Homerische Götterhymnen

Homerische Götterhymnen

Die so genannten Homerischen Hymnen sind eine Sammlung von 33 Preisliedern auf antike griechische Gottheiten, Sagengestalten und eines "auf die Gastgeber". Ihre Länge variiert von nur sehr wenigen (der zweite auf Demeter lediglich drei) bis 580 (Hermes) Versen. Das Versmaß ist wie bei den Epen Homers ausschließlich der Hexameter, auch die Sprache ist stark an die der homerischen Epen angelehnt.

Die Datierung ist umstritten, die Hymnen dürften aber im Laufe mehrerer Jahrhunderte an verschiedenen Orten entstanden sein: Während die ältesten vermutlich schon im 7. Jahrhundert v. Chr., also bald nach den Epen Ilias und Odyssee aufgezeichnet wurden, stammen die jüngsten wohl erst aus hellenistischer Zeit.

Manche der Gottheiten wurden mit mehreren Hymnen bedacht, so Demeter, Apollon, Aphrodite und Hermes, denen je einer der sogenannten "vier großen Hymnen" geweiht ist. In der Sekundärliteratur variiert die Reihenfolge der Hymnen aus verschiedenen Gründen. Die folgende Auflistung findet sich zum Beispiel bei Karl Arno Pfeiff (Siehe Literaturangabe.):

  1. Auf Demeter (2 Hymnen, davon ein großer)
  2. Auf Apollon (2 Hymnen, davon ein großer)
  3. Auf die Musen und Apollon
  4. Auf Aphrodite (3 Hymnen, davon ein großer)
  5. Auf Hermes (2 Hymnen, davon ein großer)
  6. Auf die Allmutter Erde
  7. Auf die Mutter der Götter
  8. Auf Helios
  9. Auf Selene
  10. Auf Zeus
  11. Auf Hera
  12. Auf Poseidon
  13. Auf Artemis (2 Hymnen)
  14. Auf Athena (2 Hymnen)
  15. Auf Ares
  16. Auf Dionysos (3 Hymnen)
  17. Auf Hephaistos
  18. Auf Pan
  19. Auf Hestia (2 Hymnen)
  20. Auf Asklepios
  21. Auf den löwenmutigen Herakles
  22. Auf die Dioskuren (auch Tyndariden genannt, 2 Hymnen)
  23. Auf die Gastgeber.


Ein Beispiel: Der große Hymnus an Demeter

Der große Hymnus an Demeter hat mit 495 Versen fast die Länge eines antiken Buches und stammt mit großer Wahrscheinlichkeit aus der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts v. Chr. In ihm wurden wahrscheinlich zwei Mythen miteinander verknüpft: zum einen der Raub der Persephone durch Hades und zum anderen der Mythos von Demeter im Haus des eleusinischen Königs Keleos. Außerdem weist der Hymnus Spuren einer späteren Nachbearbeitung auf.

Es wird die Geschichte erzählt, wie Kore (so der Name Persephones vor ihrer Entführung, griech. bedeutet schlicht: Tochter) unter Zustimmung des Zeus von Hades in die Unterwelt entführt wird. Sie wird damit unweigerlich Hades Frau und eine hohe Totengöttin. Diese "Ehe" kann nicht wieder geschieden werden, da sie auf Beschluss des Göttervaters Zeus stattfand. Kore schrie laut bei der Entführung, aber nur Demeter und Hekate haben sie gehört. Demeter begibt sich neun Tage lang vergebens auf die Suche nach ihrer Tochter, bis sie Hekate trifft und die beiden Helios befragen, der als einziger die Entführung gesehen hat.

Als Demeter erfährt, dass ihre Tochter von Hades (einem der drei höchsten Götter überhaupt neben Zeus und Poseidon) entführt worden ist, begibt sie sich verkleidet als alte Frau nach Eleusis in Attika. Dort kommt sie als Amme in den Palast des Königs Keleos, um dort dessen einzigen und spätgeborenen Sohn Demophon zu umsorgen. In den Nächten versucht sie Demophon unsterblich zu machen, indem sie ihn mit Ambrosia salbt, mit ihren göttlichen Atem anhaucht und ihn ins Feuer legt. Eines Nachts sieht die Königin Metaneira dies, bricht in eine laute Klage aus und bricht so den Zauber. In ihrem Zorn auf den Göttervater und die Menschen, befiehlt Demeter den Bau eines Tempels, in welchem sie sich niederlässt, um ihre Tochter zu betrauern. Die trauernde Demeter lässt eine Hungersnot auf der ganzen Welt ausbrechen, sodass die Menschheit vom Aussterben bedroht ist und den Göttern keine Opfer mehr bringen kann.

Diesen Zustand kann der Göttervater Zeus nicht hinnehmen und bietet Demeter an, was immer sie wolle. Sie will aber lediglich ihre Tochter wiedersehen, sodass Zeus verfügt, dass Kore ein Drittel (die Wintermonate) in der Unterwelt und zwei Drittel des Jahres auf dem Olymp bei ihrer Mutter verbringen soll.

Ein Zeichen für die spätere Nachbearbeitung des Hymnus sind zwei sich widersprechende Verse in der Demophon-Szene. In einer älteren Version ist Demophon bei seiner gescheiterten Vergöttlichung offenbar im Feuer umgekommen. Diese ältere Version geht wahrscheinlich auf menschliche Feueropfer zurück. Als es solche Opferriten bei den Griechen nicht mehr gab, wurden die kultischen Texte wie diese Hymnen offensichtlich nachträglich bereinigt.

Dafür, dass hier zwei unterschiedliche Mythen miteinander verbunden worden sind, spricht, dass Persephone nach ihrer Rückkehr aus der Unterwelt eine andere Version der Entführung berichtet als zu Beginn des Textes. Angeblich seien Artemis und Athene zugegen gewesen; es ist aber unwahrscheinlich, dass sie nicht zumindest die Verfolgung des Hades aufgenommen hätten. Des weiteren ist der primäre Zweck der Geschichte von Demeter im Haus des Keleos, zu erklären, wie die Menschen den Ackerbau erlernten. (In diesem anderen Mythos sendet Demeter den König Keleos aus, um den Menschen den Ackerbau zu lehren, und dieser wird von da an als Heros des Ackerbaus verehrt.)

Literatur

  • Homerische Götterhymnen, verdeutscht von Thassilo von Scheffer. Jena: Diederichs 1927
  • Gerd von der Gönna und Erika Simon (Hrsg.): Homerische Hymnen. Übertragung, Einführung und Erläuterungen von Karl Arno Pfeiff, Stauffenburg Verlag, Tübingen, 2002 (Ad Fontes; Bd. 8), ISBN 3-86057-074-9
  • Richardson, N. J. [ed.] The Homeric Hymn to Demeter. Oxford University Press, Oxford, 1974. (Wissenschaftlicher Standardkommentar)
  • Th. W. Allen, E. E. Sikes [edd.] The Homeric Hymns. Macmillan, London, 1904. (Einziger wissenschaftlicher Kommentar, der alle Hymnen berücksichtigt.)

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