Jakob Bernays

Jakob Bernays

Jacob Bernays (* 11. September 1824 in Hamburg; † 26. Mai 1881 in Bonn) war ein deutscher Philologe, Bruder von Michael Bernays.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Bernays’ Vater, Isaak Bernays (1792-1849), war der erste orthodoxe deutsche Rabbiner, der auf deutsch predigte. Jacob studierte 1844-1848 an der Universität Bonn, deren philologische Fakultät unter Friedrich Gottlieb Welcker und Friedrich Wilhelm Ritschl (dessen Lieblingsschüler Bernays wurde) damals das Zentrum der klassischen Philologie in Deutschland war.

Bernays wurde im Jahr 1848 mit einer Arbeit über Heraklit promoviert und habilitierte sich unmittelbar danach. Wegen seines jüdischen Glaubens konnte er keine Professur an einer deutschen staatlichen Universität erhalten und daher akzeptierte er 1853 den Lehrstuhl für klassische Philologie am neu gegründeten jüdischen theologischen Kolleg (dem Fränkel-Seminar) in Breslau, wo er eine enge Freundschaft mit Theodor Mommsen einging. Die "normale" akademische Karriere konnte er erst nach der Gründung des Norddeutschen Bundes im Jahr 1866 einschlagen, die die endgültige rechtliche Emanzipation der Juden mit sich brachte. Als Ritschl im Jahr 1866 nach dem berühmten "Bonner Philologenstreit" mit Otto Jahn Bonn Richtung Leipzig verließ, wurde Bernays an seine alte Universität als außerordentlicher Professor und Hauptbibliothekar berufen. Er blieb bis zu seinem Tod in Bonn. Er hatte großen Einfluss auf zahlreiche Philologen, unter ihnen Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff, der sich in seinen Erinnerungen allerdings sehr zurückhaltend über Bernays äußerte, und Theodor Heyse.

Bernays bekannte sich zeitlebens zum orthodoxen Judentum und weigerte sich, zum Christentum zu konvertieren, um dann eine Karriere als Hochschullehrer anzutreten zu können. Daher musste er lange darauf warten, bis er zum Professor an einer preußischen Universität ernannt wurde. Sein Fall erregte großes Aufsehen und wurde sogar im preußischen Parlament diskutiert.

Werk

Bernays' wissenschaftliche Interessen lagen vor allem im Bereich der griechischen Philosophie. Trotz seiner umfassenden Kenntnis der antiken Texte und des gesamten philologischen Schrifttums seit der Renaissance hat Bernays sich stets an eng umschriebene Themen und oft an scheinbar abseitige Autoren gehalten, die er mit äußerster Akribie und exakter Phantasie behandelte und in geschliffener Sprache darstellte. Für die Form der großen monographischen Abhandlung fehlte es ihm nach seinem eigenem Bekunden an der dafür nötigen Oberflächlichkeit. Damit wurde Bernays zu einer scharf profilierten Gestalt, die sich von der sich während seiner Lebenszeit entwickelnden, von seinem Freund Mommsen entscheidend beförderten Entwicklung zum Forschungsbetrieb mit den eigene Organisationsgründungen und Jahrzehnte in Anspruch nehmenden Großprojekten deutlich abhebt und als solche in den letzten Jahrzehnten große Aufmerksamkeit der Wissenschaftsgeschichtsschreibung fand, so bei Arnaldo Momigliano und Jean Bollack.

Seine Behandlung der Herakliteischen Fragmente stellte das erste und maßstabsetzende Beispiel dafür dar, wie Originaltexte vorsokratischer Philosophen aus ihrem Überlieferungskontext zurückgewonnen werden können. So hat er in einer methodisch epochemachenden Abhandlung Theophrasts verlorene Schrift Über die Frömmigkeit aus Zitaten in den Schriften des Porphyrios rekonstruiert. Da dieser Text zugleich das erste Zeugnis für die Kenntnis der Griechen vom Judentum darstellt, handelte es sich für Bernays aber nicht lediglich um eine Demonstration philologischer Methode, als die dieses Werk von Anfang an bewundert wurde.

Auf der Wechselbeziehung von griechischer und hebräischer Philologie beruhte auch die Faszination, die Joseph Scaliger auf Bernays ausübte, dem "Fürsten der Philologen", dem er 1855 eine Lebensbeschreibung widmete. Die Vereinigung der hebräischen Bibel mit der griechisch-römischen Bildung war das erklärte Ziel von Bernays Bemühungen (Ges. Abh., Bd. 2, S. 195), mit der er als Wissenschaftler gegen die von ihm abgelehnte Assimilation der Juden an die vom Christentum geprägte Gesellschaft des neunzehnten Jahrhunderts Stellung nahm. Als sein Bruder, der später als Goethe-Forscher bekanntgewordene Michael Bernays, sich taufen ließ, brach Jacob Bernays die Beziehungen zu ihm ab, um sie nie wieder aufzunehmen.

Das größte Aufsehen erregten jedoch die Grundzüge der verlorenen Abhandlungen des Aristoteles über die Wirkung der Tragödie (1857), in der er Aristoteles’ nur fragmentarisch erhaltene Poetik rekonstruierte. Heute noch bekannt und anerkannt ist Bernays’ Beitrag zum Verständnis der Katharsis-Lehre der Poetik. Die Erhellung der aristotelischen Theorie tragischer Wirkung hatte großen Einfluss auf Friedrich Nietzsches Abhandlung "Die Geburt der Tragödie" sowie auf die psychologischen Theorien Sigmund Freuds.

Schriften

Literatur

  • Hermann Usener: Jacob Bernays. In: ADB, Bd. XLVI (1902), S. 393-404. (eine in der Geschichte der Beziehungen zwischen Juden und Deutschen fast ohne Vergleich dastehende Würdigung eines orthodoxen deutschen Juden durch einen Deutschen)
  • Arnaldo Momigliano: Jacob Bernays. Amsterdam, London: North-Holland publishing company, 1969. (= Mededelingen der koninklijke Ned. Akademie van Wetenschappen, afd. Letterkunde, nieuwe reeks, deel 32, n. 5, S. 151-178). (mehrfach wiederabgedruckt; einflussreich)
  • Hans I. Bach: Jacob Bernays. Ein Beitrag zur Emanzipationsgeschite der Juden und zur Geschichte des deutschen Geistes im 19. Jahrhundert. Tübingen 1974. (Standardbiographie; elegant geschrieben und historisch aufschlussreich, aber wissenschaftsgeschichtlich weniger ergiebig)
  • John Glucker, André Laks (Hrsg.): Jacob Bernays. Un philologue juif. Villeneuve d'Ascq: Presses Univ. du Septentrion, 1996. (= Cahiers de philologie; 16. Série Apparat critique.) (darin v.a. der Beitrag von Jean Bollack)
  • Anthony Grafton: Jacob Bernays, Joseph Scaliger, and Others. In: The Jewish Past Revisited. Reflections on Modern Jewish Historians. Ed. by David N. Myers and David B. Ruderman. New Haven & London: Yale University Press, 1998, S. 16-38.

Weblinks



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