Isgnanije

Isgnanije
Filmdaten
Deutscher Titel: Die Verbannung
Originaltitel: Изгнание
Produktionsland: Russland
Erscheinungsjahr: 2007
Länge: 157 Minuten
Originalsprache: Russisch
Stab
Regie: Andrei Petrowitsch Swjaginzew
Drehbuch: William Saroyan,
Artjom Melkumian,
Oleg Negin
Produktion: Dmitri Lesnewski
Musik: Arvo Pärt, Andrei Dergatschjow
Kamera: Michail Krichman
Schnitt: Anna Mass
Besetzung
  • Konstantin Lawronenko: Alex
  • Maria Bonnevie: Vera
  • Alexander Balujew: Mark
  • Maxim Schibajew: Kir
  • Jekaterina Kulkina
  • Andrei Schibarschin: Max
  • Dmitri Uljanow

Die Verbannung (russisch Изгнание, Isgnanije, The Banishment) ist ein russisches Drama von Andrei Swjaginzew aus dem Jahre 2007 sehr frei nach der Vorlage „The Laughing Matter“ des Pulitzer-Preisträgers William Saroyan. Konstantin Lawronenko wurde in Cannes 2007 als bester Hauptdarsteller ausgezeichnet.

In einer elliptisch, beinahe unzuverlässig erzählten Geschichte kommt es in kalter Landschaft in einer entfremdeten Ehe aufgrund der traditionellen Geschlechterrollen und der Unfähigkeit oder des Unwillens Zuzuhören zu einer Abtreibung.

Inhaltsverzeichnis

Handlung

Mark rast im Automobil vom Land in die Stadtregion – in einem nicht näher bezeichneten Land[1] der Gegenwart. Dort kommt er in einer entvölkerten Industrielandschaft in einer Gewitternacht an. An einem Bahnübergang ist er zur Vollbremsung gezwungen. Während der Zug durchfährt, bindet er sich den Arm ab. In der Stadt sucht er seinen Bruder Alex auf, der ihm schmerzhaft das Projektil aus dem Arm zieht. Er fragt Alex, warum er den Bauernhof der Eltern nicht verkauft, und nach seinem neuen Arbeitsplatz.

Alex ist mit Sohn Kir, gegenüber seine Frau Vera mit der Tochter Eva im Zug. In der menschenleeren Landschaft richtet die Familie den heruntergekommenen, uralten Bauernhof her und sie ziehen ein. Er badet die Tochter, und sie gehen mit ihren jungen Kindern Walnüsse pflücken. Vera bricht an der Spüle in Tränen aus. Im Haus ist ein Geruch auszumachen. In der erkalteten Ehe scheinen sie von den wirtschaftlich schwierigen Verhältnissen in einem Maße geprägt, dass vernünftige Kommunikation kaum mehr möglich ist. Vera sagt ihm, dass sie schwanger ist, das Kind jedoch nicht von ihm sei. Alex droht ihr mit ernsten Konsequenzen, und drängt sie zur Abtreibung, hadert aber zugleich mit sich selbst. Er befiehlt sie zu Bett. Alex fürchtet, dass er ihr mit der Pistole im Schubladenschrank etwas antun könnte.

Er leiht sich das Auto von Georgys Sohn Max, der Postbote in der Stadt ist. Georgy und Max und der sturzbetrunkene Onkel Viktor und Familien sind zu Besuch. Die Kinder spielen im Wald und am Haus, Viktor lallt zusammenhanglos. Sein Sohn erwähnt Alex gegenüber, dass Onkel Robert mit Vera im Haus zusammen war, als er „Geld verdienen“ gewesen ist, und die Mutter die Kinder in den Zirkus geschickt hatte. Sein spielsüchtiger Bruder Mark ruft ihn an, der ihm bei einem Treffen beibringt: „Töte, wenn du töten willst. […] Vergib, wenn du vergeben willst.“ Mark lebt von seinen eigenen Kindern getrennt, interessiert sich aber nicht für sie. Kurz keimt Hoffnung auf, dass Alex und Vera dem ungeborenen Kind „Vater und Mutter“ sein könnten. Der gehörnte Ehemann Alex nimmt ein Ferngespräch entgegen, aber niemand meldet sich. Er erkennt die Telefonnummer als die seines Bruders Robert. Georgy ist gestorben; sie besuchen das unbeschriftete Grab. Er schickt die Kinder zur Großmutter bei Viktor, wo sie ein Puzzle von da Vincis Verkündigung[2][3] legen. Die junge Frida liest 1 Kor 13,1-13 EU[3] samt eines Lesezeichens der Vertreibung aus dem Paradies[4] von Masaccio[3]. Mit einem Spezialisten nehmen Alex und Mark die illegale Abtreibung vor. Später kommt es zu Komplikationen, und Vera fällt ins Koma und stirbt. Sie rufen Gherman, einen befreundeten Arzt, der Mark dann noch etwas sagen will, doch dieser hört nicht zu. Mark hat einen Herzinfarkt. Gherman unterbreitet Mark, dass er einen Brief von ihr auf der Rückseite des Schwangerschaftstests gefunden hatte, sie sei wohl wach geworden und hätte zuviele Tabletten genommen. Gegen seinen inständigen Appell steht er später auf, geht zu ihrer Beerdigung mit, und stirbt dann tatsächlich. Alex lässt dem Arzt Geld da, der auf dem Hof alles einpackt und die Fenster wieder verrammelt. Alex nimmt die Waffe mit, und fährt die Strecke, die schon eingangs zu sehen war: zu seinem Bruder Robert. Nach einer gänzlich losgelösten Kamerafahrt, die durch den Morast unter dem Bauernhof führt, bricht ein Gewitter los.

