Hirschkolben-Sumach

Hirschkolben-Sumach
Essigbaum
Essigbaum (R. hirta), gefiederte Blätter und weiblicher Blütenstand

Essigbaum (R. hirta),
gefiederte Blätter und weiblicher Blütenstand

Systematik
Klasse: Dreifurchenpollen-
Zweikeimblättrige
(Rosopsida)
Unterklasse: Rosenähnliche (Rosidae)
Ordnung: Seifenbaumartige (Sapindales)
Familie: Sumachgewächse (Anacardiaceae)
Gattung: Rhus
Art: Essigbaum
Wissenschaftlicher Name
Rhus hirta
(L.) Sudw.
Essigbaum
Essigbaum im Herbst
Blatt
Stengelbehaarung
Stammquerschnitt

Der Essigbaum oder Hirschkolbensumach (Rhus hirta, Synonym: Rhus typhina) ist ein sommergrüner Strauch aus dem Osten Nordamerikas. Er wurde um 1620 in Europa eingeführt und ist wegen seiner ausgeprägten Herbstfärbung ein weit verbreitetes Ziergehölz. Sein deutscher Name Hirschkolbensumach wie auch der englische Name staghorn sumach beruht auf dem kennzeichnenden Merkmal der Art: den kräftigen, braunen und filzig behaarten jungen Trieben, die an ein mit Bast bewachsenes Hirschgeweih erinnern.

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

Der Essigbaum wird meist drei bis fünf Meter hoch und kann in seinem natürlichen Verbreitungsgebiet unter günstigen Bedingungen zu einem 12 Meter hohen, mehrstämmigen Baum werden. Meist wächst die Art strauchförmig mit breiten Kronen und kurzen, krummen Stämmen mit maximal 35 Zentimeter Stammdurchmesser (BHD). Auf nährstoffarmen, sandigen Böden können sie zahlreiche Jungtriebe aus flachwachsenden Wurzeln bilden, die sich zu kleinen Dickichten entwickeln. Die Borke älterer Stämme ist grau und rissig, die Rinde älterer Äste ist mit zahlreichen orange-braunen Korkporen (Lentizellen) besetzt.

Das Holz ist leicht, weich und spröde. Es hat einen beinahe weißen Splint und einen grün gestreiften, orangefarbenen Kern. Die Gefäße sind in Gruppen angeordnet und neigen zur Verthyllung.

Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 30.

Knospen, Triebe und Blätter

Der Essigbaum bildet im Kronenbereich keine Endknospen (Terminalknospen). Die kegelförmigen Winterknospen sind etwa einen Zentimeter lang und werden von einem dichten, braunen Haarfilz bedeckt. Knospenschuppen fehlen.

Die jungen Triebe sind dicht braunfilzig behaart und verkahlen nach drei bis vier Jahren. Sie haben ein rundes Mark von orange-brauner Farbe und enthalten einen weißen Milchsaft, der bei Verletzung austritt und an der Umgebung schwarz wird. Die Endtriebe schließen mit einem Blütenstand ab, das weitere Wachstum wird von Seitenknospen übernommen (sympodiale Verzweigung).

Die Blätter sind wechselständig, 12 bis 60 Zentimeter lang und unpaarig gefiedert. Die Oberseite ist grün und etwas glänzend, die Unterseite weißlich. Die 5 bis 10 Zentimeter langen Blattstiele und die Blattspindel sind dicht mit weichen Haaren besetzt, auch die Adern der Blattunterseite sind behaart. Das Blatt besteht aus 9 bis 31 gegenständigen oder fast gegenständig angeordneten Fiederblättchen. Nur das terminale Fiederblättchen ist gestielt. Die Länge der Blättchen liegt zwischen 8 und 12 Zentimeter, die Breite zwischen 2 und 3 Zentimeter, wobei die mittleren Fiederblättchen die größten sind. Die Form der Blättchen variiert von elliptisch bis länglich-lanzettlich, oft sind sie leicht sichelförmig. Die Basis ist rundlich, halbherzförmig und etwas ungleichmäßig geformt; der Apex läuft spitz zu. Der Blattrand ist ungleichmäßig gesägt, die Spitze jedoch ganzrandig. Der Essigbaum fällt besonders durch seine Herbstfärbung auf, die Blätter werden dabei gelb, später orangefarben und im Oktober leuchtend karmesinrot.

