Heimliche Weltmarktführer

Heimliche Weltmarktführer

Als Heimliche Gewinner oder besser bekannt unter dem englischen Begriff Hidden Champions werden relativ unbekannte kleine oder mittelständische Unternehmen, die in ihrem Markt jedoch Marktführer sind verstanden. Nach einer Definition von Hermann Simon, der nach eigenen Angaben Urheber des Konzeptes ist, erkennt man einen Hidden Champion an folgenden Kriterien[1]:

  • Sie sind vom Marktanteil 1., 2. oder 3. auf dem Weltmarkt oder die Nummer 1 auf ihrem Heimatkontinent (in der Regel Europa).
  • Der Jahresumsatz liegt in der Regel unter 3 Milliarden Euro.
  • In der Öffentlichkeit sind sie kaum bekannt.

Inhaltsverzeichnis

Begriffsursprung und Geschichte

Die erste Monografie zur Idee der heimlichen Gewinner ist Hermann Simons Buch Die heimlichen Gewinner: die Erfolgsstrategien unbekannter Weltmarktführer[2]. In diesem Buch wird nach der nicht ohne weiteres erkennbaren Ursache der Exporterfolge der Bundesrepublik Deutschland gesucht und als Ursache auf die Hidden Champions verwiesen.

Das Interesse am Thema wurde bei Simon nach seinen Angaben 1986 geweckt, als er mit Theodore Levitt über die Ursachen des deutschen Exporterfolges debattierte. Da dieser Erfolg nicht primär auf deutsche Großunternehmen zurückgeführt werden könne, weil diese sich von ihren internationalen Wettbewerbern nicht stark unterscheiden, kamen sie zu der Schlussfolgerung, dass es im Mittelstand eine größere Anzahl Unternehmen mit erheblichem Exportanteil geben müsse.

Daraus leitete man das Vorhandensein einer größeren Anzahl von Unternehmen, die einerseits der allgemeinen Öffentlichkeit weniger bekannt sind, andererseits auf ihren Märkten weltweit erfolgreich sein müssten, ab. Weil diese kleineren Unternehmen zwar Weltmarktführer seien, aber der Öffentlichentlichkeit weniger bekannt sind oder es sein wollen, nannte Simon sie „Hidden Champions“.

Da die Ausgangsthese war, dass es sich um ein spezifisch deutsches Phänomen handele, welches wesentliche Ursache für die deutschen Exporterfolge ist, suchte Simon diese Unternehmen zunächst in Deutschland, fand sie in großer Zahl und untersuchte sie anhand von 500 Firmen. Als er daraus ein Beschreibungsraster ableitete, bemerkte er, dass derartige Unternehmen überall in der Welt anzutreffen sind, in Deutschland jedoch besonders häufig. In einer Nachfolgestudie, die 2007 erschien, stellt er zu diesem Phänomen Thesen auf, die zwar plausibel begründet, aber nicht empirisch belegt sind.

Außerdem arbeitete Simon Unterschiede und gleichartige Merkmale der „Hidden Champions“ heraus, wobei er die gleichartigen als wesentliche Ursachen für deren Erfolg betrachtet.

Hintergründe und Eigenschaften von Hidden Champions

Die unbekannten Weltmarktführer werden als kleine und mittelständische Unternehmen mit oft unauffälligen Produkten beschrieben, mit denen sie jedoch auf dem Weltmarkt eine führende Rolle spielen. Überwiegend aber nicht nur als Familienunternehmen geführt, erbringen sie einen wichtigen Beitrag zur Leistungsbilanz ihres Landes, haben einen hohen Exportanteil und erweisen sich als überdurchschnittlich überlebensfähig.

Marktführerschaft wird als komplexer beschrieben, als es das Zählen von Marktanteilen nahelegt. Auch die „psychologische Marktführung“, also ein innerer Anspruch von Führungskräften und Mitarbeitern, die Nummer eins zu sein oder zu werden sei wesentlich. Hidden Champions leben in engen Marktnischen – oder sie schaffen sie sich. Für diese entwickeln sie einzigartige Produkte, die sie in großer Fertigungstiefe selbst erstellen. Dabei akzeptieren sie das Risiko, „alle Eier in einen Korb zu legen“.