Alex schläft im Auto vor Roberts Haus, und findet den Test im Handschuhfach, wo ihn Mark deponierte. Mit der Pistole vor sich auf dem Tisch beschäftigen sich Alex und Robert mit dem Brief. Es folgt eine Rückblende[5]: Robert erhält einen Telefonanruf von Vera, die eine Überdosis Schlafmittel genommen hat. Er fährt zu ihr in die Wohnung in der Stadt, und hilft ihr, den Mageninhalt zu entleeren. Sie freunden sich an. Postbote Max stellt ihr den Schwangerschaftstest zu. Sie sehen zusammen Familienfotos an. Im Gespräch erkennt Robert, dass Vera entweder schon lange den Verstand verloren hat, ihrem Mann symbolisieren wollte, dass die Beziehung vorüber ist, in Zwiesprache mit Gott ist, wie sie behauptet, oder gar unbefleckt empfangen[6] hat, somit Alex angelogen. Die Kinder kommen mit Nina aus dem Zirkus zurück.

Wir sehen Alex in den sonnigen Feldern mit einem ruhigen Lächeln; er scheint seinen Frieden mit der Welt geschlossen zu haben. Bäuerinnen dreschen Heu und singen zusammen. Dann trägt eine Magd ein schreiendes Baby durch ihre Mitte.

Kritiken

  • „qualvoll und langsam […] Wenn die Kamera das Elternhaus auf dem Land abtastet, dämmert einem, dass Menschen, die hier aufgewachsen sind, keine weichen Stellen haben können.““ (Süddeutsche Zeitung[7])
  • „mit einer heiligen Inbrunst und biblischen Wucht, mit schwelgerischen Naturbildern und dröhnenden Chorälen““ (Wolfgang Höbel: Der Spiegel[8])
  • „Die melancholisch-suggestive Aufladung der Bilder kündet allerdings schnell Unheil an, dessen metaphysische Grundierung allzu gewollt herbeigezwungen wird […] Eine CinemaScope-trunkene Fabel über Schuld und männliche Ignoranz […] souverän als altrussisch-antimoderner Seelenkampf in Szene gesetzt.““ (Lexikon des internationalen Films[9])
  • „nach ‚Verbannung‘ beginnt man schon [..Swjaginzews] Universum zu erahnen, in dem weite russische Landschaften, in Härte und Schweigen erstarrte Männer, sowie Frauen eine Rolle spielen, die ihre Söhne vor dem gleichen Schicksal wie die Väter zu bewahren suchen. […] letztlich um eine Viertel- oder halbe Stunde zu lang““ (Hanns-Georg Rodek: Die Welt[10])
  • „Ton und Bild sind nicht nur modelliert der Schönheit zuliebe […] Einige Kritiker haben sich über das Ende beschwert. Es ist einer der Momente, wo alles verschoben wird nicht nur für Schock und Verblüffung, sondern wesentlich fundamentaler; so, dass man alles Geschehen in Frage stellt, alles, was vorher gesagt, getan, empfunden wurde. Stil und Erwartungen wie ausgewechselt““ (Jennie Kermode: Eye for Film[11])
  • „in der letzten Stunde kommen viele Puzzlesteine ins Spiel, die überhaupt nicht gefehlt haben […]“ (DVD Outsider[12])
  • „hält tapfer den Blick auf die Kluft zwischen männlicher und weiblicher Perspektive“ (Richard Corliss, Mary Corliss: Time[13])
  • „Da ist irgendwo ein außergewöhnlicher Film unter dieser Halde Ideen, den man im Schnittraum besser hätte herausarbeiten können. […] Der Schluss des Handlungsbogens in der langen Rückblende klärt kein bisschen auf, und hilft unserem Verständnis kein Stück […] Ich befürchte, das war doch ein kleinerer Missgriff dieses Regisseurs, und bin noch unentschieden, ob im Zentrum ein Geheimnis oder einfach nur ein Wirrwarr verborgen ist.““ (Peter Bradshaw: The Guardian[5])
  • „ein weites, schönes, vertracktes, faszinierendes Werk… mit einem Wahnsinns-Loch in der Mitte“ (www.jigsawlounge.co.uk[14])
  • „Kein Ort ist einfach ein Ort, kein Gegenstand ohne symbolische Aufladung, kein Spaziergang ohne tiefere Bedeutung, und wenn es in der Stadt hagelt, während auf dem Land der Himmel noch wolkenlos war, weiß man, woran man ist. […] irgendetwas Religiöses, dann eine banale Ehekrise und zuletzt wieder eine große Metapher für den Kreislauf des Lebens.“ (Verena Lueken: Frankfurter Allgemeine Zeitung[15])

