Jan Maria Rokita

Jan Maria Rokita

Jan Maria Władysław Piotr Rokita (* 18. Juli 1959 in Krakau, Polen) ist ein ehemaliger konservativer polnischer Politiker der „Bürgerplattform“ (Platforma Obywatelska) im polnischen Parlament (Sejm) der 5. Wahlperiode bis 2007.

Jan Rokita

Inhaltsverzeichnis

Karriere

Solidarność/Komitet Obywatelski

Rokita studierte Rechtswissenschaft an der Universität Krakau und war als Student in anti-kommunistischen Kreisen aktiv; u.a. war er Chef der Solidarność-Gruppe an der Universität Krakau. Bei den ersten halbfreien Wahlen 1989 wurde er für das der Solidarność nahestehende „Bürgerkomitee“ (Komitet Obywatelski) als einer der jüngsten Abgeordneten in den Sejm gewählt und stellvertretender Fraktionsvorsitzender. Er war außerdem Vorsitzender des Sejm-Ausschusses für die Aktenbestände des polnischen Stasi-Gegenstücks (Służba Bezpieczeństwa).

UD/UW

Als sich die Solidarność-Bewegung in verschiedene Strömungen zu spalten begann, schloss Rokita sich 1991 zunächst der liberalen „Demokratischen Union“ (Unia Demokraticzna) um Premierminister Tadeusz Mazowiecki an, in der er dem konservativen Flügel angehörte. Unter Premierministerin Hanna Suchocka (1992–1993) war Rokita Chef des Amtes des Ministerrates (Urząd Rady Ministrów) – eine Funktion, die in etwa dem des deutschen Kanzleramtsministers entspricht. Als solcher hatte er großen informellen Einfluss auf die Regierungspolitik, sodass er auch als „heimlicher Premier“ bezeichnet wurde.

Nachdem die UD 1994 in der Nachfolgepartei Freiheitsunion (Unia Wolności) aufgegangen war, gehörte er dieser zunächst weiterhin an, profilierte sich jedoch innerhalb dieser stark von liberalen Intellektuellen geprägten Partei als Vertreter des konservativen Flügels. Insbesondere sprach er sich gegen die Präsidentschaftskandidatur des linksliberalen Jacek Kuroń für die Freiheitsunion aus.

SKL/AWS/PO

Zum endgültigen Bruch mit der Freiheitsunion kam es jedoch erst 1997. Rokita trat dann der Konservativen Volkspartei (Stronnictwo Konserwatywno-Ludowe/SKL) bei, die im selben Jahr als Teil des konservativen Parteienbündnisses AWS (Wahlaktion Solidarność) die Sejm-Wahlen gewann. 2000 wurde Rokita Vorsitzender der SKL, die jedoch 2001 in der Anfang dieses Jahres vom konservativeren Teil der liberalen Freiheitsunion und vom liberaleren Teil der konservativen AWS gegründeten neuen bürgerlichen Partei PO aufging. 2001 zog Rokita als PO-Abgeordneter erneut in den Sejm ein. 2002 unterlag er knapp bei der Wahl zum Krakauer Oberbürgermeister.

Untersuchungsausschuss zur Rywin-Affäre

2003/2004 erfuhr Rokita einen großen Popularitätsschub durch seine Rolle im Untersuchungsausschuss zur Rywin-Affäre, in dem er sich durch seinen aggressiven Befragungsstil als eine Art Volkstribun profilierte und innerhalb kurzer Zeit zum bekanntesten Politiker der PO aufstieg, deren Umfragewerte sich gleichzeitig stark verbesserten.

„Nizza oder der Tod“

Bei der Diskussion um die EU-Verfassung wurde u.a. über den Abstimmungsmodus im Rat der Europäischen Union verhandelt. Die verhandelten Vorschläge sahen vor, die überproportionale Gewichtung der mittelgroßen EU-Staaten durch den Vertrag von Nizza, zu revidieren und hätten sich damit u.a. zuungunsten des polnischen Stimmengewichts ausgewirkt. Als Führer der stärksten Oppositionsfraktion im Sejm prägte Rokita im September 2003 das populistische Schlagwort „Nizza oder der Tod“ (in Anspielung auf Fidel Castros Parole socialismo o muerte). Damit provozierte er eine entsprechende Stimmung in der Bevölkerung und nötigte die SLD-geführte Regierung zu einem (letztlich gescheiterten) kompromisslosen Festhalten an der Stimmengewichtung des Vertrags von Nizza. Da die EU-Verfassung nach ihrem Scheitern in den Referenden in Frankreich und den Niederlanden derzeit auf Eis liegt, gilt der Vertrag von Nizza dennoch bis auf weiteres.

Wahlniederlage 2005

Vor den Sejm-Wahlen 2005 galt Rokita lange als aussichtsreichster Kandidat für das Amt des Premierministers nach einem laut Umfragen zu erwartetenden Wahlsieg der PO. Vor den Wahlen sprach er sich für eine Koalition mit der rechtskonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość/PiS) um die Brüder Jarosław und Lech Kaczyński aus. Nachdem diese jedoch relativ überraschend als stärkste Partei aus den Wahlen hervorging, lehnte die PO es ab, als Juniorpartner in eine PiS-geführte Koalition einzutreten und ging in die Opposition. Rokita verlor den Fraktionsvorsitz an den PO-Parteivorsitzenden Donald Tusk, der in den Präsidentschaftswahlen unmittelbar nach den Parlamentswahlen ebenfalls gegen den PiS-Kandidaten Lech Kaczyński unterlegen war. Rokitas Popularität ist seitdem merklich zurückgegangen.

Persönliches

Rokita, der früher die beiden Vornamen „Jan Maria“ führte, nennt sich ca. seit 2004 nur noch „Jan Rokita“ bzw. „Jan Władysław Rokita“ – angeblich, um sein damals erworbenes Image als Hardliner nicht durch den weiblichen Namen „Maria“ zu gefährden.

Rokita ist in zweiter Ehe mit der (Russland-)Deutschen Nelli Rokita-Arnold verheiratet, die 1977 aus Kasachstan in die Bundesrepublik Deutschland ausreiste und derzeit Vorsitzende der polnischen Sektion der „Europäischen Frauenunion“ ist.

Rückzug aus der Politik

Am 14. September 2007 gab Rokita im Sender TVN24 bekannt, dass er in den anstehenden Wahlen nicht für einen Parlamentssitz kandidieren werde und sich aus dem öffentlichen Leben zurückziehe. Diese Entscheidung stand im Zusammenhang mit der wenige Stunden zuvor bekannt gegebenen Nominierung Nelli Rokitas für den Posten einer Beraterin von Präsident Lech Kaczyński in Frauen-Angelegenheiten. Er unterstrich zugleich, er werde in den Wahlen für die PO stimmen und seinen Parteikollegen die Daumen drücken. Er erklärte, er werde weiterhin Mitglied der PO bleiben und möglicherweise in der Zukunft in die Politik zurückkehren.

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