Hans Gustav Bötticher

Hans Gustav Bötticher
Joachim Ringelnatz

Joachim Ringelnatz (* 7. August 1883 in Wurzen; † 17. November 1934 in Berlin; eigentlich Hans Gustav Bötticher) war ein deutscher Schriftsteller, Kabarettist und Maler, der vor allem für humoristische Gedichte um die Kunstfigur Kuttel Daddeldu bekannt ist.

Joachim Ringelnatz: Karikatur als Kuttel Daddeldu

Inhaltsverzeichnis

Leben

Kindheit und Jugend (1883–1901)

Joachim Ringelnatz wurde als jüngstes von drei Geschwistern in Wurzen bei Leipzig geboren. Seine Eltern waren beide künstlerisch tätig. Sein Vater Georg Bötticher, der einer angesehenen thüringischen Gelehrtenfamilie entstammte, war ein erfolgreicher Musterzeichner und später hauptberuflicher Verfasser von humoristischen Versen und Kinderbüchern. Er veröffentlichte über 40 Bücher, darunter in Reclams Universal-Bibliothek. Die Mutter Rosa Marie, Tochter eines Sägewerksbesitzers, zeichnete ebenfalls, entwarf Muster für Perlstickereien und stellte Puppenbekleidung her. Ringelnatz wuchs in bescheidenem Wohlstand auf: Die Familie beschäftigte zwei Dienstmädchen.

Der Vater hatte in jeder Hinsicht auf Ringelnatz einen wesentlich größeren Einfluss als die Mutter. Der Junge eiferte in seinen ersten literarischen Produktionen eindeutig dem Vater nach und fühlte sich zeit seines Lebens durch den akademischen Hintergrund des Vaters und dessen weite Kontakte eingeschüchtert und herausgefordert. Der Vater korrespondierte mit Emanuel Geibel, Gustav Freytag, Conrad Ferdinand Meyer, Wilhelm Raabe und Adolph von Menzel, seine Werke wurden von Theodor Fontane als „anheimelnd“ gelobt.[1] Politisch war Georg Bötticher deutlich interessierter als der eher unpolitische Sohn. Er feierte mit Freunden das Andenken Ferdinand Freiligraths, war ein glühender Verehrer Otto von Bismarcks und schrieb beißende Satiren auf das wilhelminische Zeitalter. Mit der Mutter hatte Ringelnatz größere Probleme als mit dem zu Nachsicht und Güte tendierenden Vater. An seine Verlobte Alma schrieb Ringelnatz 1914: „Mutterliebe fehlt uns beiden“.[2]

1886 zog die Familie nach Leipzig um, wo der Vater Mitglied der Künstler- und Gelehrtenszene war. Ab 1900 widmete er sich hauptberuflich seiner Schriftstellerei und gab seit 1901 Auerbach’s Deutschen Kinderkalender heraus, in dem er Ringelnatz zu seinen ersten Veröffentlichungen verhalf: Ostermärchen und zwei Geschichten Vom Alten Fritz.

Die Schulzeit war schwer für Ringelnatz: Er sah in den Lehrern „respektfordernde Dunkelmenschen“[3] und wurde von den Mitschülern für sein seltsames Aussehen (mädchenhafte Frisur, ungewöhnlich lange Vogelnase, vordrängendes Kinn, kleine Statur) gehänselt. Auch später noch führte Ringelnatz viele Schwierigkeiten auf sein ungewöhnliches Aussehen zurück: „Ich bin überzeugt, dass mein Gesicht mein Schicksal bestimmt. Hätte ich ein anderes Gesicht, wäre mein Leben ganz anders, jedenfalls ruhiger verlaufen.“[4] Der Junge flüchtete sich in Trotz, Rüpeleien und einsames Zeichnen und Schreiben. 1892 verfasste und illustrierte Joachim Ringelnatz sein frühestes erhaltenes Werk: die Landpartie der Tiere, ein Tier-Akrostichon im Stile Wilhelm Buschs.

Als Quintaner leistete sich Ringelnatz einen Streich zu viel: Während der Pause verließ er das Schulgelände, ging zu einer Völkerschau im neben der Schule gelegenen Zoo und ließ sich von einer Samoanerin auf den Unterarm tätowieren. In der Schule gab er überdies noch gegenüber seinem Lehrer mit dem Vorfall an. Die Reaktion war der Verweis vom Gymnasium. Es folgten Jahre auf einer Privat-Realschule. 1901 beendete Ringelnatz seine auch dort wenig erfolgreiche Schulzeit mit dem Einjährigen-Freiwilligen-Examen (Obersekundarreife). Auf dem Abgangszeugnis des zweimaligen Sitzenbleibers vermerkte ein Lehrer, der Absolvent sei „ein Schulrüpel ersten Ranges“[5] gewesen.

Seefahrerzeit und Wanderjahre (1901–1908)

Ringelnatz hatte sich in den Kopf gesetzt, Seemann zu werden. Von April bis September 1901 arbeitete er als Schiffsjunge auf dem Segelschiff Elli. Seine Erfahrungen waren ernüchternd: Der sächselnde, kleingewachsene Ringelnatz wurde Zielscheibe von Beleidigungen (der Kapitän nannte ihn „Nasenkönig“[6]), Schikanen und körperlicher Gewalt. In Belize riss er aus, verirrte sich im Urwald und wurde endlich ergriffen, um auf der Rückfahrt noch mehr durchzumachen. Zurück in Hamburg war er arbeitslos und litt Hunger. Ende des Jahres war er Aushilfe in Malferteiners Schlangenbude auf dem Hamburger Dom (er half, die Riesenschlangen zu tragen).

Dies war nur einer der über 30 Nebenberufe, die Ringelnatz während seiner Seemannszeit ausübte. Heuern als Leichtmatrose auf allen Weltmeeren wechselten immer wieder mit Phasen der Arbeitslosigkeit ab, so zum Beispiel in Hull, wo er obdachlos von Essensspenden lebte. In einem Seemannsheim half er schließlich als „Mädchen für alles“ aus, lebte in den Tag hinein und freute sich an Trinkgelagen mit seinen neuen Freunden. Nach einer Weile wurde er jedoch des Feierns überdrüssig und heuerte wieder auf Schiffen an, bis ihm 1903 die weitere Ausübung des Matrosenberufs wegen mangelnder Sehschärfe untersagt wurde. Dennoch absolvierte er noch die Qualifikationsfahrt für den Militärdienst bei der Marine und diente 1904 als Einjährig-Freiwilliger bei der Kaiserlichen Marine in Kiel.

