Heister-Klappe

Heister-Klappe
Die Gallenblase

Die Gallenblase (Vesica fellea beziehungsweise biliaris, lat.: vesica für „Blase“, fellis beziehungsweise bilis für „Galle“) ist ein Hohlorgan der Wirbeltiere, das der Speicherung und Eindickung der von der Leber produzierten Galle dient, die zur Verdauung von Fetten im Darm benötigt wird. Fälschlicherweise wird auch die Gallenblase selbst oft als „Galle“ bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Vorkommen

Eine Gallenblase ist bei den meisten Wirbeltieren ausgebildet, erstmals tritt sie als Merkmal bei der Evolution der Wirbeltiere auf.[1] Innerhalb der Wirbeltierklassen gibt es Taxa, bei denen keine Gallenblase ausgebildet ist. So findet sie sich beispielsweise bei Neunaugen nur in Jungtieren, in Adulten wird sie im Laufe der Ontogenese reduziert. Außerdem besitzt eine Reihe von Knorpelfischen keine Gallenblase. Von den Säugetieren haben Faultiere, Giraffen, Tapire, Pferde, Ratten und viele Hirsche keine Gallenblase. Innerhalb der Vögel fehlt sie bei den meisten Taubenvögeln und Papageien sowie dem Nandu und dem Afrikanischen Strauß, bei Perlhühnern ist sie nicht immer vorhanden.

Anatomischer Aufbau

Gallenwegssystem (grün) außerhalb der Leber

Die menschliche Gallenblase ist normalerweise 6 bis 10 cm lang und weniger als 4 cm breit. Ihre Form wird oft als „birnenförmig“ beschrieben. Die Gallenblase liegt in der Gallenblasengrube (Fossa vesicae biliaris) der Unterseite der Leber zwischen deren Lobus quadratum (quadratischer Lappen) und Lobus dexter (rechter Lappen) an, kann aber auch vom Gewebe der Leber umschlossen sein. Nach kaudal (schwanzwärts) steht das Organ in Beziehung zur Flexura coli dextra, der rechten Biegung des Dickdarms (Colon), was bei Entzündungen zu Verwachsungen zwischen den beiden Organen führen kann (biliodigestive Fistel). Dorsal (rückenwärts) befindet sich die Gallenblase nach medial in unmittelbarer Nähe der Pars superior des Zwölffingerdarms (Duodenum). Bei den Schlangen liegt die Gallenblase hinter der Leber und relativ weit von dieser entfernt.

Das Organ kann in einen Fundus vesicae biliaris (Gallenblasenboden), Corpus vesicae biliaris (Gallenblasenkörper) und Collum vesicae biliaris (Gallenblasenhals) gegliedert werden. Der Hals der Gallenblase, wo das Organ in den Ductus cysticus (Gallenblasengang) übergeht, besitzt eine spiralförmige Schleimhautfalte (Plica spiralis, auch Heister-Klappe), welche eine Verschlussfunktion vor allem bei der Erhöhung des intraabdominalen Drucks (z. B. beim Stuhlgang) wahrnimmt. Der Ductus cysticus vereint sich mit dem Ductus hepaticus communis zum Ductus choledochus, welcher, im Ligamentum hepatoduodenale verlaufend, in den Zwölffingerdarm mündet.

Die gesamte Gallenblase ist, mit Ausnahme der Stellen, die der Leber anliegen, mit Bauchfell (Peritoneum) überzogen, welches vom rechten Nervus phrenicus (Zwerchfellnerv) sensibel innerviert wird. Die Nervenfasern entstammen dem Rückenmarksegmenten C3–C5. Von den Segmenten C3 und C4 entspringen auf dieser Seite auch die Fasern der Nervi supraclaviculares, welche Teile der rechten Schulter innervieren. Bei einer Reizung des Peritoneums der Gallenblase durch pathologische Prozesse, etwa einer Entzündung, kann es aufgrund dieses gemeinsamen Ursprungs zum Phänomen des „Übertragenen Schmerzes“ in der Schulter kommen. Daneben wird die Gallenblase vegetativ von Fasern des Plexus celiacus innerviert.

Die Arteria cystica (Blasenarterie), meist ein Gefäß aus dem rechten Ast der Arteria hepatica propria (Leberarterie), versorgt die Gallenblase mit Blut. Abführende Gefäße sind die Venae cysticae, welche in die Pfortader (Venae portae) münden.

