Hypomanisch

Hypomanisch
Klassifikation nach ICD-10
F30.0 Hypomanie
ICD-10 online (WHO-Version 2006)

Die Hypomanie bezeichnet eine abgeschwächte Form der Manie mit einer leicht gehobenen Grundstimmung und gesteigertem Antrieb. Sie kann gleichzeitig mit Veränderungen im Denken im Sinne eines sprunghafteren, assoziativeren Denkens und Veränderungen der Psychomotorik, des Schlafbedürfnisses und des Appetits verbunden sein.

Inhaltsverzeichnis

Symptome

Die Symptome entsprechen denen einer abgeschwächten Manie (die Vorsilbe Hypo bedeutet unter oder unterhalb, es handelt sich um einen Zustand unterhalb der Manie).

Charakterisierend ist die (leicht) gehobene Stimmung und der gesteigerte Antrieb.

Durch die gehobene Stimmung kann es zu einem größeren oder übertriebenem Selbstbewusstsein, einer erhöhten Risikofreudigkeit, größerer Kontaktfreudigkeit und zu Grenzübertretungen ("Peinlichkeiten") im sozialen Bereich kommen. Hypomanie kann sich auch durch sexistische Bemerkungen, sexuelle Annäherungen, Fremdgehen und schneller Verliebtheit äußern.

Während einer Hypomanie sind im Allgemeinen Leistungs-, Wahrnehmungs- und Assoziationsfähigkeit objektiv und in erhöhtem Maße subjektiv erhöht. Allerdings können auftretende Erschöpfungszustände diese Fähigkeiten wiederum drastisch reduzieren.

Das Schlafbedürfnis ist meist deutlich vermindert.

Der Appetit kann deutlich verändert sein, es wird oftmals sehr viel mehr oder sehr viel weniger gegessen, so kommt es zu stärkerer Gewichtsabnahme oder Gewichtszunahme.

Klinik und Verlauf

Laut DSM IV müssen die Symptome mindestens 4 Tage anhalten, um eine Hypomanie zu diagnostizieren. Episoden können zwischen wenigen Tage und mehreren Monaten dauern. Welche Symptome im Einzelnen auftreten und ihr Schweregrad unterscheiden sich von Betroffenen zu Betroffenen und zwischen den einzelnen Episoden.

Es kann bei einer einzelnen hypomanischen Episoden bleiben, jedoch kommt es oftmals zu erneuten hypomanen Episoden. In der Mehrzahl der Fälle treten auch leichte oder schwere depressive Episoden auf, was dann zur Diagnose Zyklothymie oder Bipolare Störung Typ II führt. Oftmals ist die Häufigkeit und Länge der depressiven Episoden größer.

Zwischen den Episoden können lange symptomfreie Phasen auftreten oder hypomane Episoden wechseln sich mit depressiven Episoden ab.

Episoden können wiederholt und verstärkt auftreten, es besteht die Gefahr des Überganges zu einer Manie und die Gefahr der Chronifizierung.

Treten hypomane Symptome gleichzeitig oder in sehr kurzem Wechsel mit depressiven Symptomen auf, spricht man von einer gemischten Episode.

Es gibt häufig Probleme mit dem sozialen Umfeld und den Angehörigen durch verstärkten Rededrang (Telefonitis), erhöhte Libido (Sexualtrieb), vermehrte Geselligkeit oder der Vorstellung des Betroffenen, die Angehörigen seien aggressiv ihm gegenüber oder begingen absichtliche Regelverletzungen, Dummheiten usw.

Da man sich während einer hypomanen Episode gut fühlt, fehlt im Allgemeinen die Krankheitseinsicht. Jedoch können Betroffene, die schon mehrere Phasen erlebt haben und sich mit der Hypomanie auseinandergesetzt haben, durchaus in der Lage sein, eine aktuelle hypomane Phase zu erkennen und entsprechend zu handeln. Hierbei kann die Psychoedukation und der Besuch einer Selbsthilfegruppe hilfreich sein.

Diagnose

In der ICD-10 wird die Hypomanie als psychische Störung klassifiziert, die auch mit einer „deutlichen Beeinträchtigung der Berufstätigkeit oder der sozialen Aktivität“ einhergehen kann. Hauptsymptome sind eine mehrere Tage anhaltende gehobene Stimmung, verbunden mit gesteigertem Antrieb.

Laut DSM-IV ist die Hypomanie keine Störung, sondern ein Stimmungszustand, der Teil einer Bipolaren Störung II oder einer Zyklothymia sein kann. Gravierende Beeinträchtigung, starkes Leiden oder psychiotische Symptome dürfen gemäß DSM-IV bei einer hypomanen Episode nicht vorhanden sein.

Oftmals wird die Hypomanie weder vom Betroffenen noch von Ärzten erkannt, da die Betroffenen guter Dinge sein können und sich nicht krank fühlen. Treten zusätzlich Depressionen auf, lautet die Diagnose deswegen oft falscherweise unipolare Depression. So vergehen oft über 10 Jahre, bis eine Bipolare Störung erkannt wird. Es gibt psychologische Standardtests, durch die eine gegenwärtige Hypomane Episode diagnostiziert werden kann. Auch eine Lebensnachschau und ein Stimmungskalender oder Stimmungstagebuch können hilfreich bei der Diagnose wiederkehrender Hypomanien sein.