Anfang 1905 trat er als unbezahlter Lehrling in eine Hamburger Dachpappenfirma ein, ließ sich aber zugleich an der Universität von Leipzig für das Fach Handelswissenschaften immatrikulieren. Zu seiner großen Enttäuschung bewirkte der Vater, der das Studium nicht finanzieren konnte oder wollte, beim Rektor, einem Freund, dass Ringelnatz´ Einschreibung rückgängig gemacht wurde. Andererseits verhalf der Vater seinem Sohn erneut zu einer Veröffentlichung in Auerbach's Deutschem Kinderkalender (das Gedicht Untergang der Jeanette). 1905 malte er auch die ersten bekannten Ölbilder (Kriegsschiff und Dachpanorama)[7].

1907–1908 arbeitete Ringelnatz als Kommis in Leipzig und Frankfurt am Main, doch war er noch nicht bereit zu einem geregelten Alltag. Geschminkt spielte er, der zeitlebens zu kindlichen Streichen neigte, der Bevölkerung von Eltville vor, der Kalif von Bagdad sei zu Besuch. Kurze Zeit später brach er von einem Tag auf den anderen nach Hull auf, um seine alten Kumpane wiederzusehen. Das Geld für die Reise verdiente er sich als fahrender Sänger und Gelegenheitsarbeiter. Die Ankunft war eine große Enttäuschung: Die völlig heruntergekommenen Freunde erkannten ihn nicht mehr. Auf seiner nächsten Station Amsterdam forderten die Anstrengungen der Reise ihren Tribut: Vor Hunger entkräftet vegetierte Ringelnatz in einer Bodenkammer mit einer Kiste als Bett. Der deutsche Pfarrer von Amsterdam hielt Ringelnatz für einen Betrüger und ließ ihn ins Gefängnis stecken. Nach einigen Wochen wurde der Abenteurer nach Deutschland abgeschoben.

Er trat nun eine Stelle als Buchhalter in einem Münchner Reisebüro an, doch verlor er die Stelle direkt, als sein Chef merkte, dass Ringelnatz mitnichten fünf fremde Sprachen beherrschte. In der anspruchslosen satirischen Wochenschrift Grobian veröffentlichte Ringelnatz Gedichte, Witze, Anekdoten und das Märchen Der ehrliche Seemann.

Beginn der Laufbahn als Kabarettist und Schriftsteller (1909–1914)

Ein entscheidendes Ereignis im Leben Joachim Ringelnatz' war 1909 der Beginn seiner Auftritte in der Münchner Künstlerkneipe Simplicissimus. Rasch wurde der Unbekannte zum Hausdichter und damit quasi Angestellten der geschäftstüchtigen Wirtin Kathi Kobus und Freund und Kollege der dort auftretenden bzw. verkehrenden Künstler wie Carl Georg von Maassen, Erich Mühsam, Frank Wedekind, Max Dauthendey, Ludwig Thoma, Emmy Hennings, Roda Roda, Bruno Frank und Max Reinhardt. Die Auftritte waren jedoch sehr schlecht bezahlt. Ringelnatz hoffte mit Reklameversen und dem Tabakladen Tabakhaus Zum Hausdichter Geld verdienen zu können, doch das originelle Geschäft (geschmückt mit einem menschlichen Gerippe) machte nach einigen Monaten Pleite.

Unter verschiedenen Pseudonymen veröffentlichte Ringelnatz in der angesehenen satirischen Zeitschrift Simplicissimus Gedichte und den autobiographischen Essay Viellieber Freund. 1910 dann veröffentlichte er endlich seine ersten Bücher: zwei Kinderbücher und einen Band ernster Gedichte, den er seinem Vater widmete. In der Zeitschrift Die Jugend wurde seine Novelle Die wilde Miss von Ohio abgedruckt.

In der neuen Umgebung und durch die neuen Bekannten wurde sich Ringelnatz seiner mangelnden Bildung bewusst. So wurde er zwar in den burlesken Geheimbund Hermetische Gesellschaft aufgenommen, doch nur als „kleinerer mittlerer Seitenvater Appendix“[8], weil er die akademisch anspruchsvolle Aufnahmeprüfung nur ungenügend bestanden hatte. Er ließ sich daher privat von Baron Thilo von Seebach in Latein, Geschichte, Literaturgeschichte und anderen Fächern unterrichten, um den Abstand wettzumachen, und studierte Werke der Weltliteratur.

Ringelnatz' Begeisterung für das Bohème-Leben war schnell aufgebraucht, zumal er sich von Kathi Kobus ausgenutzt fühlte (sein Honorar betrug zuerst nur ein Bier, dann schließlich ein Bier und zwei Mark). 1911 floh er und reiste nach Tirol und Riga und verbrachte den Sommer in Kurland. Schnell war er wieder mittellos und verdiente sich etwas in Bordellen, wo er als Wahrsagerin verkleidet den Prostituierten die Zukunft vorhersagte. Auf einer Ausstellung in Düna verkaufte er zwei Landschaftsbilder, doch blieb seine materielle Lage katastrophal: Den Winter verbrachte er unter härtesten Bedingungen (13 Grad unter Null) in einem Strandhaus bei Riga. Im selben Jahr erschien der erste Band seiner autobiographischen Bücher (Was ein Schiffsjungen-Tagebuch erzählt).

1912 arbeitete Ringelnatz als Privatbibliothekar bei Graf Paul Yorck von Wartenburg auf dem Schloss Klein-Öls, wo er vor allem den Nachlass Wilhelm Diltheys ordnete. Im folgenden Jahr arbeitete er erneut als Bibliothekar, diesmal beim Kammerherrn Börries Freiherr von Münchhausen-Moringen, dann war er Fremdenführer auf Burg Lauenstein und absolvierte schließlich einen Kurs als Schaufensterdekorateur (er dekorierte ein einziges Schaufenster und das so unorthodox, dass er den Beruf sogleich wieder aufgab). Es war diese in den nicht zueinander passenden Berufen dokumentierte Ziellosigkeit, die die Eltern von Alma Baumgarten (die er wegen ihrer Kurzsichtigkeit und ihres schwarzen Samtmantels Maulwurf nannte), motivierte, ihre Zustimmung zu seiner Verlobung mit ihrer Tochter zu verweigern.