Bei einer Varietät, die als „Phrygische Mütze“ bezeichnet wird, handelt es sich um eine Aussackung des Organs, deren Form jener Mütze ähnlich sein kann.

Bei den Tierarten ohne Gallenblase mündet der Leberausführungsgang direkt in das Duodenum.

Die Grünfärbung des Organs ist auf die Farbe der Galle zurückzuführen.

Feinbau

Wand der Gallenblase, Hämatoxylin-Eosin-gefärbt

Die etwa 0,4 cm dicke Wand des Hohlorgans ist histologisch dreischichtig gegliedert. Von innen (Lumen) nach außen unterscheidet man eine Tunica mucosa, bestehend aus Epithel und einer Lamina propria, eine Tunica muscularis und eine Tunica serosa.

Die Tunica mucosa (Schleimhaut) besteht aus einer lumenwärts gelegenen Schicht Oberflächenepithel und einer darunterliegenden Bindegewebsschicht mit Blutgefäßen, der Lamina propria. Die Schleimhaut ist zu Falten aufgeworfen, welche bei zunehmender Füllung geglättet werden. Die Aneinanderlagerung von Falten führt zu so genannten „Schleimhautbrücken“, welche charakteristisch für das histologischen Präparat einer Gallenblase sind. Gelegentlich vorkommende Krypten werden als Rokitansky-Aschoff-Krypten bezeichnet. Das Oberflächenepithel besteht aus so genannten Hauptzellen, ist einschichtig und zeichnet sich durch eine große Anzahl von Mikrovilli aus. Die Zellen sind durch Nexus, Desmosomen und Schlussleisten miteinander verbunden. Funktion der Hauptzellen ist der Entzug von Wasser zur Konzentrierung der Galle und die Produktion von Schleimen zum Schutz des Organs vor Gallenbestandteilen. Bei einigen Säugetieren (Fleischfresser, Paarhufer) besitzt die Schleimhaut im Bereich des Gallenblasenhalses muköse Drüsen, welche Muzine synthetisieren. Bei chronischen Entzündungen kann die Anzahl dieser Drüsen erhöht sein.

Die mittlere der drei Schichten, die dünne Tunica muscularis, besteht aus glatter Muskulatur in dreidimensionaler Ausrichtung und vereinzelten bindegewebigen Anteilen. Die Schicht ist für die Unterstützung der Entleerung des Organs notwendig.

Die außen liegende Tunica serosa besteht, außer an der der Leber anliegenden Stelle, wo eine Tunica adventitia ausgebildet ist, aus dem Epithel des Peritoneums und darunter liegendem Bindegewebe. Diese Schicht führt neben Nervenfasern auch Blutgefäße.

Ontogenetische Entwicklung

Die Gallenblase geht in der Ontogenese, der Entwicklung des einzelnen Lebewesens, aus einem primitiven Darmrohr hervor, welches sich in der vierten Entwicklungswoche aus dem Entoderm, dem inneren Keimblatt des Embryoblasten, bildet. Der kranial (zum Schädel hin) gelegene Anteil dieses Rohres wird als Vorderdarm bezeichnet und ist unter anderem Ausgangspunkt für die Entwicklung von Leber und Gallenblase. Letztere geht aus dem Diverticulum cysticum hervor, einer Aussackung des Vorderdarms, die kranial der Anlage der Bauchspeicheldrüse und kaudal (schwanzwärts) der Leberanlage (Diverticulum hepaticum) liegt. Aus dem Diverticulum cysticum entwickelt sich sowohl die Gallenblase als auch der Ductus cysticus (Gallengang).

Sowohl das Fehlen als auch die doppelte Anlage des Organs gehören zu einer Vielzahl seltener Fehlbildungen, die beim Menschen möglich sind. Auch die Ausbildung direkter Gänge von der Leber zur Gallenblase ist möglich.

