Hausverteilnetz

Hausverteilnetz

Die Netzebene 4 (NE4, Hausnetz) bezeichnet den Teil des Breitbandkabelnetzes der zur Signalübermittlung innerhalb der Grundstücke und Gebäude errichtet wird. Aufgrund dieser Eigenschaft wird die Netzebene 4 auch als "letzte Meile" zum Kunden, das heißt dem Nutzer von Kabelanschluss beschrieben.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung

Im Zuge der Errichtung der Kabelnetze in Deutschland wurde die Einrichtung verschiedener Netzebenen und deren Trennung bezüglich Eigentümerstruktur und technischer Zuständigkeit verfügt, was weltweit einen einmaligen Vorgang darstellt. Technisch gesehen ist die Trennung zwischen der vorgelagerten Netzebene 3 (in der Regel die Verteilung in einem örtlichen Netz) und der Netzebene 4 nicht notwendig, sondern wurde vom damals zuständigen Postminister Christian Schwarz-Schilling verfügt. Das Argument war, dass sich das Monopol der Deutschen Bundespost über die regionalen Netze – anders als beispielsweise bei den Telefonnetzen – nicht bis auf die direkte Beziehung mit den Nutzern erstrecken dürfe. Daher sollte der Ausbau der Kabelstrecken in den Gebäuden privaten Firmen überlassen werden, um so den Mittelstand zu stärken.

Was dabei nicht offen ausgesprochen wurde, war die mittlerweile rasant heraufziehende technische Entwicklung, die Kabel-TV Netze zum Träger nicht nur der Rundfunk- und Fernsehversorgung zu machen, sondern auch für Telefonie und Internetdienste nutzbar zu werden. So war eingeweihten Kreisen durch die Erfahrungen aus USA und der Schweiz klar, dass über TV-Kabel auch die klassischen Telekom-Dienste Internet und Telefonie angeboten werden können und hier auf einen Schlag beim Verkauf des BK-Netzes ein unmittelbarer und flächendeckender Wettbewerber zur klassischen Telekom entstanden wäre, was natürlich nicht im Interesse der Telekom war. Die politisch gewollte Beibehaltung der Zersplitterung der Netzebenen war ein möglicher und dann begangener Ausweg. Bei ihrem eigenen Telefonnetz hat dagegen die Telekom alle Netzebenen behalten und die aus dem Fernmeldemonopol herrührende Leitungshoheit bis zum Endkunden auch bei der Deregulierung des Telekommunikationsmarktes hinübergerettet, auch wenn sie diese mittlerweile unter massiven Regulierungsauflagen physikalisch und elektronisch öffnen musste.

Technischer Aufbau

Netzhierarchie

Die Netzebene 4 beginnt am definierten Netzabschluss der Ebene 3, der Hausübergabepunkt (HÜP) beziehungsweise Übergabepunkt (ÜP) genannt wird. Dieser befindet sich in der Regel in Form eines an der Wand angebrachten Kabelverbinder-Gehäuses im Keller des zu versorgenden Gebäudes. Ihren Abschluss findet sie an den Antennensteckdosen in den versorgten Wohnungen. Die Betreiber unterscheiden die Netzebene 4 nochmals in verschiedene Teilstücke:

Netzebene 4a:: Die Zuführung vom HÜP bis zum Hausverstärker im Verteilerkasten. Von dort aus zweigen die Versorgungsleitungen ab. Das Signal wird i.R. verstärkt.

Netzebene 4b:: Der Abschnitt vom Verteilerkasten bis in die Wohnungen. Hier wird das Signal innerhalb des Grundstücks verteilt.

Netzebene 4c:: Die Verkabelung innerhalb der Wohnung, die in einer oder mehrerer Anschlussdosen abschließt.