Seine Gedichtsammlung Die Schnupftabaksdose erschien, die einige seiner bis heute bekanntesten Verse enthält, und der Novellenband Ein jeder lebt's. Doch Ringelnatz hatte kaum nennenswerte Einnahmen durch seine Schriftstellerei. 1910 bekam er für Kleine Wesen ein einmaliges Honorar von 200 Mark, für die Schnupftabaksdose kaum mehr. 1913 und 1914 wurden zudem alle seine Einsendungen an Zeitungen und Zeitschriften abgelehnt.

Kriegs- und Nachkriegszeit (1914–1919)

Direkt zu Kriegsbeginn meldete sich Ringelnatz freiwillig zur Kriegsmarine. Wie die Mehrheit der deutschen Intellektuellen (etwa Arno Holz, Gerhart Hauptmann, Thomas Mann und Klabund) war er kriegsbegeistert: „Ich dachte an Kriegsromantik und Heldentod, und meine Brust war bis an den Rand mit Begeisterung und Abenteuerlust gefüllt.“[9] Zu seiner Enttäuschung durfte er nicht an Schlachten teilnehmen, obwohl er sich mehrfach freiwillig, einmal sogar in einem Brief direkt an Kaiser Wilhelm II., an die Front meldete. Zunächst diente er auf Sperrschiffen, dann freiwillig bei der undankbaren und gefährlichen Arbeit einer Division, die Minen in Gewässern aussetzte, die für große Schiffe nicht zugänglich waren. Nur unter großen Anstrengungen schaffte er den Aufstieg zum Reserveoffizier, da der Chef der Lehrkompanie den „Kröpel“ (niederdeutsch für Krüppel) nicht zur Beförderung zulassen wollte.

Allmählich ließ seine Begeisterung nach. Er schrieb in einem Brief: „Mir scheint der Krieg nur als eine komplizierte, mehr und mehr an Tragik zunehmende Abwickelung von Intrigen und Mächten aller Nationen.“[10] Ab 1917 war Ringelnatz Leutnant zur See und Kommandant eines Minensuchbootes in Seeheim bei Cuxhaven, wo er Muße hatte, sich einem Terrarium voller Schlangen und Eidechsen zu widmen. Seine Kriegsnovellensammlung Die Woge wurde, trotz allgemein kriegsbefürwortender Tendenz, von der Zensur verboten. Einige der Novellen publizierte Ringelnatz allerdings in diversen Zeitschriften.

1918 starb der geliebte Vater. (An ihn erinnert eine Gedenkplakette am Alten Rathaus in Leipzig, vor der Ringelnatz bei jedem Vorübergehen den Hut zog.) Der Sohn, damals Marineleutnant, war in Berlin auf Urlaub. Er fälschte seinen Urlaubsschein nach Leipzig und eilte nach Hause. Er war tief erschüttert: „Ich konnte mir damals nicht vorstellen, dass ich einmal seinen Tod überwinden würde.“[11] 1924 folgte Rosa Marie Bötticher ihrem Mann.

Ringelnatz sympathisierte kurzfristig mit der Novemberrevolution und wollte vor dem Arbeiter- und Soldatenrat sprechen, doch weigerte er sich, seine Offiziersmütze abzunehmen und verlangte für seine Mitarbeit eine sofortige Beförderung in eine Führungsposition. Die Revolutionäre verzichteten auf seine Mithilfe. Ringelnatz zog sich beleidigt zurück und beendete ein kriegsbegeistertes Drama (Der Flieger), das aber ungedruckt blieb und von keinem Theater angenommen wurde, da es nicht mehr in die allgemeine Zeitstimmung passte. Zwei weitere Stücke (Die Bolschewisten. Kein ernstes Stück und Fäkalie) erlitten dasselbe Schicksal. Ringelnatz erlebte ein entbehrungsreiches erstes Nachkriegsjahr voller Kälte und Hunger, zudem erblindete er durch die Spätfolgen einer Schlägerei auf einem Auge.

Im Dezember 1919 verfasste er die ersten Gedichte unter dem Pseudonym Joachim Ringelnatz. Er selber sagte, dieses Pseudonym habe keine Bedeutung, dennoch gibt es Theorien, dass der Nachname entweder auf die Ringelnatter verweist, „weil sie sich zu Wasser und zu Lande wohl fühlt“[12], oder auf das von Seeleuten Ringelnass genannte Seepferdchen, das Ringelnatz oft zeichnete. Der Vorname Joachim wird mit Ringelnatz' lebenslanger Gläubigkeit in Verbindung gebracht (der Name bedeutet „Gott möge retten“).[13]

Kabarettist, Schriftsteller und Maler (1920–1932)

1920 heiratete Ringelnatz die fünfzehn Jahre jüngere Lehrerin Leonharda Pieper, die er Muschelkalk nannte. Dieser Kosename tauchte zum ersten Mal in einem Briefgedicht auf, in dem Ringelnatz die Verlobte „muschelverkalkte Perle“ nannte.[14] Seine Frau wurde ihm zur unentbehrlichen Assistentin bei all seinen Publikationen. Die beiden zogen als Schwarzmieter in eine Münchner Wohnung. Zehn Jahre wohnten sie dort bis zu ihrem Umzug nach Berlin im Februar 1930. Von ihrer beider Angst vor Ausweisung aus der Wohnung legt Ringelnatz´ Gedicht „Angstgebet in Wohnungsnot“ (1923) Zeugnis ab. Das Paar war in ständiger Geldnot. Ringelnatz arbeitete schließlich aushilfsweise als Prüfer der Postüberwachungsstelle in München und trat wieder im Simplicissimus auf.