Physiologie

Schema des Wasserentzugs durch Hauptzellen der Galle

Die von der Leber produzierte Galle dient der Verdauung von Fetten im Darm. Über den Ductus choledochus wird die Galle über die Papilla duodeni major in den Zwölffingerdarm abgeben. Die Schließmuskeln (M. sphincter ampullae und M. spincter ductus choledochi) im Bereich dieser Mündung können durch ihre Kontraktion das Abfließen der Galle verhindern, so dass diese sich in der über den Ductus cysticus zwischengeschalteten Gallenblase zurückstaut. Diese Speicherung erfolgt vor allem zwischen den Mahlzeiten (interdigestiv) und betrifft ungefähr die Hälfte der von der Leber sezernierten Galle. Das Organ fasst etwa 50 ml Gallenflüssigkeit, deren Konzentration aber durch den aktiven Entzug von Wasser stark erhöht werden kann. Die Galle kann so auf bis zu zehn Prozent des ursprünglichen Volumens angereichert („eingedickt“) werden. Teilweise wird in diesem Zusammenhang die ursprüngliche „Lebergalle“ von der modifizierten „Blasengalle“ unterschieden. Letztere zeichnet sich vor allem durch eine erhöhte Konzentration von Gallensäuren, Lecithin, Gallenfarbstoffen und Cholesterol aus. Die Eindickung erfolgt durch die Verschiebung von Natrium- und Chlorid-Ionen unter Verwendung eines Na+/H+- sowie eines Cl/HCO3-Antiport-Transportsystems in der apikalen (luminalen) Membran der Hauptzelle. Diese Verschiebung ist elektroneutral, das heißt es werden dabei netto keine Ladungen verschoben. Das in der Galle enthaltene Wasser folgt diesen resorbierten Ionen aufgrund deren osmotischer Wirksamkeit. In der basolateralen Membran der Zelle befindet sich eine Na+/K+-ATPase, welche die intrazelluläre Natrium-Konzentration konstant hält. Das resorbierte Wasser wird in den Blutgefäßen der Lamina propria abtransportiert.

Bei Entspannung (Relaxation) der Schließmuskeln kommt es zum Ausströmen des Inhalts der Gallenblase; unterstützt wird diese Entleerung durch die Kontraktion der glatten Muskulatur der Gallenblasenwand. Die Kontraktion erfolgt unter dem Einfluss von Cholezystokinin (CCK), dessen Bildung im Zwölffingerdarm und oberen Jejunum (Leerdarm) unter anderem durch Fett im Nahrungsbrei angeregt wird, und der parasympathischen Wirkung des Nervus vagus über den Transmitter Acetylcholin.

Untersuchungsverfahren

Endoskopisch retrograde Cholangiopankreatikographie (ERCP): Unauffälliger Gallen- und Pankreasgang, mehrere unterschiedlich große Gallensteine in der Gallenblase und im Gallenblasengang
Sonografische Darstellung einer Gallenblase, mit pathologischem Befund (Gallenstein)

Zur Beurteilung der Gallenblase und der Gallenwege sowie eventueller krankhafter Erscheinungen steht eine Vielzahl von Untersuchungsmöglichkeiten zur Verfügung, von denen die Sonografie die verbreitetste ist.

Eine gesunde Gallenblase ist nicht tastbar, im Rahmen von Entzündungen kann sie bei eventuell damit einhergehender Vergrößerung vom ventralen Leberrand abgrenzbar sein. Auch bei Vergrößerungen im Rahmen von Abflussstörungen in Kombination mit einer Gelbsucht ist das Organ tastbar (Courvoisier-Zeichen). Im Bereich des Rippenbogens liegt zudem meist eine Druckempfindlichkeit bei der Einatmung vor (Murphy-Zeichen).

Ein weiteres bildgebendes Verfahren zur Beurteilung der Gallenblase ist die Röntgendarstellung nach Verabreichung eines Kontrastmittels, eine Technik, die bei der Gallenblase zusammenfassend als Cholangiographie bezeichnet wird. Das Kontrastmittel, welches das Organ darstellbar macht, kann oral oder intravenös gegeben werden, aber auch im Rahmen einer endoskopisch retrograden Cholangiopankreatikographie (ERCP) mittels Endoskop direkt in die Papilla duodeni major, die Mündung des Gallengangsystems in den Zwölffingerdarm, gespritzt werden. Eine weitere Möglichkeit stellt die perkutane transhepatische Cholangiographie (PTC) dar, bei welcher das Kontrastmittel perkutan, das heißt durch die Haut, mittels einer Punktion in die Leber eingebracht wird.