Blüten, Früchte und Samen

Der Essigbaum blüht im Frühsommer nach dem Austreiben der Blätter. Er ist zweihäusig und meist erscheinen die weiblichen Blüten etwa eine Woche vor den männlichen. Die Blüten bilden endständige Infloreszenzen. Die männlichen Blütenstände sind gelbgrün, bis zu 20 Zentimeter lang und damit etwa ein Drittel größer als die kompakteren und rötlichen weiblichen Blütenstände. Jede Blüte hat ein 1,5 Millimeter langes und 0,5 Millimeter breites Deckblättchen, dessen Innenseite lang behaart ist. Die Einzelblüte ist fünfzählig. Der Kelch ist fünfzipfelig, außen behaart und innen kahl und hat eine Länge von 1,5 Millimeter. Die Kronblätter sind weißlich bis gelblich-grün, 3,5 Millimeter lang, 1,5 Millimeter breit und behaart. Jede Blüte hat einen auffälligen, hellroten, dreilappigen Diskus. Der Stempel hat drei Narben, männliche Blüten haben fünf Staubblätter mit großen, orangefärbigen Staubgefäßen und einen verkümmerten Fruchtknoten.

Blütenformel: männliche Blüte: \star K_5 \; C_5 \; A_5
weibliche Blüte: \star K_5 \; C_5 \; A_{\underline{(3)}}

Die Früchte sind trockene Steinfrüchte, 4 Millimeter lang, 4,5 Millimeter breit und etwas abgeflacht. Sie sind im August ausgewachsen und werden im Herbst reif. Fruchtentwicklung ohne vorherige Befruchtung (Parthenokarpie) ist häufig. Die Früchte sind von einer dichten Schicht langer, roter Haare umgeben, der kleine, einsamige Steinkern ist hellbraun. Die orangebraunen Samen sind ca. 2,7 Millimeter lang und 2 Millimeter breit und enthalten kein Endosperm, also kein Nährgewebe für den Samen. Die Samen werden häufig von Vögeln verbreitet und keimen epigäisch. Das Tausendkorngewicht beträgt 11 Gramm.

Giftigkeit und Inhaltsstoffe

Alle Pflanzenteile sind giftig, wobei der Grad der Giftigkeit gering bzw. die Giftigkeit sogar fraglich ist. Die orale Aufnahme größerer Mengen führt zu Magen- und Darmbeschwerden, auf der Haut soll der Milchsaft zu Hautentzündungen führen, Spritzer in die Augen können Bindehautentzündungen auslösen.

Die Hauptwirkstoffe sind Gerbstoffe, Ellagsäure und der stark saure Zellsaft. Urushiole wie im Giftsumach sind nicht nachweisbar.[1]

Verbreitung und Standortansprüche

Natürliches Verbreitungsgebiet[2]

Das natürliche Areal liegt im Osten der Vereinigten Staaten und Kanadas. Es erstreckt sich von Neu-Schottland und dem unteren Teil des Sankt-Lorenz-Stroms nach Westen bis nach Iowa und dem Huronsee, nach Süden entlang den Appalachen bis nach Georgia, Alabama, Mississippi und Florida. Als Ziergehölz für Gärten und Parks wird der Essigbaum besonders in Mittel- und Nordeuropa verwendet, und gilt in Deutschland als in Einbürgerung befindlicher Neophyt [3]. Für Österreich lautet die Angabe selten und zerstreut verwildert[4].

Auf nährstoffreichen Böden an sonnigen Südhängen West Virginias, Tennessees und Kentuckys findet die Art optimale Wuchsbedingungen. Dort findet man sie einzeln, in kleinen Gruppen oder Dickichten im offenen Gelände. Als Unterholz in Wäldern kommt sie nicht vor. Sie stellt nur geringe Ansprüche an den Boden, wächst sowohl auf Kalk als auch auf Urgestein und wird auch als Erosionsschutz auf nährstoffarmen, trockenen Standorten verwendet. Gemieden werden nasse, saure und kalte Böden.

Systematik und Botanische Geschichte

In der ca. 150 Arten umfassenden Gattung Rhus wird die Art der Sektion Sumac zugeordnet, die Kennzeichen der Sektion sind Blüten in terminalen Infloreszenzen, dicht behaarte, rote Früchte und unpaarig gefiederte Blätter.

Gärtnerische Bedeutung haben die geschlitztblättrigen Formen:

  • Rhus hirta 'Dissecta' mit tief eingeschnittenen Fiederblättchen
  • Rhus hirta 'Lacinata' mit zusätzlich stark zerschlitzten Hochblättern im Blütenstand

Das Basionym der Art ist Datisca hirta L., ein häufiges Synonym Rhus typhina L.[3].

