Handwerksbetrieb

Handwerksbetrieb
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Schmiede-Vorführung

Als Handwerk werden viele gewerbliche Tätigkeiten (ars mechanica) bezeichnet, die ein Produkt auf Bestellung fertigen oder eine Dienstleistung auf Nachfrage erbringen. Der Begriff beschreibt ebenso die Produktion, die nicht im Auftrag erfolgt, und damit lediglich das mit der Hand vollbrachte Werk. Der Begriff bezeichnet auch den gesamten Berufsstand. Die handwerkliche Tätigkeit steht der industriellen Massenproduktion auf Vorrat gegenüber. Das handwerkliche Gewerbe wird in Deutschland verbindlich durch die Handwerksordnung geregelt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Historisches Handwerk: Böttcherei oder Fassbinderei

Im ländlich orientierten frühen Mittelalter existierten nur wenige handwerkliche Berufe. In geistlichen Grundherrschaften waren dies zum Beispiel Kunsthandwerk und Glasherstellung, das Bauhandwerk etwa bestand vornehmlich aus Steinmetzen und Maurern. Weitere häufig vorkommende handwerkliche Berufe waren Schmied oder Müller, deren Tätigkeiten schon damals eine umfangreichere Ausrüstung erforderten. Viele Handelsgüter aber wurden von unfreien Bauern auf Fronhöfen oder von freien Bauern auf dem eigenen Land erzeugt und weiterverarbeitet.

Vom Hochmittelalter und der Städtebildung an diversifizierte sich die Handwerkskultur. Begabte Handwerker zogen in die Städte, wovon sich viele bessere Absatz- und Gewinnchancen versprachen. Die steigende Nachfrage änderte das Arbeitsverhalten von einer punktuellen Auftragsarbeit hin zu einer ständigen Produktion. Die hergestellten Waren werden auf Märkten feilgeboten oder in Werkstätten und Läden ausgestellt und verkauft. Im Zuge dessen schlossen sich die städtischen Handwerker zu Zünften zusammen.

Für unabhängige Handwerker wurde es damit praktisch unmöglich zu arbeiten. Unzünftige Handwerker wurden stattdessen ordnungspolizeilich verfolgt. In der Stadt flüchteten sie gerne über die Hausböden traufseitig von Giebeldurchschlupf zu Giebeldurchschlupf ganze Straßenzüge entlang - daher ihr (niederdeutsche) Name Bönhase. In den ländlichen Gegenden zogen Handwerker dagegen lange Zeit umher - sie wurden Stöer genannt.

Außerhalb der Zünfte gab es jedoch sogenannte Freimeister, denen aufgrund besonderer Tätigkeiten und/oder Fertigkeiten Ausnahmegenehmigungen erteilt wurden. Johannes Gutenberg war beispielsweise ein solcher Freimeister, der sich als Handwerker nicht den Zwängen der Zünfte unterwerfen musste.

Bedingt durch die französische Revolution und die einsetzende Industrialisierung setzt sich im Europa des 18. Jahrhunderts schließlich langsam die Gewerbefreiheit durch, die jedem Bürger das Recht zubilligt, ein Handwerk eigener Wahl ausüben zu dürfen. Gesellen schließen sich zu Bünden zusammen; es kommt zu 194 dokumentierten städtischen Gesellenunruhen, Gesellenaufständen und Gesellenstreiks. Die Aufrührer verlangen dabei neben höheren Löhnen eben auch jene Gewerbefreiheit mit dem Recht auf freie Berufsausübung.

Spezielle deutsche Geschichte

Am 2. November 1810 wird die Gewerbefreiheit in Preußen eingeführt, später, am 21. Juni 1869, wird die Gewerbefreiheit per Reichsgesetz weiter ausgedehnt. Jeder Bürger ist nun berechtigt, einen Handwerksbetrieb zu gründen. 1897 und 1908 wird die Gewerbeordnung schließlich novelliert. Sie wird heute allgemein als Fundament des dualen Systems der Berufsausbildung betrachtet.

Insbesondere seitens der Handwerksmeister sind Bemühungen, die Gewerbefreiheit wieder zu beschränken, ersichtlich. So wird 1897 ein Handwerksgesetz verabschiedet, das eine Handwerkskammer legitimiert und der alle Handwerker beizutreten haben. 1908 wird der „kleine Befähigungsnachweis“ erlassen, der für die Ausbildung von Lehrlingen wieder den Meisterbrief erforderlich macht. Den Abschluss der Bewegung stellt die Handwerksordnung von 1935 mit der Wiedereinführung des großen Befähigungsnachweises dar, mit dem selbst für die Ausübung eines Handwerkes wieder der Meisterbrief verlangt wird.

