Heeresnachrichtendienst

Heeresnachrichtendienst

Das Heeresnachrichtenamt (HNaA) ist der Auslandsnachrichtendienst des österreichischen Bundesheers und untersteht, genau wie sein Partnerdienst Abwehramt, dem Bundesministerium für Landesverteidigung (BMLV). Das Heeresnachrichtenamt soll Informationen über militärische Vorgänge und Vorhaben im Ausland und von internationalen Organisationen beschaffen, bearbeiten und auswerten. Die Informationen dienen der Führung von Verteidigungsministerium, Außenministerium und Bundesregierung als Entscheidungshilfe.

Inhaltsverzeichnis

Struktur

Der Auslandsnachrichtendienst des Heeres ist in sieben Abteilungen gegliedert:

  • Führung
  • Information
  • Auswertung
  • Technische Aufklärung
  • Informationstechnologie
  • Logistik
  • Dienstbetrieb & Ausbildungsunterstützung

Seine Zentrale befindet sich im "Kommandogebäude General Körner" in der Hütteldorfer Straße in Wien-Penzing sowie eine Stelle in der Maria Theresien Kaserne. Der Dienst unterhält Außenstellen in Linz, Graz und Klagenfurt. Außerdem betreibt er fest installierte technische Aufklärungsstationen in:

Darüber hinaus gibt es wenig gesicherte Informationen über das Heeresnachrichtenamt. Sein Budget wird, genau wie das des Abwehramtes, im Verteidigungshaushalt nicht ausgewiesen. Auch die Zahl der Mitarbeiter ist nirgendwo veröffentlicht und wird nicht einmal der für die Kontrolle zuständigen parlamentarischen Unterkommission mitgeteilt. Laut einem Bericht der österreichischen Zeitung „Kurier“ vermuten „Insider“, dass für den Dienst 800 Beamte arbeiten. Seit 2003 wird die Behörde von Generalmajor Mag. Fritz Weber geleitet.

2004 erhielt der Leiter des Heeresnachrichtenamtes einen eigenen Stab in der Zentralstelle des Verteidigungsministeriums. Damit ist das HNaA keine nachgeordnete Dienststelle des Ministeriums mehr. Begründet wurde diese Aufwertung mit einer Verkürzung der Dienstwege, da der Dienst nun für andere Ministerien direkt ansprechbar sei.

Aufgaben

Das Heeresnachrichtenamt sammelt vor allem Informationen über Österreichs östliche Nachbarn und den Balkan. In dieser Region gilt es laut Zeitungsberichten als einer der am besten informierten Dienste der Welt. So warnten Heeresagenten des damals noch anders gegliederten Dienstes bereits im Frühjahr 1968 vor einer Intervention der Warschauer Paktstaaten in der CSSR. Geheimdienste der NATO sahen diese erst als gesichert an, als sowjetische Kampfflugzeuge am 21. August Radargeräte der Nachbarstaaten störten, um den beginnenden Einmarsch zu tarnen.

Immer wieder gibt es in österreichischen Medien Berichte, dass der Dienst verbotenerweise auch im Inland aktiv wird. Offiziell wird dies bestritten. Sicher ist, dass er Informationen mit der Polizei und dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung austauscht. Letzteres ist im Rahmen der Amtshilfe durch die Verfassung gedeckt.

Die vom HNaA gesammelten Aufklärungsergebnisse werden an folgende Gremien weitergeleitet:

  • Präsidentschaftskanzlei
  • Bundeskanzleramt
  • Außenministerium
  • Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT)
  • Bundesministerium für Landesverteidigung (BMLV)

Geschichte

Obwohl sich das österreichische Kaiserhaus schon lange davor geheime Informationen beschaffte, erfolgte die Gründung des sogenannten Evidenzbüros – des ersten österreichischen Geheimdienstes – erst 1850. Zu diesem Zeitpunkt existierte die Überzeugung, dass ein solcher Dienst notwendig sei, in Österreich bereits mehr als 100 Jahre, hatte aber keine größere Bedeutung erlangt. Mit dem Evidenzbüro wurde der erste ständige militärische Geheimdienst geschaffen und im Sardinischen Krieg von 1859 und 1866 gegen Preußen auch eingesetzt, allerdings mit geringem Erfolg.

Entsprechend den politischen Interessen der österreichischen Monarchie richteten die Spione ihre Aufmerksamkeit von Anfang an vor allem nach Osten, daher auf den Balkan und nach Russland.

