Hundertfüßler

Hundertfüßler
Hundertfüßer
Hundertfüßer beim Beutefang

Hundertfüßer beim Beutefang

Systematik
Überstamm: Häutungstiere (Ecdysozoa)
Stamm: Gliederfüßer (Arthropoda)
Unterstamm: Tracheentiere (Tracheata)
Überklasse: Tausendfüßer (Myriapoda)
Klasse: Hundertfüßer
Wissenschaftlicher Name
Chilopoda
Ordnungen
  • Spinnenläufer – Scutigeromorpha
  • Steinläufer – Lithobiomorpha
  • Crateostigmomorpha
  • Riesenläufer – Scolopendromorpha
  • Erdläufer – Geophilomorpha
Kopfunterseite mit dem zu Giftklauen umgewandelten ersten Beinpaar

Die Hundertfüßer (Chilopoda) sind eine Klasse der Gliederfüßer (Arthropoda) und werden bei den Tausendfüßern (Myriapoda) eingeordnet. Weltweit sind etwa 3.000 Arten dieser Tiere bekannt, womit sie nach den Doppelfüßern die zweitgrößte Gruppe der Tausendfüßer darstellen. Die Tiere erreichen Körperlängen von 1 bis 10 Zentimetern, tropische Scolopendra-Arten (dt.: Skolopender) können auch bis 25 Zentimeter lang werden.

Inhaltsverzeichnis

Merkmale

Die Hundertfüßer stellen eine Zusammenfassung von vier Einzelgruppen dar, die in ihrer Morphologie stark variieren, weswegen eine einheitliche Beschreibung schwierig ist. Wie alle Angehörigen der Myriapoden zeichnen sich die Hundertfüßer vor allem durch eine einheitliche Gliederung der Körpersegmente aus. Auch die große Giftklaue, die aus dem ersten Laufbeinpaar entwickelt wurde und entsprechend als Maxilliped bezeichnet wird, ist bei allen Hundertfüßern zu finden.

Bei allen Gruppen mit Ausnahme der Scutigeromorpha ist der Kopf flach. Die Vorderkante bildet immer eine Verbindungslinie zwischen den beiden Antennen, das Stirnschild (Clupeus) ist nach unten weggeklappt. Auf diese Weise gelangt der Mundraum mit den Mundwerkzeugen auf die Kopfunterseite, direkt vor die Giftklauen. Die Mandibeln sind bei den Scutigeromorpha sehr kräftig ausgebildet und in der Lage, Chitinteile zu zerbeißen. Die 1. Maxillen helfen bei der Nahrungsaufnahme und halten die Partikel fest. Die 2. Maxillen bestehen nur aus einem Taster mit Halteklaue sowie einer spangenartigen Struktur. Die großen Giftklauen besitzen eine starke Spitze, an der die große Giftdrüse ausmündet. Sie können bei den Scutigeromorpha in alle Richtungen bewegt werden, bei allen anderen Gruppen sind sie durch eine Hüftplatte versteift und können nur in einer Ebene eingesetzt werden. Das Gift selbst ist bei großen Scolopendra-Arten sehr unangenehm und kann selbst bei europäischen Scolopendra cingulata zu lokalen Lähmungserscheinungen führen, die mehrere Tage andauern. Todesfälle durch den Biss von tropischen Hundertfüßern sind in den Bereich der Legende zu verbannen und wurden nie belegt. Nachgesagt wird allerdings auch, dass ein Mädchen auf den Philippinen durch einen Kopfbiss verstarb.[1] Bestandteile der Gifte können Acetylcholin, Serotonin sowie Histamin sein. Einige wenige Arten produzieren auch Blausäure. Die Antennen stellen bei den Scutigeromorpha Geißelantennen mit zwei Grundgliedern dar (Konvergenz zur Antenne der Insekten), bei allen anderen sind sie als perlschnurartige Gliederantennen ausgebildet. Facettenaugen kommen nur bei den Scutigeromorphen vor, die Geophilomorphen sind augenlos und die anderen Gruppen besitzen zu Punktaugen aufgelöste Augenfelder, allerdings gibt es auch bei diesen einige blinde Arten. Außerdem finden sich kombinierte Sinnesorgane (Feuchtigkeit, Schall, Chemie?) in Form der Postantennalorgane (Tömösvárysche Organe) in der Nähe der Antennenbasis bei den Lithobiomorpha und den Scutigeromorpha.