Ab Herbst 1920 hatte er erste erfolgreiche Auftritte im Berliner Kabarett Schall und Rauch. Damit begann sein Leben als reisender Vortragskünstler, das ihn mehrere Monate im Jahr auf Bühnen im gesamten deutschsprachigen Raum brachte. (In Hotels gab er als Berufsbezeichnung „Artist“ an.) Ringelnatz, der stets im Matrosenanzug auftrat, wurde schnell bekannt und musste bald Aufträge ablehnen. 1925 reiste er für drei Wochen nach Paris, wo er die Bekanntschaft von Jean Cocteau und Jules Pascin machte, dessen späterer Freitod ihn erschütterte. Ein Aufenthalt in London 1928 enttäuschte ihn.

Filmprojekte zerschlugen sich oder waren enttäuschend erfolglos. Es wurden jedoch 16 Schallplattenaufnahmen realisiert und ab 1927 hatte Ringelnatz Auftritte im Rundfunk. Es erschienen seine beiden erfolgreichsten Gedichtsammlungen: Kuttel Daddeldu oder das schlüpfrige Leid und Turngedichte. Ringelnatz veröffentlichte nun fast jedes Jahr Bücher, mit mehr oder weniger großem Erfolg. Die Notwendigkeit sparsam zu leben blieb jedoch. Ringelnatz und seine Frau konnten nie finanziell sorgenfrei leben. Das zum Überleben nötige ständige Reisen wurde für Ringelnatz, der lebenslang gesundheitlich gefährdet war, zunehmend strapaziös. Er entwickelte allerdings eine große Liebe für das Fliegen (er war jedoch kein Pilot, wie öfter geschrieben wird).

Gedenktafel am Haus Brixplatz 11

Er widmete sich intensiv der Malerei, vor allem der in Aquarell- und Deckfarben. 1923 hatte er seine erste erfolgreiche Auktion in der Galerie Flechtheim, geleitet von Carl Einstein. Weitere Ausstellungen im In- und Ausland folgten. 1925 wurden die Bilder des Autodidakten sogar auf der Ausstellung der Akademie der Künste ausgestellt, zwei Gemälde wurden verkauft.

Ringelnatz zog es aus München fort, er fühlte sich von der dortigen Presse schlecht behandelt und versprach sich von Berlin größere berufliche Möglichkeiten. Etabliert war er bereits in Berliner Kabarett- und Künstlerkreisen: Zu seinen Freunden und Bekannten zählten nun Renée Sintenis, Karl Hofer, Kurt Tucholsky, Claire Waldoff, Otto Dix und Alfred Flechtheim. 1929 mietete er eine Wohnung in Berlin, ab 1930 lebte Ringelnatz für immer dort. 1932 gastierte er zum letzten Mal im Simplicissimus. Im selben Jahr ging er als Schauspieler in seinem eigenen Stück Die Flasche mit einem Ensemble des Stadttheaters Nordhaus auf Gastspielreise durch Deutschland.

Auftrittsverbote, Krankheit und Tod (1933–1934)

1933 erteilen die an die Macht gekommenen Nationalsozialisten Ringelnatz Auftrittsverbote in Hamburg und München. Der unpolitische Ringelnatz hatte den Aufstieg der NSDAP lange nicht ernst genommen. Noch 1930 schrieb er in einem Brief: „Der Hitler-Rummel lässt mich kalt.“[15] Nun wurde er in Dresden sogar von der Bühne geholt. Die meisten seiner Bücher wurden beschlagnahmt und landeten auf den Scheiterhaufen der Bücherverbrennungen. Ringelnatz und seine Frau verarmten rasch, da die Bühnenauftritte die Haupteinnahmequelle des Paares gewesen waren. Letzte Gastspiele in der Schweiz konnte Ringelnatz noch absolvieren, nach großen Schwierigkeiten einen Pass zu erhalten. Erste Symptome der Tuberkulose, an der Ringelnatz sterben sollte, traten auf. Ein letztes glückliches Ereignis war die Feier zu seinem 50. Geburtstag, auf der seine langjährigen Freunde Asta Nielsen und Paul Wegener und sein Verleger ab 1927 Ernst Rowohlt Reden hielten.

1934 konnte Ringelnatz noch Gastspiele in Basel und Zürich absolvieren, dann brach die Krankheit endgültig aus. Freunde halfen dem nun fast völlig mittellosen Paar durch öffentliche Aufrufe und private Spendenaktionen die Sanatoriumsaufenthalte zu bezahlen. Ringelnatz begann noch ein Prosawerk (Der Letzte Roman), das nur noch als Fragment aus dem Nachlass erscheinen konnte. Er starb am 17. November in seiner Wohnung am Sachsenplatz (heute Brixplatz), beerdigt wurde er auf dem Berliner Waldfriedhof an der Heerstraße unter einer Grabplatte aus Muschelkalk, die von Renée Sintenis gestaltet wurde. Neun Personen begleiteten den Sarg, man spielte sein Lieblingslied La Paloma. Das Ehrengrab befindet sich im Feld 12-D-21.

Nachruhm

Noch vor 1945 konnten, trotz Zensur, der Nachlass und einzelne, privat herausgegebene Sammlungen veröffentlicht werden. Seit 1945 ist Ringelnatz' Ruhm, vor allem als Verfasser humoristischer Verse, stetig gewachsen. Zahlreiche Nachdrucke seiner Werke erschienen, Vertonungen wurden produziert, bekannte Schauspieler reisten und reisen mit Ringelnatz-Programmen durch den deutschsprachigen Raum (u.a. Otto Sander).

1948 eröffnete das Städtische Museum Wurzen eine ständige Ringelnatz-Sammlung. Zum 100. Geburtstag wurde das restaurierte Geburtshaus des Dichters in Ringelnatzhaus umbenannt. Von 1986 bis 1991 wurde von der Stadt Cuxhaven in zweijährigem Turnus der mit 10.000 DM dotierte Joachim-Ringelnatz-Preis für Lyrik vergeben. Ab 2001 wurde der Preis neubelebt. Im selben Jahr gründete sich die Joachim-Ringelnatz-Stiftung, die Verwaltung und Betreuung des Nachlasses übernahm und 2002 das Cuxhavener Joachim-Ringelnatz-Museum eröffnete. Seit 2004 gibt es zudem die bundesweite Ringelnatz-Gesellschaft, die mit der Stiftung kooperiert.

