- Heiligenbeil
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Stadt Mamonowo/Heiligenbeil
МамоновоWappen Föderationskreis Nordwestrussland Oblast Kaliningrad Rajon Bagrationowsk Gegründet 1272 Frühere Namen Heiligenbeil (bis 1946) Stadt seit 1301 Fläche 20 km² Höhe des Zentrums 15 m Bevölkerung 7500 Einw. (Stand: 2006) Bevölkerungsdichte 375 Ew./km² Zeitzone UTC+2 (Sommerzeit: UTC+3) Telefonvorwahl (+7)40156 Postleitzahl 238450 Kfz-Kennzeichen 39, 91 OKATO 27 203 510 Geographische Lage Koordinaten: 54° 28′ N, 19° 56′ O54.46666666666719.93333333333315Koordinaten: 54° 28′ 0″ N, 19° 56′ 0″ O Oblast KaliningradListe der Städte in Russland Mamonowo (russisch Мамоново, deutsch Heiligenbeil („Beil“ von prußisch bila: Sprache und nicht wie das Wappen vermuten lässt von bile, byle: Beil), polnisch Świętomiejsce oder Święta Siekierka, litauisch Šventapilė (zu litauisch pile: eine heilige Burg ist nicht nachgewiesen) ist eine Stadt in der Oblast Kaliningrad, Russland, ehemals Ostpreußen). Sie hat 7500 Einwohner (2006).
Inhaltsverzeichnis
Geografie
Die Stadt liegt liegt im äußersten Südwesten des Kaliningrader Gebiets am Fluss Jarft (ru.: Wituschka) an der Grenze zu Polen. Auf der gegenüberliegenden Seite der Grenze liegt die polnische Stadt Braniewo (Braunsberg). Mamonowo bildet ein militärisches Sonderverwaltungsgebiet, umgeben vom Gebiet des Rajon Bagrationowsk, vom Frischen Haff und von Polen. Durch den Ort führt die Fernstraße von Kaliningrad nach Elbing in Polen (ehemalige Reichsstraße 1 Königsberg (Preußen) – Berlin – Aachen), der Grenzübergang befindet sich vier Kilometer südlich der Stadt. Kaliningrad ist 48 Kilometer entfernt, es führt auch eine Bahnlinie dorthin.
Geschichte
Von 1819 bis 1945 war Heiligenbeil Kreisstadt und hatte 1939 12.100 Einwohner. Die Innenstadt wurde im Krieg vollständig zerstört.
Bis 1272 befand sich hier eine Ansiedlung der Prussen namens Swento mest (prußisch swentas, swints: heilig/ mestan: Stadt), deren Name als „heilige Stadt“ und heidnische Verkündigungsstätte (prußisch bila: Sprache) gedeutet werden kann. Nach 1272 unterstand die Gegend dem Deutschen Orden.
Die Stadt wurde 1301 unter dem Namen Heiligenstadt vom Deutschen Ritterorden mit kulmischem Recht in der Nähe der prußischen Kultstätte Swentomest gegründet. 1344 wurde der Name in Heiligenbil umgewandelt und 1349 eine Kirche eingeweiht. Die Endung „Beil“ stammt vom altpreußischen Begriff „bila“: Sprache, Predigt.
Die Gründung der späteren Nachbarstadt Zinten (heute Kornewo) erfolgte durch den Orden im Jahr 1313. Die ersten Ordensritter waren per Schiff über das Frische Haff bereits 1238 am Ufer bei Balga gelandet. Hier wurde in den folgenden Jahren die Ordensburg Balga erbaut, in späteren Jahrhunderten eins der großen Wahrzeichen Ostpreußens. Heiligenbeil selbst lag nicht am Frischen Haff, doch entwickelte sich hier unterhalb der Stadt der Hafenplatz Rosenberg.
Bei der Reichstagswahl am 5. März 1933 erreichte die NSDAP und die mit ihr verbundene DNVP im Landkreis Heiligenbeil einen Anteil von 70% (Reichsdurchschnitt 52%)[1]. Im Februar und März 1945 wurde das Kreisgebiet Kriegsschauplatz. Die nationalsozialistische Gauleitung unter Gauleiter Erich Koch unterließ die rechtzeitige Evakuierung der Bevölkerung und stellte selbständige Fluchtbewegungen unter schwere Strafe.[2] Ähnlich wie Soldaten „bis zum letzten Mann“ in sinnlosen Stellungs- und Kesselschlachten verheizt wurden anstatt sich geordnet zurückziehen zu dürfen, machten sich die Machthaber somit direkt mitschuldig am Tod von unzähligen deutschen Zivilisten, die hätten gerettet werden können. In den Winterwochen zuvor flüchteten Hunderttausende von Ostpreußen völlig ungeordnet und behindert durch die deutsche Wehrmacht aus allen Teilen der Provinz, darunter auch der größte Teil der Bevölkerung des Kreises Heiligenbeil, über das Eis des Haffs auf die Frische Nehrung und von dort auf die rettenden Schiffe in Pillau oder auf dem Landweg der Nehrung nach Danzig.[3] Bei den Kriegshandlungen bildete sich der Heiligenbeiler Kessel. Nach wochenlangen Abwehrkämpfen der 4. deutschen Armee gegen mehrere sowjetische Armeen fiel Heiligenbeil. Am 29. März 1945 schifften sich die letzten deutschen Soldaten vom Haffufer unterhalb der Burgruine Balga in Richtung Pillau ein.
