Handwebstuhl

Handwebstuhl
Moderner Webstuhl
Prähistorischer Webstuhl aus Lejre (Dänemark)
Webstuhl um 1568

Eine Webmaschine (regional auch als Webstuhl bezeichnet) ist eine Weiterentwicklung des Handwebstuhls und dient der industriellen Produktion von Geweben.

Inhaltsverzeichnis

Funktionsweise

Auf Webmaschinen werden Kettfäden von der Hinterseite der Maschine nach vorne geführt. Dabei werden Schussfäden jeweils von einer Seite zur anderen zwischen den Kettfäden durchgeschossen, so dass die Kettfäden beim fertigen Gewebe durch den Schussfaden zusammengehalten werden. Um dieses Durchschießen zu ermöglichen wird ein Teil der Kettfäden gehoben und der andere Teil abgesenkt. Dadurch entsteht eine Öffnung, durch die der Schussfaden durchgezogen werden kann. Diese Öffnung nennt man das Fach. Der Faden kann dabei auf verschiedene Art durchgeführt werden. Die älteste Form ist dabei der Schütze, der eine Garnspule trägt und durch das Fach durchgeschleudert wird. Es gibt auch Webmaschinen, wo der Schussfaden mit einem feinen Luft- oder Wasserstrahl von einer Seite durchgeblasen, mit einem Projektil durchgeschossen oder von zwei Greifern durch das Fach hindurchgereicht wird. Bei schmalen Bändern kann der Faden mit einer Nadel durchgefädelt werden und auf der anderen Seite verhäkelt werden.

Moderne Webmaschinen besitzen mehrere Fächer, sodass gleichzeitig mehrere Schussfäden hindurch geschossen werden können, um die Produktivität zu steigern. Damit sind auf solchen Webmaschinen bis zu 5000 m/min Schusseintrag möglich.

Das verwendete Verfahren hängt von der Breite der produzierten Gewebe ab. Möglich sind schmale Bandwebmaschinen bis Breitgewebe bis zehn Meter und mehr.

Durch das verschiedene Heben und Senken der Fäden entsteht die Bindung des Gewebes. Bei einfachen Geweben sind auf der Vorderseite Rahmen, so genannte Schäfte, wo jeweils ein Teil der Kettfäden durch Litzen auf und abbewegt werden. Diese Schäfte werden durch Exzenter oder Schaftmaschine auf und ab bewegt. Bei komplizierteren Geweben wird die Jacquardmaschine verwendet, wo jeder Kettfaden einzeln gehoben bzw gesenkt werden kann.

Damit das Gewebe nicht zu locker wird, schlägt nach jedem Schusseintrag ein Webblatt, Webkamm oder Riet den neu eingelegten Schuss an das Gewebe an. Dies geschieht während des Fachwechsels (Überkreuzen der Kettfäden); damit wird der neue Schuss in seiner Position fixiert.

In diesen Gewebe können auch in der Kettrichtung Gummifäden eingearbeitet werden, so dass das Gewebe elastisch ist. Dazu müssen die Gummifäden, die entweder nackt oder mit anderen Fäden umsponnen sein können, im ausgespannten Zustand verarbeitet werden. Der elastische Effekt wird aber auch durch so genannte Bauschgarne, die auch bis zu einem gewissen Grad elastisch sind, erreicht.

Speziell die Bandwebmaschinen haben durch ihre technischen Fortschritte in Musterung und Geschwindigkeit, sehr stark die Flechtmaschine ersetzt.

Geschichte

Senkrechtwebstuhl 1 Fuß, 2 Rahmen, 3 Querstreben, 4 Keile, 5 Pedale zum Betätigen der Schäfte, 6 Warenbaum, 7 Sperrad, 8 Hebel zum Drehen des Warenbaums und Spannen der Kettfäden, 9 Klinke, 10 Streichbaum, 11 Gewebe, 12 Blatt, 13 Lade, 14 Litzen, 15 Fach (Hinterfach), 16 Kettbaum, 17 Sperrad, 18 Klinke, 19 Umlenkrolle für Schaft, 20 Harnischschnur
Jacquard-Band-Webstuhl
Henni Jaensch-Zeymer im Websaal des aktiven Museum der Handweberei Geltow

Webstühle sind bereits aus dem Neolithikum bekannt und gehören damit zu den ältesten Maschinen der Menschheit. In archäologischen Fundzusammenhängen sind dabei meist nur Webgewichte aus Ton erhalten. Die ersten Webmaschinen waren die so genannten Bandmühlen, mit deren Hilfe im 16. Jahrhundert Bänder hergestellt wurden. Der älteste Entwurf eines mechanischen Webstuhls stammt von 1678, kam aber nie zur Ausführung.

