- Japanische Anreden
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In Japan wird großer Wert auf Etikette und Umgangsformen gelegt, was sich auch an den japanischen Anreden zeigt. Diese sind ein wesentlicher Teil der japanischen Höflichkeitssprache.
Da sich die vielen feinen Abstufungen in anderen Sprachen meist nicht genau wiedergeben lassen, hat es sich eingebürgert, in Übersetzungen die japanischen Anreden unverändert beizubehalten.
Inhaltsverzeichnis
Vor- und Nachname
Die Benutzung des Vornamens, womöglich ohne Zusatz, deutet im Japanischen entweder auf sehr große persönliche Nähe zur angesprochenen Person hin, oder ist schlicht grob unhöflich.
Im Japanischen wird der Familienname vor dem Rufnamen genannt. In übersetzten Texten für Ausländer wird allerdings häufig (aber nicht immer) die im Deutschen übliche Namensreihenfolge Vorname–Nachname verwendet.
Suffixe
An den Namen wird meist ein Suffix angehängt. Auch akademische, berufliche und militärische Titel werden durch diese Zusätze gekennzeichnet. Es gibt sowohl Anreden, die ausschließlich als Suffix verwendet werden (wie -san oder -tono), als auch Anreden, die alleinstehend ohne den Namen benutzt werden können (wie sensei, sempai oder buchō).
- – (nur der Name)
- Einfach nur mit dem Namen sprechen sich in Japan enge Freunde an. Auch wenn man gegenüber Fremden von sich selbst oder den Angehörigen spricht verwendet man nur den Namen ohne Zusatz. Unter Fremden ist das bewusste Weglassen jedes Zusatzes ausgesprochen unhöflich und wird als yobisute (呼び捨て) bezeichnet.
- -buchō 部長
- Bedeutet „Abteilungsleiter“ und wird an den Namen angehängt, wenn er von Untergebenen benutzt wird. Ähnliches gilt für -kachō (課長, „Sektionsleiter“) und -shachō (社長, „Firmenchef“).
- -chan ちゃん
- Verniedlichungsform, entspricht ungefähr dem deutschen -chen (z. B. bei „Hänschen“). Es wird meist unter und gegenüber kleineren Kindern, guten Freunden oder von verliebten Paaren benutzt. Kleine Kinder können -san oft noch nicht richtig aussprechen und sagen deshalb -chan, gelegentlich auch -chama. Jungen werden meist nur bis zum Kindergartenalter mit -chan angesprochen, danach mit -kun (siehe dort). Bei eng befreundeten Mädchen und Frauen sowie bei weiblichen Untergebenen wird -chan nach dem Vornamen jedoch oft bis ins hohe Alter verwendet. Ist der Nachname ungewöhnlicher als der Vorname, wird -chan auch hinter jenem benutzt. Unter entferneteren Verwandten wie etwa zwischen Cousins/Cousinen und bei Freundschaften aus früher Kindheit und Jugend wird oft -chan verwendet. An Spitznamen kann ebenfalls ein -chan angehängt werden.
- Auch bei niedlichen Lebewesen kann -chan angehängt werden, etwa bei Katzen (猫ちゃん neko-chan) oder Babys (赤ちゃん aka-chan).
- -dono oder -tono 殿 (wörtlich „Fürst“)
- Eine heutzutage unübliche Anrede, die manchmal noch auf Urkunden oder beim Militär Verwendung findet.
- -hakase 博士
- Akademischer Doktortitel, vergleichbar dem „Dr.“ vor dem Namen im Deutschen.
- -kun 君
- Normale Anrede unter männlichen Jugendlichen, falls es mit Vornamen benutzt wird. Lehrer hängen bei männlichen Schülern -kun an den Nachnamen an (im Zuge des Gender Mainstreaming steht allerdings die unterschiedliche Anrede für männliche und weibliche Schüler in Japan mittlerweile in der Kritik[1]).
