Hylacomylus

Hylacomylus
Martin Waldseemüller. Posthumes Fantasieporträt von Gaston Save (1844–1901).

Martin Waldseemüller (* um 1470 in Freiburg; † um 1522 in Saint-Dié) war ein deutscher Kartograf.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Gedenktafel in Freiburg im Breisgau

Waldseemüller wurde nicht – wie früher häufig angenommen – in Radolfzell geboren, sondern in Freiburg im Breisgau, als Sohn eines Metzgers. Andere Quellen nennen jedoch auch Schallstadt-Wolfenweiler als Geburtsort. Aus Radolfzell stammte seine Mutter.

Im Alter von etwa 20 Jahren wurde er 1490 unter dem Namen Martinus Waltzemüller an der Universität Freiburg immatrikuliert. Er studierte Mathematik und Geographie. Einer seiner Lehrer war Gregor Reisch, der ihn mit der Kosmographie bekannt machte. Während des Studiums lernte er auch den Elsässer Matthias Ringmann kennen.

Nach seinem Studium reisten Waldseemüller und Ringmann gemeinsam in den Ort St. Didel[1] (Saint-Dié-des-Vosges) auf der Westseite der Vogesen im Herzogtum Lothringen. Das dortige Kloster entwickelte sich im Mittelalter zu einem Zentrum der humanistischen Bewegung. Der Freiburger lehrte dort als Professor für Kosmologie, arbeitete jedoch gleichzeitig zusammen mit Ringmann, der Professor für Latein war, als Kartograf.

Um das Jahr 1522 starb Martin Waldseemüller in St. Didel.

Werk

Hylacomylus

Eine der ersten Schriften, die Waldseemüller in Frankreich verfasste, war Hylacomylus. Es stellte eine Beschreibung der Reisen des italienischen Seefahrers Amerigo Vespucci dar.

Waldseemüller-Karte

Waldseemüller-Karte mit zusammengefügten Einzelstücken

Das bekannteste Werk Waldseemüllers ist die von ihm mit Hilfe seines Partners Ringmann 1507 erstellte Weltkarte. Sie ist, zusammen mit einem Erdglobus und einer Beischrift als dreiteiliges Projekt anzusehen, dem Waldseemüller den lateinischen Namen

Universalis cosmographia secundum Ptholomaei traditionem et Americi Vespucii aliorumque lustrationes,

gab, auf Deutsch:

„Die vollständige Kosmografie nach der Überlieferung des Ptolemäus und nach Amerigo Vespucci sowie nach anderen Abbildungen“

Der Globus und die Karte, welche zusammengefaltet eine Größe von 34,2 Zentimeter mal 18 Zentimeter hat, sind die ersten kartografischen Zeugnisse, die die „Neue Welt“ als einen neuen Kontinent sehen und ihn mit Amerika betiteln. Es ist nicht geklärt, woher die beiden Kartographen die östliche Kontur Amerikas kannten.

Entstehung und Einfluss

Deutsche Sonderbriefmarke 2007

Die Karte besteht aus zwölf quadratischen Einzelstücken und wurde zuerst als Holzstich vorgearbeitet. Es wird angenommen, dass sie im Auftrag und mit Förderung von René II., des Herzogs von Lothringen entstand. Dieser verfügte über gute Kontakte zu den europäischen Königshäusern und auf Grund der zentralen Lage seines Reiches besaß er große Macht. Man geht davon aus, dass man ihm, von dem man wusste, dass er sich sehr für Kartografie interessierte, anstatt von Bestechungsgeldern neue geographische Informationen zukommen ließ, die Seefahrer auf ihrem Weg gen Westen gesammelt hatten. Dieses Wissen gab er an Waldseemüller weiter.

Ausgehend von Vespuccis Reisebericht Mundus Novus, welcher in Europa veröffentlicht wurde, vertrat Waldseemüller als erster die Ansicht, dass die Inseln, – die Kolumbus entdeckt, Westindische Inseln getauft und als Indien, also Asien vorgelagerte Inseln, angesehen hatte, – in Wirklichkeit einen neuen, unbekannten Kontinent im Weltmeer darstellten. Er sah Vespucci, wie auch schon im Hylacomylus erwähnt, als den wahren Entdecker des Kontinents, da dieser auch ausführlich die Küste erkundet und sie beschrieben hatte. Auf Anregung Ringmanns trug Waldseemüller für die neue Landmasse zu Ehren Vespuccis den Namen „America“ ein. (Ob dies mit oder ohne Vespuccis Wissen geschah, konnte nicht endgültig geklärt werden.) Er verweiblichte dafür Vespuccis Vornamen, eine durchaus übliche Praxis, da alle damals bekannten Kontinente – Europa, Asien (=Asia) und Afrika – ebenfalls bereits eine weibliche Endung besaßen.