1953 wurde der Katalog zur Wanderausstellung Ringelnatz als Maler der Galerie Springer Berlin veröffentlicht. 1961 erschien die erste Monographie über Ringelnatz als bildenden Künstler (Verfasser: Werner Schumann). 1959 veröffentlichten Werner Kayser und Hans Peter de Courdres die erste Ringelnatz-Bibliographie. Die erste umfassende, von einem wissenschaftlichen Katalog begleitete Ausstellung seiner bildkünstlerischen Werke wurde ab 2000 unter dem Titel "Ringelnatz! Ein Dichter malt seine Welt" u.a. in Göttingen, Wurzen und Cuxhaven gezeigt[16].

Zwei Straßen wurden in Berliner Bezirken nach Joachim Ringelnatz benannt. In Marzahn-Hellersdorf die Joachim-Ringelnatz-Straße und in Tempelhof-Schöneberg die Ringelnatzstraße. Auch in Cuxhaven und Köln gibt es Ringelnatz-Straßen.

Seine Geburtsstadt Wurzen, in welcher ebenfalls eine Ringelnatzstrasse existiert, erfüllte dem Dichter zu seinem 125. Geburtstag den (in seinem Gedicht "Ehrgeiz" geäußerten) Wunsch, man möge nach seinem Tode ein Gässchen nach ihm benennen. Das nun zu bewundernde Ringelnatzgässchen zeigt sich so, wie es sich Ringelnatz ausdrücklich wünschte: "schmal, krumm, mit niedrigen Türchen, feilen Hürchen, mit Schatten und Fensterluken" - genau dort wollte er spuken.[17]

Zum 125. Geburtstag des Dichters am 7. August 2008 gab die Deutsche Post eine Sonderbriefmarke im Wert von 0,85 € heraus. Das Postwertzeichen zeigt den Scherenschnitt 'Ringelnatz' von Ernst Moritz Engert und das Gedicht: Ein männlicher Briefmark erlebte was Schönes, bevor er klebte. Die Vorstellung der Briefmarke durch das Bundesfinanzministerium fand im Cuxhavener Joachim-Ringelnatz-Museum statt[18]. Ein sogenannter Handwerbestempel-Abdruck der Deutschen Post mit der Stempelnummer 12/232 wurde am Ausgabetag auch im Geburtsort des Dichters im Museum in Wurzen, Domgasse 2 angeboten. Danach sind Stempelungen nur noch durch das Philateliezentrum Weiden in der Oberpfalz möglich. Weiterhin gab die Deutsche Post AG zum 7. August 2008 als Sonderausgabe ein Joachim Ringelnatz-Buch mit dem Titel Bist du schon auf der Sonne gewesen (Art.-Nr. 000758) heraus, das einen 4er-Block der genannten Sonderbiefmarke mit dem Berliner Erstausgabetag-Stempel enthält. Bereits zum 100. Geburtstag war eine Sonderbriefmarke (Michel-Katalog-Nr. 701) im Sammelgebiet 'Berlin' im Wert von 0,50 DM herausgegeben worden.

Schriftstellerisches Werk

Lyrik

Titelblatt einer frühen Ausgabe von Kuttel Daddeldu, 1920

Joachim Ringelnatz erster Gedichtband für Erwachsene, Gedichte (1910), wurde von ihm selber im Rückblick kritisch gesehen: „Gedichte, wie sie von Tausenden junger Schwärmer gedichtet werden“.[19] Es sind ernste, sentimentale Gedichte in der Tradition der Romantik, besonders Heinrich Heines.

In seiner zwei Jahre später erscheinenden Sammlung Die Schnupftabaksdose ist der Ton völlig verändert: Ringelnatz schreibt groteske Unsinnspoesie. Einige der Gedichte gehören zu seinen bis heute bekanntesten: Die Schnupftabaksdose, Ein männlicher Briefmark erlebte, Die Ameisen und Logik. In den meist kurzen, durchgehend gereimten Gedichten werden Dinge belebt (Briefmarken, Knöpfe, Gläser) und können Tiere wie in der Fabel sprechen (Ameisen, Quallen, Elefanten). Bereits den zeitgenössischen Rezensenten fiel die Ähnlichkeit mit den Gedichten Christian Morgensterns auf. Ringelnatz beteuerte, bei der Niederschrift seiner Verse die Lyrik Morgensterns noch nicht gekannt zu haben.[20] Bereits hier verwendet Ringelnatz eine lakonische, ungekünstelte Alltagssprache; diesen Stil wird er bis zum Ende beibehalten.

1920 veröffentlichte Ringelnatz seine bedeutendsten Gedichtsammlungen: Joachim Ringelnatzens Turngedichte und Kuttel Daddeldu oder das schlüpfrige Leid. Die Turngedichte, die tatsächlich hauptsächlich das Thema Sport behandeln (Turnen mit und ohne Geräte, Ringen, Laufen, Fußball, Boxen), parodieren und karikieren in virtuos gehandhabten Versen in verschiedensten Reimarten, Verslängen und Metren, mit Neologismen und absichtlich falsch angewandter Grammatik die ideologisch-völkische Ausrichtung des Sports nach Turnvater Jahn. Die ironischen Gedichte wurden (auch dank eines anscheinend ernsten Vorwortes) von der „Monatsschrift für Turnen, Sport und Spiel“ für bare Münze genommen und scharf verurteilt: „Vor dem Ankauf des anmaßlichen Machwerks sei gewarnt.“[21]

In Kuttel Daddeldu oder das schlüpfrige Leid und dem folgenden Lyrikband Die gebatikte Schusterpastete stellte Ringelnatz die Figur Kuttel Daddeldus vor: In langen Erzählgedichten mit sehr frei gehandhabtem Vers werden die haarsträubenden Abenteuer dieses Seemanns präsentiert, der keine Manieren hat, ungehemmt seinen obszönen Augenblicksgelüsten nachgibt, ständiger Bordellgast ist und wahllos Gewalt anwendet. Die Kuttel Daddeldu-Texte wurden große Erfolge, auch weil sie zu Ringelnatz´ ständigem Kabarettrepertoire gehörten.

