- Ammoniaksynthese
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Das Haber-Bosch-Verfahren dient zur synthetischen Herstellung von Ammoniak aus den Elementen Stickstoff und Wasserstoff. Es ist benannt nach dessen Entwicklern, den deutschen Chemikern Fritz Haber (1868–1934) und Carl Bosch (1874–1940).
Aufgrund des hohen Energiebedarfs der Reaktionen zur Abtrennung des zur Ammoniaksynthese nötigen reinen Wasserstoffs entfallen etwa 1,4 % des Weltenergieverbrauchs auf das Haber-Bosch-Verfahren, womit insgesamt 100 Millionen Tonnen Ammoniak jährlich erzeugt werden.[1]
Beim Haber-Bosch-Verfahren wird ein Gasgemisch aus Wasserstoff und Stickstoff an einem Eisenoxid-Mischkatalysator aus Eisen(II/III)-Oxid Fe3O4, K2O, CaO, Al2O3 und SiO2 bei etwa 300 bar Druck und 450 °C zur Reaktion gebracht. Aus dem Fe3O4 entsteht im Reaktor durch Reduktion mit H2 der eigentliche Katalysator α-Fe.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Synthesebedingungen
- 2 Technische Herstellung von Ammoniak
- 3 Großtechnische Anwendung
- 4 Geschichte und Bedeutung
- 5 Siehe auch
- 6 Literatur
- 7 Einzelnachweise
- 8 Weblinks
Synthesebedingungen
Ökonomisch optimale Reaktionsparameter sind
- Druck: 250 bar bis 350 bar
- Temperatur: 550 °C (der Zerfall des Ammoniaks und die Wirksamkeit des Katalysators steigen mit der Temperatur an; hier liegt das Optimum)
- Mengenverhältnis Stickstoff zu Wasserstoff = 1 : 3
- Verwendung von Eisen(II/III)-Oxid Fe3O4 als Katalysator und K2O, CaO, Al2O3 und SiO2 als Promotoren zur Reaktionsbeschleunigung
Trotz Katalysator ist für die Reaktion aufgrund der Dreifachbindung des Stickstoffmoleküls noch eine hohe Aktivierungsenergie nötig, die durch die hohe Temperatur aufgebracht wird. Die Reaktion selbst ist jedoch exotherm (Bildung von 2 NH3: ΔH0= -92,5 kJ/mol); die hohe Temperatur wirkt also der Synthese von Ammoniak entgegen und verringert deshalb die Ausbeute (Prinzip von Le Chatelier). Das Prinzip von Le Chatelier wird jedoch genutzt, indem man das Ammoniak laufend aus dem Reaktionsprozess isoliert, entfernt und durch Frischgas ergänzt und zudem den Druck hoch hält.
Der Volumenanteil NH3 im Gasgemisch beträgt rund 17,6 %.
Der für die Reaktion nötige Wasserstoff wird heute meist durch die partielle Oxidation von Erdgas erschlossen, der Stickstoff wird wie schon im ursprünglichen Verfahren direkt aus der Luft entnommen. Der störende Sauerstoff wurde früher durch Reduktion mit Wasserstoff zu Wasser umgebildet und dann abgeschieden. Inzwischen ist die Luftzerlegung durch Fraktionierung von flüssiger Luft wirtschaftlicher.
Moderne Ammoniakanlagen erzeugen mehr als 3.000 Tonnen pro Tag in einer Produktionslinie.
Technische Herstellung von Ammoniak
Ammoniak entsteht in einer Gleichgewichtsreaktion aus den Elementen Wasserstoff und Stickstoff. Hierzu werden benötigt:
- N2 aus der Luft
- H2 aus Methangas (CH4) und Wasserdampf
1. Schritt: Spaltgaserzeugung
In einem ersten Schritt wird Wasserstoff vom Kohlenstoff getrennt. Dazu lässt man Methan mit Wasserdampf, mit Hilfe eines Katalysators (Nickeloxid-Aluminiumoxid-Katalysator), zu Kohlenstoffmonoxid und Wasserstoff reagieren (Primärreformer).
- ΔH = + 206kJ / mol
2. Schritt: Sekundärreformer
Da die obige Reaktion das Methangas nur unvollkommen umsetzt, lässt man in einem zweiten Schritt das restliche Methangas mit Sauerstoff zu Kohlenstoffmonoxid und Wasserstoff reagieren (Sekundärreformer). Der Sekundärreformer wird hierzu mit Luft beschickt, wobei der für die spätere Ammoniaksynthese erforderliche Stickstoff automatisch in das Gasgemisch kommt.