Detail der Waldseemüller-Karte, welches Amerigo Vespucci neben der östlichen Hemisphäre der Welt mit dem neuen Kontinent zeigt

Aufbau

Die zwölf einzelnen Teile der Karte, vier in der Länge und drei in der Breite, sind je 46 Zentimeter breit und 62 Zentimeter lang. Insgesamt hat die Karte also Abmessungen von 1,38 Meter mal 2,48 Meter. Sie ist auf Europa zentriert und als flächentreue Kegelprojektion angelegt, so dass die Meridiane gekrümmt sind. Am Nordpol befinden sich noch einmal zwei kleine Darstellungen der Westlichen und der Östlichen Hemisphäre. Durch diese wird besonders deutlich, dass der neue Kontinent nicht an Asien grenzt, sondern separat im Meer liegt. An der westlichen Hemisphäre steht Claudius Ptolemäus, an der östlichen Vespucci. Dadurch soll verdeutlicht werden, dass diese Karte das alte Wissen mit dem neuen verbindet.

Verbreitung

Die Karte wurde mehrfach kopiert. Es existierten ungefähr 1.000 Exemplare, welche an namhafte Kaufleute, Adelige und Geistliche geschickt wurden.

Bedeutung

Die Bedeutung der Karte für die damalige Wissenschaft und deren Weltanschauung war groß. Stieß sie in konservativen Kreisen anfangs auf Ablehnung, wurde sie von Wissenschaftlern und Gleichgesinnten schon bald angenommen. Man sah sie als jenen Maßstab an, nach dem sich andere Kartografen zu richten hatten.

Wiederentdeckung und heutige Situation

Die Waldseemüller-Karte in der Library of Congress (2007)

Von den zahlreichen Kopien der Karte existiert nach heutiger Forschung nur noch ein einziges Exemplar. Es gehörte ursprünglich Johannes Schöner, einem Nürnberger Wissenschaftler des 15. und 16. Jahrhunderts. 1836 schrieb Alexander von Humboldt, daß er "den Namen des geheimnisvollen Mannes" auffand, welcher "zuerst den namen Amerika zur Bezeichnung des neuen Kontinentes vorschlug" [2] Im Jahre 1901 wurde das Stück auf Schloss Wolfegg in Oberschwaben wiederentdeckt. Über Jahrzehnte versuchte die Library of Congress in Washington D. C. das gut erhaltene Stück zu erwerben, doch es blieb noch für ein Jahrhundert im Besitz des Hauses zu Waldburg-Wolfegg und Waldsee – und der Öffentlichkeit nicht zugänglich, da die Sicherheitsvorkehrungen zu aufwendig gewesen wären und auch staatliche Einrichtungen in Deutschland derartige Kosten nicht übernehmen wollten und konnten. Am 27. Juni 2001 veräußerte das Oberhaupt des Hauses, Fürst Johannes zu Waldburg-Wolfegg, die Karte. Seiner Aussage am 18. November 2007 im Rahmen der Gesprächsreihe Adel verpflichtet im Stuttgarter Haus der Geschichte zufolge wurden 10 Millionen US-Dollar aufgewendet. Das ist der höchste Preis, der je für ein kartografisches Gut gezahlt wurde.

Titelblatt der Kartenbegleitschrift Cosmographiae introductio

Beim Verkauf wurde, begleitet von öffentlicher Kritik, durch eine Sondergenehmigung der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Baden-Württemberg der Schutz als national wertvolles Kulturgut gemäß dem Kulturgutschutzgesetz bewusst umgangen. Gerhard Schröder hatte sich persönlich fuer eine Ausnahmeregelung eingesetzt.[3] Die symbolische Übergabe erfolgte am 30. April 2007 durch die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland, Frau Dr. Angela Merkel, im Rahmen einer feierlich Zeremonie in der Library of Congress, Washington, D.C. Die Bundeskanzlerin betonte in Ihrer Rede, dass die Verdienste der USA für die deutsche Entwicklung in der Nachkriegszeit seinerzeit den Ausschlag dafür gegeben hätten, die Waldseemüllerkarte als Zeichen der transatlantischen Verbundenheit und als Hinweis auf die zahlreichen deutschen Wurzeln der USA an die Library of Congress zu übergeben. Unter den Gästen der Übergabezeremonie befand sich neben dem Mehrheitsführer der Demokraten im U.S. Repräsentantenhaus, Steny Hoyer, auch Fürst Johannes zu Waldburg-Wolfegg, der ursprüngliche Eigentümer der Karte. 2005 war die Karte von der UNESCO zum Weltdokumentenerbe erklärt worden. Sie ist heute für die Öffentlichkeit allgemein zugänglich unter aufwendigen Sicherheitsvorkehrungen in Washington ausgestellt. Für die adäquate Präsentation der Karte wurden nochmals 1,5 Mio. Dollar investiert.

Auf der Hausburg des Fürstengeschlechtes wird heute noch ein Faksimile gezeigt, hergestellt im Jahr 1901 nach dem Fund der originalen Waldseemüller-Karte. Die Burg beherbergt ein Museum und ist von April bis Oktober der Öffentlichkeit zugänglich.