Die folgenden Gedichtbände entfernen sich immer mehr von der grotesken, anarchistischen Unsinnspoesie der ersten Bücher. Ringelnatz schreibt parabelhafte Gelegenheitsgedichte von seinen vielen Tourneereisen, philosophische Gedankenlyrik manchmal melancholischen Grundtons mit Ratschlägen zur Lebensbewältigung (zu großen Ernst zerstört Ringelnatz jedoch durch oft überraschend unpassende komische Schlusswendungen). Diese Gedichtbänden, zu denen Olaf Gulbransson Einbandillustrationen verfertigte, hatten großen Erfolg und wurden von Kurt Tucholsky und Kurt Pinthus positiv rezensiert.

Prosa und Dramatik

Ringelnatz' Novellenband Ein jeder lebt's (1913) versammelt 12 Erzählungen, die in traditioneller, manchmal impressionistisch beeinflusster Sprache oft sentimentale Ausschnitte aus dem Leben verschiedener Menschen präsentieren. Die Helden sind Einsame, Sonderlinge, aus dem bürgerlichen Leben Gefallene, vor allem Träumer. Seine Sammlung von 12 Kriegsgeschichten (Die Woge, 1922) verwendet dieselbe Sprache, der Ton schwankt jedoch zwischen unreflektierter patriotischer Begeisterung bis an den Rand der Kolportage und ernüchterter Beschreibung des Kriegsgeschehens.

1924 veröffentlicht Ringelnatz zwei Bücher in radikal anderem Stil: Das eine ist ein kurzer Großstadtroman (...liner Roma...), das andere eine Sammlung von elf Grotesken (Nervosipopel), die mitunter sehr gewollt und an den Dadaismus erinnernd tradierte literarische Formen wie das Märchen grotesk und absurd verfremden. ...liner Roma... arbeitet fünf Jahre vor Alfred Döblins Roman Berlin Alexanderplatz mit Montage-Technik, präsentiert die Großstadt als eigentliche Hauptperson des Buches, die die Menschen bewegt und lenkt, vermittelt das Abgehetzte und Verstörende der Metropole durch die Verweigerung eines linearen, nachzuvollziehenden Erzählflusses. Das ganze Buch ist wie der Titel ([Ber]liner Roma[ne]) nur ein Ausschnitt, da ein Ganzes nicht mehr darstellbar ist.

Ringelnatz´ hat fünf autobiographische Bücher verfasst. In ihnen beschreibt er betont sachlich und kunstlos, oft im Tagebuchstil und gegen sich selber schonungslos, sein Leben und insbesondere seine Irrtümer. Das harte Leben der Matrosen wird ebenso realistisch geschildert wie der oft stumpfsinnige, undurchschaubare Alltag im Krieg.

Ringelnatz´ dramatischen Werken war kein Glück beschert. Unsicher in der Form (den Flieger hat Ringelnatz in Versen abgefasst), oft sentimental und konstruiert wurden sie fast alle von den Theatern und Verlagen abgelehnt. Alfred Kerr urteilte über Ringelnatz´ Stück Die Flasche: „Lieber Joachim Ringelnatz, eine Filmfabel zu erfinden ist nicht genug für ein Drama. Und einen Umriss bieten nicht genug für einen Film.“[22]

Kinderbücher

Einbandillustration von Joachim Ringelnatz zum Geheimen Kinderspielbuch

Ringelnatz, der ein großer Kinderfreund war, hat fünf Kinderbücher veröffentlicht. Die frühen sind freundliche, gereimte Fabeln und Unsinnsverse in der Tradition etwa seines Vaters. Dagegen stehen die beiden Bände Geheimes Kinder-Spiel-Buch mit vielen Bildern (1924) und Geheimes Kinder-Verwirr-Buch mit vielen Bildern (1931) einzig da in der Kinderliteratur. In Gedichtform gibt Ringelnatz den Kindern Anweisungen für völlig unpädagogische Spiele: Sie sollen Tiere quälen, die Wohnung verschmutzen und Möbel zerstören, aus Exkrementen Klöße kneten und anschließend mit dem Mund auffangen, Bomben bauen (mit Benzin und Feuer!), andere Kinder anspucken, mit Salzsäure experimentieren und die Eltern mit angeblichen psychischen Erkrankungen ängstigen. Stellen die Eltern die Kinder dann zur Rede, empfiehlt Ringelnatz Lügen und Ausreden.

Das Geheime Kinder-Verwirr-Buch ist milder, doch auch hier finden sich neben harmlosen Unsinnsversen ungewöhnliche Verse: Ringelnatz verrät den Kindern, dass der Storch nicht die Kinder bringt, erzählt ihnen, dass Blähungen in der Badewanne Freude machen, erzählt Balladen von unheimlichen Hexenkindern und kinderfressenden Kannibalen, rät den Kindern sich gegen Erwachsenengewalt zu wehren („Fünf Kinder genügen, / Um eine Großmama zu verhauen“[23]) und verrät ihnen, was die Eltern im Schlafzimmer tun.

Das erste Buch war Gegenstand einer Verfügung des Polizeipräsidenten von Berlin: Da das Buch „die sittlichen Auffassungen der Kinder in einem Sinne, der als durchaus verderblich bezeichnet werden muss“, beeinflusse,[24] habe der Verlag das Buch als für Erwachsene bestimmt zu kennzeichnen. Bis heute werden in der Germanistik die Fragen nach den Adressaten (wirklich Kinder oder doch eher Erwachsene?) und der Intention (ernstgemeinte Anarchie oder Ironie?) der Bücher kontrovers diskutiert.

Nachlass

Teile des Nachlasses befinden sich im Besitz des Deutschen Literaturarchivs in Marbach am Neckar. Die private Nachlassverwaltung liegt in den Händen von Norbert Gescher, dem Sohn von Leonharda Ringelnatz in zweiter Ehe.

