Joseph Süss Oppenheimer

Joseph Süss Oppenheimer

Joseph Ben Issachar Süßkind Oppenheimer (kurz Joseph Süß Oppenheimer, auch diffamierend Jud Süß) (* 12. Februar 1692 in Heidelberg; † 5. Februar 1738[1] in Stuttgart) war Hoffaktor des Herzogs Karl Alexander von Württemberg. Nach dem Tod des Herzogs wurde er aus niederen Beweggründen hingerichtet. Er diente als historische Vorlage für Wilhelm Hauffs Novelle Jud Süß von 1827 und Lion Feuchtwangers Roman Jud Süß von 1925; die Nationalsozialisten nutzten die Geschichte 1940 propagandistisch für den gleichnamigen Film.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Frühe Jahre

Joseph Süß Oppenheimer wuchs in Heidelberg in bürgerlichen Verhältnissen in einer angesehenen jüdischen Kaufmannsfamilie auf. 1713 bis 1717 unternahm er Reisen nach Amsterdam, Wien und Prag. Die Berufe, die Juden zur damaligen Zeit ergreifen durften, beschränkten sich weitgehend auf Handels- und Finanztätigkeiten. Der Landbesitz oder die Mitgliedschaft in Zünften war ihnen in der Regel verboten, andererseits war Christen aufgrund des biblischen Zinsverbots auf kirchliches Betreiben hin der berufsmäßige Geldverleih nicht möglich. So begann Oppenheimer erfolgreich, sich seinen Lebensunterhalt in der Pfalz als Privatfinanzier zu verdienen; auch das Eintreiben von Schulden gehörte zu seinen ersten Tätigkeiten. Mit der Vergabe von Krediten an verschuldete Adlige stieg er gesellschaftlich auf; er sprang immer dann ein, wenn Banken sich weigerten, den aufwändigen Lebenswandel der Geldsuchenden zu finanzieren. Seine Kredite waren teuer, jedoch ohne zu wuchern.

Als Finanzmakler und Bankier brachte er es schnell zu Wohlstand und Ansehen. Er arbeitete unter anderem für den pfälzischen und den Kölner Kurfürsten. Bei einer Heiratsvermittlung im Auftrag des Herzogs Eberhard Ludwig von Württemberg lernte er 1732 in Wildbad dessen Neffen Karl Alexander kennen, der unter chronischem Geldmangel litt. Noch im selben Jahr ernannte dieser Oppenheimer zu seinem Hof- und Kriegsfaktor, ein Amt, das ausschließlich dazu diente, den Hofstaat zu finanzieren.

Ratgeber des Herzogs

Als Karl Alexander nach Eberhard Ludwigs Tod am 31. Oktober 1733 Herzog von Württemberg wurde, war Oppenheimer für ihn so wichtig geworden, dass er ihm einen weiten Entscheidungsspielraum in Wirtschafts- und Finanzfragen des Landes einräumte. 1736 wurde Oppenheimer als Geheimer Finanzrat und politischer Ratgeber des Herzogs berufen und stieg schnell weiter auf. Herzog Karl Alexander war lange vor der Thronbesteigung vom protestantischen zum katholischen Glauben übergetreten. In seiner vierjährigen Regierungszeit (1733–1737) regierte also ein katholischer Fürst beraten von einem Juden über eine protestantische Bevölkerung, was erhebliche Spannungen erzeugte.

Spottzeichnung von Joseph Süß Oppenheimer

Um die desolaten Finanzen des Landes mit dem absolutistischen Repräsentations- und Geldbedarf des Herzogs Karl Alexander in Einklang zu bringen, führte Oppenheimer zahlreiche Neuerungen im Sinne eines merkantilistischen Wirtschaftssystems ein. Er gründete eine Tabak-, Seiden- und Porzellanmanufaktur und auch die erste Bank Württembergs, die er selbst betrieb. Er besteuerte Beamtenbezüge und verkaufte gegen hohe Gebühren Handelsrechte für Salz, Leder und Wein an Juden. Daneben handelte er mit Edelsteinen, Edelmetallen, pachtete die staatliche Münze, veranstaltete Lotterien und Glücksspiele und vermittelte in Rechtsstreitigkeiten.