Darüber hinaus wird die Verkabelung hinter der Dose, also bis zu den Empfangsgeräten, inoffiziell als Netzebene 5 bezeichnet. Von den Betreibern wird der Begriff mit dem Hinweis abgelehnt, dass dieser eine eigene technische Ebene bezeichne, was nicht den Tatsachen entspreche. In der Praxis schafft die Eigenverkabelung hinter der Anschlussdose die meisten technischen Probleme für die NE4-Betreiber, da mangelnde Isolierung und laienhafte Durchführung für Strahlungsemissionen sorgen, die als Ingress in die Kabel zurückgesendet werden und den Empfang anderer Teilnehmer stören. Im schlimmsten Fall kann sogar der Funkverkehr gestört werden.

Netzarchitektur

Da das Kabelnetz ursprünglich nur für den Rundfunkempfang vorgesehen war (unidirektionales Netz), war die Verkabelung entsprechend einfach aufgebaut. Die ersten Kabelnetze wurden einfach durch die Wohnungen gezogen und erhielten jeweils einen Antennenausgang, womit das Signal praktisch "durchgeschleift" wurde. Im Wesen ähnlich ist die sogenannte Baumstruktur, die durch einen Aufweg installiert wurde und vor den Wohnungen lediglich Abzweige erhielt. Hauptproblem dieser Architekturen ist die Störanfälligkeit: Bei einer Signalstörung sind alle nachfolgenden Wohnungen in ihrem Empfang gestört und die Störungsursache lässt sich nur schwer lokalisieren.

Mit der Zeit hat sich zunehmend das Sternnetz durchgesetzt. Dieses ist dadurch gekennzeichnet, dass bereits im Verteilerkasten pro Wohneinheit ein individuelles Kabel installiert ist und ohne Interferenzen mit anderen Versorgungsleitungen in die Wohnung geführt wird. Hierdurch werden Störungen weitestgehend vermieden. Zudem ist mit einer individuellen Verkabelung ein wirksames Mittel gegen Schwarznutzer geschaffen: Wer seine Kabelentgelte nicht zahlt, kann nun vom Dienst ausgeschlossen werden, was bei einer Baumstruktur nur um den Preis möglich ist, dass alle hinter ihm liegenden Einheiten ebenfalls kein Signal mehr erhalten.

Leistungsfähigkeit

Da die Netzebene 4 am hinteren Ende der Netzhierarchie rangiert, war ihre technische Leistungsfähigkeit immer durch die vorgelagerten Netze bestimmt. Mit der Erweiterung der Bandbreite, die in der Anfangszeit nur auf drei Fernsehkanäle und die Radiofrequenzen beschränkt war, mussten die Hausnetze zuerst auf 300, dann auf 450 MHz nachgerüstet werden, um auch die neu geschaffenen Sendeplätze übertragen zu können. In modernen Netzen ist heute eine Übertragungskapazität von bis zu 862 MHz gesichert.

Ein weiterer Schritt ist die Digitalisierung, die seit 1996 in Deutschland betrieben wird. Hierdurch ist der Empfang digitaler Programme, beispielsweise Premiere, gewährleistet. Diese findet hauptsächlich im Hyperband zwischen 300 und 450 MHz statt.

Seit 2001 sind größere Gebiete zudem mit Rückkanälen ausgestattet, die erstmalig eine bidirektionale Nutzung mit neuen Anwendungen erlauben (High Speed Internet). Diese sind nur nutzbar, wenn die Netzebene 4 an die erweiterten Möglichkeiten der Netzebene 3 angepasst wird: Der Rückkanal muss auch im Verteiler eingerichtet werden und ein Sternnetz ist normalerweise unabdingbar.

Eigentum und Netzbetrieb

Nach BGB ist das Kabelnetz grundsätzlich ein mit dem Gebäude fest verbundener Teil und steht daher im Eigentum des Hauseigentümers. Will dieser Kabelanschluss nutzen, kann er sich mit dem Hausnetz an den Übergabepunkt anschließen und zahlt an den Betreiber der Netzebene 3 (früher Post, dann Deutsche Telekom, heute private Betreiber) in der Regel eine einmalige Anschlussgebühr und monatliche Nutzungsentgelte. In den meisten Fällen betrifft dies Besitzer von Einfamilienhäusern, deren Hausinstallation oft nur aus einem Verbindungskabel zur Anschlussdose besteht. In Mehrfamilienhäusern steht die Kabelnutzung grundsätzlich jedem Bewohner zu; falls kein Hausnetz liegt, kann er sich individuell an den Hausübergabepunkt anschließen lassen.