Erkrankungen

Gallensteine sind Ausfallprodukte aus der Gallenflüssigkeit. Bei etwa 12 % der deutschen Bevölkerung treten diese Konkremente auf, werden aber nur bei ungefähr der Hälfte der Betroffenen symptomatisch. Die Ursachen können zum Beispiel in einem Ungleichgewicht der Gallenbestandteile Gallensäure und Cholesterin liegen. Geht Gallensäure aufgrund unzureichender Resorption dem enterohepatischen Kreislauf verstärkt verloren, wie zum Beispiel bei Morbus Crohn, oder wird unzureichend gebildet, so nimmt der Cholesterinanteil relativ zu. Dies gilt auch für einen erhöhten Cholesterinspiegel (Hypercholesterinämie). An den Kristallisationskern lagern sich nachfolgend weitere Substanzen an, was zur Cholelithiasis (Gallensteinleiden) führen kann. Besonders wenn sehr junge Menschen stark betroffen sind kann die Ursache auch in einer Aufbaustörung des roten Blutfarbstoffs (Porphyrie) liegen, dessen Vorläuferprodukte die Gallenkanalzellen schädigen.

Dieses Leiden kann aufgrund der Reizung der Organwand zu einer Cholezystitis führen, einer akuten oder chronischen Entzündung der Gallenblase, die in einer Ansammlung von Eiter im Hohlorgan resultieren kann (Gallenblasenempyem). Steinleiden gehen oftmals mit Schmerzen im Bauchraum, Koliken und Gelbsucht einher. Therapiemöglichkeiten sind die Entfernung der Gallenblase (Cholezystektomie) oder die Zertrümmerung der Steine durch eine Lithotripsie.

Eine Stauungsgallenblase (Gallenblasenhydrops) entsteht durch die Verlegung der ableitenden Gallenwege durch Gallensteine, Stenosen oder Tumore bei gleichzeitig anhaltender Produktion von Muzinen. Im Rahmen einer derartigen Stauungsgallenblase beziehungsweise einer chronischen Cholezystitis kann es zu einer sogenannten „Porzellangallenblase“ kommen, deren Wand durch Einlagerung von Calcium verkalkt und so verhärtet.

Als Gallenblasenperforation beziehungsweise Gallenblasenruptur wird der Durchbruch der Gallenblasenwand bezeichnet. Dies kann sowohl die Folge einer Cholezystitis als auch einer mechanischen Belastung sein.

Verschiedene als Leberegel bezeichnete Saugwürmer befallen das Gallengangssystem und die Gallenblase.

Durch chronische Entzündungen der Gallenblase kann es auch zu einer vernarbten Schrumpfgallenblase kommen.

Das Gallenblasenkarzinom ist ein bösartiges Geschwulst, was neben der Gallenblase auch die abführenden Gallenwege betreffen kann. Es wird durch Gallensteine begünstigt und geht aufgrund der verlegten Gallenwege meist mit einer Gelbsucht (Ikterus) einher. Die Gallenblase kann dabei vergrößert sein.

Die Entfernung der Gallenblase etwa aufgrund eines Stein- oder Krebsleidens wird als Cholezystektomie bezeichnet und kann konventionell (Eröffnung des Bauches) oder, heute verbreiteter, minimalinvasiv im Rahmen einer Bauchspiegelung durchgeführt werden. Aus diesem Eingriff erwachsen dem Patienten in der Regel nur dann Probleme, wenn die Ernährung übermäßig durch fetthaltige Speisen geprägt ist.

Mittels einer biliodigestiven Anastomose kann auch eine künstliche Verbindung zwischen der Gallenblase oder -gängen und Teilen des Darmtraktes hergestellt werden.

Belege und weiterführende Informationen

Literatur

  • A. Benninghoff, D. Drenckhahn: Zellen- und Gewebelehre, Entwicklungslehre, Skelett- und Muskelsystem, Atemsystem, Verdauungssystem, Harn- und Genitalsystem. 16. Auflage. Urban und Fischer, München 2003, ISBN 3-437-42340-1 (Anatomie, Band 1).

Einzelnachweise

  1. W. Westheide, R. Rieger: Wirbel- oder Schädeltiere. Spektrum, Heidelberg 2003, ISBN 3-8274-0900-4 (Spezielle Zoologie, Teil 2).

Weblinks


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