Ibn Malik

Ibn Malik

Ibn Mālik (* 1204; † 1276) war ein spanisch-arabischer Gelehrter. Obwohl er auch in Koran und Ḥadīṯ bewandert war, kennt ihn die Welt hauptsächlich als Grammatiker und Verfasser der Alfiyya, die mit seinem Namen unlösbar verbunden ist.

Biographie

aṣ-Ṣafadī, der Verfasser des größten biographischen Lexikons,[1] schreibt folgendes über ihn: „Der Scheich Ǧamāl ad-Dīn ibn Mālik, (mit Vornamen) Muḥammad, der Sohn des ʿAbdallāh ibn ʿAbdallāh ibn Mālik, der unvergleichlich hochgelehrte Imām, (mit Eponym) Ǧamāl ad-Dīn (und kunya) Abū ʿAbdallāh, der von den Banū aṭ-Ṭayyiʾ abstammte (الطائي aṭ-ṭāʾī), aus Jaën[2] gebürtig war (الجياني al-ǧayyānī) und zur šāfiʿitischen Rechtsschule gehörte, der Grammatiker, war ein Einwohner von Damaskus. Er wurde geboren im Jahre (sechshundert)eins[3] (ca. 1204-05 AD) und studierte in Damaskus bei Mukarram[4] und Abū Ṣādiq al-Ḥasan ibn Ṣabbāḥ[5] sowie bei Abū l-Ḥasan as-Saḫāwī und anderen. Die Hochsprache (العربية al-ʿarabiyya) erwarb er sich von mehr als nur einem (Lehrer). Er nahm an den Banketten bei Ibn ʿAmrūn und anderen in Aleppo teil. Er erwarb sich in Aleppo Ansehen durch Unterricht in der Hochsprache und wandte sein Streben der Festigung des Altarabischen (لسان العرب lisān al-ʿarab) zu, so dass er schließlich die Spitze darin erreichte und die Fortgeschrittensten übertraf. Er wurde zum führenden Experten in den koranischen Lesevarianten (القراءات al-qirāʾāt) und ihren Begründungen; er verfasste in diesem Fach eine auf Dāl reimende Qaṣīde, welche … (مرموزة في قدر الشاطبية marmūza fī qadri š-šāṭibiyya[6]).

Was die Lexikographie (لغة luġa) angeht, so war er die ultimative Autorität. Der Scheich Šihāb ad-Dīn Abū ṯ-Ṯanāʾ Maḥmūd der Imām, Gott hab ihn selig, berichtete mir wortwörtlich: ‹Eines Tages saß er (im Unterricht) und legte dar, was der Verfasser des muḥkam[7] gegenüber al-ʾAzharī[8] an lexikalischem Sondergut aufweist. Und dies, finde ich, ist schon eine staunenswerte Sache, weil er beide Bücher überliefern will›.[9] Auch berichtete er mir von ihm, dass, wenn er in der ʿĀdiliyya das Gebet verrichtet hatte – er war ja der Imām dieser Medrese –, ihn der Oberrichter Šams ad-Dīn Ibn Ḫallikān[10] aus Ehrerbietung vor ihm bis an sein Haus zu begleiten pflegte.

Die Alfiyya des Scheich (Ibn Mālik), die man die Ḫulāṣa nennt, rezitierte ich (zwecks Autorisierung) Wort für Wort vor dem erwähnten Scheich Šihāb ad-Dīn, und zwar hatte er sie mir von ihm (Ibn Mālik) überliefert. Ich überlieferte sie weiter unter Autorisierung von Nāṣir ad-Dīn Šāfiʿ ibn ʿAbdaẓẓāhir und von Šihāb ad-Dīn ibn Ġānim, also unter Autorisierung von beiden, die ihrerseits auch von ihm (Scheich Šihāb ad-Dīn Abū ṯ-Ṯanāʾ Maḥmūd der Imām) bestätigt wurde.[11]

Was Flexions- und Satzlehre (نحو naḥw) und die Lehre von den Ableitungen (تصريف taṣrīf) betrifft, so war er in ihnen ein Meer, dessen Tiefe sich nicht ergründen lässt, und was seine Vertrautheit mit der altarabischen Dichtung angeht, aus der er seine Belegstellen für Flexions- und Satzlehre sowie Lexikographie zitierte, so war es geradezu ein Wunderding; die führenden namhaftesten Gelehrten pflegten vor ihm ratlos zu werden. Was seine Expertise in den Überlieferungen angeht, so war er darin ein Vorbild (آية ʾāya). Er belegte viel aus dem Koran, und wenn sich in diesem kein Beleg fand, (erst dann) griff er auf den Ḥadīṯ zurück. Fand sich da auch nichts, so griff er auf die altarabische Dichtung zurück.

