Head-nodding

Head-nodding
Klassifikation nach ICD-10
H55 Nystagmus und sonstige abnorme Augenbewegungen
ICD-10 online (WHO-Version 2006)

Nystagmus (nystázein, griech.: „nicken, schlafen“) bezeichnet die unkontrollierbaren, rhythmischen Bewegungen eines Organs, üblicherweise jedoch der Augen, so dass unter Nystagmus in der Regel ein Augenzittern verstanden wird. Er kommt physiologisch vor, aber auch pathologisch, z. B. als typisches Symptom des Schwindels. In der Klinik wird der (üblicherweise mit einer Richtung klassifizierte) Nystagmus nach der schnellen Phase der Augenbewegung benannt.

Inhaltsverzeichnis

Physiologischer Nystagmus

Optokinetischer Nystagmus

Der physiologische Nystagmus dient dazu, das durch die Linse projizierte optische Bild so konstant auf der Netzhaut zu halten, dass eine Wahrnehmung möglich ist. Sowohl Bewegungen des betrachteten Objekts als auch Eigenbewegungen des Auges, des Kopfes und des gesamten Organismus im Raum führen zu Bewegungen des Lichtreizes auf der Netzhaut. Wenn die Winkelgeschwindigkeit dieser Lichtreflexe zu groß wird (>5°/s) kann das Bild nicht mehr scharf wahrgenommen werden. Bei Augen mit einer Retina wie beim Menschen ist es darüber hinaus sinnvoll, den Fokus stets im Bereich des schärfsten Sehens (Fovea centralis) zu halten (siehe dazu Blickbewegung). Ein Beispiel für einen physiologischen Nystagmus ist der optokinetische Nystagmus, der auftritt, wenn sich Wahrnehmungsobjekte relativ zur Netzhaut kontinuierlich bewegen, etwa beim Blick aus einem fahrenden Zug.

Pathologischer Nystagmus

Ein Nystagmus kann dagegen auch krankhaften Ursprungs sein und gehört in diesem Fall zu der Gruppe der supranukleären Augenbewegungsstörungen. In diesem Fall tritt die Augenzuckung in Ruhe auf; zu seiner Auslösung können allerdings vorher unter Umständen Provokationsbewegungen notwendig sein. Vor allem bestimmte Störungen in der Augenkontrolle bei Erkrankungen im Hirnstamm und Kleinhirn oder im vestibulären System aber auch bestimmte Drogen wie Ecstasy lösen einen Nystagmus aus. Er ist in diesen Fällen Ausdruck einer Fehlkoordination zwischen zwei wichtigen physiologischen Sinnen: dem Gleichgewichtssinn und dem Sehen.

Der krankhafte Nystagmus kann in einen peripheren und einen zentralen Nystagmus unterteilt werden. Der periphere Nystagmus tritt bei einer Schädigung des Gleichgewichtsorgans (Vestibularorgan) oder des Nervus vestibulocochlearis (VIII. Hirnnerv) auf. Bei einem akuten Ausfall des Gleichgewichtorgans einer Seite kann man den plötzlich eintretenden und dann mehrere Tage andauernden Ausfallnystagmus beobachten. Eine weitere Form des peripheren Nystagmus tritt beispielsweise beim benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel auf. Hier sind die Augenbewegungen nur von wenigen Minuten Dauer nach bestimmten Kopfbewegungen auslösbar. Der zentrale Nystagmus ist dagegen Folge einer Schädigung im Gehirn.

Pathologische Nystagmusformen findet man auch häufig bei Kleinkindern. Eine augenärztliche Untersuchung, möglichst bei einem Strabologen in der orthoptischen Fachabteilung einer Praxis oder Augenklinik, ist hier in jedem Fall angezeigt, da ein Nystagmus ein Anzeichen für das Vorliegen eines Albinismus oder anderer Augenerkrankungen sein kann. Häufig ist er Bestandteil des kongenitalen Schiel-Syndroms.

Formen

Grundsätzlich wird ein Nystagmus klassifiziert nach Schlagrichtung, Frequenz und Amplitude. Man unterscheidet den Rucknystagmus, der in Schlagrichtung eine schnellere Phase aufweist, vom selteneren Pendelnystagmus, der durch eine gleichbleibende Frequenz und das Fehlen einer eindeutigen Schlagrichtung gekennzeichnet ist. In den meisten Fällen tritt ein horizontales Augenzittern auf, jedoch existieren auch vertikale und rotatorische Formen. Relative Beruhigungen eines Nystagmus sind in manchen Fällen durch Kompensationsmechanismen möglich, zum Beispiel bei Blick in der Nähe oder durch Einnahme einer Kopfzwangshaltung. Die Blickrichtung, bei der der Nystagmus am ruhigsten und somit der Visus am höchsten ist, nennt man Neutralzone.