Von den rund 53.000 Bewohnern des Kreises Heiligenbeil verloren ca. 20 Prozent ihr Leben durch Krieg, Flucht, Vertreibung, Deportation, Vergewaltigungen, Hunger, Krankheiten oder unmenschliche Behandlungen in sowjetischen Zwangslagern. Nach der Besetzung durch sowjetische Truppen und dem Kriegsende wurde Ostpreußen formell am 17. Oktober 1945 aufgeteilt. Die Demarkationslinie, wie man die Grenze zwischen der Sowjetunion und Polen nannte, verlief auch durch den Kreis. Der kleinere Teil, südlich einer horizontalen Linie von Leisuhnen, Heiligenbeil, Deutsch Thierau, Hermsdorf-Pellen, Zinten, Schwengels und Robitten, wurde Polen zugeteilt. Alles, was nördlich davon lag, kam unter sowjetische Verwaltung. Die Besiedlung durch Russen beziehungsweise Polen begann langsam, aber stetig. Die letzten noch im sowjetischen Teil verbliebenen Deutschen wurden 1948 ausgewiesen. Zahlreiche Dörfer wurden gänzlich aufgelöst, Häuser und Straßen sind verschwunden.
Die Stadt Heiligenbeil mit ihrer fast symmetrisch angelegten Altstadt wurde wie auch viele Nachbarorte 1945 fast vollständig zerstört. Nur Heiligenbeil selbst, das nun nach einem sowjetischen General Mamonowo heißt, hat wieder eine gewisse Größe erreicht und wird heute von ca. 9000 Menschen bewohnt. Die neue Stadt liegt nordwestlich der alten im Bereich der allerdings nicht erhaltenen früheren katholischen Kirche, während die Altstadt Brachgelände ist. Fundamente und Straßenzüge sind noch zu erkennen, Teile der evangelischen Kirche ragen neben einem Spielplatz hoch, ein paar 60er-/70er-Jahre Wohnblocks wurden auf dem Gelände der Altstadt gebaut. Andere Kommunen in der Nachbarschaft von Mamonowo sind völlig unbedeutend geworden. Wegen seiner strategischen Bedeutung wird der Ort ebenso wie Laduschkin vom Flottenstützpunkt Baltijsk aus verwaltet.
Im Süden des alten Stadtgebiets befindet sich ein deutscher Soldatenfriedhof, der vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge wieder hergestellt und 2002 eingeweiht worden ist. Auf ihm liegen 4700 Gefallene (Stand 2002) v.a. der Kämpfe um den Kessel von Heiligenbeil.
Einwohnerentwicklung
Jahr Einwohnerzahl Bemerkung 1875 3.354 * 1890 3.760 * 1910 4.821 * 1933 6.356 * 1939 10.631 * (davon 9135 evangelisch, 1113 katholisch) 1959 5.500 ** 1979 8.000 ** 1989 7.816 * 2002 7.393 * 2006 7.500 Anmerkung: * Volkszählung ** Volkszählung (gerundet)
Wirtschaft und Infrastruktur
Fernverkehr
Von Berlin aus ist Mamonowo täglich per Direktverbindung im Schlafwagen zu erreichen (weiter nach Kaliningrad).
Söhne und Töchter der Stadt
- Daniel Jenisch (1762–1804), Theologe
- Paul Atzler, Jurist
- Friedrich Doepner, * 1. Juli 1893, deutscher Politiker (GB/BHE, FDP), MdL (Schleswig-Holstein)
- Werner Schröter, (1944–), deutscher Politiker (SPD) und ehemaliger Ringer
Besonderes
Durch die fast vollständige Zerstörung 1945 blieben nur die Fundamente des Stadtgrundrisses erhalten. Selbst von der alten Kirche steht nur noch ein Mauerfragment. Bis 1945 war die regelmäßig angelegte Stadt recht gut erhalten. Als Hafenplatz diente der Vorort Rosenberg, das bis 1935 ein selbständiges Fischerdorf war.
Eine Spezialität war die Heiligenbeiler Spielzeugbüchse, ein kleines Holzfass, das mit gedrechselten Puppenhausmöbeln gefüllt war. Das Drechslerhandwerk spielte noch bis ins 20. Jahrhundert eine besondere Rolle in der Stadt.
Siehe auch
Literatur
- Emil Johannes Guttzeit: Heiligenbeil und sein Bürgerbuch von 1770 bis 1918. Königsberg 1939
- Emil Johannes Guttzeit: 100 Jahre Kreissparkasse Heiligenbeil. Geschichtlicher Rückblick auf Gründung und Entwicklung der Sparkasse des Kreises Heiligenbeil. Heiligenbeil 1942
- Emil Johannes Guttzeit: Das Bürgerbuch der Stadt Heiligenbeil von 1770 bis 1918. Hamburg 1969
Weblinks
- Soldatenfriedhof Heiligenbeil / Mamonovo
- Kreisgemeinschaft Heiligenbeil
- Private Heiligenbeilseite
- Mamonowo auf mojgorod.ru
Quellen
- ↑ http://www.verwaltungsgeschichte.de/heiligenbeil.html Wahlergebnis der Reichstagswahl 1933
- ↑ Ostpreussen
- ↑ http://images.zeit.de/text/2005/03/A-Flucht_45 "Schickt Schiffe" ZEIT-Online 3/2005
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