Hans Alfred Grunsky

Hans Alfred Grunsky

Hans Alfred Grunsky (* 31. Juli 1902 in Stuttgart; † 20. Mai 1988 in Sibichhausen) war ein nationalsozialistischer deutscher Philosoph, der u. a. über Jakob Böhme arbeitete.

Inhaltsverzeichnis

Biografie

Er war der Sohn des Stuttgarter Historikers und Musikschriftstellers Karl Grunsky, der über Martin Luther, Richard Wagner und Anton Bruckner arbeitete, 1930 der nationalsozialistischen Bewegung beitrat und ebenfalls dezidiert in deren Sinne agitierte.[1]

Hans Alfred Grunsky war infolge einer Kinderlähmung zeitlebens Rollstuhlfahrer. Der NSDAP trat er am 1. Juni 1930 bei (Mitglieds-Nr. 264.685).[2][3] Er war ein fanatischer Nationalsozialist und lehrte eine antisemitische, rassistische und antikatholische Philosophie.[4] Sein Ziel war es, eine Philosophie im nationalsozialistischen Sinne zu etablieren. So hielt er eine Vorlesung über „Blutwelt und Freiheit“ und ein „Seminar der philosophierenden Mannschaft“. Daneben war er Autor und Herausgeber der NS-Schulungsbriefe.[2]

1937 wurde Grunsky Hauptlektor für Philosophie im Amt Rosenberg, 1938 „Hauptreferent für konfessionelle Fragen und Fragen des politischen Katholizismus“ im Reichsinstitut für Geschichte des Neuen Deutschlands.

Im September 1935 erhielt er die Lehrstuhlvertretung für Alexander Pfänder an der Ludwig-Maximilians-Universität München und wurde am 26. Mai 1937 auf diesem Lehrstuhl für Philosophie und Psychologie ordiniert. Die philosophische Fakultät der LMU hatte sich geweigert, ihn als Hochschullehrer zu berufen, da Grunsky ihr fachlich ungeeignet erschien. Doch Adolf Hitler persönlich berief ihn zum Ordinarius für Philosophie, ein in der Universitätsgeschichte auch damals unerhörter Vorgang.

Grunskys erste Aktion war – „in einer Manier, die selbst im 3. Reich ihresgleichen sucht“[5] – ein Gutachten über seine Fachkollegen. Darin teilte er dem Kultusminister Bernhard Rust mit, welche Kollegen Juden waren. Diese wurden umgehend aus dem Hochschuldienst entlassen. „Um die Berufung von H. Cysarz zu verhindern, schickte Grunsky ein Sitzungsprotokoll der philosophischen Fakultät an Winifred Wagner und fügte hinzu, Cysarz habe sich in seinen Schriften herablassend über Wagner geäußert.“[6]

Zu Grunskys Programm gehörte auch die Charakterisierung Baruch Spinozas als „Talmudjude“ (dies ist auch Thema seines Vortrags: „Baruch Spinoza. Sein Leben und Werk im Lichte der Judenfrage“).

Am 15. November 1941 wurde er wegen übler Nachrede[2] und Verletzung des Dienstgeheimnisses[6] vom Dienst enthoben. Die Beurlaubung wurde aber nach einem Verweis am 10. Mai 1943 wieder aufgehoben.[6]

Das Gutachten des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung nannte ihn einen „vollständige(n) Versager … in menschlicher und wissenschaftlicher Hinsicht“[7]. Am 12. Juli 1945 wurde er auf Weisung der US-Militärregierung entlassen.[6] Er setzte aber seine Arbeit innerhalb der Freien Akademie fort, die er zusammen mit Jakob Wilhelm Hauer gründete. Die Tagungen der Akademie fanden seit 1952 auf Burg Ludwigstein bei Kassel statt.

Publikationen

  • Seele und Staat. Die psychologischen Grundlagen des nationalsozialistischen Sieges über den bürgerlichen und bolschewistischen Menschen. Berlin: Junker und Dünnhaupt 1935 [8]
  • Der Einbruch des Judentums in die Philosophie. — Berlin: Junker u. Dünnhaupt 1937.
  • Die Freiheit des Geistes. — Hamburg: Hanseat. Verl.-Anst. 1936.
  • Die heutige Erkenntnis des jüdischen Wesens und ihr Erahnen durch den jungen Hegel, in: Forschungen zur Judenfrage 4 (1940), 68-94
  • Jakob Böhme, Frommanns Klassiker der Philosophie, Stuttgart 1956

Einzelnachweise

  1. Im Programmheft von 1924 begrüßt er den „geistigen Schutz, den Adolf Hitler Bayreuth angedeihen läßt“; vgl. auch etwa seine Schriften Der Kampf um deutsche Musik und Warum Hitler? von 1933. Zu ihm: Fred K. Prieberg: Musik im NS-Staat. Frankfurt am Main: Fischer 1982, 58.
  2. a b c Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-596-16048-0, 207.
  3. George Leaman: Heidegger im Kontext. Gesamtüberblick zum NS-Engagement der Universitätsphilosophen. Aus dem Amerikanischen von Rainer Alisch und Thomas Laugstien. Argument, Sonderband AS 205, Hamburg und Berlin 1993. ISBN 3-88619-205-9, 44f. (weitere Quellen s. dort).
  4. Wolfgang Huber: Geschichte einer Freundschaft: Die Weiße Rose und ihr politisches Umfeld an der Universität München. Vortrag zur Eröffnung der Ausstellung „Die Weiße Rose und die Gruppe Christopher“, Schloss Bruchsal am 22. April 2006
  5. Gerd Simon: Deutscher Strukturalismus 1933–1945, Tübingen 2000, Kapitel 9.
  6. a b c d Leaman, l.c.
  7. BDC Akte F.J.v.Rintelen, S. 3856, hier n. Leaman, l.c.
  8. Eingehend besprochen von R. F. Alfred Hoernle in: Mind, NS 47/185 (1938), 93-97: „This ... large pamphlet ... deserves the attention of all who desire to understand the self-interpretation of National-Socialism“

Weblinks


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