Hundertfüßer
Hundertfüßer aus Thailand bei Phang Nga

Die Rückenplatten (Tergite) variieren besonders bei den Lithobiomorpha in ihrer Länge (Heterotergie), bei den Scutigeomorpha bedeckt eine besonders große Platte die Segmente 7 bis 9. Bei den Geophilomorphen gehören zu jedem Segment zwei Rückenplatten. Insgesamt haben die Lithobiomorpha und die Scolopendromorpha nur 15 Beinpaare, die Scolopendromorpha 21 bis 23 Beinpaare und die Geophilomorpha bis zu 191 Beinpaare. Ein gemeinsames Merkmal aller Hundertfüßer ist eine ungerade Anzahl der Beinpaare. Dies rührt daher, dass während der embryonalen Entwicklung der Tiere aus einem Körpersegment immer zwei Beinpaare (= vier einzelne Beine) hervorgehen. Das erste Beinpaar wird im weiteren Verlauf aber zu einer Giftklaue umgebildet, aus dem ersten Segment geht also nur ein Beinpaar hervor. Alle weiteren Laufbein-Segmente tragen jeweils zwei Beinpaare bei (das terminale Paar wird allerdings bei manchen Arten mehr oder weniger stark umgebildet). In der Summe ergibt sich immer eine ungerade Gesamtzahl der Beinpaare[2].

Das letzte Laufbeinpaar wird bei allen Hundertfüßern erhoben getragen und ist manchmal speziell umgebaut. So bildet es bei den Scutigeromorpha ein antennenartig verlängertes Fühlerbein, bei einigen Skolopendra-Arten bildet es eine kräftige Zange. Hinter diesem Laufbeinpaar folgen bei den Hundertfüßern noch zwei Segmente ohne Laufbeine. Diese tragen bei den Scutigeromorpha zwei Paar griffelartige Gonopoden, die Weibchen der Scutigeromorpha und der Lithobiomorpha haben hier eine Gonopodenzange.

Die Tracheenöffnungen liegen bei den Scutigeromorpha immer dorsal hinter den Tergiten, während sie bei allen anderen Gruppen oberhalb der Beine liegen.

Lebensweise

Auf ihren nächtlichen Streifzügen überwältigen sie ihr Opfer blitzschnell. Dabei stoßen sie entweder in der Art einer Schlange zu oder umringeln ihre Beute.

Fortpflanzung und Entwicklung

Bei allen beobachteten Hundertfüßerarten erfolgt die Übertragung der Spermien über Spermapakete (Spermatophoren). Bei den Scutigeromorpha legt das Männchen eine Spermatophore ab und zieht das Weibchen darüber. Bei einigen Arten wie Thereuopodae decipiens nimmt das Männchen das Spermienpaket mit den Giftklauen auf und heftet es direkt an die Geschlechtsöffnung des Weibchens. Bei den Lithobiomorpha und den Scolopendromorpha wird die Spermatophore in Anwesenheit des Weibchens auf ein Gespinst gelegt, das Weibchen nimmt diese dann später auf. Bei den Geophilomorpha besteht ebenfalls erst Kontakt zwischen den Geschlechtern. Danach begibt sich das Männchen in einen Gang und legt die Spermatophore ebenfalls auf ein Gespinst, von wo sie später vom Weibchen aufgenommen wird.

Bei den Scutigeromorpha werden die Eier einzeln und mit Erde maskiert abgelegt. Die Weibchen von Scolopendra und Craterostigmus legen einen Eiballen ab und rollen sich ventral um diesen, die Geophilomorpha rollen sich dorsal um den Eiballen. Bei all diesen brutpflegenden Arten werden die Eier regelmäßig beleckt und von Pilzen befreit.

Bei den Scolopendromorpha und den Geophilomorpha schlüpfen die Jungtiere mit voller Segmentzahl (Epimorphose) und bleiben bis zur dritten Häutung von der Fütterung durch die Mutter abhängig, erst dann verlassen sie das Gelege. Craterostigmus schlüpft mit 12 Beinpaaren und erreicht die volle Beinzahl von 15 nach der ersten Häutung. Scolopendra besitzt beim Schlupf sieben Beinpaare, Lithobius nur vier. Sie erreichen die volle Beinzahl von 15 Beinpaaren über mehrere Häutungen und sie häuten sich auch danach noch weiter.