Die enge Spezialisierung führt oft erst bei globaler Vermarktung zu tragfähigen Stückzahlen und ist somit Motor der internationalen Aufstellung. Hidden Champions kümmern sich deswegen schon in frühen Entwicklungsstadien um die Globalisierung ihres Geschäftes. Die Hidden Champions operieren extrem kundennah, wobei deren Anforderungen auch wesentliche Innovationstreiber sind. Umgekehrt können die Produkte der heimlichen Marktführer beim Kunden meist auch nicht leicht ersetzt werden. Die Spezialisierung schafft also eine starke wechselseitige Abhängigkeit, die das Risiko des oft auf ein Produkt konzentrierten Geschäftsmodells relativiert.

Viele Hidden Champions haben ihr Hauptprodukt als Innovation selbst eingeführt und mitunter ihre Stellung als einziger im Markt behauptet oder in eine lange andauernde Überlegenheit verwandelt. Ihre Märkte sind größtenteils oligopolistisch geprägt mit intensivem Wettbewerb.

Die Wettbewerbsvorteile der Hidden Champions beruhen daher selten auf Kostenvorteilen sondern zumeist auf Produktqualität, Wirtschaftlichkeit („Total Cost of Ownership“), Liefertreue, Beratung und Kundennähe. Ihre gewöhnlich hohe Fertigungstiefe auf teilweise selbst entwickelten Maschinen erschweren das Imitieren der Leistung durch andere. Umgekehrt werden betriebswirtschaftliche Leistungen wie Steuer- oder Rechtsberatung oft nach Außen vergeben.

Für den Erhalt der Führerschaft wichtig ist offenbar auch, auf Kooperationen weitgehend zu verzichten und auch den Vertrieb im Ausland selbst zu organisieren. So wird das Kern-Know-how geschützt und hoch qualifizierte Mitarbeiter werden durch die Herausforderungen an Bord gehalten.

Die Unternehmenskultur ist im strategischen patriarchalisch, im operativen teamorientiert, an Leistung ausgerichtet und intolerant gegenüber „Drückebergern“. Ihre Akzeptanz ist Grundlage für die Motivation und die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen. Deswegen ist bei jungen Mitarbeitern unter zwei Jahren Unternehmenszugehörigkeit die Fluktuation meist hoch, danach nur noch minimal.

Die Führungskräfte zeichnen sich durch hohe Identifikation mit dem Unternehmen aus und sind auf das Produkt fokussiert. Daneben sind sie durch Furchtlosigkeit, Vitalität und Ausdauer gekennzeichnet und können andere inspirieren. Sie finden oft bereits in jungen Jahren auf ihre Position und verbleiben dort weit länger als dies beim Schnitt der Unternehmen der Fall ist. Kontinuität ist auch bei der Führung ein wichtiger Aspekt.

Generell haben Hidden Champions, wie überhaupt Mittelständler, Schwierigkeiten bei der Personalsuche. Hidden Champions benötigen Personen, die ein beschauliches Leben in oft ländlich geprägten Gegenden wünschen, bei denen der Inhalt der Arbeit und weniger die Karriere im Mittelpunkt des Denkens steht und deswegen von wenig formell ausgewiesenen Karrieremöglichkeiten nicht nachteilig beeindruckt sind[3]. Die geringe Bekanntheit wird somit zum Handicap überregionaler Personalsuche. Gewerbliche Mitarbeiter rekrutieren sie aus der Umgebung und bilden in großem Umfang selbst aus. Schwieriger ist es Hochschulabsolventen anzuziehen, die oft durch die großen Namen und die vermeintlich sicheren Arbeitsplätze großer Konzerne geblendet sind. Manche Hidden Champions versuchen aus der Not eine Tugend zu machen, indem sie mit dem Hinweis auf diese ihre Eigenschaft einen Vorteil bei der Personalsuche zu erlangen suchen (siehe HIER).

Bedeutung und Schlussfolgerungen

Hidden Champions bilden eine Elite unter den Unternehmen. Lehrreiches können sich vor allem kleine und mittlere Unternehmen (KMU) abholen, da viele Märkte lokal oder regional sind, auf denen man anstreben kann, die Nummer eins zu werden. Für Investoren gilt, dass solche Unternehmen zielstrebig, klar fokussiert und die Kontinuität wahrend sind.

