Isselguss

Isselguss
Tafel am Verwaltungsgebäude der Isselburger Hütte
Die Handformerei der Isselburger Hütte (1905)

Die Isselburger Hütte (ehemals Minerva-Hütte) war ein von 1794 bis 1998 bestehendes Eisenwerk und ein metallverarbeitender Betrieb in Isselburg. In der Nachfolge des Traditionsunternehmens steht bis heute die Firma Isselguss.

Geschichte

Um das Jahr 1770 bemühte sich der Isselburger Bürgermeister Böhme um die Ansiedlung einer Eisenhütte, wie sie 1729 mit der St.-Michaelis-Eisenhütte in Bocholt entstanden war, da es „den gemeinen Einwohnern an einem Nahrungszweige“ fehlte. Doch erst in den 1790er Jahren fand sich ein Investor: Leopold Wilhelm Schmölder aus Neuenrade stellte Untersuchungen über die Eisenerzvorkommen am Lauf der Issel an, bevor ihm anhand seines Gutachtens durch König Friedrich Wilhelm II. am 24. Juli 1794 die offizielle Genehmigung zur Errichtung der Minerva-Hütte erteilt wurde.

1797 beschäftigte der Betrieb bereits 10 Meister und 66 Arbeiter. Die erste Geschäftsbilanz wurde 1801 verfasst: Diese besagt, dass an Arbeits- und Fuhrlohn 10.202 Taler und für Holzkohlen 10.440 Taler aufgewendet worden waren, der Reingewinn allerdings nur 538 Taler betrug. Somit brachte die Minerva-Hütte zwar der Bevölkerung gute Verdienstmöglichtkeiten, doch lohnte sich für Schmölder kaum, weshalb er seine Gründung schon 1804 an Johann Friedrich Nering Bögel, einen Rittmeister und Unternehmer aus Ulft (Batavische Republik) verkaufte. Mit ihm ziehen neue Aufträge ein: Die Minerva-Hütte produzierte ab 1808 Kartätschenkugeln für die preußische Armee. 1815 pachtete der Rittmeister, wie die Belegschaft Johann Friedrich Nering Bögel kurz nannte, die St.-Michaelis-Hütte in Bocholt und schaltete so die direkte Konkurrenz aus. Bei seinem Tode 1817 war die Minerva-Hütte ein bekanntes und angesehenes Unternehmen.

Die Nachfolge als Geschäftsführer trat sein Sohn Johann Nering Bögel an. Durch die Einführung von Grenzzöllen in die Niederlande veranlasst, versuchte der gerade 21-jährige Fabrikherr die verlorenen Märkte durch neue zu ersetzen und machte daher eine Reise nach Dänemark, Polen und in die Provinz Pommern. Gleichzeitig warb sein Mitarbeiter Heinrich Jörris in Schweden und Norwegen. Die neuen Auftraggeber zeigten kein Interesse an der traditionellen Produktpalette der Minerva-Hütte (Töpfe, Öfen und Fensterrahmen), weshalb man 1830 komplett auf Maschinenbau umstellte. Gemeinsam mit Johann Dinnendahl gründete er daher auf dem Gelände der Minerva-Hütte eine Maschinenfabrik, in der allein in den ersten 7 Geschäftsjahren (1831 bis 1838) 20 Dampfmaschinen hergestellt wurden. Eine 1839 in der Isselburger Maschinenfabrik gebaute 70-Zoll-Dampfmaschine ist die älteste deutsche Dampffördermaschine, die bis heute erhalten ist. Sie wird im Deutschen Bergbau-Museum Bochum ausgestellt.

1837 richtete Johann Nering Bögel ein Krankenhaus für die Mitarbeiter der Hütte ein, das auch deren Angehörigen freie Arznei und Behandlung zukommen ließ. Eine Arbeiterkrankenkasse folgte wenig später. Zehn Jahre später verursachte eine besonders schlechte Ernte eine Verteuerung der Lebensmittel. Für diesen Fall hatte Nering Bögel vorgesorgt und große Getreidevorräte angelegt, die er nun an seine Arbeiter günstig verkaufte. Bis heute ist an seinem Grab in Isselburg eine Eisenplatte zu sehen, die die Arbeiter der Isselburger Hütte aus Dankbarkeit errichten ließen.

