- Helmut Daube
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Der 19-jährige Abiturient Helmut Adolf Daube wurde am Donnerstag, dem 22. März 1928 in Gladbeck ermordet. Die Tat ist bis heute nicht vollständig aufgeklärt und die Berichterstattung über den Prozess gegen den ersten Verdächtigen im Oktober 1928 verdrängte sogar die Atlantik-Überquerung des Luftschiffes Graf Zeppelin aus den Schlagzeilen.
Inhaltsverzeichnis
Tat
Der blonde Helmut Daube stammte aus einer Lehrerfamilie. Er war der einzige Sohn des Rektors der Gladbecker Lutherschule. Um zwei Uhr in der Früh verlässt er angetrunken mit mehreren Jugendlichen ein Anwerbungstreffen von Burschenschaftern im Hotel zur Post in Buer. Nachdem die Bekannten nach und nach abzweigten, marschierte er nur mehr mit seinem Schulfreund Karl Hußmann (* 1908) nach Hause.
Zirka um halb vier Uhr schnitt ihm jemand unweit seines elterlichen Hauses in der Schultenstraße 11 mit einem Messer den Hals durch. Anschließend zog man ihm die Hose herunter und schnitt seine Genitalien mit der umliegenden Haut aus der Leiche. Sie wurden nie gefunden.
Sein Vater, Rektor Adolf Daube, und seine Mutter wurden durch zwei Hilferufe wach. Der Vater fand das Bett seines Sohnes unberührt, die Mutter meinte, dass ihr Sohn gerufen hätte, aber der Vater beruhigte sie und wähnte seinen Sohn in guter Gesellschaft. Der im selben Haus wohnende Rektor Deese wurde ebenfalls durch Hilfeschreie geweckt, sah aus einem Schlafzimmerfenster, wie sich eine große kniende Gestalt erhob, die Straße überquerte und auf der unbeleuchteten Seite davoneilte. Er hielt ihn für einen Betrunkenen aus der gegenüberliegenden Kneipe.
Vor dem Schichtwechsel im Kohlebergwerk kam um halb fünf der Pförtner Fritz Bauer mit seinem Sohn auf dem Weg zur Arbeit am Tatort vorbei. An der Ecke Gonheide-Schultenstraße bemerkte er die am Boden liegende Person, wollte den vermeintlich Betrunkenen zum Aufstehen bewegen und bemerkte dabei den Mord. Sein Sohn holte den in der Schultenstraße 9 wohnenden Arzt Dr. Lutter, der ca. fünf Minuten später den Mord bestätigte. Bauer weckte die Eltern und nach anfänglichen Zweifeln erkannten diese im Mordopfer ihren Sohn. Nach 50 Minuten erschien die Polizei am Tatort, später auch die Mordkommission, welche Fotos machte. Ein Spürhund brachte keinen Erfolg, auch die im Umfeld des Tatorts stattfindende Suche nach den Genitalien blieb erfolglos.
Ermittlungen
Später wurde Karl Hußmann zum Tatort gebracht. Er meinte, dass es möglicherweise seine Schuld sei, da er seinen Freund nicht bis nach Hause begleitet habe. Man bemerkte auf seinen Schuhen und später auch an seinem Mantel Blut, von dem er behauptete, es sei von einer Katze. In seinem Arbeitszimmer fand man eine Aktentasche mit einem leeren Messer-Etui, das dazugehörige Messer wollte er ein paar Tage zuvor auf einer „Diebesjagd“ verloren haben. Hußmann wurde festgenommen, aber im Laufe des Tages auf Geheiß der Staatsanwaltschaft wieder auf freien Fuß gesetzt.
Der Aufsehen erregende Mord war sogleich Tagesgespräch im Ort und einen Tag später national und international in den Schlagzeilen. Aus dem Polizeibericht wurde erwähnt, dass der Halsschnitt „kunstgerecht“ durchgeführt worden war, was zu Umsatzeinbußen bei den örtlichen Metzgern führte. Da Selbstmorde mittels Halsschnittes öfter vorkamen, wurde auch dieser Möglichkeit nachgegangen.
Am Montag, dem 26. März 1928 wurde Helmut Daube unter „riesiger Beteiligung“ im Rondell des Gladbecker Zentralfriedhofes in der Gruft Nr. 26 D beigesetzt. Die Polizei sprach inzwischen offen von einem Sexualverbrechen. Am nächsten Tag wurde Hußmann abermals verhaftet. Wieder einen Tag später durchsuchte die Polizei den Garten von Hußmanns Pflegevater – Rektor Kleiböhmer – nach dem Messer, wurde aber nicht fündig.