Ringelnatz als bildender Künstler

Joachim Ringelnatz: Hafenkneipe, 1933

Ringelnatz legte viel Wert auf seine Arbeit als Maler und ließ sich im Jahre 1934, nachdem die Nazis seine Bücher verbrannt und ihm die literarische Arbeit fast unmöglich gemacht hatten, im Berliner Telefonbuch unter der Berufsbezeichnung „Kunstmaler“ aufführen[25]. Bereits als Kind malte und zeichnete er beinahe ununterbrochen. Sein ganzes Leben lang verzierte er Briefe mit Zeichnungen und wurde schließlich von seinen Verlegern gebeten, seine Bücher mit seinen eigenen, skurrilen Illustrationen zu versehen.

Seine Gemälde belegen einerseits deutlich, dass Ringelnatz´ kein ausgebildeter Maler war, andererseits zeigen die besten Beispiele (Nachts am Wasser, Hafenkneipe, Flucht) eine in der Tradition von Neuer Sachlichkeit und Surrealismus überzeugend präsentierte Mischung aus realistischer Darstellung und vieldeutig lesbarer, tendenziell unheimlicher Aussage.

Eine Reihe von Ringelnatz´ meist kleinformatigen Gemälden wurde als „Entartete Kunst“ aus deutschen Museen entfernt. Viele sind im Krieg verloren gegangen, die meisten gehören heute Privatleuten. Bilder von Joachim Ringelnatz kann man im Joachim-Ringelnatz-Museum Cuxhaven, im Kulturgeschichtlichen Museum Wurzen und im Kunsthaus Zürich sehen.

Zitate von Joachim Ringelnatz

Briefmarke 1983
Briefmarke anlässlich des 125. Geburtstages von Joachim Ringelnatz (August 2008)

„Meine lange Nase und mein zackiges Profil reizten zur Karikatur. Aber mir scheint, dass die meisten Maler über der Karikatur das Porträt vergaßen.“[26]

„Humor ist der Knopf, der verhindert, dass uns der Kragen platzt.“[27]

Zitate über Joachim Ringelnatz

„Sein eigentliches künstlerisches Element war die Sprachphantastik, das erfinderische Spiel des Wortes, das er mit handwerklichem Sinn für Farbe und Kraft behandelte; das konnte lärmende Kaskaden geben, aber die besten seiner Verse soll man still und schlicht lesen, und dann schenken sie keine gedichtete Journalistik, sondern etwas sehr Altmodisches: Poesie.“ Theodor Heuss[28]

„Die Leistung seines gelebten Lebens war eigentlich größer als sein schmales Dichtwerk. Ihm gelang, was so wenigen Poeten gelingt: Er hat es verstanden, seine ganze Existenz durchweg zu stilisieren. Die Sicherheit und heimliche Melancholie, mit der er die torkelnde Poetengestalt erst schuf und dann konsequent selbst lebte, ist bei dieser erstaunlichen Erscheinung gewiss das Erstaunlichste.“ Friedrich Luft[29]

„Wo in diesem fluidalen Berufe / ohnehin jeder jeden und jede beerbt / (also alles soweit im Fluss) / wünsche ich mir für die Tage nach Ladenschluss, / nein, keinen Ordensstern, keine Ehrenschleppe, / aber dass ihr vielleicht in die unterste Stufe / der Ringelnatztreppe / meinen Namen einkerbt. / […] Hoch sollst du leben, / solange ich selbst eben noch lebe, / großer kleiner, / bis in den letzten Nervenstrich spinnwebfeiner / unübersetzbarer Mann!“ Peter Rühmkorf[30]

Buchveröffentlichungen

Hörbücher

  • Das Herz sitzt über dem Popo. Liebesgedichte. Sprecher: Otto Sander, 1 CD, Patmos Hörbuch, Düsseldorf 2007, ISBN 978-3-491-91242-7
  • Durch das Schlüsselloch … Erzählungen. Sprecher: Otto Sander, 1 CD, Patmos Hörbuch, Düsseldorf 2005, ISBN 978-3-491-91173-4
  • Ich bin etwas schief ins Leben gebaut. Sprecher: Otto Sander, 1 CD, Patmos Hörbuch, Düsseldorf 2004, ISBN 978-3-491-91173-4
  • Ritze, Rotze, Ringelnatz. Ausgesprochene Frechheiten. Mit Otto Sander, 1 CD, Patmos Hörbuch, Düsseldorf 2005, ISBN 978-3-491-24108-4
  • Weihnachten mit Kuttel Daddeldu. Sprecher: Otto Sander, 1 CD, Patmos Hörbuch, Düsseldorf 2002, ISBN 978-3-491-91119-2
  • In Liebe Muschelkalk. Sprecher: Norbert Gescher-Ringenatz, 2 CDs, undobArt Hörbuch, Berlin/Frankfurt 2008

Lyrik

  • 1909: Simplicissimus-Künstler-Kneipe und Kathi Kobus
  • 1910: Gedichte
  • 1912: Die Schnupftabaksdose. Stumpfsinn in Versen und Bildern
  • 1917: H.M.S.D.
  • 1920: Joachim Ringelnatzens Turngedichte
  • 1920: Kuttel Daddeldu oder das schlüpfrige Leid
  • 1921: Die gebatikte Schusterpastete
  • 1922: Taschenkrümel
  • 1922: Janmaate. Topplastige Lieder
  • 1922: Fahrensleute
  • 1923: Vorstadt-Bordell
Ringelnatz: Gedichte, Gedichte von Einstmals und Heute
  • 1927: Reisebriefe eines Artisten
  • 1928: Allerdings. Gedichte
  • 1928: Einige Gedichte von Joachim Ringelnatz
  • 1929: Flugzeuggedanken
  • 1931: Joachim Ringelnatz. Auslese aus seinen Gedichten und seiner Prosa
  • 1932: Gedichte dreier Jahre
  • 1933: 103 Gedichte
  • 1934: Gedichte, Gedichte von Einstmals und Heute

Prosa

  • 1913: Ein jeder lebt's. Novellen
  • 1922: Die Woge. Marine-Kriegsgeschichten
  • 1922: Weitab von Lappland
  • 1923: Kuttel Daddeldu erzählt seinen Kindern das Märchen vom Rotkäppchen und zeichnet ihnen sogar was dazu
  • 1924: ...liner Roma...
  • 1924: Nervosipopel. Elf Angelegenheiten