Am Ende des 19. Jahrhunderts verschärfte sich die Konkurrenz der Zentralmächte Europas, was auch zu einem verstärkten Einsatz der Geheimdienste gegeneinander führte. So gelang es der russischen Ochrana, den Generalstabsoffizier und stellvertretenden Leiter des Evidenzbüros, Alfred Redl, anzuwerben. Seine Enttarnung 1913 führte zu einer schweren politischen und militärischen Krise und war möglicherweise auch für die Niederlagen der Österreicher zu Beginn des Krieges verantwortlich.

Während des Ersten Weltkriegs erlangte das Evidenzbüro größere Bedeutung. Zu den bisherigen Aufgaben kam nun auch die Aufklärung gegnerischer Funksprüche. Im letzten Kriegsjahr sollen Evidenzbüro und der für das Inland zuständige Geheimdienst, die Staatspolizei (StaPo), insgesamt 300 Offiziere, 50 Beamte, 400 Polizeiagenten, 600 Soldaten und 600 Spitzel beschäftigt haben, letzter Chef war Maximilian Ronge.

Nach dem Krieg, während der Zeit der Ersten Republik (1918-1938), bestanden die Geheimdienste weiter. In den dreißiger Jahren aber begann eine zunehmende Unterwanderung durch Nationalsozialisten. Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich 1938 wurden auch die Geheimdienste gleichgeschaltet. Die Gestapo übernahm fortan die Spionage im Inland, der Sicherheitsdienst Reichsführer-SS übernahm die Spionage im Ausland, und die Abwehr übernahm die militärische Spionage. Sie waren auch in Österreich ein gefürchtetes Instrument der Nationalsozialisten.

Nach dem Krieg baute die neue Regierung bereits 1945 wieder eine österreichische Staatspolizei auf. Die Gründung eines neuen militärischen Geheimdienstes dauerte einige Jahre länger. Das Bundesheer begann damit 1955. Zuerst firmierte diese unter dem Namen Nachrichtengruppe oder Gruppe für Nachrichtenwesen (NaGrp).

1972 erfolgte eine Umbenennung in Heeres-Nachrichtendienst. 1985 dann wurde dieser in zwei neue Dienste gespalten, nämlich in das für das Ausland zuständige Heeresnachrichtenamt und den Inlandsdienst Abwehramt. Dafür verantwortlich war der damalige Verteidigungsminister Friedhelm Frischenschlager. Er soll so erbost gewesen sein, als er in den Unterlagen des Heeres-Nachrichtendienstes einen Akt über sich fand, dass er die Aufteilung und die Trennung von In- und Ausland verfügte. Jedoch werden auch interne „Kalamitäten“ immer wieder als Begründung für diesen Schritt genannt.

Im Zuge der Heeresgliederung „Neu“ wurde 1994 das Fernmeldeaufklärungsregiment in das HNaA übernommen.

Öffentliche Wahrnehmung

Die Nutzung der Geheimdienste zur Bekämpfung politischer Gegner hat in der österreichischen Politik Tradition. Große mediale Aufmerksamkeit bekam jedoch erst die so genannte FPÖ-Spitzelaffäre. In großem Umfang hatten sich Politiker der FPÖ illegal Informationen beschafft und diese verwendet, um Gegner beispielsweise in Artikeln in der „Kronen-Zeitung“ zu diffamieren.

Auch wenn das in erster Linie die Staatspolizei betraf, soll an solchen Spitzeleien laut einem Bericht der Zeitschrift Profil auch das Heeresnachrichtenamt beteiligt gewesen sein, indem es seine Abhöranlagen nutzte, um nicht nur Nachbarländer, sondern auch Bürger des eigenen Staates zu belauschen und Telefonate abzuhören. Sicher ist, dass es sich daran beteiligte, die Vergangenheit des Präsidenten Kurt Waldheim zu erforschen.

Nach außen gibt sich das HNaA verschlossen. Es existieren keine Presseveröffentlichungen. Auch eine Website besitzt der Dienst nicht.

Literatur

  • Markus Purkhart: Staatspolizei, Heeresnachrichtenamt und Abwehramt - die österreichischen Geheimdienste aus der Perspektive parlamentarischer Transparenz und Kontrolle; eine politikwissenschaftliche Analyse zur österreichischen Demokratie. Dipl. Arb., Univ. Wien 1998
  • Andreas Binder: Der österreichische Geheimdienst im "Kalten Krieg" (1945-90). Dipl.-Arb., Univ. Graz 2004
  • Ludwig Csépai: "Intelligence history" am Beispiel Österreichs nach 1945. Dipl.-Arb., Univ. Wien 2003
  • Martin Ehrenhauser: The intelligence community of the European Union - eine österreichische Betrachtungsweise. Dipl.-Arb., Univ., Innsbruck 2007

Weblinks


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