- Impressionismus in der Musik
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Als Musik des Impressionismus bezeichnet man eine Stilrichtung der Musik am Ende des 19. Jahrhunderts, deren Hauptvertreter der französische Komponist Claude Debussy war.
Inhaltsverzeichnis
Impressionismus-Begriff
Der wesentliche Impuls für den musikalischen Impressionismus ging von der Malerei aus (siehe Impressionismus). Entgegen dem üblichen Arbeiten innerhalb des geschlossenen Ateliers begannen einige französische Künstler, ihnen voran Claude Monet, unter freiem Himmel (frz. plein air) zu malen. Genaue Beobachtung der Licht- und Schattenverhältnisse ließen sie mit diesen Effekten spielen, statt klaren Konturen setzten die Impressionisten der Leinwand subjektiv wahrgenommene Farbe ein, entscheidend wurde schließlich der Eindruck (frz. l'impression) des Augenblicks. Kurt Pahlen beschreibt die Atmosphäre in „Die große Geschichte der Musik“:
„Der Strom fließt vorüber. Am Ufer steht ein Mensch und blickt auf das ziehende Wasser hinaus, das keine Konturen zu bilden scheint. Gleichmäßiges Licht liegt auf den Wellen. Und der Mensch, ein Maler, geht in sein Atelier und malt den Fluss. Doch eines Tages, nachdem er ihn oft gemalt hat, dünkt ihn das Bild unbefriedigend, falsch. Er nimmt die Staffelei und trägt sie an den Rand des Wassers und sieht genauer hin. Da kräuseln sich Wellen, da fällt das Licht nicht so einförmig auf die Oberfläche, wie er immer geglaubt hat, da sieht er auf einmal hundert winzige Einzelheiten. Er beginnt sie zu malen.
Neben dem Maler steht ein Musiker. Dieser vernimmt das leise Rauschen des Stromes, einförmig, unendlich. Dann, als sein Malerfreund am Ufer verharrt und den Fluss naturalistisch zu erleben beginnt, vernimmt auch er Neues, winzige Tonfolgen, jede anders als die vorige, in sich unbedeutend und doch ein Klangteppich ohne Pause.“Eine solche Haltung warf man 1887 Debussys Kompositionen als „vagen Impressionismus“ vor. Der Komponist konterte:
„Die Musiker sind dazu ausersehen, den ganzen Zauber einer Nacht oder eines Tages, der Erde oder des Himmels einzufangen. Sie allein können ihre Atmosphäre oder ihren ewigen Puls erwecken.“
Tatsächlich versuchten Komponisten des Impressionismus oft, äußere Eindrücke in inneren Gefühlsausdruck umzuwandeln. Debussy selbst wehrte sich allerdings gegen den Begriff. Musik galt für ihn als „Klang- und Farbkunst“.
Komponisten
Ein weiterer bedeutender Komponist des Impressionismus ist Maurice Ravel, der allerdings auch viele Werke komponierte, welche nicht als impressionistisch katalogisiert wurden. Die Werke vieler Komponisten gehören dem Impressionismus an, oder wurden von ihm beeinflusst. Im französischen Sprachraum unter anderen Paul Dukas, Florent Schmitt, Jean Francaix, Joseph Ryelandt, Abel Decaux, Olivier Messiaen, Manuel Blancafort, Guillaume Lekeu, Guy Ropartz, Albéric Magnard, Ernest Chausson, Charles-Marie Widor, Vincent d’Indy, Charles Tournemire, Gabriel Fauré, Louis Vierne, Gabriel Pierné, Paul Ladmirault, Albert Roussel, Paul le Flem, Reynaldo Hahn, André Caplet, Jehan Alain, Jacques Ibert, Georges Migot, Dynam Victor Fumet, Charles Koechlin, Emmanuel Chabrier, Maurice Duruflé, Henri Duparc oder Maurice Emmanuel.
In Spanien unter anderen Manuel de Falla, Isaac Albéniz, Joaquin Turina, Joaquín Rodrigo und Federico Mompou.
In Italien Ottorino Respighi und Giacomo Puccini. In Osteuropa George Enescu, Karol Szymanowski und Alexander Scriabin.
In England zeigen sich impressionistische Einflüsse beispielsweise bei Frederick Delius, John Ireland und Cyril Scott, teilweise auch bei Arnold Bax. Zu den wenigen deutschen Komponisten, die vom Impressionismus beeinflusst wurden, zählte Walter Niemann, in einigen seiner Werke auch Sigfrid Karg-Elert.
Synergie der Künste
Die mit Debussy befreundeten Dichter Charles Baudelaire, Paul Verlaine und Stéphane Mallarmé brachten ihn mit dem Symbolismus der Dichtung in Verbindung. Auf ein Libretto von Maurice Maeterlinck komponierte Debussy seine Oper „Pelléas et Mélisande“. Auch seine Lieder sind von einer hohen Konzentration auf den Textinhalt und die daraus resultierende Atmosphäre gekennzeichnet. Die Musik „Prélude à l'après-midi d'un faune“ wurde später in ein Ballett umgewandelt.
Merkmale
Der Impressionismus kennzeichnet das Ende der Romantischen Musik. Obwohl zeitgleich noch Komponisten der Spätromantik wirkten, entwickelte der Impressionismus bereits eine eigenständige Tonsprache, die ihn von diesen Werken abhob. Als Ausgangspunkt dieser Entwicklung wird häufig der berühmte Tristan-Akkord von Richard Wagner gesehen, der erstmals mit der funktionalen Harmonik brach.