Dramatik

  • 1921: Mannimmond, eine einaktige Groteske
  • 1921: Bühnenstar und Mondhumor. Einaktige Groteske
  • 1927: Doktors engagieren. Operette in drei Akten
  • 1932: Die Flasche. Eine Seemannsballade
  • 1932: Briefe aus dem Himmel. Kammerspiel in drei Akten

Kinderbücher

  • 1910: Kleine Wesen
  • 1910: Was Topf und Pfann' erzählen kann. Ein lustiges Märchen
  • 1921: Der lehrreiche, erstaunliche und gespassige Zirkus Schnipsel! Entdeckt von Joachim Ringelnatz
  • 1924: Geheimes Kinder-Spiel-Buch mit vielen Bildern
  • 1931: Geheimes Kinder-Verwirr-Buch mit vielen Bildern

Autobiographische Bücher

  • 1911: Was ein Schiffsjungen-Tagebuch erzählt
  • 1928: Matrosen. Erinnerungen, ein Skizzenbuch: handelt von Wasser und blauem Tuch
  • 1928: Als Mariner im Krieg
  • 1931: Mein Leben bis zum Kriege
  • 1932: Die Flasche und mit ihr auf Reisen

Postume Veröffentlichungen (Auswahl)

  • 1935: Der Nachlass
  • 1936: „Für die Mode, nicht dagegen sei der Mensch“. Gedichte für Venus
  • 1937: In memoriam Joachim Ringelnatz
  • 1937: Betrachtungen über dicke und dünne Frauen
  • 1939: Kasperle-Verse
  • 1940: Aus der Seemanns-Kiste
  • 1944: Überall ist Wunderland
  • 1949: Tiere
  • 1950: … und auf einmal steht es neben dir. Gesammelte Gedichte
  • 1963: Kunterbunte Nachrichten. Dreiundzwanzig Briefe aus Berlin
  • 1964: Reisebriefe an M.
  • 1982-85: Joachim Ringelnatz. Das Gesamtwerk in sieben Bänden
  • 1988: Joachim Ringelnatz. Briefe
  • 2005: Joachim Ringelnatz. SEIN BERLIN mit Rum gedruckt

Einzelnachweise

  1. In: Günther, S. 16
  2. Brief vom 15. Februar 1914. In: Pape, S. 4
  3. In: Günther, S. 23
  4. In: Pape, S. 103
  5. Friederike Schmidt-Möbus: Joachim Ringelnatz – Leben und Werk. In: Arnold, Seite 106
  6. In: Bemmann, S. 26
  7. Vgl. Friederike Schmidt-Möbus: Werkverzeichnis der Ölgemälde, Aquarelle und kolorierten Zeichnungen (dort Nrn. WV 1 und WV 2, in: Ringelnatz! Ein Dichter malt seine Welt. Hg. von Frank Möbus et al. Göttingen 2000, S. 283
  8. Vgl: Bruhns, S. 8
  9. Joachim Ringelnatz: Als Mariner im Krieg. In: Günther, S. 39
  10. In: Günther, S. 40
  11. In: Günther, S. 16
  12. Hans Leip. In: Günther, S. 44
  13. In: Pape, S. 292
  14. In: Günther, S. 44
  15. Brief an Leonharda. 7. Dezember 1930. In: Bemmann, S. 206
  16. Ringelnatz! Ein Dichter malt seine Welt. Hg. von Frank Möbus et al. Wallstein: Göttingen 2000, ISBN 3-89244-337-8
  17. Ein Gässchen für Ringelnatz Bericht des Joachim-Ringelnatz-Vereins Wurzen
  18. http://www.bundesfinanzministerium.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/Briefmarken/2008/08/20080608__PM33.html Pressemitteilung des BMF
  19. Joachim Ringelnatz: Mein Leben bis zum Kriege. In: Günther, S. 59
  20. In: Günther, S. 62
  21. Monatsschrift für Turnen, Sport und Spiel. Februar 1911. In: Günther, S. 67
  22. Alfred Kerr. In: Bemmann, S. 202
  23. Joachim Ringelnatz: Kinder aus Geheimes Kinder-Verwirr-Buch mit vielen Bildern. In: Joachim Ringelnatz: Sämtliche Gedichte. Zürich 1994
  24. In: Günther, S. 83
  25. Vgl. Friederike Schmidt-Möbus/Frank Möbus: Böses Ende 34, in: "Ringelnatz! Ein Dichter malt seine Welt." Hg. von Frank Möbus et al. Wallstein, 2. Aufl., Göttingen 2000, ISBN 3-89244-337-8, S. 259
  26. Joachim Ringelnatz: Mein Leben bis zum Kriege. 1931
  27. Tageskalender, 24 Februar, ISBN 978-3-625-11755-1
  28. In: Günther, S. 155
  29. In: Günther, S. 157
  30. Peter Rühmkorf: Vorletzte Gedichte. Rowohlt, Reinbek 1999, S. 20 f.

Literatur

  • Heinz Ludwig Arnold (Herausgeber): Joachim Ringelnatz. In: Text + Kritik. Nr. 148, München 2000.
  • Helga Bemmann: Daddeldu, ahoi! Leben und Werk des Dichters, Malers und Artisten Joachim Ringelnatz. Der Morgen, Frankfurt am Main 1981.
  • Herbert Günther: Joachim Ringelnatz in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. 3. Auflage. Rowohlt, Reinbek 1980, ISBN 3-499-50096-5.
  • Walter Pape: Joachim Ringelnatz. Parodie und Selbstparodie in Leben und Werk. De Gruyter, Berlin 1974, ISBN 3-11-004483-8.
  • Volker Weidermann: Das Buch der verbrannten Bücher. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2008, ISBN 978-3-462-03962-7 (zu Ringelnatz Seite 89–91).
  • Frank Möbus, Friederike Schmidt-Möbus, Frank Woesthoff und Indina Woesthoff (Herausgeber): "Ringelnatz! Ein Dichter malt seine Welt." Wallstein, 2. Aufl., Göttingen 2000, ISBN 3-89244-337-8
  • Franz-Ludwig Bruhns: "Ringelnatz als hermetischer Mariner - Eine freimaurerisch motivierte Spurensuche", E-Book, Dezember 2008

Weblinks


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