Herfst

Herfst
Herfst als Pianist der Kapelle Löwenthal (3. v. links), Berlin 1912

Pieter Herfst (* 1887 in Amsterdam; † 1960 in Enschede) war ein niederländischer Pianist und Dirigent.

Schon als junger Mann machte Herfst als Tanzmusiker im deutschen Kaiserreich Karriere. Er gehörte wichtigen Berliner Kapellen an und trat in den berühmtesten Konzertcafés der Reichshauptstadt auf.

Erste Deutschland-Erfahrungen sammelte Herfst 1905-1908 bereits als Mitglied des „Ensembles Hoedemakers“. 1909-1912 war er Pianist der „Kapelle Ladislaus Löwenthal“. Mit seinem eigenen Orchester („Orchester Herfst des Grand-Gala-Café“) nahm Pieter Herfst 1913 Tangoplatten auf. Gemeinsam mit dem Geiger Willi Rosé-Petösy entstanden auch Schallplattenaufnahmen mit Begleitmusik für Henny-Porten-Filme im Auftrag der Oskar-Messter-Film GmbH. Von 1916 bis 1919 wurde Herfst für Rosé-Petösys Kapelle engagiert.

Die wirtschaftliche Situation nach dem Ersten Weltkrieg zwang Herfst jedoch 1920 zur Rückkehr in die Niederlande. Nach einem kurzen Engagement im Amsterdamer Kino-Orchester von Max Tak gelangte Herfst über Arnheim nach Hengelo (Overijssel), wo er bis 1931, bis zur lokalen Einführung des Tonfilms, als Kinopianist arbeitete.

Herfst machte sich in der ersten Hälfte der 1930er Jahre als Mitglied der „Kapelle Alfred Klose“ in der Grenzregion Twente/Münsterland erneut einen Namen. 1935 gründet er die „Enschedesch Opera en Operette Gezelschap“ (E.O.O.G.), ein deutsch-niederländisches Unternehmen, und wurde dadurch zu einem der Pioniere der Amateur-Operettenvereinigungen, die sich in den Niederlanden bis heute großer Beliebtheit erfreuen. Der Beginn des Zweiten Weltkriegs zerstörte die E.O.O.G. und beendete seine Engagements (u. a. im Schlosshotel „Bellevue“ in Bad Bentheim), ermöglichte ihm aber von 1942 bis 1944 eine zweite deutsche Karriere in den Diensten der KdF („Kraft durch Freude“) und Truppenbetreuung.

Der Vorwurf der Kollaboration mit dem NS-Staat ließ sich nicht belegen, aber der Neuanfang nach 1945 wurde für Herfst in seiner niederländischen Heimat schwierig. Er fand im „Twentsch Philharmonisch Orkest“ von 1948 bis 1952 als Schlagzeuger eine Anstellung und dirigierte in Enschede, Hengelo und Oldenzaal wiederum Operettengesellschaften. Bis Anfang 1960 war Pieter Herfst auch als Tanzmusiker in Gronau und Umgebung aktiv. Die letzte Generation seiner Bandmitglieder trat wenig später mit Udo Lindenberg auf.

Herfst hat die Stationen seiner Musikerbiographie in einem Tagebuch selbst dokumentiert.

Literatur

  • Haverkate, Jan: Een schnabbel in Auschwitz. Het dubelleven van de Enschedese cafépianist Pieter Herfst (Ein lukrativer musikalischer Nebenverdienst in Auschwitz. Das Doppelleben des Enscheder Cafépianisten Pieter Herfst). In: De Twentsche Courant Tubantia, 13. Dezember 2006, S. 19, 21.
  • Kelly, Alan, (Hg.): His Master’s Voice/Die Stimme seines Herrn. A Complete Numerical Catalogue of German Gramophon Recordings made from 1898 to 1929 in Germany, Austria, and elsewhere by the Gramophon Company Ltd.
  • Krijgsman, Willemijn: Pieter Herfst. In: Alfred Hagemann/Elmar Hoff (Hg.): Insel der Träume. Musik in Gronau und Enschede (1895–2005), Klartext-Verlag, Essen 2006, S. 79-96.
  • Tak, Max: Onder de bomen van het plein. Amsterdam, Brüssel 1958, S. 73.

Nachlass

  • Nachlass Pieter Herfst: Gemeentearchief Enschede (NL) [1]).

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Pieter Herfst — Herfst als Pianist der Kapelle Löwenthal (3. v. links), Berlin 1912 Pieter Herfst (* 1887 in Amsterdam; † 1960 in Enschede) war ein niederländischer Pianist und Dirigent. Schon als junger Mann machte Herfst als Tanzmusiker im deutschen… …   Deutsch Wikipedia

  • Die folgende Geschichte — (niederländisch: Het volgende verhaal) ist eine Novelle des niederländischen Schriftstellers Cees Nooteboom, die 1991 als Boekenweekgeschenk veröffentlicht wurde. Die mysteriösen Umstände, unter denen der Protagonist der Geschichte eines Morgens… …   Deutsch Wikipedia

  • Enschedesch Opera en Operette Gezelschap — Die Enschedesch Opera en Operette Gezelschap (deutsch: Enscheder Opern und Operetten Gesellschaft, kurz E.O.O.G.) war in den 1930er Jahren ein grenzübergreifender Verein in der niederländischen Stadt Enschede und ihrer deutschen Nachbarstadt… …   Deutsch Wikipedia

  • Boudewijn de Groot — Infobox Musical artist Name = Boudewijn de Groot Img capt = Img size = 125 Landscape = Background = solo singer Birth name = Boudewijn de Groot Alias = Born = birth date and age|1944|05|20 Died = Origin = Jakarta, Java, Dutch East Indies… …   Wikipedia

  • Peter Jones (missionary) — Kahkewaquonaby redirects here. Peter Edmund Jones (1843–1909) was also known as Kahkewaquonaby. This article is about Peter Jones, the missionary. For other people with the same name, see Peter Jones (disambiguation). Peter Jones …   Wikipedia

  • Dutch phonology — For assistance with IPA transcriptions of Dutch for Wikipedia articles, see WP:IPA for Dutch and Afrikaans. Dutch grammar series Dutch grammar Dutch verbs Dutch conjugation t kofschip T rules Dutch nouns Dutch declension Gender in Dutch grammar… …   Wikipedia

  • Ladislaus Löwenthal — (* 11. Dezember 1879 in Pilsen; † 1942 in Izbica) war ein österreichischer Geiger und Kapellmeister. Im Kaiserreich und in der Weimarer Republik zählten seine Ensembles zu den besten Tanz und Unterhaltungsorchestern Deutschlands. Grammophonplatte …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Biografien/Hep–Her — Biografien: A B C D E F G H I J K L M N O P Q …   Deutsch Wikipedia

  • De koperen hond — Floris Format Television drama series Created by Paul Verhoeven Starring Rutger Hauer Jos Bergman Hans Culeman Ton Vos Jaap Maarleveld Hammy de Beukelaer Eric Herfst Jacco van Renesse Country of origin …   Wikipedia

  • Brigitte Kaandorp — Brigitte Allegonda Maria Kaandorp (* 10. März 1962 in Haarlem) ist eine niederländische Kabarettistin. Inhaltsverzeichnis 1 Karriere und Stil 2 Auszeichnungen 3 Persönliches …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”