Anton Bitel sprach bei Channel 4 von der „Rückkehr von Die Rückkehr.[16] Michael Dwyer schrieb bei Irishtimes.com, hier würde „Stil über Substanz“ gehen[17], Rudolf Worschech beim Epd Film ganz ähnlich von einer „bildmächtige[n], aber inhaltsarme[n] Parabel“.[18]

Mit den Stimmen von 972 Zuschauern steht Die Verbannung am 24. September 2008 in der IMDb bei 7,6 von 10 Punkten und bei 56 Prozent bei 16 ausgewerteten Kritiken bei Rotten Tomatoes (44 Prozent von 9 Topkritikern).

Hintergründe

Gedreht wurde in Belgien, Frankreich und Moldawien[19] in unter anderem Charleroi und nahe Cahul.[6]

Der Film feierte seine Premiere am 18. Mai 2007 in Cannes. Am 7. November 2007 wurde er auf dem Filmfestival Cottbus aufgeführt.[19] In der Schweiz hatte er seine Erstaufführung am 16. Oktober 2008.[9]

Im Mittelteil findet das Magnificat von Johann Sebastian Bach Verwendung.[6]

Auszeichnungen und Nominierungen

Internationale Filmfestspiele von Cannes 2007

Europäischer Filmpreis 2007

  • Nominierung European Film Award in der Kategorie Beste Kamera für Michail Krichman

Moscow International Film Festival 2007

  • Russian Film Clubs Federation Award in der Kategorie Russian Program für Andrei Swjaginzew

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Graffy, siehe Weblinks.
  2. siehe Verkündigung des Herrn.
  3. a b c Jay Weissberg: The Banishment. In: Variety. 18. Mai 2007. Abgerufen am 20. Oktober 2008. (englisch)
  4. siehe Sündenfall.
  5. a b Peter Bradshaw: The Banishment. In: The Guardian. 15. August 2008.: „There is an outstanding film somewhere inside this sprawling mass of ideas, which might have been shaped more exactingly in the edit. […] bringing the story looping round into an extended flashback, doesn't clarify or extend our understanding. […] I can't help feeling that this is a slight misstep from this director, and can't decide whether his film has at its centre a mystery or a muddle“. Abgerufen am 21. Oktober 2008. (englisch)
  6. a b c Beumers, siehe Weblinks.
  7. Susan Vahabzadeh: Sehnsucht nach Emotionen. In: Süddeutsche Zeitung. 19. Mai 2007. Abgerufen am 20. Oktober 2008. (SZ v. 19./20.5.2007)
  8. Wolfgang Höbel: Lächeln verboten!. In: Der Spiegel. 18. Mai 2007. Abgerufen am 20. Oktober 2008.
  9. a b The Banishment. In: Das Zweitausendeins Filmlexikon. Kirstin Strecker und Till Tolkemitt. Abgerufen am 20. Oktober 2008.
  10. Hanns-Georg Rodek: Der beste Jahrgang seit ewigen Zeiten. In: Die Welt. 24. Mai 2007. Abgerufen am 21. Oktober 2008.
  11. Jennie Kermode: The Banishment. In: Eye for Film. : „This is sound and vision crafted not simply for the sake of beauty […] A number of critics have complained about the ending of this film. It's one of those moments when everything shifts not for the sake of a shocking twist but on a much more fundamental level, one which will make you question everything that has been said and done and felt before. There's a change in style and expectation“. Abgerufen am 21. Oktober 2008. (englisch)
  12. Slarek: Family business. In: DVD Outsider. : „What the last hour does most effectively is complete a jigsaw that has far more pieces than the first half chose to suggest“. Abgerufen am 10. Februar 2009. (englisch)
  13. Richard Corliss, Mary Corliss: Three Twisty Delights. In: Time. 18. Mai 2007.: „stares boldly into the chasm between male and female points of view“. Abgerufen am 10. Februar 2009. (englisch)
  14. Neil Young: The Banishment (2007). In: Neil Young's Film Lounge. 12. September 2008.: „a large, beautiful, intricate, fascinating work... with an enormous hole slap-bang in the middle“. Abgerufen am 10. Februar 2009. (englisch)
  15. Verena Lueken: Die tiefere Weisheit des Hagels. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 18. Mai 2007. Abgerufen am 10. Februar 2009.
  16. Anton Bitel: The Banishment (Isgnanije). In: Channel 4 Film. : „the return of The Return“. Abgerufen am 21. Oktober 2008. (englisch)
  17. Michael Dwyer: The Banishment/Izgnanie. In: Irishtimes.com. 5. September 2008.: „style over substance“. Abgerufen am 21. Oktober 2008. (englisch)
  18. Rudolf Worschech: Kunst und Glamour - Abschluss der 60. Filmfestspiele von Cannes Kunst und Glamour. In: Epd Film. Abgerufen am 24. Oktober 2008.
  19. a b IMDb, siehe Weblinks.

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