Blickhalteschwäche

Es sind blickrichtungsabhängige Formen des Nystagmus bekannt, denen zugrunde liegt, dass ein Innervations-Impuls nicht auf einem konstanten Level gehalten werden kann. Je nach Ursache und Ausmaß unterscheidet man:

  • Endstellungsnystagmus (geringe Ausprägung, tritt erst jenseits von 35° Blickwendung auf und wird noch nicht als krankhaft gewertet)
  • Blickrichtungsnystagmus (mittlere Ausprägung, tritt bereits bei Deviationen unter 35° auf)
  • blickparetischer Nystagmus (schwere Ausprägung mit Rückdrift in der langsamen Phase bis zur Mitte).

Blickhalteschwächen sind nicht zu verwechseln mit Blicklähmungen, bei denen bereits der für rasche Augenbewegungen notwendige Innervations-Impuls gestört ist. Die Ursachen sind unterschiedlich und reichen von medikamentösen Auslösern (z. B. Antiepileptika oder Beruhigungsmittel) bis hin zu Schäden des Hirnstamms oder des Kleinhirns.

Fixationsnystagmus

Im Gegensatz zum vestibulären Spontannystagmus wird ein Fixationsnystagmus durch visuelle Reize nicht gebremst, sondern schlägt ungehindert weiter, in manchen Fällen sogar verstärkt.

Kongenitaler Nystagmus

Der kongenitale Nystagmus tritt in der Regel erst ab dem 2. bis 3. Lebensmonat auf und kann sich in den folgenden Wochen zum Teil drastisch verstärken. Visuelle Zuwendungen sind häufig kaum erkennbar. Man geht bei der Beurteilung von folgenden Charakteristika aus:

  • das Zittern wird durch Fixation nicht gebremst, sondern eher noch verstärkt
  • die Schlagform ist pathologisch
  • die Schlagebene ist meist horizontal, auch bei Blick nach oben oder unten
  • die Intensität (Frequenz und Amplitude) ändert sich mit der Blickrichtung
  • in der Nähe besteht häufig eine (relative) Nystagmusberuhigung
  • der optokinetische Nystagmus ist deutlich gestört.

Okulärer Nystagmus

Okuläre Nystagmen werden verursacht durch Störungen im visuellen System, welche ein normales Fixationsverhalten nicht zulassen. In Frage kommen hierbei z. B. organische Ursachen wie Linsentrübungen oder Aniridie.

Latenstyp-Nystagmus

Ein Latenstyp-Nystagmus oder auch „Nystagmus vom Latenstyp“ (früher: latenter Nystagmus oder Nystagmus latens) ist dadurch charakterisiert, daß seine Schlagrichtung bei Fixation mit dem rechten Auge nach rechts weist, bei Fixation mit dem linken Auge jedoch nach links. Durch das Abdecken eines Auges verstärkt er sich häufig noch bzw. wird dann erst auffällig sichtbar. Ein „latenter Nystagmus“ oder „Nystagmus latens“ weist zwar dieselben Merkmale hinsichtlich der Schlagrichtung auf, wird jedoch in aller Regel kompensiert und ist erst sichtbar, wenn das beidäugige Sehen (Binokularsehen) unterbrochen wird.

Erworbener Fixationsnystagmus

Diese Form des Nystagmus kommt häufig bei der Multiplen Sklerose vor und ist dem kongenitalen Nystagmus sehr ähnlich. Auch zerebrale Durchblutungsstörungen und Angiome können ein Auslöser sein. Auch bei der Lepra ist der Nystagmus ein bereits im Mittelalter bekanntes Symptom.

Spasmus nutans

Der Spasmus nutans ist eine Nystagmusform, die irgendwann im ersten Lebensjahr auftritt, und nach einer Dauer von etwa ein bis zwei Jahren spontan wieder verschwindet. Die Ursachen hierfür sind bislang nicht bekannt. Ein häufiger Kompensationsmechanismus besteht in einem so genannten head nodding, einem Kopfwackeln, dessen Frequenz jedoch in der Regel deutlich unter der des Nystagmus liegt. Häufig weist der Spasmus nutans eine wesentlich höhere Frequenz als ein kongenitaler Nystagmus auf. Auch ist die Ausprägung am rechten und linken Auge oft unterschiedlich. Zudem funktioniert die optokinetische Reaktion, was eine Klassifizierung als Fixationsnystagmus in Frage stellt.

Beziehungen zu frühkindlichem Strabismus

Während Patienten mit kongenitalem Nystagmus nur selten ein Schielen aufweisen, findet sich bei einem Nystagmus vom Latenstyp fast immer auch ein frühkindlicher Strabismus, meist in Form eines ausgeprägten Innenschielens. Ein Erklärungsversuch dieser Korrelation bestand früher darin, dass man das Schielen als Versuch wertete, den Nystagmus zu beruhigen, weshalb der Begriff des Nystagmusblockierung-Syndroms gefunden wurde. Da jedoch die ursächlichen Beziehungen zwischen Nystagmus und Strabismus bislang noch nicht gänzlich erforscht sind, bevorzugt man den Begriff des kongenitalen Schielsyndroms.