Rezeption

Simon kommt nach einer kurzen eigenen Studie zu folgender Aussage: „Das Thema ‚Weltmarktführerschaft‘ ist im deutschsprachigen Raum ... weitaus verbreiteter als im Rest der Welt“ (S. 40). Unternehmen werben mit dem Begriff [4], werben auch mit der Erwähnung in Simons Buch[5], oder damit, für „Hidden Champions“ zu arbeiten[6] und nutzen den Begriff bei der Personalsuche[7]. SPIEGEL Online[8] hatte eine Artikelserie zu den Hidden Champions und der SPIEGEL brachte ein SPIEGEL Special zu dem Thema heraus. Die Financial Times Deutschland stellte 6 Schulen unter dem Begriff „Hidden Champions“ in einer Serie vor[9]. Der Begriff und die These wurden in Internetblogs benutzt[10]. Bundeskanzler Schröder würdigte sie[11] und Hochschulen heben hervor, dass sie für und mit Hidden Champions ausbilden[12]. Es gab und gibt immer wieder Presseartikel zu der Idee[13]. Da der Begriff sehr dehnbar eingesetzt wird, entsprechen nicht alle Firmen, die damit werben der ursprünglichen Definition[14].

Kritik

Kritik an der Idee der Hidden Champions und den Studien dazu wird wenig geübt. Wesentliche Einwände sind: Die Feststellung, es gäbe kaum bekannte, kleine mittelständische Weltmarktführer, sei nicht wirklich neu. Der herausgearbeitete strategische Ansatz sei nur bedingt auf andersartige Unternehmen übertragbar. Die Studien wären wissenschaftlich nicht genügend fundiert.

Liste von ausgewählten Beispielen der „Hidden Champions“

Hinweis: Die nachfolgende Liste ist die vollständige Beispielliste der „Hidden Champions“, wie sie im Buch von Hermann Simon aus dem Jahr 2007 veröffentlicht wurde[15].

Deutschland

Luxemburg

  • Euro-Composites (Bauteile aus Aramid-Fasern)
  • SES S.A. (Weltraumsatelliten)

Österreich

Schweiz

Junge Unternehmen

  • Beluga Group (Schwergut-Reederei)
  • BrainLAB (Positionierungssysteme für chirurgische Instrumente)
  • CarbonSports (Laufradhersteller für Profiräder)
  • DELO Industrie-Klebstoffe (Spezialklebstoffhersteller)
  • Electro Optical Systems (Laser-Sinter-Dienstleistungen)
  • Enercon (Windräder)
  • Omicron NanoTechnology (Raster-Mikroskope)
  • SolarWorld (Solarzellen)

Quellen

  1. Simon, Hermann: Hidden Champions des 21. Jahrhunderts : Die Erfolgsstrategien unbekannter Weltmarktführer. Frankfurt a. M.: Campus, 2007.- ISBN 978-3-593-38380-4. S. 11 und S. 29.
  2. Simon, Hermann: Die heimlichen Gewinner : die Erfolgsstrategien unbekannter Weltmarktführer. Frankfurt a. M.: Campus, 1996. - ISBN 3-593-35460-8.
  3. Visible Champ statt Hidden Champion. www.academicworld.net. Abgerufen am 30. Januar 2009.
  4. Beispielsweise RUD Ketten Rieger & Dietz GmbH u. Co. KG, Soehnle Professional GmbH & Co. KG, PhotonicNet GmbH, SBS Software GmbH, Hüthig GmbHl GmbH & Co. KG
  5. flexi – Bogdahn International GmbH & Co KG
  6. openPR, Landesmesse Stuttgart GmbH
  7. Soehnle Professional GmbH & Co. KG, Fuchs & Klemm, jobguide (auch in der ersten Gruppe Beispiele)
  8. SPIEGEL Online
  9. Wesentlich ist hier die Verwendung des Begriffs durch die FT. Im Sinne der Simonschen Definition handelt es sich bei den vorgestellten Schulen nicht um Hidden Champions. Financial Times Deutschland
  10. Bohnenzähler Blog
  11. Gerhard Schröder zu „Hidden Champions“
  12. Universität Stuttgart, Provadis School of International Management and Technology AG
  13. Beispiele: Bonner Wirtschaftsgespäche, Handelsblatt
  14. Financial Times Deutschland, Staufenbiel Media GmbH
  15. Vgl.: Simon 2007, S. 16-26.
  16. ARRI ist in 2009 nach wie vor ein sehr erfolgreiches Unternehmen, das in vielen ihrer sehr diversifizierten Sparten große Erfolge hat, so beispielsweise für Objektive, Verleih, Vertrieb, Filmbelichter, Leuchtmittel und Scheinwerfer, Dienstleistung und Kamerazubehör, allerdings ist sie 2009 in der angeführten Produktgattung nicht mehr Weltmarktführer.
  17. Die Jamba! GmbH wurde 2009 umfirmiert in Fox Mobile Distribution GmbH und zu einer 100 %ige Tochter der Rupert Murdochs News Corporation in dessen Geschäftsprozesse sie auch integriert wird. Jamba! wird als Marke weitergeführt, wodurch die Änderung der Öffentlichkeit nicht sichtbar wird. Die Jamba! GmbH war trotz der in Deutschland hohen Bekanntheit in die Liste der Hidden Champions aufgenommen worden, da die Eigenschaft der Weltmarktführerschaft wiederum kaum jemanden bekannt war.
  18. Das Unternehmen wurde am 2. April 2007 abgewickelt und als Abteilung in die Merck KGaA übertragen.
  19. Nivarox in der englischen Wikipedia

