Jan Mukarovsky

Jan Mukarovsky

Jan Mukařovský (* 11. November 1891 in Písek; † 8. Februar 1975 in Prag) war ein tschechischer Literaturwissenschaftler.

Nach dem Abitur studierte Mukařovský an der Universität Prag und schloss sein Studium 1915 ab. Bis 1925 war er als Gymnasiallehrer in Pilsen tätig, danach an einem Prager Gymnasium. 1926 gehörte er zu den Gründern des Prager Linguistenkreises, 1929 habilitierte er sich mit einer Arbeit über Mácha im Fach Ästhetik.

1934 wurde er zum Professor an der Universität Bratislava ernannt, 1937 zum außerordentlichen Professor an der Universität Prag. 1948 wurde er ordentlicher Professor, im gleichen Jahr wurde er zum Rektor gewählt und bekleidete dieses Amt bis 1953. 1951 wurde er außerdem Direktor des Instituts für tschechische Literatur der Tschechoslowakische Akademie der Wissenschaften.

Die Bedeutung Jan Mukařovskýs lässt sich nicht lösen von seiner Mitarbeit am Prager linguistischen Kreis (zu dem auch Roman Jakobson gehörte, mit dem er eng befreundet war). Vielmehr sollte er darin die "Rolle des Inspirators" (Chvatík 1987, 173) spielen und entscheidende Impulse in Richtung einer "funktional-strukturalen Sprachkonzeption" (ebd.) geben, die über die Grenzen der Linguistik hinaus in die Poetik und Ästhetik - nicht nur der tschechischen - hinein vorstoßen sollte.

Jan Mukařovský unterscheidet vier Grundfunktionen der Sprache: die darstellende, expressive, appellative und die "ästhetische" Funktion (Mukařovský 1938, 48). Er schließt sich damit den Grundgedanken Karl Bühlers an, der die ersten drei Funktionen in der "Sprachtheorie" (Bühler 1934) einführte, sieht allerdings diese Konzeption nur für eine "rein mitteilende Äußerung" (Mukařovský 1938, 47) brauchbar. Bei der "Analyse der dichterischen Äußerung" (ebd.) jedoch, kommt es nach Jan Mukařovský auf die vierte an: "[S]ie stellt nämlich in den Mittelpunkt des Interesses die Komposition des Sprachzeichens, während die erstgenannten drei zu außersprachlichen Instanzen und zu Zielen tendieren, die das Sprachzeichen überschreiten". (ebd, 48) Die ästhetische Funktion der Sprache ist für Jan Mukařovský "allgegenwärtig" (ebd., 49), verantwortlich für "lexikalische Neuerungen" (ebd., 50) des Sprachgebrauchs und erscheint "stets als autonomes Zeichen" (ebd., 51).

Die Betonung des Ästhetischen spiegelt sich ebenso in Grundlagenaufsätzen zur Frage: Was ist ein Kunstwerk? In "Die Kunst als semiologisches Faktum" betont Jan Mukařovský zwei Eigenschaften des Kunstwerks: Die autonome Funktion und die kommunikative Funktion. Ersteres bezieht sich auf die Eigenschaft, dass das Kunstwerk "als Mittler zwischen den Mitgliedern des gleichen Kollektivs dient" (Mukařovský 1936, 140). Zweiteres zielt auf die "unbestimmte Realität, auf die das Kunstwerk hinweist" (ebd. 141), nämlich den "Gesamtkontext der sogenannten sozialen Erscheinungen: z.B. Philosophie, Politik, Religion, Wirtschaft usw." (ebd.).

Literatur

  • Mukařovský, Jan: Die poetische Benennung und die ästhetische Funktion der Sprache, in: ders. Kapitel aus der Poetik, aus dem Tschechischen übers. v. Walter Schamschula. Frankfurt am Main; Suhrkamp 1967
  • Mukařovský, Jan: Die Kunst als semiologisches Faktum, in: ders. Kapitel aus der Ästhetik, aus dem Tschechischen übers. v. Walter Schamschula. Frankfurt am Main; Suhrkamp 1970
  • Studien zur strukturalistischen Ästhetik und Poetik. Frankfurt/Main 1977. ISBN 3548033113.
  • Schriften zur Ästhetik, Kunsttheorie und Poetik. Hrsg. u. übers. von Holger Siegel. Tübingen 1986. ISBN 3878083165.
  • Chvatík, Květoslav: Jan Mukařovský, Roman Jakobson und der Prager linguistische Kreis, in: ders. Mensch und Struktur. Frankfurt am Main; Suhrkamp: 1987
  • Kunst, Poetik, Semiotik. Hrsg. u. mit e. Vorw. von Květoslav Chvatík. Frankfurt/Main 1989. ISBN 3518578405.

Weblinks


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