- Heinkel
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Die Ernst Heinkel Flugzeugwerke A.G. war eine der größten deutschen Flugzeugbauunternehmen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Ernst Heinrich Heinkel gründete am 1. Dezember 1922 die Ernst-Heinkel-Flugzeugwerke Warnemünde. Sie brachten Rostock und Warnemünde in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts den endgültigen Durchbruch in Sachen Industrialisierung. Rostock wurde moderne Großstadt und Hochtechnologie-Standort.
Die Heinkel-Werke hielten 1352 Patente auf dem Gebiet des Flugwesens und 587 Schutzrechte im Triebwerksbereich – ein Beweis für großen Erfindergeist in Mecklenburg. Maschinen und Lizenzen wurden nach Dänemark, Finnland, Schweden, Ungarn, die Sowjetunion und nach Asien verkauft. Es wurden Zivil- und später insbesondere auch Militärflugzeuge konstruiert.
Die Heinkel-Werke waren schon 1932 zum größten Industriebetrieb Mecklenburgs geworden. Die Zahl der Mitarbeiter stieg von etwa 1000 im Jahre 1932 über rund 9000 Mitte 1939 auf etwa 16.000 Ende 1944. Das 1935 eröffnete neue Werk in Rostock-Marienehe verfügte über einen eigenen Werksflugplatz mit fünf befestigten Start- und Landebahnen. Die Hauptbahn, die in West-Ost-Richtung verlief hatte eine Länge von 1500 m. Im neuen Werk gab es für die Mitarbeiter in Rostock bisher unbekannte soziale Einrichtungen wie günstiges und gutes Gemeinschaftsessen aus der Kantine oder ein Gesundheitshaus, wo beispielsweise auf vorbeugenden Gesundheitsschutz (z. B. mit Kneipp-Kuren) geachtet wurde. Dazu kamen eine großzügig ausgelegte Lehrlingsausbildung und berufliche Weiterbildung im Betrieb, Sportstätten und kulturelle Betreuung für die Familie. Der Bau von geförderten Wohnungen für die Betriebsangehörigen ließ ganze Stadtteile (Alt-Reutershagen, Komponistenviertel) neu entstehen. Das Unternehmen zahlte vor Kriegsbeginn meist überdurchschnittliche Löhne zu vergleichbaren Industrien. Von insgesamt über 55.000 Beschäftigten waren im Jahre 1945 etwa 17.000 Arbeiter (auch Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene) angestellt.
Ab 1935 unterstützten die Heinkel-Werke das Heereswaffenamt, wo Wernher von Braun die Entwicklung eines Raketenantriebs mit flüssigem Brennstoff vorantrieb. Es entstand die Heinkel He 176, ausgerüstet mit einem Raketentriebwerk des Kieler Unternehmens Walter, deren Erstflug am 20. Juni 1939 auf dem Gelände der Erprobungsstelle der deutschen Luftwaffe Peenemünde-West in Peenemünde stattfand.
In Rostock-Marienehe startete der Pilot Erich Warsitz am 27. August 1939 den weltweit ersten Flug in einem düsenbetriebenen Flugzeug des Typs Heinkel He 178. Es wurde von einem 378 kg schweren Heinkel HeS-3b-Strahlturbinenmotor, der von Hans Pabst von Ohain entwickelt wurde, angetrieben.
Ernst Heinkel war der Typus eines eigenbrötlerischen Erfinder-Unternehmers und verfolgte eine Unternehmensstrategie, immer neue Werke und Tätigkeitsbereiche zu akquirieren. Das hierbei eingeschlagene und von ihm so bezeichnete „Heinkel-Tempo“ wurde jedoch von maßgeblichen Vertretern der Rüstungswirtschaft als schlecht koordinierte und kaum konzentrierte Entwicklungspolitik angesehen, deren ständige Terminüberschreitungen bei der Fertigung mit Improvisationen nicht mehr zu kaschieren waren. So geriet Heinkel immer mehr unter staatlichen Einfluss und musste sich schließlich einer von der Rüstungsbehörde vorgegebenen finanziellen Konsolidierung beugen, die sich 1943 in der Gründung der „Ernst Heinkel AG“ (EHAG) niederschlug. Mit der Konstruktion der AG wurde Heinkels direkter Einfluss auf seine Betriebe vorerst gestoppt. Zwar behielt er zwei Drittel des Gesellschaftskapitals, musste sich aber mit dem Posten eines Aufsichtsratsvorsitzenden begnügen.
Mit der Besetzung Rostocks durch sowjetische Truppen am 1. Mai 1945 kam der Flugzeugbau zum Erliegen. Alles noch irgendwie Brauchbare in den teilweise zerbombten Werksanlagen wurde demontiert und als Beutegut in die Sowjetunion gebracht. Die Überreste der Hallen und Gebäude wurden gesprengt. Ein bedeutendes Kapitel deutscher und internationaler Technik- und Flugzeuggeschichte war beendet.