Therapie

Die Möglichkeiten einer Behandlung sind abhängig von Art, Ursache und Ausmaß des Nystagmus und seiner Kompensationsmechanismen (so vorhanden). Man wird in erster Linie bestrebt sein, die Sehschärfe zu verbessern und die Neutralzone in das Gebrauchsblickfeld – im Idealfall in die Primärposition – zu verlagern. Möglichkeiten hierzu bestehen in der Anpassung von Prismengläsern, jedoch in der Regel durch die Ausführung einer oder mehrerer Schieloperationen, die zudem eine deutliche Reduzierung einer ggf. bestehenden Kopfzwangshaltung anstreben. Wird zur relativen Nystagmusberuhigung eine Konvergenzbewegung genutzt, kann auch dies in einigen Fällen operativ umgesetzt werden, wenn ein brauchbares Binokularsehen besteht.

Untersuchungsmethoden

Um einen Nystagmus genauer zu beschreiben, wird bei der Untersuchung durch den Augenarzt, Hals-Nasen-Ohrenarzt oder Neurologen die sogenannte Frenzel-Brille eingesetzt. Mittels Elektronystagmographie (Elektrookulographie) kann die Augenbewegung und damit der Nystagmus aufgezeichnet und ausgewertet werden. Eine weitere apparative Untersuchungsmethode besteht in der Video-Okulographie.

Prüfung durch Drehbeschleunigung

Die Untersuchung erfolgt in der Regel auf einem Drehstuhl. Es kommt hierbei zu einer langsamen horizontalen Augenbewegung gegen die Drehrichtung, gefolgt von schnellen Rückstellbewegungen in Drehrichtung, um ein neues Objekt, wie oben beschrieben, auf der Fovea centralis abzubilden. Der vestibuläre Nystagmus (auch vestibulo-okulärer Reflex) verläuft also mit der Drehrichtung. Mit Abbremsen des Drehstuhl kommt es hingegen (aufgrund der Trägheit der Endolymphe in den Bogengängen) zu einem postrotatorischen, der ursprünglichen Rotationsrichtung entgegengesetztem Nystagmus: Bei einer Rechtsdrehung kommt es demnach anfangs zu einem Rechts-Nystagmus, der mit Beendigung der Drehung in einen Links-Nystagmus übergeht. Dieser Nystagmus kann ebenso wie der unten beschriebene kalorische Nystagmus auch beim Gesunden beobachtet werden, wenn ihm durch die Frenzel-Brille die Möglichkeit zur Fixation genommen wurde.

Vestibuläre Kompensationsbewegungen sind also ein Ergebnis von schnellen, kurzfristigen Drehbewegungen des Kopfes, während der optokinetische Nystagmus durch anhaltende, langsame Kopfbewegungen ausgelöst wird. Das vestibuläre und optokinetische System bilden somit untereinander eine ideale Ergänzung zur Bildstabilisierung.

Thermische Prüfung

Der kalorische Nystagmus entsteht durch Reizung des Vestibularorgans mit kaltem (30 °C) oder warmen (42 °C) Wasser im äußeren Gehörgang. Hierbei kommt es durch eine Änderung der Dichte der Flüssigkeit im Vestibularorgan (Endolymphe) zu einem Nystagmus. Die Richtung des kalorischen Nystagmus ist bei Einbringen von kaltem Wasser in den linken Gehörgang in Richtung des nicht-gespülten Gehörgangs, also nach rechts, bei warmem Wasser im linken Gehörgang nach links. Merkspruch: „Der Nystagmus liebt die Wärme“

Differenzierung

Ein Nystagmus ist nicht zu verwechseln mit Mikrosakkaden, Lokaladaption oder einem okulären Tremor. Hierzu wird verwiesen auf die Artikel Augenbewegung und Obliquus-superior-Myokymie.

Siehe auch

  • REM-Schlaf – in dieser Schlafphase bewegen sich die Augen ständig schnell
  • Sakkade – eine schnelle, sprunghafte Blickbewegung
  • Vestibulookulärer Reflex – Augenbewegungen, die bei Kopfbewegungen für ein stabiles Bild sorgen
  • Kopfzwanghaltung – abnormale Kopfhaltung um eine Verbesserung der Sehschärfe zu erreichen
  • Tullio-Phänomen – durch Schall ausgelöste Nystagmen und/oder Gleichgewichtsstörungen
  • Bogengangsdehiszenz – eine Erkrankung des Innenohrs, die zu Nystagmus führen kann

Weblinks

Literatur

  • Herbert Kaufmann: Strabismus. Unter Mitarbeit von W. de Decker u. a., Stuttgart: Enke, 1986, ISBN 3-432-95391-7
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