm erhofften) demokratischen Gesellschaft. Die neue Gesellschaftsform sollte ihren Niederschlag finden in einer erschwinglichen, einfachen und damit allgemeinverständlichen Architektur. Gerade auch um sich angesichts von Sparzwängen neben den reinen Ingenieuren behaupten zu können, müssten sich die Architekten in Einfachheit üben, so Berlage, und künstlerische Qualität ohne Mehrkosten anbieten.

In der Folge traten bei Berlages Bauten die historischen Formen (v. a. der Renaissance) immer weiter in den Hintergrund. Die Werke der folgenden Jahre – etwa die Bauten für "De Nederlanden..." und die Amsterdamer Börse – zeichnen sich durch zunehmende Flächigkeit und Blockhaftigkeit aus. Das unverputzte Backsteinmauerwerk ist (oft auch für das Innere) prägend, Schmuckformen werden weitestgehend in die Mauerfläche integriert. Die oft monumentale Wirkung der Bauten beruht vor allem auf einer charakteristischen Silhouette und der harmonischen Massenverteilung. Im Entwurf geht Berlage vom Raumbedarf aus, der möglichst funktional befriedigt wird. Die rationale innere Raumverteilung wird nicht hinter einer einheitlichen, symmetrischen Fassade versteckt, sondern zeichnet sich oft deutlich am Äußeren ab.

In den folgenden Jahrzehnten seiner langen Laufbahn blieb Berlage seinen Grundprinzipien treu. Der traditionelle Backstein wurde teilweise durch moderne Baustoffe ersetzt. Etwa bei der Christian Science Church in Den Haag oder dem Gemeindemuseum von Den Haag gelangte Berlage so zu einer durchaus modernen Formensprache.

Werke (Auswahl)

Amsterdamer Börse
Gemeentemuseum, Den Haag
  • Volkshaus, Lochem (1891/92)
  • Villa Heymans, Groningen (1893-95)
  • Gebäude für „De Nederlanden van 1845“, Amsterdam (1894-96 + 1910/11)
  • Gebäude für „De Nederlanden...“, Den Haag (1895/96 + 1908/09)
  • Amsterdamer Börse (1896-1903)
  • Hauptgebäude für „Algemeene Nederlandsche Diamantbewerkersbond“, Amsterdam (1897-1900)
  • Villa Henny, Den Haag (1898)
  • Landwirtschaftlicher Komplex „De Schipborg“ (1914)
  • Holland House, London (1914-16)
  • Jagdhaus St. Hubertus, Hoenderloo (1914-20)
  • Gemeindemuseum, Den Haag (1919-20 + 1928-35)
  • Gebäude für „De Nederlanden...“, Den Haag (1920-27)
  • Christian Science Church, Den Haag (1925/26)
  • Rathaus, Usquert (1928-30)

Neben den bekannten Bauwerken beschäftigte sich Berlage intensiv mit Fragen des sozialen Wohnungsbaus und der Stadtplanung (Pläne für Amsterdam-Süd 1900-05 sowie 1914-17; Erweiterungsplan für Den Haag 1907-11). Außerdem lieferte er für seine Bauten zum Teil auch die Inneneinrichtung und arbeitete eng mit Bildhauern und anderen Künstlern zusammen. Er hielt zahlreiche Vorträge in den Niederlanden und im Ausland, veröffentlichte Artikel und Bücher.

Historische Einordnung Berlages

Berlages Ideen und Werke sind keine isolierten Erscheinungen, sondern müssen im Zusammenhang der zeitgenössischen internationalen Entwicklung betrachtet werden.

Bestimmender niederländischer Architekt während Berlages Anfangszeit war PJH Cuypers. Zwischen ihm, Vertreter eines bereits rational geprägten Historismus, und dem jüngeren Kollegen bestand gegenseitiger Respekt, und Cuypers Schüler KPC de Bazel und Lauweriks befassten sich zeitweise mit ähnlichen Fragen wie Berlage. Im europäischen Rahmen muss auf die Österreicher Adolf Loos und Josef Hoffmann, die Briten Charles Voysey und Charles Rennie Mackintosh sowie das Stockholmer Rathaus von Ragnar Østberg verwiesen werden.

Berlage sah die USA als fortschrittlichste Gesellschaft seiner Zeit und damit auch als Vorreiter in künstlerischer Hinsicht. Seine Bauten wurden schon zu seinen Lebzeiten mit denen des US-Amerikaners Henry Hobson Richardson in Verbindung gebracht, bei dem Berlage selbst jedoch ein Haften an den historischen Vorbildern (in diesem Falle der Romanik) kritisierte. Louis Sullivan wurde kurz vor, Frank Lloyd Wright nur dreizehn Jahre nach Berlage geboren.

Damit ist die auf Berlage folgende Architektengeneration erreicht, mit der ihn ein zwiespältiges Verhältnis verbindet. In den Zwanziger Jahren wurde Berlage allgemein anerkannt. Architekten der Zeit wie JJP Oud würdigten seine Leistungen,er konnte sich mit den modernen Ausdrucksformen (De Stijl, Neues Bauen...) jedoch nicht mehr identifizieren, empfand sie als zu revolutionär und verkopft. Zu den massigen Backsteinbauten der von seinen Werken inspirierten Amsterdamer Schule dagegen fühlte er sich hingezogen, wenngleich er ihren fehlenden Rationalismus kritisieren musste.

Das 1990 gegründete Berlage Institute in Rotterdam ist nach ihm benannt.

Literatur

  • Hendrik P. Berlage: Über Architektur und Stil. Aufsätze und Vorträge 1894-1928. Birkhäuser 1991. ISBN 3764325879.
  • Bock, Manfred: Anfänge einer neuen Architektur. Berlages Beitrag zur architektonischen Kultur der Niederlande im ausgehenden 19.Jahrhundert. S'-Gravenhage / Wiesbaden 1983.
  • Polano, Sergio (Hrsg.): Hendrik Petrus Berlage. Mailand 2002.
  • Vincent van Rossem, Giovanni Fanelli, Sergio Polano: Hendrik Petrus Berlage: Complete Works. Phaidon, 2002. ISBN 1904313116.
  • Singelenberg, Pieter: H.P. Berlage. Idea and Style. The Quest for Modern Architecture. Utrecht 1972.

Weblinks


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