Literatur

  • Simon, Hermann: Hidden Champions des 21. Jahrhunderts : Die Erfolgsstrategien unbekannter Weltmarktführer. Frankfurt a. M.: Campus, 2007. - ISBN 978-3-593-38380-4.
  • Simon, Hermann: Die heimlichen Gewinner : die Erfolgsstrategien unbekannter Weltmarktführer. Frankfurt a. M.: Campus, 1996. - ISBN 3-593-35460-8.
Englisch: Simon, Hermann: Hidden champions : lessons from 500 of the world's best unknown companies. Boston (Mass.): Harvard Business School Press, 1996.- ISBN 0-87584-652-1.
  • Bachem, Achim ; Dähne, Florian: Frischer Wind für Hidden Champions : Förderung von Forschung und Innovation aus Sicht des Mittelstandes. Berlin : Friedrich-Ebert-Stiftung, 2007.- ISBN 978-3-89892-678-2.
  • Fink, Dietmar: Die Hidden Champions des Beratungsmarktes : Ergebnisband 2003 - Allgemeine Resultate. Bonn: IMCS, 2003.
  • Fretschner, Rainer ; Hartmann, Anja: Der Gesundheitssektor : Stiefkind oder Hidden Champion der Dienstleistungsgesellschaft? In: Hartman, Anja ; Bertram, Eva: Dienstleistungen in der neuen Ökonomie : Struktur, Wachstum und Beschäftigung. Berlin: Friedrich Ebert Stiftung, 2002.- ISBN 3-89892-067-4. S. 99-116.
  • Fryges, Helmut: Hidden champions : how young and small technology oriented firms can attain high export sales ratios. Mannheim : Zentrum für Europ. Wirtschaftsforschung, 2006.
  • Meyer, Katrin: Heimliche Helden : „Hidden Champions“ machen Umsatz statt Schlagzeilen. In: Hamburger Wirtschaft 63(2008) Nr. 1, S. 12-15.
  • Münzel, Martin: Wissen Deutschland : „Hidden Champions“ - die verborgene Leistungskraft der deutschen Wirtschaft. Berlin : Friedrich-Ebert-Stiftung, 2005.- ISBN 3-89892-380-0.
  • Rasche, Christop: Was zeichnet die „Hidden Champions“ aus? : theoretische Fundierung eines Praxisphänomens. In: Kolleg für Leadership und Management (2003) Nr. 1, S. 217-237.
  • Simon, Hermann: Lehren der Hidden Champions des 21. Jahrhunderts. In: Weissman, Arnold: Erfolgreich mit den Großen des Managements. Frankfurt a. M.: Campus, 2008.- ISBN 3593386348. S. 109-147.
  • Venohr, Bernd; Meyer, Klaus E.: The German Miracle Keeps Running : How Germany’s Hidden Champions Stay Ahead in the Global Economy Berlin: Working Paper No. 30, Institute of Management Berlin, Berlin School of Economics, 2007.
  • Voeth, Markus ; Herbst, Uta ; Barisch, Sina: Hidden Champion Region Stuttgart : Ergebnisse einer empirischen Untersuchung. Stuttgart : Förderverein für Marketing an der Universität Hohenheim, 2008.

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