- ΔH = − 71kJ / mol
3. Schritt: Konvertieren (Oxidieren) des Kohlenmonoxids zu Kohlendioxid
In einem letzten Schritt muss das Kohlenstoffmonoxid zu Kohlenstoffdioxid oxidieren (Konvertierung):
- ΔH = − 41kJ / mol
Kohlenstoffmonoxid und Kohlenstoffdioxid bilden mit Ammoniak Feststoffe (Carbamat), die in kurzer Zeit Rohrleitungen und Apparate verstopfen würden.
4. Schritt: Absorption von Kohlendioxid (Gaswäsche)
Im Gegensatz zu Kohlenstoffmonoxid kann Kohlenstoffdioxid durch eine Gaswäsche leicht aus dem Gasgemisch entfernt werden. Kohlenstoffdioxid wird durch Waschen mit Triethanolamin aus dem Gemisch entfernt.
5. Schritt: Umsetzung des Synthesegases zu Ammoniakgas
Im letzten, entscheidenden Schritt wird das so erzeugte Wasserstoff-Stickstoff-Gemisch bei Hochdruck und etwa 450°C katalytisch zu Ammoniakgas umgesetzt (siehe oben, Artikelanfang).
Alternative Verfahren
Das oben beschriebene Steamreforming-Verfahren zur Gewinnung von Synthesegas ist das am häufigsten angewendete. Andere mögliche Verfahren sind:
Partielle Oxidation
Dabei werden Steinkohle oder Kohlenwasserstoffe mit Sauerstoff und Wasserdampf in einem offenen Reaktor ohne Katalysator bei ca. 1100 °C vergast und das Synthesegas wie beim Steamreforming weiterverarbeitet. Stickstoff wird vor Eintritt in die Ammoniaksynthese in stöchiometrischer Menge zudosiert.
Elektrolyse von Wasser
Hierdurch wird mit hohem Aufwand an wertvoller elektrischer Energie Wasser in H2 und O2 zerlegt. Stickstoff wird dem so gewonnenen Wasserstoff in stöchiometrischer Menge zudosiert. Dieses Verfahren ist nur wirtschaftlich, wenn billige elektrische Energie z. B. aus Wasserkraft zur Verfügung steht, für die es keine andere Verwendung gibt.
Wassergaserzeugung
Wasserstoff wird über die Reaktion von Wasserdampf mit glühendem Koks (siehe Wassergas) hergestellt. Dabei wird Luft zugeführt, jedoch nur soviel, dass der Sauerstoff vollständig verbraucht wird, wobei Kohlenstoffmonoxid entsteht. Der für die spätere Ammoniaksynthese erforderliche Stickstoff verbleibt im Wassergas. Anschließend wird das Kohlenstoffmonoxid wie bereits oben beschrieben mittels Konvertierung in leicht zu entfernendes Kohlenstoffdioxid umgewandelt. Dieses Verfahren hat nur noch historische Bedeutung.
Großtechnische Anwendung
Das Haber-Bosch-Verfahren wird industriell in großen Anlagen angewendet, um preiswert Ammoniak zu gewinnen. Das Schema zeigt den Aufbau einer solchen Anlage und ist von links nach rechts zu lesen:
- Links oben wird Methan und Wasserdampf in den sogenannten Primärreformer eingeleitet, dort entsteht bereits ein Teil des Wasserstoffes.
- Links mittig wird Luft eingeleitet, die zu 21 Prozentteilen aus Sauerstoff und 79 Prozentteilen aus Stickstoff besteht. Durch den Luftsauerstoff entsteht weiterer Wasserstoff.
- Das im entstandenen Gemisch enthaltene Kohlenmonoxid wird in dem ersten blau gezeichneten Reaktor mit Wasserdampf in Gegenwart eines Katalysators zu Kohlendioxid umgesetzt.
- Im Waschturm reagiert das Kohlendioxid unter Druck mit Calciumcarbonat in wässeriger Lösung und wird so von den gewünschten gasförmigen Reaktionsedukten Wasserstoff und Stickstoff getrennt (eine andere mögliche Waschflüssigkeit ist z. B. Triethanolamin).
- Anschließend werden die Reaktionsedukte auf die Zustände im eigentlichen Reaktionsreaktor vorbereitet, in dem sie auf 450 °C hochgeheizt und auf 300 bar komprimiert werden.
- Im mittig gezeichneten Reaktionsreaktor findet die eigentliche Herstellung von Ammoniak statt.