Nach dem Krieg wurde in der amerikanischen Besatzungszone - nun nach US-Vorbild – eine fast schrankenlose Gewerbefreiheit eingeführt. Die vorgeschriebene Mitgliedschaft in den Kammern und Innungen (sogenanntes Institut der fakultativen Zwangsinnung) wurde nun zur freiwilligen Angelegenheit. Ab 10. Januar 1949 genügte eine Postkarte um ein Gewerbe anzumelden – der Meisterzwang entfiel. Wieder einmal setze ein Gründungsboom ein. Allein in München wurden im ersten Jahr der Gewerbefreiheit soviele Gewerbe angemeldet wie vorher insgesamt bestanden hatten.

Diese Freiheit wurde jedoch 1953 mit Verabschiedung der Handwerksordnung wieder eingeschränkt. Für 94 handwerkliche Berufe wurde abermals bundesweit die Meisterpflicht eingeführt. Federführend waren dabei die Bundestagsabgeordneten Richard Stücklen und Hans Dirscherl.

Diese Notwendigkeit des Meisterbriefes wird unter anderem mit besonderer Gefahrengeneigtheit und hohen Anforderungen an den Verbraucherschutz sowie die dafür nötige fundierte Berufsausbildung gerechtfertigt. Handwerkliche Selbständigkeit ohne Meisterbrief wird somit als ordnungswidrige Schwarzarbeit strafrechtlich verfolgt.

2003/2004 beschließt der Bundestag eine Novellierung dieser Regelung: In der Handwerksrechtsnovelle wird die Gewerbefreiheit in 53 Handwerksberufen (aufgeführt in der Anlage B der Handwerksordnung) wieder eingeführt. Für jene Berufsstände reicht nunmehr der kleine Befähigungsnachweis. Die übrigen 41 Handwerke (enthalten in der Anlage A der Handwerksordnung) behalten den Zwang zum großen Befähigungsnachweis, es sollen aber Alternativen zum Meisterbrief geschaffen werden.

Merkmale des Handwerks als spezieller Wirtschaftsbereich

Das Handwerk ist ein heterogener (also vielseitiger) Wirtschaftsbereich. Die Varianten reichen vom Industriezulieferbetrieb bis zum Handwerker im konsumnahen Umfeld, vom mittelständischen Unternehmen mit hunderten Mitarbeitern bis zum Kleinstbetrieb. Handwerksunternehmen sind aufgrund ihrer Größe und ihres Leistungsspektrums sowohl auf dem Absatz- als auch auf dem Arbeitsmarkt weitgehend lokal beziehungsweise regional orientiert. Viele Bereiche der Handwerkswirtschaft stehen in unmittelbarer Konkurrenz zur industriellen Fertigung und zur Schwarzarbeit. Letztere macht mittlerweile, mit steigender Tendenz, über 15 % des Bruttoinlandproduktes in Deutschland aus.

Deutschland

Tätigkeitsfelder

Die Handwerksbetriebe sind nach der Handwerksordnung in 41 zulassungspflichtigen, 53 zulassungsfreien und 57 handwerksähnlichen Gewerben tätig. Handwerk definiert sich über die in der Handwerksordnung ausgewiesenen Bereiche (Positivliste). Handwerk beschränkt sich hierdurch überwiegend auf Märkte, deren Expansionschancen in der wissensbasierten Ökonomie teilweise als begrenzt gelten. 43,4 % der Betriebe aus Anlage A sind im Bereich Metall/Elektro, 25,8 % im Bau- und Ausbaugewerbe, 15,6 % im Gesundheits-, Körperpflege oder Reinigungsgewerbe, 7,2 % im Bereich Holz, 6,7 % in den Nahrungsmittelgewerben, 1 % in der Handwerksgruppe Glas-, Papier-, Keramik- und sonstige Gewerbe und weniger als 1 % in der Bekleidungs-, Textil- und Lederbranche.

Ein eigenes Thema bzw. Tätigkeitsfeld ist der weit verbreitete Handwerker-Pfusch, womit zum einen die Schwarzarbeit oder das Arbeiten von Personen ohne fachliche Grundlage (die den legal Tätigen also ins Handwerk pfuschen) gemeint sind, zum anderen jede mangelhafte Ausführung eines Handwerks, auch Murks genannt. Laut Gewährleistungspflicht wird dann ein Nachbessern oder ein anderer Leistungsausgleich fällig. Der Streit darum beschäftigt vermehrt Gerichte, so dass eigene Gütestellen zur Regelung sogenannter Bagatellfälle eingerichtet wurden, siehe auch Handwerkerehre.

