Humanes-Herpes-Virus 4

Humanes-Herpes-Virus 4
Epstein-Barr Virus
Epstein-Barr-Virus
Systematik
Reich: Viren
Baltimore K. (dsDNA-Viren) I
Familie: Herpesviridae
Unterfamilie: Gammaherpesvirinae
Gattung: Lymphocryptovirus
Art: Epstein-Barr Virus
Wissenschaftlicher Name
Epstein-Barr Virus
(syn. Human Herpesvirus type 4)

Das Epstein-Barr-Virus (EBV), auch Humanes-Herpes-Virus 4 (HHV 4) ist ein humanpathogenes, behülltes, doppelsträngiges DNA-Virus aus der Familie der Herpesviridae. Erstmals beschrieben wurde es 1964 von Michael Epstein und Yvonne M. Barr. Sie entdeckten EBV in B-Lymphozyten, die von einem afrikanischen Patienten mit Burkitt-Lymphom stammten.

Inhaltsverzeichnis

Übertragung

Hauptübertragungsweg des Virus ist eine Tröpfcheninfektion oder eine Kontaktinfektion (besonders Speichel) bzw. Schmierinfektion, seltener sind Übertragungen im Rahmen von Transplantationen oder Bluttransfusionen. Die Tatsache, dass EBV auch in Sekreten der Genitalien festgestellt werden konnte, macht auch den Übertragungsweg durch sexuelle Kontakte denkbar.

Infektionsfolgen

Leukämiezellen mit Nachweis von EBV

Die Infektion mit dem Virus erfolgt zumeist im Kindesalter. Während bei Infektionen im Kindesalter in der Regel keine Symptome auftreten, kommt es bei jugendlichen oder erwachsenen Infizierten in 30–60 % aller Fälle zum Ausbruch einer infektiösen Mononukleose (Pfeiffer-Drüsenfieber). Ab dem 40. Lebensjahr sind ca. 98 % der Menschen mit EBV infiziert. Sowohl nach einer asymptomatischen als auch nach einer symptomatischen Infektion persistiert das Virus lebenslang im Körper. Es kann wie alle Herpesviren reaktivieren. Für gewöhnlich wird eine Reaktivierung vom Wirt nicht bemerkt und schnell durch sein Immunsystem eingedämmt. Besteht eine Immunsuppression (z. B. bei HIV-Infizierten oder Organempfängern) kann sich das Virus unkontrolliert vermehren und zur Entstehung von verschiedenen seltenen Krebserkrankungen führen (Burkitt-Lymphom, weitere Lymphome sowie der posttransplantativen lymphoproliferativen Erkrankung).

In Afrika existiert auch eine endemische (lokal immer wieder zu Epidemien führende) Variante des EBV-assoziierten Burkitt-Lymphoms.

Im asiatischen Raum gilt eine EBV-Infektion als Risikofaktor für Tumoren der Nase oder des Kehlkopfes (Nasopharynxkarzinom). EBV ist in diesem Falle notwendig für die Krebsentstehung, jedoch nicht ausreichend, wie die geringe Anzahl der Krebserkrankungen im Vergleich zur Virusverbreitung zeigt. Weitere Faktoren spielen hier eine Rolle (chromosomale Translokation des c-myc-Genes). Als potentieller Cofaktor wird auch Malaria diskutiert. Auch menschliche Brustkrebszellen sind häufig durch Epstein-Barr-Viren infiziert, ohne dass ein ursächlicher Zusammenhang gesehen wird.

Obwohl EBV nicht als Brustkrebsvirus aufzufassen ist, verändert es das Ansprechen der Brustkrebszellen auf die Taxane, die bei der Chemotherapie eingesetzt werden. Noch häufiger als Brustkrebszellen sind Fibroadenome der Brust durch Epstein-Barr-Viren infiziert. Ebenfalls wird das Epstein-Barr-Virus als evtl. Mitverantwortlicher für den Morbus Hodgkin (Lymphdrüsenkrebs) diskutiert.

Diagnostik

Allgemein findet man bei der Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus fast immer einen erhöhten Anteil von Lymphozyten an den gesamten weißen Blutkörperchen (so genannte relative Lymphozytose). Die Gesamtzahl der weißen Blutkörperchen kann dabei erniedrigt, normal oder erhöht sein. Wird ein Blutausstrich unter dem Mikroskop untersucht, zeigen die T-Lymphozyten charakteristische Veränderungen (so genannte Pfeiffer-Zellen), die manchmal bereits die Diagnose ermöglichen. Weiterhin sind die Leberwerte häufig erhöht.

