Heliczer

Heliczer

Piero Giorgio Heliczer (* 20. Juni 1937 in Rom, Italien; † 22. Juli 1993 in Préaux-du-Perche, Frankreich) war ein italo-amerikanischer Schriftsteller, Drehbuchautor, Poet, Schauspieler, Verleger und Underground-Filmemacher. Heliczer zählt zu den Schlüsselfiguren des New American Cinema.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Der gebürtige Italiener kam bereits als kleines Kind zum Film: Nachdem er mit vier Jahren bei einem Talentbewerb zum „am meisten italienisch aussehenden Kind“ gewählt wurde, setzte man den Jungen als Kinderstar in mehreren kommerziellen Low-Budget-Filmen ein. Heliczers Vater war ein Widerstandskämpfer, der von den mit Mussolini verbündeten Nazis getötet wurde, als der Junge sieben Jahre alt war. Piero Heliczers eigenen Erzählungen zufolge hatte er mit zehn Jahren eine kleine unkreditierte Nebenrolle in Vittorio de Sicas Meisterwerk Ladri di Biciclette (Fahrraddiebe, 1948). Heliczers Mutter lehnte den italienischen Neorealismus und dessen Darstellung armer verlumpter Kinder jedoch ab und beschloss in die Vereinigten Staaten auszuwandern um ihrem Sohn dort eine bessere Laufbahn als Schauspieler zu ermöglichen. In den USA schloss Piero mit der Highschool ab. 1955 begann er ein Studium an der Harvard University, das er jedoch nach zwei Jahren abbrach um nach Paris zu ziehen, wo er zusammen mit seinem Schulkameraden, dem Literaten und Musiker Angus MacLise, den Verlag The Dead Language Press gründete.[1]

The Dead Language Press

Ursprünglich mit der Absicht seine eigenen literarischen Werke zu publizieren, übernahm Heliczer mit The Dead Language Press bald auch verlegerische Tätigkeiten für andere „alternative“ Autoren, die vornehmlich der aufstrebenden Beat-Generation im Umfeld von William S. BurroughsBeat Hotel in der rue Gît-le-Cœur angehörten, wie beispielsweise der finnische Poet Anselm Hollo, die Beatnik-Literaten Gregory Corso, Brion Gysin, Harald Norse, Ian Sommerville oder der Undergroundfilm-Pionier Jack Smith, dessen Werk The Beautiful Book Heliczer 1962 publizierte.

Der Undergroundfilm

Von 1960 bis 1961 lebte Heliczer in London, wo er seinen ersten Film, The Autumn Feast (1961), in Zusammenarbeit mit dem britischen Filmemacher Jeff Keen drehte. 1962 kehrte Heliczer nach New York zurück und geriet in das Umfeld von Andy Warhol und dessen Factory-Gefolge. Ab 1963 tauchte Heliczer in einigen Warhol-Filmen, darunter in zwei Screen Tests, auf. Bereits 1961 agierte Heliczer als Darsteller in Jack Smiths Film Flaming Creatures.

1964 kaufte sich Heliczer eine eigene Kamera und begann Filme im kostengünstigen 8 mm-Standardformat zu drehen. Obwohl er manchmal einige Filme auf 16 mm-Format umkopieren ließ, beschränkte sich Heliczer als einer der wenigen New Yorker Underground-Filmer zumeist auf das schmalere Standardformat regular 8. Heliczers Filme folgten der Camp-Ästhetik der Jack-Smith-Produktionen, waren technisch von primitiver Qualität und besaßen meist eine heftige sexuelle Thematik die sich gegen den Katholizismus richtete. Die Streifen wurden von den Kinobesuchern oft als obszöner Angriff und Affront empfunden: eine Aufführung seines Films Satisfaction brachte 1965 einen Kinobesucher dermaßen in Rage, dass er den Projektor umstürzte und einige Personen aus Heliczers Umfeld attackierte.[2]

