Harzer Bergtheater

Harzer Bergtheater

Das Bergtheater Thale befindet sich auf dem sogenannten Hexentanzplatz im Harz. Es wurde 1903 von Ernst Wachler gegründet und ist damit eines der ältesten Naturtheater Deutschlands. Auf den halbkreisförmig angelegten Sitzbänken finden sich 1.350 Plätze. Die Schwebebahn führt über das Bodetal auf den Hexentanzplatz. So ist das Theater von Thale aus zu erreichen. Das Theater liegt 250 Meter südwestlich der Homburgswarte.

Hexentanzplatz oberhalb des Bodetals bei Thale

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Gründung bis 1945

Die Naturbühne wurde am 8. Juli 1903 von Ernst Wachler unter dem Namen "Grüne Bühne" gegründet. Ernst Wachler war ein völkisch-religiöser, antisemitischer [1] Autor und Journalist und einer dereinflußreichsten und wirkungsmächtigsten WegebereiterundGründerväterder völkisch-religiösen Bewegung im wilhelminischen Kaiserreich.[2] Wachler war Mitglied in der Germanischen Glaubens-Gemeinschaft, Gründungs- und Ehrenmitglied der Guido-von-List-Gesellschaft sowie Förderer der Gobineau-Vereinigung.[3] Wachler betrieb die Zeitschriften Der Kynast. Blätter für Volkstum und Dichtung (1898-1899), Deutsche Zeitschrift (1899-1905), Iduna (1905-1906) und die Die Jahreszeiten. Blätter für Dichtung und Volkstum (1910-1911),[4] wo er sich häufig zum Bergtheater und den dort gespielten Theaterstücken zu Wort meldete.

Nach Studium und Promotion erwarb er sich erste praktische Theatererfahrungen als Dramaturg am Berliner Theater, aber bereits in seiner Studienzeit entwarf Wachler sein nationales Kulturprogramm, das sich gegen décadence wandte und eine aus dem Boden des deutschen Volksthums erwachsende Kultur[5], eine Synthese von Kunst und Volkstum anstrebte, die er mit dem Bergtheater Thale zu verwirklichen gedachte. In Wachlers Zeitschrift Deutsche Volksbühne stellte er seinen Plan eines Theaters der Zukunft vor. In einerErklärung deutscher Autoren und Künstlerwurde in der Deutschen Volksbühne zur Sammlung aller Gleichgesinnten aufgerufen, die für diedeutschen und volkstümlichen Bestrebungeneintreten. Wachler wandte sich mit seinen Erneuerungsvorstellungen vorrangig an die Vertreter der Heimatkunstbewegung. Im Februar 1903 riefen namhafte Vertreter der Heimatkunstbewegung zur finanziellen Unterstützung des geplantenLandschafts- und Volkstheater unter freiem Himmelauf und gaben der Hoffnung Ausdruck, dass dieHarzfestspieleVorbild für ein über Deutschland verbreitetes Netz von Sommerbühnen werden würden. Wachler erstrebte eine Musterweihebühne im Geiste Richard Wagners, die Vorbild einer nationalen Renaissance sein sollte, indem dieursprünglichengermanischen Lebensanschauungen- und formen, die durchjüdisch-christlicheundlateinischeEinflüsse unterdrückt worden seien, wiederbelebt werden. Nach Wachlers Auffassung überdauerte derechte Glaube der Deutschentrotz aller Anfeindungen im traditionellen Brauchtum, in Märchen, Sagen und Mythen sowie in der deutschen Muttersprache. Daher sei der Künstler und besonders der Dichter dazu berufen, dieKeime eines neuen Glaubens auszustreuen“. Dementsprechend wurden die Theateraufführungen alsgottesdienstliche Handlungbegriffen.[6]

Blick vom Hexentanzplatz in das Bodetal
Blick vom Hexentanzplatz auf Thale

Die Hauptspielzeit war in den Monaten Juli und August, in der etwa fünfzig Aufführungen statffanden, die im allgemeinen gut besucht waren.[7] Neben einem ‚klassischenRepertoire kamen völkische Dramen zur Aufführung, mit denen diedeutsche Wiedergeburtund völkische Germanen- und Volkstumsideologie thematisiert wurden und ein großes Publikum mit der völkischen Weltsicht bekannt machten. Bei der Eröffnungsvorstellung 1903 wurde das Stück "Walpurgis" von Ernst Wachler uraufgeführt, das in der ersten Spielzeit 19 Vorstellungen erlebte. Auch Wachlers DramenWidukind“ (1904), „Mittsommer“ (1905 und 1906), „Mittwinter“ (1910) undDie Osternacht“ (1912) wurden im Bergtheater aufgeführt. Von 1903 bis 1912 wurden außerdem u.a. folgende Theaterstücke aufgeführt:Wieland der Schmied“ (1905), „MünchhausenundKönig Arthurvon Friedrich Lienhard,, „Frithjof und Ingeborg“ (1908) von Karl Engelhard (1879-1914), „Balders Tod“ (1908) von Max R. Schmidt, „Baldur“ (1912) undWölund“ (1913) von Ludwig Fahrenkrog, „Die versunkene Glockevon Gerhart Hauptmann, „Lafontainevon Adolf Bartels, „Herzog Heinrich am FinkenherdundHeinrich der Löwevon Franz Herwig (1880-1931), „Spielmanns Kirmesvon Alexander Elster (1877-1942), „Sigfrieds Todvon August Sturm (1852-1923), „Glaube und Heimatvon Karl Schönherr, „Der MolochundDie Nibelungen von Friedrich Hebbel, „Die Nachbarnvon Karl Immermann sowie Werke von William Shakespeare, Johann Wolfgang Goethe, Friedrich Schiller, Hans Sachs, Heinrich von Kleist, Christian Dietrich Grabbe und Friedrich Gottlieb Klopstock.[8]