Die serologische Beurteilung des EBV-Status ist nicht immer einfach. Zum Nachweis der akuten Infektion werden mancherorts sogenannte Schnelltests angewendet, die jedoch je nach Lebensalter bis zu 20 % falsch positive und 30 % falsch negative Resultate liefern. Die Diagnostik (von normalen immunkompetenten Patienten) sollte gestaffelt erfolgen, und die Konstellationen, die mancher Patient oder Arzt auf seinem Laborbericht findet, sind manchmal etwas schwierig zu deuten:

  • Nachweis von IgG-Antikörpern gegen das nukleäre Antigen von EBV (EBNA-1-IgG): Beweist das Vorhandensein des Virus und gleichzeitig dessen Latenz. Ist der EBNA-1-IgG-Test eindeutig positiv, so ist jeder weitere Test unnötig, eine akute Erkrankung ist ausgeschlossen. Bei etwa 95 % der Menschen mit zurückliegender EBV-Infektion sind EBNA-1-IgG-Antikörper nachweisbar.
  • Ist das EBNA-1-IgG negativ, sollte das IgG gegen das virale Capsid-Antigen (VCA-IgG) getestet werden. Es ist ein Marker für aktuellen oder früheren Kontakt mit EBV und bleibt in der Regel lebenslang nachweisbar.
  • Zum Nachweis einer akuten Infektion werden bei positivem VCA-IgG die IgM-Antikörper gegen das virale Capsid (VCA-IgM) getestet. Sind diese positiv, so spricht dies für eine frische bzw. kürzliche Infektion (beweist diese allerdings nicht!).
  • Bei starker körperlicher Belastung (besonders bei Leistungssportlern) kann das VCA-IgM persistieren. Man spricht von einer verlängerten (prolongierten) Ausheilung, wenn das EBNA-1-IgG bereits schon positiv ist.
  • In diagnostischen Problemfällen kann häufig durch einen Immunoblot und/oder eine Aviditätstestung eine akute von einer zurückliegenden Infektion unterschieden werden. Der Nachweis einer hohen Avidität der VCA-IgG-Antikörper beweist einen länger zurückliegenden Infektionszeitpunkt, eine deutliche VCA-p18-Bande im IgG-Immunoblot spricht ebenfalls dafür. Typische Befunde bei einer akuten Infektion sind: Fehlen von EBNA-1-IgG-Antikörpern, niedrige Avidität der VCA-IgG-Antikörper und Nachweis von IgG- und/oder IgM-Antikörper gegen EA (early antigen).
  • Bei Immunschwäche (Immuninkompetenz) kann das Virus von der Ruhephase (Latenz) wieder in eine aktive Vermehrung übergehen (Reaktivierung). Hierbei kann das EBNA-1-IgG beispielsweise bei HIV-Patienten sekundär wieder negativ werden. Eine zuverlässige Einschätzung von EBV-Reaktivierungen bei Immunschwäche ist nur anhand der Bestimmung der Viruslast durch Polymerase-Kettenreaktion möglich.
  • Der direkte Nachweis der Virus-DNA mittels Polymerase-Kettenreaktion ist bei Immungesunden meist nicht sinnvoll, da im Blut auch das latente Genom nachgewiesen werden kann und gleichzeitig symptomlose Träger das Virus konstant oder vorübergehend mit dem Speichel ausscheiden. Die oben genannten Reaktivierungen bereiten einem immungesunden Menschen in aller Regel keine Beschwerden, sie stellen lediglich ein labordiagnostisches Problem dar, da der Nachweis von VCA-IgG in hohen Konzentrationen und ggf. wieder auftretendes VCA-IgM zu Fehlinterpretationen führen kann.

Eine besondere Spezialität des EBV ist es, dass durch die akute Infektion von Lymphozyten (v. a. Gedächtniszellen) mit EBV diese wieder IgM-Antikörper von schon lange ausgeheilten Infektionen oder Impfungen bilden können. Diese Patienten zeigen dann oft das gleichzeitige Vorhandensein von IgM gegen Röteln, Masern, Hepatitis A, CMV u. v. m. und imitiert somit serologisch eine akute Infektion mit diesen Erregern. Ein Patient mit mehr als einem positiven IgM ist daher stets EBV-verdächtig.

Literatur

  • Crawford D. H. Biology and disease associations of Epstein-Barr virus. Philos Trans R Soc Lond B Biol Sci. Bd. 356, 2001, S. 461–473.
  • W. Amon, PJ. Farrell: Reactivation of Epstein-Barr virus from latency. In: Rev Med Virol. 2005 May-Jun;15(3):149–56. PMID 15546128

Weblinks

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