- In Firmen werden junge Angestellte (auch weibliche) oft mit -kun angesprochen. Im japanischen Unterhaus werden alle Abgeordneten, unabhängig von Alter und Geschlecht, vom Parlamentspräsidenten mit -kun angeredet.
- -sama 様 (wörtlich „Erscheinung, Äußeres“)
- Sehr höflich, da der Gesprächspartner damit nur indirekt angeredet wird (etwa vergleichbar mit „verehrte/r“ im Deutschen). Wird von Angestellten gegenüber Kunden und für sehr hoch stehende Persönlichkeiten benutzt, auch für Gottheiten oder vergötterte Personen. In Briefen wird in der Regel -sama als Namenszusatz des Adressaten verwendet. Auf personifizierte Objekte angewandt drückt es mehr Zärtlichkeit als Respekt aus.
- -san (siehe dort) ist von -sama abgeleitet.
- -san さん
- Neutrale Anrede unter erwachsenen Personen, die sich nicht kennen oder beruflich miteinander zu tun haben. Wird meist mit dem Nachnamen benutzt und entspricht damit „Herr/Frau“ im Deutschen. In Verbindung mit Beruf oder Titel wird -san als generische Anrede benutzt, beispielsweise okashiya-san („Herr Konditor“) oder kōchō-san („Herr Rektor“).
- Unter Japanern, die eng miteinander befreundet sind, wird -san an den Vornamen angehängt. Auch gegenüber Ausländern kann man diese Form hin und wieder hören, vor allem in Verbindung mit Spitznamen.
- Bisweilen wird bei Geschäftsverhandlungen sogar der Firmenname des Partners mit der Anrede -san belegt (z. B. Yahoo-san).
- -senpai 先輩
- Diese höfliche Anrede wird für Mitschüler aus höheren Klassenstufen oder Kommilitonen aus höheren Semestern benutzt. Das Gegenstück zu -senpai ist -kōhai (後輩), der Untergebene bekommt allerdings keine Ehrenbezeichnung und wird stattdessen mit -kun angesprochen.
- -sensei 先生 (wörtlich „früher geboren“)
- Diese Anrede wird für Lehrer, Ärzte, Anwälte, Politiker und Kampfsporttrainer benutzt und ist im Deutschen am ehesten mit „Herr Doktor/Herr Professor“ vergleichbar. -sensei wird entweder nur mit dem Nachnamen oder allein stehend gebraucht.
- -shi 氏
- Dieses Suffix wird nur in der Schriftsprache verwendet und entspricht dem deutschen „Herr/Frau“. Es kommt vor allem in Briefen zur Anwendung, wenn von dritten Personen die Rede ist.
Weitere Wortverbindungen
Verwandte können untereinander sehr differenzierte Abstufungen verwenden. So bedeuten etwa onee-chan, onee-san oder onee-sama alle „ältere Schwester“, kennzeichnen aber ein unterschiedliches soziales bzw. Vertrauensverhältnis der jeweiligen Personen.
Berufsbezeichnungen als Anrede
Manchmal werden auch Rang-, Amts- oder Berufsbezeichnungen in der Anrede verwendet. In so einem Fall wird nicht zusätzlich -san angehängt. So kann beispielsweise der ehemalige Premierminister auch Koizumi-sōridaijin (小泉総理大臣) genannt werden. In Firmen werden Titel wie kachō (課長, „Sektionsleiter“) normalerweise allein stehend ohne den Nachnamen verwendet, sofern nicht mehrere Abteilungsleiter anwesend sind.
Beispiel
Der Anime-Regisseur Miyazaki Hayao wird als Kind von seiner Mutter wohl Hayao-chan gerufen worden sein. Später werden ihn Schulkameraden Miyazaki-kun genannt haben, enge Freunde haben wohl Hayao-kun oder sogar nur Hayao benutzt. Seine Untergebenen reden ihn jetzt mit shachō („Herr Direktor“) an.
Einzelnachweise
- ↑ 男子も「さん」で... 「君」廃止、学校で広がる (japanisch)
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