- Hysterese (Wirtschaftswissenschaft)
-
Der aus der Physik und Kybernetik entlehnte Begriff Hysterese (von griechisch Hysteresis = zurückbleiben, verspätet) bezeichnet in der Volkswirtschaftslehre die Reaktion auf externe Einflüsse, nach deren Abklingen ein System nicht mehr in seinen Ausgangszustand zurückkehrt. Dies bedeutet vereinfacht, die Ursache ist weggefallen, die Wirkung dauert dennoch weiter an.
Wohingegen das Gabler Wirtschaftslexikon und Franz sich auf ökonomische Systeme beziehen, ist die Definition von Baßeler, Heinrich und Utecht allgemein auf Systeme bezogen.
Inhaltsverzeichnis
Hysterese in der Volkswirtschaft
Der Begriff Hysterese wird in verschiedenen Bereichen der Wissenschaft und Technik verwendet, wie z. B. in der Physik bei der Analyse von Magnetfeldern. Zudem greift auch die Volkswirtschaft die Bezeichnung auf, um somit bestimmte Entwicklungen auf dem natürlichen Arbeitsmarkt sowie der flexiblen Wechselkurse zu erklären. Von der Hysterese abzugrenzen ist der Begriff Persistenz. Hierbei stellt sich nach einem kurzfristigen Schock das alte Gleichgewicht, im Gegensatz zur Hysterese, wieder her, allerdings kann dies einige Zeit dauern.[1]
Hysterese auf dem Arbeitsmarkt
Für den Arbeitsmarkt bedeutet Hysterese, dass eine hohe Arbeitslosigkeit der Gegenwart, die aufgrund exogener Schocks entstanden ist, auch nach dem Wegfall dieser Schocks nicht zurückgeht. Vielmehr kommt es zu einem Anstieg der künftigen natürlichen Arbeitslosigkeit.[2]
Ein Grund für diese Form der Arbeitsmarkt-Hysterese ist die Langzeitarbeitslosigkeit. Durch eine andauernde Arbeitslosigkeit gehen Qualifikation und Arbeitsmotivation verloren und bewirken eine verringerte Bereitschaft, aktiv nach einem neuen Arbeitsplatz zu suchen. Viele Unternehmen vermeiden die Einstellung von Langzeitarbeitslosen. Diese haben somit keinen Einfluss mehr auf den Prozess der Lohnbildung. Langzeitarbeitslose fallen für die Arbeitgeber als Druckmittel bei Lohn- und Gehaltsverhandlungen weg. Die dadurch zum Teil überhöhten Lohnabschlüsse bewirken eine Verschiebung der natürlichen Arbeitslosenquote nach oben.[3]
Hysterese bedeutet also im Zusammenhang mit dem Arbeitsmarkt, dass die hohe Arbeitslosigkeit, die durch exogene Schocks ausgelöst wurde, auch nach dem Wegfall dieser weiterhin besteht.
Beispiel: Hysterese auf dem Arbeitsmarkt
Der in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts erfolgte Ölpreisschock führte zu einem starken Anstieg der Arbeitslosenquote in Europa. In den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts ist der Ölpreis dagegen stark gesunken, dennoch ist in diesen Jahren die Arbeitslosenquote weiterhin gestiegen.[4]
Die Ursache (Ölpreisschock) existiert nicht mehr, trotzdem dauert die Auswirkung (erhöhte Arbeitslosigkeit) weiter an.
Hysterese bei flexiblem Wechselkurs
Eine Wechselkurshysterese tritt bei flexiblem Wechselkurs auf, wenn auf Exportmärkten hohe Markteintritts- und Marktaustrittskosten für die Unternehmen vorliegen und sie somit bei Wechselkursveränderungen relativ lange warten, bis sie in den Markt eintreten bzw. ihn verlassen. Unternehmen sehen dabei immer die Gefahr einer Fehlentscheidung, da sich die Wechselkurse im nächsten Augenblick wieder verändern könnten. Eine Korrektur der Entscheidung ist mit hohen Kosten verbunden.[5]
Beispiel: Hysterese bei flexiblem Wechselkurs
Aufgrund einer Aufwertung der heimischen Währung treten ausländische Unternehmen in den Markt ein. In der Folgezeit erfolgt unterdessen eine Abwertung auf das Ausgangsniveau. Die Unternehmen verlassen jedoch den Markt noch nicht, wegen der Marktaustrittskosten. In diesem Fall entsteht eine Wechselkurshysterese. Denn die ursprüngliche Aufwertung ist nicht mehr vorhanden, der Effekt der höheren Importe ist dagegen geblieben.[6]
Einzelnachweise
- ↑ U. Baßeler, J. Heinrich, B. Utecht: Grundlagen und Probleme der Volkswirtschaft. 17. Auflage. Schäffer Poeschel, Stuttgart 2002, S.781.
- ↑ Gabler Wirtschaftslexikon. F-H. 16. Auflage. Gabler, Wiesbaden 2004, S.1423.
- ↑ O. Blanchard, G. Illing: Makroökonomie. 3. Auflage. Pearson Education Deutschland GmbH, München 2003, S.672.
- ↑ O. Blanchard, G. Illing: Makroökonomie. 3. Auflage. Pearson Education Deutschland GmbH, München 2003, S.667.
- ↑ Gabler Wirtschaftslexikon. V-Z. 16. Auflage. Gabler, Wiesbaden 2004, S.3290.
- ↑ Gabler Wirtschaftslexikon. V-Z. 16. Auflage. Gabler, Wiesbaden 2004, S.3290.
Literatur
- U. Baßeler, J. Heinrich, B. Utecht: Grundlagen und Probleme der Volkswirtschaft. Schäffer Poeschel, Stuttgart 2002, 2006. ISBN 3-7910-2547-3
- O. Blanchard, G. Illing: Makroökonomie. 4. Auflage. Pearson Education Deutschland GmbH, München 2006. ISBN 3827372097
- W. Franz: Arbeitsmarktökonomik. Springer Verlag, Berlin/Heidelberg/New York 2003, 2006. ISBN 3-540-32337-6
- Katrin Alisch: Gabler Wirtschaftslexikon. Bd 3. F-H. 16. Auflage. Gabler, Wiesbaden 2004. ISBN 3-409-10386-4
Wikimedia Foundation.