1728 verwendete ein Seidenweber aus Lyon gelochte Holzbrettchen zu Steuerung seiner Webstühle. Jacques de Vaucanson aus Grenoble entwickelte diesen einfachen Webstuhl zu einem mechanisch durch eine hölzerne Lochkarte gesteuerten Modell weiter (1745). Mit diesem Automaten war es erstmals möglich, gemusterte Stoffe herzustellen. Jedoch kam das Gerät nie über den Status eines Prototypen hinaus und wurde nie industriell eingesetzt. Fast zeitgleich, nämlich 1733 erfand John Kay den Schnellschützen, der die Webgeschwindigkeit verdoppelte.

Waren diese Webstühle noch immer handbetrieben, so fand Vaucanson eine Möglichkeit, dass man sie mit einem Göpel durch ein Pferd oder durch einen Esel betreiben konnte. Das Muster wurde durch eine Nockenwalze erzeugt.

1785 erfand Edmond Cartwright den vollmechanisierten Webstuhl mit den Namen Power Loom. Durch diese Technik wurden sehr viele Arbeitsplätze vernichtet. Als Folge kam es zur Maschinenstürmerei und viele Webstühle wurden zerstört. Insbesondere der schlesische Weberaufstand von 1844 verdeutlichte das soziale Elend in dem niedergehenden Familienhandwerk.

Joseph-Marie Jacquard aus Lyon verbesserte die Maschine 1805 entscheidend, indem er Vaucansons Steuerungstechnik in Cartwrights Maschinen einbaute. Von jetzt an spielte die Webmaschine eine entscheidende Rolle in der Textilindustrie und der industriellen Revolution.

Diese Lochkartenwebstühle waren nicht nur einer der wichtigsten Beiträge zur Industrialisierung, sondern auch der Grundstein zur Entwicklung der Steuerungstechnik bis hin zum PC. Gewünschte Muster im Gewebe wurden auf einer Lochkarte gespeichert und mechanisch abgetastet. Heute erfolgt die Steuerung der Jaquardmaschinen natürlich vollelektronisch.

Die erste dampfbetriebene Webmaschine wurde im mittelenglischen Bradford gegen Ende des 19. Jahrhunderts eingesetzt.

Nicht zuletzt die Erfindung der Webmaschine löste die Befürchtung aus, technischer Fortschritt würde auf Dauer zu Massenarbeitslosigkeit führen. Diese noch von Ricardo und Marx vertretene Befürchtung wurde jedoch durch die Wirtschaftstheorie inzwischen als unplausibel erkannt (vgl. technischer Fortschritt).

Neben der Spinnmaschine war die Erfindung der Webmaschine einer der wichtigsten Meilensteine der industriellen Revolution. Durch sie veränderten sich die Produktionsbedingungen entscheidend und ehemalige Heimarbeiterinnen mussten sich fortan als Fabrikarbeiterinnen ein Auskommen schaffen.

Webmaschinen veränderten jedoch nicht nur die soziale Realität der Menschen, sondern auch die Produkte selber: Die kunsthandwerkliche Gestaltung wurde durch technisch perfekte Muster ersetzt. Exklusive Luxusartikel wurden zu bürgerlichen Konsumgütern und Massenwaren.

Museen

Ein bekanntes Bandwirkermuseum befindet sich noch in Wuppertal Ronsdorf oder ein lebendes Textilmuseum in Groß-Siegharts in Niederösterreich. Dabei kann man gut erkennen, wie früher die ersten Maschinen gearbeitet haben.

Im „Aktiven Museum Henni Jaensch-Zeymer“ wird vorwiegend Leinen in traditioneller Handweberei[1] an historischen Webstühlen verwebt. An mehreren Stühlen verschiedener Herkunft kann in der Handweberei in Geltow (nahe Potsdam) die Arbeitsweise besichtigt werden. In diesem Kunsthandwerksbetrieb wird Tisch- und Küchenwäsche, Wohnaccessoires und maßgeschneiderte Kleidung (quasi) im Museum gefertigt.

In Meldorf ist die Dithmarscher Museumsweberei zu besichtigen. Es ist eine Handweberei mit sieben Jaqcuard-Webstühlen. Auf diesen Webstühlen werden noch Beiderwand-Stoffe nach Kundenwunsch hergestellt.

Eine Besonderheit ist das Deutsche Damast- und Frottiermuseum in Großschönau in der Oberlausitz, dem (einst) wichtigen europäischen Zentrum der Damast- und Frottierweberei. Hier wird die Damast- und Frottierherstellung an funktionstüchtigen historischen Webstühlen demonstriert. Von 1666 bis 1933 stellten die Großschönauer echten Damast her. In keinem anderen Ort Deutschlands wurde so viel und so lange echter Damast gewebt. Auch die Frottierweberei hat in Großschönau eine lange Tradition. 1856 wurde hier der erste Frottierhandwebstuhl Deutschlands in Betrieb genommen. Das Museum zeigt technische Raritäten, die es nur noch in Großschönau gibt, wie einen funktionstüchtigen, rekonstruierten Damastzugwebstuhl aus dem Jahre 1835 und den letzten Frottierhandwebstuhl Deutschlands.

Siehe auch

Weblinks

  1. Beschreibung des Museums

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