Carl von Linné stellte den Essigbaum 1753 in seinen Species Plantarum in die Gattung der Scheinhanfe und nannte ihn Datisca hirta. Material zum Essigbaum dürfte er durch eine Nordamerika-Reise seines Schülers Pehr Kalm erhalten haben. Später stellte er den Essigbaum als Rhus typhina in die Gattung Rhus. Das Epitheton typhina leitet sich vom Gattungsnamen der Rohrkolben Typha ab, bedeutet also etwa rohrkolbenartig und beschreibt die Form der Fruchstände. Das Art-Epitheton hirta kommt aus dem lateinischen und bedeutet rauhaarig, borstig[5]. Der deutsche Name Hirschkolbensumach leitet sich von den jungen Trieben ab, die an ein Hirschgeweih erinnern. Der Name Essigbaum geht auf den Umstand zurück, dass seine säurehaltigen Früchte dem Essig zugesetzt wurden, um dessen Säure zu verstärken.[6]

Verwendung

Geschlitztblättriger Essigbaum (Rhus hirta 'Dissecta')

Für einige Indianerstämme war die Art von medizinischer Bedeutung, die Wurzeln dienten als Mittel zur Blutstillung, die Früchte gegen Erkrankungen der Lunge, und der Tee aus der inneren Wurzelrinde gegen „innere Beschwerden“.

Das als Indian Lemonade bezeichnete Erfrischungsgetränk wird aus Wasser und den Früchten des Essigbaums hergestellt und weist einen hohen Gehalt an Vitamin C auf[7]. Die Früchte werden zuweilen bei der Essigherstellung verwendet.

Das Holz hat keine wirtschaftliche Bedeutung, eignet sich aber für die Kunsttischlerei.

Bedeutung hatte die Art jedoch als Quelle für Gerbstoff. Einen hohen Gehalt weisen vor allem die Wurzelrinde und die Fiederblättchen auf, wobei nur die Blätter genutzt werden. Sie enthalten vor dem Einsetzen der Herbstfärbung 27 bis 29 % Gerbstoff (bezogen auf das Trockengewicht), der sich gut zum Gerben von Leder eignet. In den USA und mehreren europäischen Ländern wurden besonders gerbstoffreiche Sorten (Spitzenwerte bis 42 %) angebaut. Dabei lagen die Erträge in Amerika bei etwa 140 Kilogramm je Hektar und Jahr, in Europa auch darüber. Sie liegen jedoch unter den Erträgen, die mit den Arten Rhus glabra und Rhus coppalina erzielt werden können. Zur Gerbstoffgewinnung wurde er in den USA, der ehemaligen Tschechoslowakei, in Russland, Ungarn und Deutschland angebaut. Heute gibt es noch Anbaugebiete in Pakistan.

In Europa dient der Essigbaum als beliebtes und verbreitetes Ziergehölz. Er wurde etwa 1620 nach Frankreich gebracht und ist 1621 in einem Pariser Garten als „Sumac de Virginiana“ belegt. Ab 1628 kann er in Leiden, ab 1629 in London nachgewiesen werden. In Deutschland lässt er sich zuerst in einem herzoglich braunschweigischen Garten nachweisen, wohin er zwischen 1630 und 1651 gelangt ist, 1654 auch in Königsberg in Preußen. Doch wurde er bis Ende des 18. Jahrhunderts nur selten in botanischen oder anderen Gärten kultiviert. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde er in einem deutschen Verzeichnis als gewöhnliche Lustgebüsch-Pflanze geführt. Zur allgemeinen Verbreitung in Grünanlagen und Gärten gelangte er erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.[6]

Belege

  • Schütt, Weisgerber, Schuck, Lang, Stimm, Roloff: Enzyklopädie der Sträucher. Nikol, Hamburg 2006, S. 267-274. ISBN 3-937872-40-X

Einzelnachweise

  1. Roth, Daunderer, Kormann: Giftpflanzen, Pflanzengifte. 4. Auflage, Nikol Verlag, 1994, S. 616-617, ISBN 3-933203-31-7
  2. Beschreibung durch die USDA, Zugriff am 10. Juni 2008
  3. a b FloraWeb, Zugriff am 8. Juni 2008
  4. M.A. Fischer, K. Oswald, W. Adler: Exkursionsflora für Österreich, Liechtenstein und Südtirol. Dritte Auflage, Land Oberösterreich, Biologiezentrum der OÖ Landesmuseen, Linz 2008, ISBN 978-3-85474-187-9
  5. Helmut Genaust: Etymologisches Wörterbuch der botanischen Pflanzennamen. 3. Auflage, Nikol, 2005, ISBN 3-937872-16-7
  6. a b Heinz-Dieter Krausch: Kaiserkron und Päonien rot... Von der Entdeckung und Einführung unserer Gartenblumen. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2007, S. 391f. ISBN 978-3-423-34412-8
  7. Beschreibung in Floridata, Zugriff am 8. Juni 2008

Weblinks


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