1905 wurde der Verein zur Förderung des Harzer Bergtheater von führenden Vertretern der Heimatkunstbewegung und Freunden Ernst Wachlers gegründet. Der Verein bezweckte vor allem die Anwerbung fördernder Mitglieder aus völkisch-nationalen Kreisen, umso in dem Aufruf zur Gründungdiesesecht nationale, dem gesamten Deutschtum in idealem Sinne dienende Unternehmenzu unterstützen.[9]

Wie schon durch sein schriftstellerisches Wirken versuchte Wachler auch durch das Bergtheater völkisches Gedankengut zu popularisieren und die verschiedenen völkischen Führer und Gruppen zu vernetzen. Das auch als neuheidnische Weihestätte konzipierte Bergtheater war daher wiederholt Treffpunkt völkischer und völkisch-religiöser Organisationen. So wurde dort auf einer Tagung im August 1913 durch Umbenennung der2. Deutschreligiöse GemeinschaftdieGermanische Glaubens-Gemeinschaftgegründet und 1914 fand einAllthing germanischer Gemeinschaftenstatt, an dem unter anderem die Germanische Glaubens-Gemeinschaft, der ebenfalls deutschgläubige Deutsche Orden Otto Siegfried Reuters, die Große Germanen-Logen, der Germanenorden, der Schafferbund und WachlersGesellschaft Wodanbeteiligt waren. Auf diesem Allthing wurde Ludwig Fahrenkrog zum Hochwart der Germanischen Glaubens-Gemeinschaft gewählt. [10] Die neuheidnische Kultstätte war auch an Symbolen, darunter Runen, zu erkennen. In die Eingangstür war ein Hakenkreuz geschnitzt; am Fuß der Haupttreppe des Zuschauerraums war ein Steinaltar aufgestellt und am Eingang war ein Edda-Spruch angebracht:Allen Edlen gebiet ich Andacht, Hohen und Niedern aus Heimdalls Geschlecht. Walvaters Wirken will ich künden. Der Vorzeit Sagen, deren ich mich entsinne“.[11]

1911 legte Wachler die Spielleitung nieder, was einen herben Rückschlag für das Theater bedeutete. 1925 übernahm er aus Anlass des 60. Geburtstags Friedrich Lienhards mit Erfolg die Leitung der Lienhard-Festspiele auf dem Harzer Bergtheater. Mit Erich Pabst (18901955) als Intendant von 1926 bis 1932 errang das Theater mit einem anspruchsvollen Spielplan und renommierten Schauspielern internationales Ansehen alsGrüne Bühne“. Diese Zeit endete abrupt mit der nationalsozialistischenMachtergreifung“. 1933 übernahm Walther Eggert die Leitung, der an die Ideen einerechten deutschen KulturWachlers und der Heimatkunstbewegung im Rahmen der nationalsozialistischen Kulturpolitik anknüpfte.[12]

1940 wurde das Theater kriegsbedingt geschlossen. Ernst Wachler ging zuletzt auf Distanz zu seiner Theaterschöpfung, ebenso wie auchnach anfänglicher Begeisterungzum Nationalsozialismus. 1941 bekannte er, das Harzer Bergtheater liegehinter mir wie ein idealer Traum [...] Was später wird, [bleibt] abzuwarten [...]“.[13] 1942 zog er nach Prag und wurde nach Kriegsende, wahrscheinlich als Überlebender der tschechischen Gewaltexzesse gegen die Deutschen (s. auch Geschichte Prags), im KZ Theresienstadt interniert, wo er im Sommer 1945 an der Hungerruhr starb.[14]

Gojko Mitic bei einer Fechtprobe (1984)

Nach dem Zweiten Weltkrieg

Nach dem Zweiten Weltkrieg begann 1946 die Wiederaufnahme der Bühnentätigkeit. Die Leitung lag von 1946 bis 1992 beim jeweiligen Intendanten der Städtischen Bühnen in Quedlinburg. Das Bergtheater Thale wurde nun künstlerischer Ausdruckeiner sozialistischen Nationalkulturund Vorbild aller Freilichtbühnen der DDR. Wie schon zu Wachlers Zeiten wurden Werke von Shakespeare, Goethe, Schiller, Kleist, Hebbel und Hauptmann gespielt. Hinzu kamen Stücke, die historische Stoffe im Sinne des sozialistischen Bildungsideals und in Anlehnung an Wachlers völkischen Erziehungsplan thematisierten.[15]