Diagnose / Symptome nach DSM IV

Das „Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders“ (Diagnostisches und Statistisches Handbuch Psychischer Störungen, abgekürzt als DSM-IV) beschreibt die Hypomanie folgendermaßen:

A. Eine mindestens vier Tage andauernde, ausgeprägte Periode ständig gehobener, überschwänglicher oder gereizter Stimmung, die eindeutig verschieden von der üblichen nichtdepressiven Stimmung ist.

B. Während der Phase der Stimmungsstörung sind drei (oder mehr) der folgenden Symptome (vier, wenn die Stimmung nur gereizt ist) bis zu einem gewissen Grad ständig vorhanden:

  1. überhöhtes Selbstwertgefühl oder Größenwahn
  2. vermindertes Schlafbedürfnis (z. B. fühlt sich erholt nach 3 Stunden Schlaf)
  3. gesprächiger als üblich oder Rededrang
  4. Ideenflucht oder subjektive Erfahrung des Gedankenrasens
  5. Zerstreutheit (das bedeutet Fokussierung auf unwichtige oder unerhebliche externe Reize)
  6. Zunahme zielgerichteter Aktivitäten (entweder sozial, beruflich oder in der Schule, oder sexuelle oder psychomotorische Unruhe)
  7. übertriebenes Engagement bei Vergnügungen, die in einem hohen Maße schmerzhafte Konsequenzen nach sich ziehen (z. B. hemmungsloser Kaufrausch, sexuelle Indiskretionen oder leichtsinnige geschäftliche Investitionen)

C. Die Episode wird begleitet von Veränderungen der Leistungsfähigkeit oder des Verhaltens, die für die Person in symptomfreien Phasen uncharakteristisch ist.

D. Die Stimmungsstörung und der Wechsel des Auftretens werden durch Andere beobachtet.

E. Die Episode ist nicht schwer genug, um eine ausgeprägte Beeinträchtigung in sozialen oder beruflichen Aufgabenbereichen zu verursachen oder einen Krankenhausaufenthalt zu erfordern, und es gibt keine psychotischen Merkmale.

F. Die Symptome sind nicht durch direkte physiologische Effekte einer Substanz (z. B. Drogenmissbrauch, Medikamente oder andere Behandlungen) oder eine generelle medizinische Verfassung (z. B. Überfunktion der Schilddrüse) verursacht.

Anmerkung: Hypomaniegleiche Episoden, die eindeutig durch somatische antidepressive Behandlung verursacht sind (Medikamente, Elektroschocktherapie, Lichttherapie), sollten nicht einer Diagnose: „Bipolare II Störung“ zugerechnet werden.

Ursachen und Auslöser

Während hypomaner Episoden können Veränderungen des Hirnstoffwechsels nachgewiesen werden. Die Anzahl und Wirkung einzelner Neurotransmitter wie Serotonin und Dopamin im Gehirn ist verändert.

Die Ursachen der Hypomanie sind nicht eindeutig geklärt. Die wissenschaftlich am stärksten vertretene Theorie ist das Vulnerabilitäts-Stress-Modell. Nach diesem liegt eine biologische und/oder genetische Disposition (Veranlagung) für eine Hypomanie vor. Stress oder belastende Lebensweise und Lebenssituationen führen dann zum Ausbruch einer Episode.

Das von einem Auslöser verursachte Verhalten entspricht nicht dem, was allgemein als angemessen betrachtet wird. So dauert z. B. die Freude über ein positives Ereignis länger oder ist intensiver als in symptomfreien Zeiten. Durchaus berechtigte Bedenken werden beiseite geschoben.

Therapie

Einzelne Hypomane Episoden sind nicht immer behandlungsbedürftig, da die sozialen oder beruflichen Beeinträchtigung definitionsgemäß nicht gravierend sind.

Tritt die Hypomane Episode im Rahmen einer bipolaren Störung oder einer Zyklothymia auf oder leidet der Betroffene unter den Folgen der Hypomanie, kann eine Behandlung mit Psychotherapie, Psychoedukation und / oder Psychopharmaka angezeigt sein. Ziel einer Therapie ist es, die Häufigkeit, die Dauer und den Schweregrad der auftretenden Episoden zu reduzieren. Idealerweise treten keine Episoden mehr auf.

Zur Behandlung einzelner Symptome können unter anderem Beruhigungsmittel und Schlafmittel eingesetzt werden.

Phasenprophylaktika, die dauernd eingenommen werden, vermindern die Wahrscheinlichkeit eines Rezidivs (eines Vorkommens neuer Episoden) bei einer bipolaren Störung.


Literatur

  • Michael Bauer (Hrsg.): Weißbuch Bipolare Störungen in Deutschland, Stand des Wissens – Defizite – Was ist zu tun?. 2. Auflage. Norderstedt 2006, ISBN 978-3-8334-4781-5
  • Faust, Volker: Manie. Eine allgemeine Einführung in die Diagnose, Therapie und Prophylaxe der krankhaften Hochstimmung, Enke-Verlag 1997, ISBN 3-432-27861-6
  • Bräunig, Peter; Gerd Dietrich: Leben mit bipolaren Störungen. Trias-Verlag 2004, ISBN 3-8304-3069-8
  • Bock, Thomas: Achterbahn der Gefühle. Mit Manie und Depression leben lernen. Balance Buch + Medien, Bonn 2007, ISBN 978-3-86739-022-4
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