Geschlossene Melodien in einem festgelegten Schema oder Satz wurden vermieden. Stattdessen ist die Melodik von einer fließenden, wellenförmigen, oder auch pendelnden Bewegung gekennzeichnet. In Debussys „Pelléas“ finden sich auch viele Stellen, in denen Passagen rezitativisch auf einem Ton gesungen werden; hier sind die Klangfarben des Orchesters von weitaus größerer Bedeutung als die Melodie der Singstimme.
Ein stabiles tonales Zentrum wurde häufig vermieden. Impressionistische Werke konnte man als atonal bezeichnen. Ganztonleitern waren speziell ein Kennzeichen von Debussys Musik, auch Kirchentonleitern oder kirchentonale Wendungen wurden statt festgelegten Tonarten gebraucht. Ein oft bemühtes Beispiel für die Kennzeichen impressionistischer Musik ist die Pentatonik. Im Zuge dieser experimentellen Phase konnte sich die Dissonanz weiter emanzipieren. An Stelle der Dur- und Molldreiklänge der Kadenz setzt der Impressionismus Quart- und Quintklänge, außerdem benutzt er Akkorde, insbesondere Septakkorde, die er nicht im Sinne einer funktionalen Harmonik weiterführt, sondern nur parallel verschiebt. Er benutzt Ganztonleitern, mit denen sich nur übermäßige Dreiklänge erzeugen lassen und pentatonische Skalen, die lediglich eine beschränkte Tonauswahl zulassen.
Harmonisch fanden sich Rückungen statt Kadenzen und ihren Ausweitungen, frei schwebende und harmonisch ungebundene Akkorde, Bordunquinten. Klangnuancen entwickelten sich zu äußerster Wichtigkeit, die atmosphärische Stimmungen unmerklich verändern konnten.
Die Rhythmik war ebenso von einer verschleiernden, raffinierten Ästhetik geprägt. Der Eindruck eines sich stetig verändernden Klangteppichs ohne schroffe Wechsel wurde selten aufgehoben.
Das hervorstechendste Merkmal war demnach die Klangfarbe und die Instrumentierung. Typisch sind Schichtungen von musikalischen Ebenen: Ein profunder, aber nicht aufdringlicher Bass, bewegte Mittelstimmen und ein signifikantes Motiv in den Oberstimmen, das aber nicht den Gesetzen der üblichen klassisch-romantischen Verarbeitung (Diminution, Abspaltung usw.) unterworfen war, sondern eher assoziativ behandelt wurde. Ein Sonderfall ist Maurice Ravels „Bolero“.
Durch diese Elemente war es möglich, Stimmungs- und Raumwechsel innerhalb eines Werkes subtil und changierend zu gestalten, ohne dass das Werk an sich mehrere abschließende, in sich geschlossene Kleinformen wie Lieder oder deutlich vom Rest einer Oper abgetrennte Duette benötigt hätte. Innerhalb eines Aktes verlaufen sämtliche Übergänge fließend und ohne formal bedingte Pausen. Die ambivalente Harmonik sorgt dabei heute noch für Überraschungen in den Hörgewohnheiten und lässt sich oft nicht mehr nach harmonischen Gesetzmäßigkeiten festlegen.
Typische Formen der Musik des Impressionismus sind die durchkomponierte Oper (neben „Pelléas et Mélisande“ von Debussy auch „Ariane et Barbe-Bleue“ von Paul Dukas und „L'enfant et les sortilèges“ von Maurice Ravel) und sinfonische Dichtungen. Auch Klavierwerke und Lieder, die in verschiedenen Sammlungen nach Dichtern gruppiert waren, sind häufig. Ein weiteres Charakteristikum ist der Rückgriff auf vorklassische Formen, wie Toccata, Sarabande, Menuett und Passepied. Anknüpfungspunkt sind in diesem Fall die Cembalomeister Jean-Philippe Rameau und François Couperin.
Die Impressionisten, ganz gleich ob Maler, Dichter oder Musiker, begannen sich v.a. wegen der Weltausstellung in Paris für fremde, außereuropäische Künste zu interessieren, und diese Hinwendung spiegelt sich auch in ihren Werken wider. Ein schönes Beispiel für den Exotismus in der impressionistischen Musik ist das Klavierstück Pagodes aus Estampes von Claude Debussy (siehe obige Abbildung): Der Titel (Pagodes = Pagoden) verheißt eine exotische Atmosphäre, und Debussy verwirklicht das mit kompositorischen Mitteln, die typisch sind für tonmalerischen Impressionismus. Da sind zunächst einmal die Bordunquinten im Baß. Die Akkorde sind ohne klare Funktionalität und sind klangmalerisch, Die Melodie in der Oberstimme ist pentatonisch und entbehrt einer klaren Gliederung, wie sie in der Wiener Klassik üblich war. Mancherorts begleiten Quart- oder Quintparallelen die Melodie. Gelegentlich verliert die Melodie wegen des häufigen Wechsels zwischen Duolen und Triolen ihre Konturen. Der große Tonumfang auf dem Klavier (vom H bis zum g#'') erfordert vom Pianisten den Gebrauch des rechten Pedals, was bewirkt, daß die Töne ihre Konturen verlieren und verschwimmen. Mit diesen Mitteln spielt Claude Debussy auf die indonesische Gamelanmusik an und ruft beim Zuhörer den Eindruck einer Pagode in Ostasien hervor.
Siehe auch
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