- Hartes Zeichen
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Das Ъ, Kleinbuchstabe ъ, ist ein Buchstabe des kyrillischen Alphabets. Im Bulgarischen steht ъ für einen eigenständigen Vokal [ɐ]; im Russischen steht ъ synchron für [j].
Geschichtlich hat sich ъ aus dem glagolitischen Jer () entwickelt.
Ältere Sprachstufen
Im Altkirchenslawischen stehen die Buchstaben ъ bzw. für einen hinteren reduzierten Vokal, der im Urslawischen in etwa einem überkurzen [ŭ] entsprach. Erst in nachurslawischer Zeit – also auch in den heutigen slawischen Einzelsprachen – wurden die reduzierten Vokale *ъ und *ь entweder vollvokalisiert (im Russischen z. B. *ъ > o) oder sie schwanden (vgl. die Ausführungen unter Ь). Nur im Bulgarischen ist der vermutliche Lautwert von *ъ in etwa erhalten geblieben.
Bulgarisch
Im Bulgarischen ist ъ der 27. Buchstabe des Alphabets und repräsentiert ъ den offenen Zentralvokal [ɐ]. Dieser für das Bulgarische typische Vokal ähnelt dem deutschen „Murmellaut“ [ə] (z. B. dem e in murmeln) oder auch der zu einem a-ähnlichen Laut reduzierten Endsilbe -er (z. B. in Kinder). Für Deutsch-Muttersprachler ist gewöhnungsbedürftig, dass dieser Buchstabe nicht nur wie im Deutschen in unbetonter, sondern auch in betonter Position vorkommen kann (z. B. in въ́здух ['vɐzdux] ‘Luft’) oder sogar am Wortanfang (nur im Wort ъ́гъл ['ɐgɐɫ] ‘Winkel’ und davon abgeleiteten Wörtern).
ъ wird gewöhnlich mit a transkribiert (Beispiel: Александър → Aleksandar oder Alexandar, jedoch nicht *Alexander). Dabei ist jedoch zu beachten, dass das kyrillische а, welches ebenfalls zu lateinisch a transkribiert wird, in betonter Stellung einen anderen Lautwert hat; die Transkription ist somit nicht eindeutig. Um diese Unterscheidung aufrechtzuerhalten, wird in der wissenschaftlichen Transliteration das ъ stattdessen mit ă übersetzt (a mit Breve; nicht zu verwechseln mit dem ähnlich aussehenden Hatschek). Dieses Zeichen steht im Rumänischen für den sehr ähnlichen Laut [ə], welcher im Bulgarischen nahezu allophon zu [ɐ] ist.
Russisch
Im Russischen ist ъ der 28. Buchstabe des Alphabets und wird als hartes Zeichen (russ. твёрдый знак, transliteriert tvërdyj znak, ['tvʲɔr.dɨj znak] bezeichnet, früher auch als ер ([jɛr] oder [jɔr]), im Deutschen häufig auch als Härtezeichen.
Bis zur Rechtschreibreform von 1918 stand ъ vor allem am Wortende nach einem Konsonanten, um die „harte“, d. h. nicht palatalisierte Aussprache dieses Konsonanten zu kennzeichnen (während das „Weichheitszeichen“ ь die „weiche“, also palatalisierte Aussprache kennzeichnete). Nachdem der Buchstabe in dieser Position 1918 ersatzlos gestrichen wurde, da sich die „harte“ Aussprache ja bereits aus der Abwesenheit des „Weichheitszeichens“ ergibt, ist die einzige verbliebene Position, in der ъ heute noch vorkommt, die im Wortinnern an einer Morphemfuge zwischen einem Konsonanten und einem „weichen“ Vokalbuchstaben (я, е, и, ё, ю), der also in dieser Position zusätzlich zum Vokal /j/ repräsentiert, z. B.:
- въезд [vjɛst] ‘die Einfahrt’; съесть [sjestʲ] ‘aufessen’ – im Gegensatz zu: весть [vʲestʲ] ‘Nachricht’; сесть [sʲestʲ] ‘sich setzen’
- объём [ʌb.'jɔm] ‘Umfang’; съёмка ['sjɔm.kə] ‘Aufnahme’ – im Gegensatz zu: Сёмка ['sʲɔm.kə] (Koseform zu Simon)
- подъюбник [pʌd.'jub.nʲɪk] ‘Unterrock’
- разъяснить [rəz.jɪs.'nʲitʲ] ‘aufklären’
Die klassische, noch aus der Zeit vor der Rechtschreibreform stammende Interpretation der Funktion von ъ ist, dass es den vorangehenden Konsonanten als „hart“ kennzeichne und gleichzeitig deutlich mache, dass der folgende Vokalbuchstabe „getrennt“ zu sprechen sei, d. h. so, als stünde er am Wortanfang (wo die „weichen“ Vokalbuchstaben я, е, ё, ю ein automatisch eintretendes /j/ mit bezeichnen). Synchron betrachtet steht ъ in der heutigen russischen Orthographie ganz einfach für /j/ nach einem Konsonanten.
Da ъ im Russischen nur im Wortinnern (und früher zusätzlich auch am Wortende), aber nie am Wortanfang auftritt, kommt es dort normalerweise nur als Kleinbuchstabe vor. Einzige Ausnahme sind komplett in Versalien geschriebene Wörter, z. B. ВЪЕЗД ‘EINFAHRT’.
Als im Nachgang der Oktoberrevolution auch die russische Rechtschreibung reformiert wurde und damit ъ in fast allen Positionen, in denen es vorher geschrieben wurde, verschwand, wurden die entsprechenden Lettern in vielen Druckereien irrtümlich gemeinsam mit den tatsächlich komplett abgeschafften Buchstaben entfernt, so dass zum Drucken von Wörtern, die im Wortinnern weiterhin ъ enthielten, keine Lettern mehr vorhanden waren. Daraufhin erschienen Texte, in denen in Anlehnung an eine ältere handschriftliche Tradition statt ъ ein Apostroph gesetzt wurde.
Die überregionale russische Wirtschaftszeitung Kommersant, die nach ihrer Schließung durch die Kommunisten 1917 im Jahre 1989 wieder gegründet wurde, verwendet in Anspielung an die alte russische Rechtschreibung ein stilisiertes Schreibschrift-ъ in ihrem Logo und benutzt ein einzelnes Majuskel-Ъ als Abkürzung für die eigene Zeitung, z. B. in Interviews, in denen die Fragen lediglich mit „Ъ:“ eingeleitet werden, oder in Ъ-Деньги als Kurzform für die Finanzzeitschrift Коммерсантъ-Деньги ‘Kommersant-Geld’.
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