Betriebe und Beschäftigte

Durchschnittlicher Bruttostundenverdienst in einigen Handwerksberufen in Deutschland (2003 bis 2005)

In rund 887.000 Betrieben arbeiten knapp 5 Millionen Menschen, fast 500.000 Auszubildende werden im Handwerk ausgebildet. Somit sind zurzeit noch 12,8 % aller Erwerbstätigen und rund 31 % aller Auszubildenden in Deutschland im Handwerk tätig. Man muss allerdings von einer weitern Abnahme der Beschäftigtenzahlen im Handwerk ausgehen. Handwerksunternehmen sind überwiegend Kleinbetriebe. Eine handwerksbezogene Auswertung des IAB-Betriebspanels 2003 belegt, dass 50 % der Betriebe weniger als fünf Mitarbeiter und 94 % weniger als 20 Mitarbeiter haben. Etwa 20 % der Handwerker arbeiteten 2003 in Betrieben mit weniger als fünf Mitarbeitern, 35 % in Betrieben mit mehr als 20 Mitarbeitern. Die größte Gruppe der Handwerker (45 %) war somit in Betrieben mit fünf bis 20 Mitarbeitern tätig. Die durchschnittliche Betriebsgröße war 2003 im Handwerk mit 7,6 Beschäftigten nur halb so groß wie in der Gesamtwirtschaft. Im Jahr 2004 erreichte der Umsatz im Handwerk rund 462 Milliarden Euro. Seit mit der Novellierung der Handwerksordnung 2004 in vielen Gewerken der Meisterbrief als Voraussetzung für die Gründung entfiel, ist die Zahl der Handwerksbetriebe deutlich gestiegen, von 846.588 in 2003 auf 961.732 im Jahr 2007.

Personalstruktur und -entwicklung

Die persönliche Qualifikation der Mitarbeiter ist der entscheidende Erfolgsfaktor für die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit des Handwerks.

  • Der Facharbeiteranteil lag 2003 im Handwerk bei knapp 40 %. Ungelernte Arbeiter machten einen Anteil von nur 18 % aus. Angestellte waren im Handwerk mit 17 % in der Personalstruktur im Vergleich zur Gesamtwirtschaft (35 %) seltener vertreten.
  • Der Frauenanteil lag 2003 mit knapp 33 % erheblich unter dem gesamtwirtschaftlichen Schnitt von 43,3 %.
  • Im Jahr 2003 waren rund 25 % der Beschäftigten im Handwerk in nicht-standardisierten Arbeitsverhältnissen (zum Beispiel Teilzeitbeschäftigung) beschäftigt.
  • Mitarbeiter von Kleinbetrieben nehmen stark unterproportional an externen Weiterbildungsmaßnahmen teil (70,6 % der Großbetriebe greifen auf Angebote privater Weiterbildungsträger zurück, aber nur 16,2 % der Kleinbetriebe).
  • Die Löhne im Handwerk sind rund 22 % geringer als in der Industrie.

Unternehmensgründung

Die Gründungsquote im Handwerk betrug im Jahre 2001 etwa 4,7 % (gegenüber circa 12 % in der Gesamtwirtschaft). Allerdings weisen deutsche Handwerksunternehmen auch eine überdurchschnittliche Lebenserwartung auf. Dies könnte an wettbewerbsrechtlichen Rahmenbedingungen liegen, wie auch an einer besseren Vorbereitung der „gründungsbereiten“ Jungmeister durch den verlangten Meisterbrief (großer Befähigungsnachweis).

Perspektiven

Briefmarke 1968
Handwerk, Tradition und Fortschritt

Untersuchungen zur Zukunft des Handwerks haben Chancen und Risiken dieses speziellen Wirtschaftsbereiches mit folgenden Ergebnissen analysiert.