Verbreitung und Vorkommen

Hundertfüßer kommen weltweit bis über die Polarkreise hinaus vor und besiedeln eine Vielzahl verschiedener Lebensräume vom Regenwald bis zur Wüste. Sie benötigen jedoch ein feuchtes Milieu und sind in ihren Lebensraum an Feuchtigkeit gebunden. Tagsüber sind sie im Allgemeinen entweder im Laub, unter Steinen oder im Erdreich versteckt. Auch Komposthaufen sowie faules Holz dienen als Unterschlupf. Die Tiere sind lichtscheu und suchen nach dem Aufscheuchen tagsüber schnell die Dunkelheit auf.

Systematik der Hundertfüßer

Die Position der Hundertfüßer innerhalb der Tracheentiere ist noch umstritten. Als anerkannte Hypothese wird die hier vorgestellte Position innerhalb der Myriapoden und dort als Schwestergruppe der aus den Wenigfüßern, Zwergfüßern und Doppelfüßern gebildeten Progoneata diskutiert. Eine alternative Hypothese diskutiert die Hundertfüßer als Schwestergruppe aller anderen Tracheentiere und somit als ursprünglichste Form dieses Taxons, mit der Konsequenz, dass die Tausendfüßer als unnatürliche Gruppe aufgelöst werden (siehe hierzu Tausendfüßer).

Intern werden die Hundertfüßer in mehrere morphologisch unterschiedliche Gruppen aufgeteilt. Die folgende Aufstellung ordnet die mitteleuropäischen Arten in diese Systematik ein.

Spinnenläufer (Scutigera coleoptrata)
  • Scutigeromorpha
    • Spinnenläufer – Scutigeridae
      • Spinnenläufer (oder auch Spinnenassel) – Scutigera coleoptrata (aus dem Mittelmeergebiet in südwestdeutsche Weinberge eingeschleppt)
  • Pleurostigmophora
    • Lithobiomorpha
      • Henicopidae
        • Lamyctes fulvicornis
      • Steinläufer – Lithobiidae
        • Eupolybothrus grossipes
        • Eupolybothrus tridentatus
        • Lithobius validus
        • Lithobius borealis
        • Lithobius mutabilis
        • Lithobius forficatus
        • Lithobius piceus
        • Lithobius aeruginosus
        • Lithobius crassipes
        • Lithobius curtipes
        • Lithobius microps
        • Lithobius calcaratus
        • Lithobius erythrocephalus
    • Craterostigmomorpha (nur eine Art in Tasmanien: Craterostigmus tasmanianus)
    • Epimorpha
      • Riesenläufer – Scolopendromorpha
        • Cryptopidae
          • Cryptops hortensis
          • Cryptops parisi
        • Scolopendridae (ausschließlich in den Tropen und Subtropen, auch im Mittelmeerraum)
          • Europäischer RiesenläuferScolopendra cingulata
          • Brasilianischer Riesenläufer – Scolopendra gigantea (25 cm Körperlänge, beliebtes Terrarientier)
      • Erdläufer – Geophilomorpha
        • Dignathodontidae
          • Strigamia acuminata
          • Strigamia maritima
        • Himantariidae
          • Haplophilus subterraneus
        • Geophilidae
        • Pachymerium ferrugineum
        • Geophilus electricus
        • Geophilus glacialis
        • Geophilus insculptus
        • Geophilus carpophagus
        • Geophilus proximus
        • Clinopodus flavidus
        • Clinopodus linearis
        • Brachygeophilus truncorum
        • Necrophloeophagus longicornis
        • Schendylidae
        • Schendyla nemorensis

Einzelnachweise

  1. Sutherland, Staun K. and John. Venomous Creatures of Australia: A Field Guide with Notes on First Aid. 5th Edition Oxford University Press. 1999. ISBN 0-19-550846-7, pp. 78-79.
  2. Current Biology, Bd. 14, S. 1250

Weblinks


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