Am Samstag, dem 31. März 1928 gab der Pflegevater seinem Gärtner eine von Hußmann angefertigte Skizze, auf der der mögliche Fundort des bei der „Diebesjagd“ verlorenen Messers eingezeichnet war. Der Gärtner stach an der entsprechenden Stelle den Rasen aus und wurde fündig. Inzwischen forderte der Essener Staatsanwalt Rosenbaum telegrafisch Spezialisten von der Berliner Mordkommission an, was zuletzt 20 Jahre zuvor geschehen war. Bei der Befragung durch den Berliner Kommissar Werneburg konzentrierte man sich auf den Lebenslauf und die „moralischen Qualitäten“ des Jungen, denn in seinem Bücherregal wurde ein Buch des umstrittenen Sexualforschers Magnus Hirschfeld gefunden. Das Verhör führte aber nicht zu neuen Erkenntnissen. Chemische Untersuchungen ergaben, dass das gefundene Messer nicht die Tatwaffe sein konnte und aufgrund der starken Rostflecken schon lange vor der Mordnacht in der Erde gelegen haben musste. Bei der Leiche gefundene Haare stammten nicht von Hußmann, sondern möglicherweise von der Decke, mit der Daube zugedeckt wurde.
Am 3. April wurde Hußmann nach Essen überführt und am 13. April musste der Polizeipräsident eine Pressekonferenz geben, nachdem etliche nationale wie internationale Zeitungen der Polizei Versagen vorgeworfen hatten.
Prozess
Vermutlich hatte Helmut Daube homosexuelle Kontakte. Wer aber sein Mörder war, wurde nicht mit Sicherheit geklärt. Sein Freund Karl Hußmann wurde freigesprochen.
„In der Urteilsverkündung machte der Richter unmißverständlich klar, daß es nicht in erster Linie um die Erforschung dessen ging, was sich in der Mordnacht tatsächlich ereignete: Es ging vielmehr um die Frage, ob Karl Hußmann nun schwul war – oder nicht. Hätten die Gutachter hier ein klares Urteil fällen können, es wäre sicherlich auch das Urteil über die Frage nach der Täterschaft gewesen. Denn schwul, das war damals – und ist es in vielen Köpfen heute noch – gleichbedeutend mit kriminell und böse.“
– Franz Wegener: INTRO-Recherche: Der Daube-Mord 1928
Hirschfeld kritisierte, dass man sich auf die Homosexualität konzentrierte, was für die Tat nicht von Belang sei. Dagegen habe man Nachforschungen in Richtung psychisch gestörter Serienmörder vernachlässigt.
Rolf vom Busch
Den Mord gestand später Rolf vom Busch (* 1905), der wegen des ähnlich verlaufenden Mordes an dem Stricher Kurt Schönig verurteilt worden war. Ein Prozess wegen des Mordes an Helmut Daube wurde ihm möglicherweise deshalb nicht gemacht, weil er 1936 in einem anderen, als geheim eingestuften Prozess, der den damaligen Führer und Reichskanzler Adolf Hitler betraf, wegen Landesverrates verurteilt wurde.
Da er wegen des Mordes an Kurt Schöning zur Verminderung der Rückfallgefahr kastriert worden war, wollte Rolf vom Busch sich nach eigener Aussage offenbar an führenden Männern des nationalsozialistischen Regimes, denen in der Gesinnung nahe zu stehen er angab, rächen. Denn diese hatten die Entmannung als Strafe bei Sittlichkeitsdelikten verfügt.
Er gab an, Stabschef Ernst Röhm aus der Pfadfinderbewegung zu kennen, ebenso Obergruppenführer Edmund Heines und SA-Gruppenführer Karl Ernst in Berlin. Röhm habe ihn im Hotel Kaiserhof in Berlin dem Führer Adolf Hitler zugeführt und er sei in der Lage, das Genital des Führers zu beschreiben, um seine Glaubwürdigkeit unter Beweis zu stellen. Außerdem behauptete er, Briefe Ernst Röhms zu besitzen.
Rolf vom Busch wurde auf Grund dieser Aussagen vom 3. Senat des Volksgerichtshofs in der Sitzung vom 4. August 1936 unter dem Richter Senatspräsident Eduard Springmann wegen Landesverrat zu zwei Jahren Zuchthaus und drei Jahren Ehrverlust verurteilt. Die Urteilsbegründung lautete, dass seine Aussagen das „Ansehen des Führers im Ausland“ hätten herabsetzen können. Die Glaubwürdigkeit der Aussagen wurde nicht beurteilt.
Heutiges Interesse an dem damals Aufsehen erregenden Fall kommt durch die Hinweise auf Hitler und seine Umgebung zu, weil die Prozessakten erhalten blieben und noch vorhanden sind. Andere Hinweise in dieser Richtung wurden vernichtet, Zeugen wie beim „Röhm-Putsch“ mundtot gemacht.
Literatur
- Sabine Kettler, Eva-Maria Stuckel, Franz Wegener: Wer tötete Helmut Daube?, Kulturfoerderverein Ruhrgebiet, November 2001, ISBN 3-931300-03-X
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