  • Viele Handwerksunternehmen können als KMU sehr flexibel und dynamisch im Wettbewerb agieren.
  • Sie sind allerdings häufig auch überproportional von ungenügenden Finanzierungsmöglichkeiten, Fachkräftemangel, fehlenden Erfahrungen und Ressourcen auf dem Gebiet der Außenwirtschaft und Kooperation sowie mangelnder Teilhabe an Forschung und Entwicklung betroffen.
  • Im Handwerk fallen traditionell niedrige Qualifikationserwartungen und gefordertes hohes Kompetenzprofil der Mitarbeiter zur Bewältigung komplexer Aufgaben immer weiter auseinander.
  • Dem Handwerk fehlt Öffentlichkeit. Es mag teils unflexibel, bürokratisch unübersichtlich und unmodern wirken.
  • Andererseits bietet das Handwerk hervorragende Identifizierungsmöglichkeiten. Handwerk steht für Regionalität, Herkunft, Authentizität, Handbearbeitung, Transparenz über Materialien, Inhalte und Verarbeitungsweisen. Handwerksunternehmen setzen in der Regel weniger auf Wachstum als auf Qualität und Balance.
  • Handwerk in Deutschland leistet, weitgehend öffentlich verkannt, innovative Beiträge zu Produktentwicklungen.
  • Handwerker liefern unter engem Kundenkontakt und Berücksichtigung der Kundenwünsche anspruchsvolle und individuelle Lösungen.
  • Handwerker reparieren, tauschen aus und restaurieren. Sie setzen in ökologischer und ökonomischer Notwendigkeit vermehrt auf Erhalt des Bestehenden.
  • Das Handwerk ist im Umschwung begriffen: Betriebe, die innovative, kreative und komplexe Leistungen anbieten, erfahren Aufschwung, wohingegen Low-Tech-Betriebe vermehrt mit wirtschaftlichem Abschwung rechnen.
  • Wegen explodierender Rohstoff- und Energiepreise erfahren Recycling, Energieeffizienz, minimierter Materialeinsatz und Reparaturen als Geschäftsfelder im Handwerk weitere Bedeutung.
  • Die Generation 35 plus fordert zukunftsweisende Handwerkerleistungen. Insbesondere Frauen, die zu 80 % über die Verteilung verfügbaren Einkommens der Haushalte entscheiden, sollten als Hauptzielgruppe gelten.
  • (Ältere) Kunden begnügen sich nicht allein mit qualitativ hochwertigen Handwerkerleistungen; sie erwarten kraft Wertewandels mehr an Spaß und Unterhaltung durch Produkte und Leistungen.
  • Erfolgreiche Gestaltung von Unternehmenskooperationen für handwerkliche KMU wird, auch in Anbetracht vieler Fehlgriffe, zur Überlebensfrage. Kooperativität verspricht, angestrebte Produktivität überproportional zu steigern.
  • Handwerk ist international gefragt, auch in europäischen Nachbarländern kommen deutsche Handwerker vermehrt zum Einsatz, etwa in Großbritannien, Polen, den Niederlanden und Norwegen, da dort andere strukturelle Entwicklungen zu einem Rückgang vergleichbarer Betriebe geführt haben.

Organisationsstruktur

Das Handwerk ist in Deutschland überaus stark organisiert:

Jeder zulassungspflichtige Handwerksbetrieb ist Pflichtmitglied in der für ihn zuständigen Handwerkskammer (vergleichbar der Industrie- und Handelskammer und Berufsgenossenschaft). Diese Kammern bilden regionale Kammertage, die Mitglied im Zentralverband des Deutschen Handwerks sind. Oberstes Organ der Handwerkskammern ist der Deutscher Handwerkskammertag.

Ferner sind viele Handwerksbetriebe in Innungen freiwillig organisiert. Diese Innungen sind in der Regel in Kreishandwerkerschaften regional und in Landesfach- beziehungsweise Landesinnungsverbänden fachlich organisiert. Sie bilden auf Bundesebene die Zentralfachverbände. Als Juniorenorganisation vertreten die Junioren des Handwerks die Interessen der jungen Handwerksmeister/innen und Führungskräfte im Handwerk.

Die 54 Handwerkskammern und 43 Zentralfachverbände bilden mit weiteren bedeutenden Einrichtungen des Handwerks den Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH)

Der ZDH ist Mitglied der UEAPME, der Europäische Union des Handwerks und der Klein- und Mittelbetriebe mit Sitz in Brüssel.

Die folgende Grafik gibt einen Überblick der deutschen Handwerksorganisation:

Aufbau der deutschen Handwerksorganisation

siehe auch

Literatur

  • Dispan, Jürgen (2003): Regionale Strukturen und Beschäftigungsperspektiven im Handwerk. Regionalanalyse, Entwicklungstrends, Herausforderungen, regionalpolitische Handlungsfelder, Umsetzungsansätze in der Region Stuttgart. Stuttgart (= Schriftenreihe Verband Region Stuttgart, Heft 20)
  • Kluge, Arnd (2007): Die Zünfte. Stuttgart

Siehe auch

Weblinks


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