Seit der Wiedervereinigung

1992 übernahm die Stadt Thale das Bergtheater. Neuer Leiter wurde Alexander Opitz. Seit 1994 sind die künstlichen Bauten entfernt worden und die "Grüne Bühne" wieder in einem naturgerechten Zustand.[16]

Ehemalige Darsteller

Intendanten

  • 1903 bis 1911, 1925 Ernst Wachler
  • 1926 bis 1932 Erich Pabst
  • 1933 Walther Eggert
  • ab 1946 Ulrich Velten
  • 2008 Mario Jantosch

Einzelnachweise

  1. Werner Stegmaier, Daniel Krochmalnik, Jüdischer Nietzscheanismus, Walter de Gruyter, 1997, S.389
  2. Uwe Puschner: Die Völkische Bewegung im wilhelminischen Kaiserreich, Darmstadt 2001, S. 225.
  3. Uwe Puschner: Die Völkische Bewegung im wilhelminischen Kaiserreich, Darmstadt 2001, S. 233.
  4. Stefan Breuer: Die Völkischen in Deutschland. Kaiserreich und Weimarer Republik. Darmstadt 2008, S. 59, 106, 119; Uwe Puschner: Deutsche Reformbühne und völkische Kultstätte. In: Handbuch zur »Völkischen Bewegung« 1871-1918. München 1996, S. 794
  5. Uwe Puschner: Deutsche Reformbühne und völkische Kultstätte. In: Handbuch zur »Völkischen Bewegung« 1871-1918. München 1996, S. 768 f.
  6. Uwe Puschner: Deutsche Reformbühne und völkische Kultstätte. In: Handbuch zur »Völkischen Bewegung« 1871-1918. München 1996, S. 769 ff.; Uwe Puschner: Die Völkische Bewegung im wilhelminischen Kaiserreich, Darmstadt 2001, S. 228 ff.
  7. Uwe Puschner: Die Völkische Bewegung im wilhelminischen Kaiserreich, Darmstadt 2001, S. 286
  8. Uwe Puschner: Deutsche Reformbühne und völkische Kultstätte. In: Handbuch zur »Völkischen Bewegung« 1871-1918. München 1996, S. 787 f.; Uwe Puschner: Die Völkische Bewegung im wilhelminischen Kaiserreich, Darmstadt 2001, S. 145, 286
  9. Uwe Puschner: Deutsche Reformbühne und völkische Kultstätte. In: Handbuch zur »Völkischen Bewegung« 1871-1918. München 1996, S. 789
  10. Uwe Puschner: Die Völkische Bewegung im wilhelminischen Kaiserreich, Darmstadt 2001, S. 126 f.; Ulrich Nanko: Die Deutsche Glaubensbewegung. Marburg 1993, S. 41 f.
  11. Uwe Puschner: Die Völkische Bewegung im wilhelminischen Kaiserreich, Darmstadt 2001, S. 286 ff.
  12. Uwe Puschner: Deutsche Reformbühne und völkische Kultstätte. In: Handbuch zur »Völkischen Bewegung« 1871-1918. München 1996, S. 791 f.
  13. Uwe Puschner: Deutsche Reformbühne und völkische Kultstätte. Ernst Wachler und das Harzer Bergtheater. In: Handbuch zur "Völkischen Bewegung" 1871 - 1918. Hrsg. von Uwe Puschner, Walter Schmitz und Justus H. Ulbricht. Saur, München u.a. 1996, S. 762-796, hier: S. 793.
  14. Uwe Puschner: Deutsche Reformbühne und völkische Kultstätte. Ernst Wachler und das Harzer Bergtheater. In: Handbuch zur "Völkischen Bewegung" 1871 - 1918. Hrsg. von Uwe Puschner, Walter Schmitz und Justus H. Ulbricht. Saur, München u.a. 1996, S. 762-796, hier: S. 793.
  15. Uwe Puschner: Deutsche Reformbühne und völkische Kultstätte. In: Handbuch zur »Völkischen Bewegung« 1871-1918. München 1996, S. 793 f.
  16. Rudolf Lehmann: Theater in Quedlinburg. Chronik und Buch der Erinnerung, Quedlinburg 1994, S. 255-257.

Literatur

  • Curt Trepte: Harzer Bergtheater : Tradition u. Gegenwart. Zum 60jährigen Bestehen des Harzer Bergtheaters zu Thale. [Fotos: Eberhard Buschmann u.a. Zeichn.: Wilhelm Krieg u. Max Schwimmer] Berlin 1963.
  • Uwe Puschner: Deutsche Reformbühne und völkische Kultstätte. Ernst Wachler und das Harzer Bergtheater. In: Handbuch zur "Völkischen Bewegung" 1871 - 1918. Hrsg. von Uwe Puschner, Walter Schmitz und Justus H. Ulbricht. Saur, München u.a. 1996, S. 762-796. ISBN 3-598-11241-6
  • Uwe Puschner: Die völkische Bewegung im wilhelminischen Kaiserreich. Sprache - Rasse - Religion. Darmstadt 2001. ISBN 3-534-15052-X

Weblinks


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