Beischrift

Noch im gleichen Jahr verfasste Waldseemüller die Cosmographiae introductio (dt.: „Einführung in die Kosmografie“). In diesem Buch schrieb er Amerigo Vespucci nach dem Studium von dessen Briefen an Lorenzo de Medici die Hauptentdeckung der „Neuen Welt“ zu. Er begründete die Namensgebung folgendermaßen:

„Nun in Wahrheit wurden diese Teile der neuen Welt besonders erkundet und ein weiterer Teil von Americus Vesputius entdeckt […] und es ist nicht einzusehen, warum jemand es verbieten sollte, das neue Land Amerige, Land des Americus, zu nennen, nach seinem Entdecker Americus, einem besonders scharfsinnigen Mann, oder America, da sowohl Europa als auch Asien ihre Namen von Frauen haben […]“

Globus

Der Erdglobus wurde gleichzeitig mit der Karte und der Schrift veröffentlicht und wird auch im Namen des Projektes angesprochen. Er zeigt, ebenso wie die Karte, Amerika als neuen Kontinent.

Von der Globuskarte des Jahres 1507 existieren heute nur noch vier Exemplare. Eines wurde 1993 im Bestand der Historischen Bibliothek Offenburg entdeckt, ein weiteres Exemplar befindet sich in der Bayerischen Staatsbibliothek in München. Die zwei anderen Exemplare sind in den USA. Eines besitzt die James Ford Bell Library der Universität von Minnesota in Minneapolis, das andere wurde im Jahre 2005 von Christie’s versteigert. Sein heutiger Aufbewahrungsort ist unbekannt.

Karte von 1513

Nach dem Tod Ringmanns wich Waldseemüller von seinen eigenen Ideen ab und glaubte anscheinend selber nicht mehr daran, dass Amerika ein eigener Kontinent war. In einer neuen Karte, die er 1513 erstellte, bezeichnete er es daher wieder mit Terra incognita (dt.: „Unbekanntes Land“). Der Name Amerika war jedoch schon so weit verbreitet und hatte allgemeine Annahme gefunden, dass die Öffentlichkeit ihn als Bezeichnung der „Neuen Welt“ beibehielt.

Europakarte von 1520

Carta itineraria europae 1520

1511 begannt Waldseemüller seine Carta itineraria europae und stellte sie gegen 1520 fertig. Es handelt sich dabei um eine gesüdete Karte (Beschriftung teilweise genordet) die Europa darstellt. Des Weiteren stellt sie alle Wappen der damaligen Staaten und Untertantenlande des deutschen Kaisers Karl V. dar und ist diesem auch gewidmet.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. 1507 St. Didel (Lothringen): Der Kartograph Martin Waldseemüller ... www.geo.de [1]
  2. GEO Magazin, 01/2008, S.124
  3. GEO Magazin, 01/2008, S.124

Literatur

  • Martin Waldseemüller: Die Cosmographiae Introductio. Verlag J. H. Ed. Heitz, Straßburg 1907 (im Faksimiledruck hrsg. von Fr. R. von Wieser). 
  • Franz Ritter von Wieser, Wilhelm Bonacker, Karl-Heinz Meine (Hrsg.): Erläuterungen zur ersten gedruckten (Straßen-)Wandkarte von Europa, der Carta itineraria Evropae. d. Jahre 1511 bzw. 1520 von Martin Waldseemüller. Kirschbaum Verlag, Bad Godesberg, ISBN 3-7812-0649-1. 
  • Martin Waldseemüller: Tabula nova heremi Helvetiorum. In: Mitteilungen der Geographisch-Ethnographischen Gesellschaft. Zürich 1939 (Nachdruck). 
  • Andreas Venzke: Der ‚Entdecker Amerikas‘ – Aufstieg und Fall des Christoph Kolumbus. Zürich 1991, ISBN 3-545-34091-0. 
  • Stefan Zweig: Amerigo, die Geschichte eines historischen Irrtums. Fischer Verlag, Frankfurt a.M. 1989, ISBN 3-596-29241-7 (Über die Ernennung Amerikas nach Amerígo Vespucci durch Martin Waldseemüller 25 April 1507, Erstausgabe: Fischer Verlag, Stockholm, 1944 (posthum)). 
  • Petra Gabriel: Der Kartograph. 1. Auflage. Knecht Verlag, Frankfurt 2006, ISBN 3-7820-0893-6 (Ein Roman über die Entstehung der Waldseemüller-Weltkarte). 
  • Wolfgang M. Gall: Martin Waldseemüller – Leben und Wirken. In: Fachbereich Kultur der Stadt Offenburg (Hrsg.): Neue Welt & Altes Wissen. Wie Amerika zu seinem Namen kam. Begleitbuch zur Ausstellung. Offenburg 2006, ISBN 3-937295-64-X. 
  • Ute Obhof: Der Erdglobus, der Amerika benannte – die Überlieferung der Globensegmente von Martin Waldseemüller aus dem Jahre 1507. In: Fachbereich Kultur der Stadt Offenburg (Hrsg.): Neue Welt & Altes Wissen. Amerika zu seinem Namen kam. Begleitbuch zur Ausstellung. Offenburg 2006, ISBN 3-937295-64-X. 
  • Jakob Franck: Hylacomylus, Martin. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 13, Duncker & Humblot, Leipzig 1881, S. 488 f.
  • Eintrag in der Catholic Encyclopedia (englisch, Ausgabe 1913)

Weblinks


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