Bei alldem war er gläubig und fromm, aufrichtig und ging oft zwei Meilen statt einer, war von gefälligem Betragen und höchstem Intellekt, und von den anderen Maghrebinern hob er sich durch zwei Eigenschaften ab: Freigebigkeit und Zugehörigkeit zur Schule des aš-Šāfiʿī. Er hielt sich eine ganze Weile in Damaskus auf, Bücher verfassend und in der Moschee und dem Mausoleum al-ʿĀdiliyya (als Lehrer) arbeitend. Das Verfassen von Gedichten fiel ihm leicht, sei’s Raǧaz, sei’s Ṭawīl, sei’s Basīṭ.[12] Er verfasste den كتاب تسهيل الفوائد kitāb tashīl al-fawāʾid, den Saʿd ad-Dīn Muḥammad ibn ʿArabī in hübschen Versen in den höchsten Tönen lobte.“

Quellen und Erläuterungen

  1. Bibliotheca Islamica hg. von Hellmut Ritter, Damaskus 1956, Bd. 3 S. 359ff.
  2. Im heutigen Südspanien, ca. 70 km nördlich von Granada.
  3. In aṣ-Ṣafadīs Text steht tatsächlich nur سنة إحدى sanata ʾiḥdā ‚im Jahre eins‘, was in modernen Lexika auf diese Zahl korrigiert wird.
  4. Lexikograph, unbekannte Lebensdaten; sein Sohn Ibn Mukarram wurde als Ibn Manẓūr (630-711/1233-1311) Verfassers des berühmten lisān al-ʿarab, cf. Edward W. Lane, An Arabic-English Lexicon, London 1863, Band 1 (Vorwort) S. xvi, (Nachdruck ibd. 2003: The Islamic Texts Society).
  5. Nach einer anderen Textvariante: Waḍḍāḥ.
  6. Eine unklare Stelle. Hinweise, wie dies zu verstehen sei, nehme ich dankbar entgegen, d.Ü.
  7. Abū l-Ḥasan ʿAlī ibn (Aḥmad) ibn Ismāʿīl, genannt Ibn Sīda oder Sīduh (gest. 485/1066), ein blinder, im andalusischen Murcia geborener Gelehrter (cf. Encyclopedia of Islam, new ed. III 940). Eine vom Dār al-kutub al-ʿilmiyya im Jahr 1421/2000 veranstaltete Ausgabe des muḥkam umfasst zehn Bände. Über das Ansehen, das dieses Wörterbuch genoss, cf. Lane, op. cit. S. xv.
  8. Verfasser des تهذيب اللغة tahḏīb al-luġa: Abū Manṣūr Muḥammad ibn Aḥmad ibn al-ʾAzhar (282-329/895-940), Lexikograph aus dem persischen Harāt, der zwei Jahre seines Lebens in der Gefangenschaft von Beduinen in Baḥrain verbrachte, deren Dialekt er studierte; nicht zu verwechseln mit dem 905/1499 gestorbenen gleichnamigen Kommentator der Alfiyya Ibn Māliks. Nach R. Blachère (cf. Encyclopedia of Islam, new ed. I 822) lag der tahḏīb zu Lebzeiten Ibn Māliks in zehn Bänden vor.
  9. Der Scheich staunt wohl darüber, dass Ibn Mālik nicht nur das Sondergut des einen, sondern den Stoff beider Bücher auswendig beherrscht. Alternativ könnte es ihn wunder nehmen, dass Ibn Mālik das Sondergut (ما انفرد به mā nfarada bihī) bespricht, aber dann doch beide Bücher wertungsfrei des Überlieferns für würdig hält.
  10. Abū l-ʿAbbās Šams ad-Dīn Aḥmad ibn Ibrāhīm ibn abī Bakr ibn Ḫallikān ibn Bāwak ibn Šākal ibn al-Ḥusayn ibn Mālik ibn Ǧaʿfar ibn Yaḥyā ibn Barmak, 608-681/1211-1282, Verfasser eines anderen Lexikons mit Lebensläufen berühmter Persönlichkeiten: وفيات الأعيان wafayāt al-ʾaʿyān; "Ibn Khallikân’s Biographical Dictionary. Translated from the Arabic by Baron MacGuckin de Slane". 4 Bände, London 1847.
  11. Wir erhalten hier einen Einblick, wie im Mittelalter Information gespeichert, übermittelt und verifiziert wurde. Obwohl seit ältester Zeit auch Niederschriften üblich waren – grundsätzlich trug ein Gelehrter seinem Schüler den Stoff mündlich vor (روى إليه rawā ʾilayhī), bis dieser ihn Wort für Wort auswendig hersagen konnte (من لفطه min lafẓihī). Dies hatte er nachzuweisen, indem er den Stoff vor den Ohren des Lehrers nachrezitierte (أقرأ عليه ʾaqraʾa ʿalayhī), bis die Fassung diesen zufriedenstellte. Dann stellte der Lehrer ihm eine schriftliche Lizenz (إجازة ʾiǧāza) aus, die ihn autorisierte, diesen Text anderen zu überliefern.
  12. Drei der insgesamt siebzehn Standardmetren der klassischen arabischen Dichtkunst.

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