Eigentümer von Mehrfamilienhäusern greifen dem oft vor, indem sie für ihr Haus eine Netzebene 4 vorinstallieren. Dadurch wird er selbst zum direkten Abnehmer des Signals und zahlt je nach Anzahl der versorgten Wohneinheiten eine gestaffelte Nutzungsgebühr, die er über die Nebenkosten an seine Mieter weiter geben kann.

In den meisten Fällen befinden sich die Hausnetze jedoch im Besitz hierauf spezialisierter Kabelnetzbetreiber (sog. NE4-Betreiber). Diese schließen mit dem Hauseigentümer eine Versorgungsvereinbarung ab, die ihnen das Eigentum am Hausnetz überträgt und im Gegenzug zur Instandhaltung und der Abrechnung mit den Nutzern verpflichtet. Somit wird den Eigentümern die Verantwortung für die Rundfunkversorgung abgenommen.

Einen gegenteiligen Weg haben oft große Wohnungsgesellschaften eingeschlagen, die sich bewusst in diesem Feld betätigen wollen und daher die Netzebene 4 selbst oder über eigens gegründete Tochtergesellschaften betreiben.

Geschäftsmodelle

Da die professionellen Betreiber von Hausnetzen ebenso wie Einzelkunden oder Hausbesitzer mit dem Betreiber der Netzebene 3 nach Preisstaffeln abrechnen, ist es ihnen oft möglich, günstige Konditionen in Form von Mengenrabatten zu erwirken, die den Preis pro Anschluss unter das Maß absenken, das eine kleine Gemeinschaft erwirken könnte. Die Netzbetreiber bemühen sich außerdem, die Anzahl der versorgten Wohneinheiten hinter einem HÜP möglichst groß zu halten (Optimierung), so dass die Mengenstaffeln besser greifen. Daher werden einzelne Hausnetze häufig innerhalb der Grundstücksgrenzen zusammengelegt (Clusterung) und an einen einzigen HÜP angeschlossen. Die so entstehenden Großanlagen sind mit hohen Investitionen verbunden, da die Signale oft mehrmals innerhalb der Hausanlage verstärkt werden müssen. Daher haben die Versorgungsvereinbarungen im Allgemeinen Laufzeiten von 10 Jahren und mehr. Da aber die Kosten für die Signalübernahme trotz der Mengenstaffeln erheblich sind und in den letzten Jahren auch deutlich erhöht wurden, weil die NE3-Betreiber gern die Direktkundenbeziehung haben möchten, installieren diese NE4-Betreiber immer häufiger eigene Kabelkopfstationen und werden so selbst zum NE3, indem sie eigene NE4-Netze auch über Grundstücksgrenzen hinweg verbinden.

Nachdem der Markt der NE4-Betreiber lange sehr zersplittert und von Elektrofachunternehmen dominiert war, hat sich in der Folge eine Konsolidierung ergeben, in denen einige Unternehmen eine dominante Position erlangt haben. Zu nennen sind insbesondere Tele Columbus, ewt (mit Bosch fusioniert) und Primacom, an denen inzwischen maßgeblich Orion Cable beteiligt ist), daneben in größeren Städten noch einige Betreiber, die regional auch eigene Netze errichtet haben. Auch die Telekom hatte versucht, über eine eigene Tochter diesen lukrativen Markt für sich zu sichern und daher die DeTeKabelService gegründet. Diese ist mittlerweile durch Fusion mit den Netzebene-3-Betreibern zum größten Teil in diesen aufgegangen.