- Die Reaktionsprodukte werden für eine maximale Ausbeute laufend entfernt. Sie werden von 450 °C heruntergekühlt und das erzeugte Ammoniak kondensiert aus. Die noch nicht reagierten Produkte Stickstoff und Wasserstoff werden, um das Frischgas ergänzt, im Kreislauf wieder dem Reaktor zugeführt.
Geschichte und Bedeutung
Die wesentlichen wissenschaftlichen Leistungen zur Realisierung dieses Verfahrens waren:
- die Untersuchung der zugrunde liegenden chemischen Reaktion (Fritz Haber, Walther Nernst)
- die systematische Suche nach geeigneten Katalysatoren (Alwin Mittasch)
- die technische Realisierung im großen Maßstab, wobei zum Teil vollkommen neue Lösungen entwickelt werden mussten (Carl Bosch, Fritz Haber)
Das Haber-Bosch-Verfahren wurde durch die BASF im Jahr 1910 zum Patent angemeldet, ein zuvor eingereichtes fehlerhaftes Patent von Haber zum selben Thema wurde gleichzeitig zurückgezogen.[2]
Ammoniak kann beispielsweise zu Düngemittel (Reaktion mit CO2 zu Harnstoff) oder im Ostwaldverfahren zu Salpetersäure weiterverarbeitet werden.
Militärtechnisch wichtig ist Ammoniumnitrat (Ammonsalpeter), ein Produkt aus Ammoniak und Salpetersäure, zur Herstellung von Sprengstoff. Die Weiterentwicklung des Verfahrens bis zur großindustriellen Anwendbarkeit wurde deshalb 1914 auf Druck des deutschen Generalstabsschefs Erich von Falkenhayn forciert. Da das Deutsche Reich von natürlichen Stickstoffquellen (v. a. Guano, abgelagerter Vogelkot aus Chile) durch die alliierte Seeblockade während des Ersten Weltkriegs abgeschnitten war, gelang es mit Hilfe des Haber-Bosch-Verfahrens, den sonst schon Ende 1914 drohenden Zusammenbruch der deutschen Munitionsproduktion abzuwenden und auch eine Düngemittelproduktion aufrecht zu erhalten.
Großtechnische Produktionen wurden unter anderem in Ludwigshafen-Oppau, Leuna und Bitterfeld durch die BASF und nach Fusion im deutschen Großkonzern der I.G. Farben errichtet und betrieben.
Durch den nun in großen Mengen verfügbaren Stickstoffdünger ergab sich Bedarf für umfangreiche landwirtschaftliche Forschungen, um nach dem Prinzip der Minimum-Tonne die optimalen Düngermengen je nach Boden und Pflanzenart zu bestimmen. Durch zunehmenden Düngemitteleinsatz konnte die weltweite landwirtschaftliche Produktion deutlich gesteigert werden, was einen weiteren herausragenden, wenn nicht gar den wichtigsten Aspekt der Erfindung des Haber-Bosch-Verfahrens darstellt.
Die Explosion des Oppauer Ammoniakwerkes am 21. September 1921 gilt als größte Industriekatastrophe in der deutschen Geschichte.
Heutzutage hat, zumindest in Industrienationen, ca. 40 % des im menschlichen Körper enthaltenen Stickstoffs schon einmal an der Haber-Bosch-Synthese teilgenommen.
Für dieses Verfahren wurden mehrere Nobelpreise für Chemie vergeben: An Fritz Haber 1918 und Carl Bosch 1931 (zusammen mit Friedrich Bergius), und zwar erstmalig für eine technische Umsetzungsmethode sowie an Gerhard Ertl 2007, u. a. für die vollständige theoretische Erklärung.
Siehe auch
Literatur
- Alwin Mittasch: Geschichte der Ammoniaksynthese, Verlag Chemie, Weinheim, 1951, 196 Seiten. ASIN B0000BLNJN
- Robert Schlögl: Katalytische Ammoniaksynthese – eine „unendliche Geschichte“? Angewandte Chemie 115 (18), S. 2050–2055 (2003). ISSN 0044-8249, doi:10.1002/ange.200301553
- Gerhard Ertl: Elementarschritte bei der heterogenen Katalyse, Angewandte Chemie 102 (11), S. 1258–1266 (1990). ISSN 0044-8249, doi:10.1002/ange.19901021108
Einzelnachweise
- ↑ http://blogs.nature.com/thescepticalchymist/2008/07/iccc38_coordination_chemistry_1.html
- ↑ Patent DE 235421
Weblinks
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