Heinkel hatte in Rostock Fertigungsstätten in Marienehe, in der Bleicherstraße, der Werftstraße und am Patriotischen Weg. Außerdem gab es Stätten in Lübz, Rövershagen, Ribnitz und Barth. Dazu kamen Fertigungsstätten in Berlin-Reinickendorf und Oranienburg, in Schwechat bei Wien, in Jenbach/Tirol (ab 1939), im Harz, in Krakau und bei Paris. Eine fensterlose Backsteinmauer (9 x 80m) der ehemaligen Heinkel-Werke befindet sich noch heute in Rostock (auf dem Gelände der ehemaligen Schiffswerft Neptun) und steht seit dem Abriss der Gebäude, die als Lehrwerkstatt dienten, im Jahre 1993 als Denkmal in der Lübecker Straße. Des weiteren sind zahlreiche Bauten des Fischereihafens in Marienehe ehemalige Heinkelgebäude. In der Stadt Oranienburg wurden in großem Umfang Zwangsarbeiter eingesetzt. Von diesem Standort existieren heute noch die Werkssiedlung Weiße Stadt (Architekt Herbert Rimpl) und Teile eines Werkflughafens.
Bald nach dem Zweiten Weltkrieg beschäftigte sich Heinkel mit Konstruktionsleistungen für Dritte (z. B. 3-Zylinder-Zweitaktmotoren für Saab-Pkw), um dann mit der Fertigung von Motoren (z. B. stammen die wassergekühlten 2-Zylinder-Zweitakt-Motoren der Maico-Kleinwagen von Heinkel), Motoren für Tempo-Lieferwagen, Mopeds („Heinkel-Perle“), Kabinenrollern („Heinkel Kabine 153“ und „154“) und Motorrollern zu beginnen, deren bekanntester der Motorroller Heinkel Tourist mit 175 cm³ Viertaktmotor ist. Dieser wurde bis Mitte der 1960er-Jahre in großen Stückzahlen verkauft, u. a. war er auch als Postzustellerfahrzeug oder als Polizeifahrzeug im Einsatz. Von der „Heinkel Kabine“ wurden etwa 17.000 Stück in Deutschland, Argentinien, Irland und England (dort als „Trojan“ bis 1965) gefertigt. Bis in die späten 1960er-Jahre produzierte Heinkel auch Motoren.
Im Jahr 2004 waren in Deutschland noch etwa 4000 dieser Roller gemeldet, was für deren Qualität und Langlebigkeit spricht.
Ab 1958 wurde in Speyer die Flugzeugentwicklung unter der Bezeichnung Ernst Heinkel Fahrzeugbau weiterbetrieben. Dort wurde auch die “Heinkel Kabine” bis zum Verkauf der Anlagen nach Irland gefertigt.
Von 1959 bis 1965 beteiligte sich Heinkel an der Entwicklungsring Süd GmbH (EWR), einem Gemeinschaftsunternehmen mit Messerschmitt und Bölkow zur Entwicklung des Senkrechtstarters EWR VJ 101.
1964 ging das Unternehmen gemeinsam mit Weserflug und Focke-Wulf in den Vereinigten Flugtechnischen Werken (VFW) auf. Während VFW inzwischen seinerseits in der EADS aufging, firmiert das Werk in Speyer heute unter der Bezeichnung PFW Aerospace AG ehemals Pfalz Flugzeugwerke.
Entwicklungen
- Bordkatapulte, durch die Bordflugzeuge (He 12; He 58) von Schnelldampfern der Post mit Vorausflügen auf der Amerikaroute mehr als 24 Stunden einsparten (Erprobungsbeginn 1927)
- Heinkel He 70 (1932), damals schnellste Verkehrsmaschine der Welt und bereits in moderner Schalenbauweise gefertigt sowie erstmalig in Deutschland mit einklappbarem Fahrwerk
- Heinkel He 111 (1934), eigentlich im Auftrag der Lufthansa als schnelles Verkehrsflugzeug gebaut, ab 1937 Standardbomber der Luftwaffe
- Heinkel He 100 (1938), mit der Werkspilot Hans Dieterle am 30. März 1939 zum ersten Mal den absoluten Geschwindigkeitsweltrekord mit 746,4 km/h nach Deutschland holte
- Erstes Flugzeug der Welt mit einem regelbaren Raketentriebwerk (He 176, 1939)
- Entwicklung des ersten Turbostrahltriebwerks (He S 3) unter Leitung von Hans-Joachim Pabst von Ohain ab 1933 (seit 1936 bei Heinkel)
- He 178, erstes Flugzeug mit Turbinenluftstrahltriebwerk (Erstflug 27. August 1939), erstes Düsenflugzeug der Welt
- Entwicklung des Schleudersitzes (1939)
- Sprengnietverfahren für den Zusammenbau der Aluminiumteile
- He 280 erster Turbinenjäger der Welt, geflogen 1941
- He 219 erstes europäisches Flugzeug mit Bugradfahrwerk und serienmäßig eingebautem Schleudersitz
- Heinkel HeS 011 bei Kriegsende leistungsstärkstes Turbotriebwerk der Welt
Siehe auch
Literatur
- Ernst Heinkel: Stürmisches Leben. Herausgegeben von Jürgen Thorwald. Europäischer Buchklub, Stuttgart, Zürich, Salzburg. o. J. (um 1954).
- Volker Koos: Ernst Heinkel Flugzeugwerke 1922–1932. Heel, Königswinter 2006, ISBN 3-89880-502-6. (Rezension)
- Till Bastian: High Tech unterm Hakenkreuz. Von der Atombombe bis zur Weltraumfahrt. Militzke, Leipzig 2005, ISBN 3-86189-740-7, S. 97–125, S. 222.
Weblinks
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