Gewöhnlich drehte Heliczer Stummfilme, die er nachträglich vertonte, indem er ein Bandgerät dazu abspielte. Seine „Leinwand-Adaption“ von Burroughs’ Naked Lunch von 1968 ist beispielsweise ein „Film für Bandgerät, der keinen Projektor benötigt“. Manchmal ließ Heliczer den Soundtrack von hinter der Leinwand postierten Musikern live einspielen; eine dieser spontanen Begleitbands, die im Frühjahr 1965 seine Film-Installation The Launching of the Dream Weapon musikalisch begleitete, wurde später unter dem Namen Velvet Underground bekannt. Im November 1965 drehte Heliczer zusammen mit den Velvets den Film Venus in Furs, eines der ersten bekannten Film- und Tondokumente der legendären Gruppe. Diese Filmaufnahmen wurden wiederum von einem CBS-Nachrichtenteam für eine Episode von Walter Cronkite presents mit dem Titel „The Making of an Underground Film“ gefilmt. Dieser TV-Bericht sollte der einzige Fernsehauftritt sowohl von Piero Heliczer als auch von Velvet Underground bleiben.[2] Angus MacLise, der zu diesem Zeitpunkt kurzfristig Schlagzeuger der Band war und zahlreiche Soundtracks zu Heliczers Filmen beisteuerte, trat auch in einer Reihe von dessen Filme (u.a. Satisfaction) als Darsteller auf.[3]

Erfolglose spätere Jahre

Ein Wendepunkt in Heliczers Leben war eine stattliche Reparationszahlung der italienischen Regierung als Entschädigung für die Ermordung seines Vaters durch den Faschismus. Heliczer verschenkte einiges von diesem Geld an Freunde, behielt aber einen Teil um nach dem Vorbild der in New York etablierten Film-makers’ Cooperative, eine Vereinigung von Filmemachern in Paris zu gründen. Außerdem erwarb er ein baufälliges Anwesen in der Nähe von Préaux-du-Perche in der Basse-Normandie. Heliczers Filmemacher-Kooperative war jedoch kein Erfolg beschieden und so zog es ihn nach Amsterdam, wo er Mitte der 1970er Jahre auf einem Hausboot lebte. Vandalen versenkte das Schiff und so zog es den nun obdachlosen Filmemacher zurück nach New York, wo er tatsächlich eine Zeit lang auf der Straße lebte. 1984 schaffte er es, in die Normandie zurückzukehren wo er die restlichen Jahre in einem Buchladen arbeitete. Im Juli 1993 kam der 56-Jährige bei einem Unfall mit seinem Moped ums Leben.

Nachwirkungen

Von den über 17 Filmen, die Heliczer drehte, sind einige verloren gegangen oder verschollen, nur ein Drittel von ihnen befinden sich noch im Umlauf. Heliczers Publikationen sind ebenso rar: von einigen seiner Schriften gibt es kein bekanntes erhaltenes Exemplar. 2001 stellte der Dichter Gerard Malanga eine Sammlung aus Heliczers noch verfügbarem literarischen Material unter dem Titel A Purchase in the White Botanica zusammen. Eine Kompilation von Heliczers Filmen steht indes noch aus.[2]

Filmografie

  • 1961: The Autumn Feast
  • 1965: Dirt
  • 1965: The Launching of the Dream Weapon
  • 1965: Venus in Furs
  • 1966: Andy Warhol: Screen Test #3 und #4 (Darsteller)
  • 1967: Joan of Arc

sowie nicht näher datiert zwischen 1964–1967 Satisfaction, The Soap Opera, The Stone Age, Act II Neoliothic u.a.

Veröffentlichungen

  • 1962: Jack Smith: The Beautiful Book (Herausgeber)

postum:

  • Piero Heliczer, Gerard Malanga (Hrsg.): A Purchase in the White Botanica. Granary Books, 2001, ISBN 1-887123-57-1

Weblinks

Einzelnachweise und Quellen

  1. Uwe Husslein: Pop goes art. Andy Warhol & Velvet Underground. Institut für Popkultur, Wuppertal 1990, S. 10
  2. a b c David Lewis: Piero Heliczer Biography. allmovie.com. Abgerufen am 10. Mai 2008. (englisch)
  3. Uwe Husslein: Pop goes art. Andy Warhol & Velvet Underground, S. 40

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