Da in dieser Zeit die Unternehmen des Ruhrgebietes anfingen, stark zu expandieren, und sich die abseitige Lage der Minerva-Hütte negativ bemerkbar machte, ging man dazu über, hochwertige Spezialmaschinen herzustellen. 1864 wurde die eigentliche Hüttentätigkeit mit dem Abriss des Hochofens eingestellt. Zeitgleich entwickelte die aufstrebende Ingenieurs-Abteilung des Betriebes innovative Erzeugnisse: 1871 erhielt der Ingenieur Fernis das Patent auf ein neuartiges Pumpventil, das den Bau von Wasserhaltungsmaschinen für bis zu 700 m Tiefe ermöglicht.

1865 verstarb der langjährige Direktor Johann Nering Bögel, der die Leitung des Betriebes an seinen Sohn, Gustav Nering Bögel, vererbt. Mit der Gründung der Kaiserlichen Post nach der Reichseinigung 1870 ging ein Großauftrag aus Berlin in Isselburg ein: Die Minerva-Hütte wurde mit der Fertigung der deutschen Briefkästen betraut, worin sie bis 1918 eine Monopolstellung besaß. 1878 erfolgte die Umbenennung der Minerva-Hütte in Isselburger Hütte. Der Betrieb beschäftigte mittlerweile über 300 Arbeiter.

Johann Nering Bögel betätigte sich ebenso wie sein Vater als Wohltäter der Gemeinde: Die Gründung einer Fortbildungsschule für Ingenieure 1893 ging ebenso auf seine Initiative zurück, wie der Bau der Arbeitersiedlung „Wilhelmstadt“, die den Beschäftigten günstig Unterkunft bot. Er starb 1901. In den folgenden Jahren kam die Isselburger Hütte über den Bau von Leuchttürmen zu einiger Berühmtheit: So entstanden u.A. der Leuchtturm Westerheversand und der Leuchtturm Hörnum an der Issel.

Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, standen 750 Arbeiter und Angestellte bei der Isselburger Hütte in Lohn und Brot. Die Weltwirtschaftskrise 1929/30 führte auch in Isselburg zu Massenentlassungen. 1930 betrug die Zahl der Beschäftigten nur noch 193. Doch über die Klöckner-Werke, zu denen man seit 1932 eine enge Bindung einging, besserte sich die Lage wieder und sämtliche Arbeiter konnten wieder eingestellt werden. Aus der Bindung an den Großkonzern entstand 1938 eine Interessengemeinschaft mit der Klöckner-Humboldt-Deutz AG, die einer Übernahme gleichkam. Die Isselburger Hütte wurde vor allem mit der Herstellung von Motoren von Halbkettenfahrzeugen der Wehrmacht betraut. Außerdem wurden die Radiatoren anderer Deutz-Motoren gefertigt.

In den letzten Wochen des Zweiten Weltkrieges wurden die Werkshallen, Bürogebäude und die Motorenfabrik schwer beschädigt. Während des Wiederaufbaus lockerte die Direktion 1946 den Verbund mit dem Klöckner-Konzern, der jedoch die Aktienmehrheit an der Isselburger Hütte behielt, wieder. Seit dem Ende des „Dritten Reichs“ gehörte der Oberingenieur der Hütte, Heinrich Michelbrink, dem Rat der Stadt an. In dieser Zeit bestanden enge Verbindungen zwischen Stadtverwaltung und Hüttendirektion. Michelbrink blieb bis zu seinem Tod 1958 Vorsitzender der Isselburger CDU.

1969, als die Hütte 700 Beschäftigten Arbeit gab, erfolgte die Schließung der seit 1837 bestehenden Betriebskrankenkasse. Der Hauptaktionär der Isselburger Hütte AG, der Klöckner-Humboldt-Deutz-Konzern, beendete am 30. Juli 1972 die weitestgehende Unabhängigkeit des Traditionsbetriebs. Ab 1975 belieferte die Isselburger Hütte die im Vierer-Club zusammenarbeitenden Lastwagen-Hersteller DAF, Magirus-Deutz, Saviem und Volvo mit Bremstrommeln. 1988 verkaufte man das Werk an die niederländische Gießereigruppe Verenigde gieterijen Nederland BV, die die Beschäftigtenzahl auf 316 reduzierte. Seit 1998 steht die Firma Isselguss GmbH Gießereierzeugnisse mit rund 250 Angestellten in der Tradition der Isselburger Hütte. Durch die Spezialisierung auf hochwertige Grau- und Sphärogussteile hofft man, diese fortführen zu können.

Literatur

  • Die Geschichte der Isselburger Hütte. Herausgegeben durch die Isselburger Hütte AG, März 1964.
  • Isselburg und seine Hütte. Chronik einer Eisengießerei und Maschinenfabrik am Niederrhein, Isselburg 1972.

Weblinks


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