Die Trennung zwischen den Netzebenen 3 und 4 hat so zu einer Marktkonstellation geführt, die Kunden- und Konkurrenzverhältnisse vermengt hat: Die Betreiber beider Ebenen ringen einerseits um die Geschäftsbeziehung zum Nutzer, andererseits beliefern sie einander mit Signalen. Einerseits kämpfen sie gemeinsam gegen konkurrierende Versorgungsarten (Satellitenempfang und Terrestrik), andererseits versuchen sie hartnäckig, sich gegenseitig Marktanteile streitig zu machen und die jeweils andere Netzebene zu übernehmen. Derzeit wird geschätzt, dass zwei Drittel des Kabelmarktes über NE4-Versorger gehalten werden und ein Drittel das Signal direkt von der Netzebene 3 bezieht.

Die Trennung der Netzebenen wirkt sich insbesondere bei neuen Diensten wie Internet und Telefonie über Kabel nachteilig aus: die für ein preislich attraktives Internet- oder gar Telefonieangebot notwendigen Economies of Scale sind von kleineren NE-4-Betreibern oft nicht erzielbar. Allerdings dort, wo die NE 4 dann auch die NE-3 selbst betreiben, klappt das dann mit eigenen Angeboten, wie z.B. Tele Columbus, ewt oder Cablesurf (letzteres gerade auch bei kleineren Netzbetreibern z.T. als Franchise). Genaugenommen ist der NE-4-Betreiber dann keiner mehr, d.h. die Trennung der Netzebenen ist dort dann aufgehoben.

Neuere Entwicklung

Mit der Deregulierung des Kabelmarktes haben zwei Stoßrichtungen eingesetzt, die beide auf die Vereinigungen der Netzebenen 3 und 4 zielen: Die Netzbetreiber der Ebene 3 sind bemüht, die letzte Meile für sich zu erobern, um so den Kundenzugang zu erlangen (Beispiel: Übernahme von Tele Columbus Süd-West durch Kabel BW). Mitunter werden auch Kooperationen zwischen den Betreibern vereinbart, die die Durchleitung beispielsweise von Internetdiensten regeln. Auf der anderen Seite installieren die NE4-Betreiber zunehmend eigene Empfangsstationen (z.T. mit eigenen Internetdiensten und Telefonieprodukten) und bauen so ihr Netz bis in die Netzebene 3 aus. Hierdurch kommt es zur Abmeldung insbesondere der großen, wirtschaftlich zu betreibenden Hausnetze. Immer wieder ist daher versucht worden, Betreiber der beiden Netzebenen über Fusionen zu vereinigen - dies scheiterte allerdings meist am Widerstand des Bundeskartellamts. Experten vermuten, dass die komplizierte Interessenlage der Marktteilnehmer zu einer Blockade der notwendigen Innovationen führen kann und rufen daher immer wieder zur Einigung über Standard und Geschäftsmodelle auf. Die Frage dabei ist, ob sich der Streit um den Endkundenzugang zum Nachteil des Endkunden auswirkt. Dies ist im Fall der großen NE4-Betreiber zu verneinen, da diese selbst die lukrativen und für den Endkunden attraktiven Zusatzdienste anbieten. Die kleineren NE4-Betreiber (Wohnungsgesellschaften, Hausverwaltungen etc.) hingegen scheuen jedoch oft die notwendigen Investitionen und haben zumeist gar nicht das notwendige Know-how, ein rückkanalfähiges Netz aufzubauen und dies mit Zusatzdiensten wie Internet auszustatten und zu betreiben. Allerdings schaffen das immer mehr kleinere Betreiber sehr wohl, eigenständige, rückkanalfähige Netze aufzubauen oder lassen das durch spezialisierte Dienstleister machen. Einige haben schon lange vor dem Netzausbau bei Kabel Deutschland und Unity Media den Netzausbau realisiert. Entstanden sind dort aus ehemaligen NE4-Anlagen regional beschränkt (vom Straßenzug bis zum Stadtteil) kleine, unabhängige Kabelnetze.

Siehe auch: Netzebene, Netzebene 3, Kabelnetzbetreiber


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