Herzog Karl Alexander beschloss die von Oppenheimer vorgeschlagenen Maßnahmen und Reformen in absolutistischer Machtvollkommenheit, ohne die Zustimmung der protestantischen Landstände, obgleich diesen – nach der württembergischen Verfassung – das Recht der Steuerbewilligung zugestanden hätte. Vor dem Hintergrund dieser politischen und interkonfessionellen Spannungen weckten Oppenheimers erfolgreiche Staatssanierung, sein Wohlstand und seine rigide Geld- und Steuerpolitik bei vielen Landesbeamten und Bürgern Neid und Hass.

Sturz und Hinrichtung[2]

Eiserner Galgen mit Käfig (Zeitgenössisches Flugblatt)

Als Karl Alexander am 12. März 1737 durch einen Schlaganfall unerwartet starb, entlud sich der Unmut, und Oppenheimer wurde noch am selben Tag festgenommen. Die Anklage lautete auf Hochverrat, Majestätsbeleidigung, Beraubung der staatlichen Kassen, Amtshandel, Bestechlichkeit, Schändung der protestantischen Religion und sexuellen Umgang mit Christinnen. Man warf ihm unter anderem vor, er habe sich an einer Vierzehnjährigen vergangen. Zwar wurde deren Jungfräulichkeit von zwei Hebammen bestätigt, dennoch wurde er am 9. Januar 1738 zum Tode verurteilt. Beweise lagen für keinen der Anklagepunkte vor, auf Benennung von Straftaten oder auf eine Begründung wurde bei der Urteilsverkündung verzichtet.

Man stellte ihn in einem rot gestrichenen Käfig zur Schau und versprach ihn zu begnadigen, falls er zum Christentum übertrete, was er jedoch ablehnte. Vor seinem Tod sprach er das Schma Israel.

Am 4. Februar 1738 wurde er am Galgen gehängt. Zuvor hatte ihm Mardochai Schloß, der Vorsteher der jüdischen Gemeinde, Beistand leisten dürfen, ein Rabbiner wurde ihm jedoch vorenthalten. 12.000 Zuschauer beobachteten die Tötung auf dem Stuttgarter Hinrichtungsplatz, der so genannten Prag. Oppenheimers Leichnam wurde sechs Jahre lang in dem eisernen Käfig öffentlich zur Schau gestellt, erst 1744 ließ ihn Herzog Karl Eugen bei seinem Regierungsantritt abhängen und verscharren.

Der Käfig, in dem Joseph Süß Oppenheimer am Galgen hochgezogen und gehängt wurde, war eine Erfindung des Stuttgarter Geheimrates von Pflug, Mitglied der Untersuchungskommission. Oppenheimer sollte nicht frei hängen, wie andere zum Tod am Galgen Verurteilte, sondern wie ein Vogel im Käfig. Der Vogelkäfig sollte wohl auch auf die sexuellen Elemente der Anklage, umgangssprachlich das „Vögeln“, anspielen.

Literatur und Film

Der Aufstieg eines im Ghetto aufgewachsenen Juden an die Spitze der höfischen Gesellschaft war ein bis dahin noch nie dagewesenes Ereignis. Juden waren enge Schranken gesetzt. Einzig durch Aufgabe ihres Glaubens war es ihnen möglich, aus diesen Grenzen auszubrechen. Oppenheimer gelang das bis dahin Unmögliche, was seine Geschichte schon früh interessant und zum Stoff vieler Veröffentlichungen machte

1827 erschien die Novelle Jud Süß von Wilhelm Hauff, die sich weitgehend auf Hörensagen und Interpretation stützen musste, da die Prozessakten erst ab 1919 zugänglich waren. Obwohl Hauff die Trennung zwischen Juden und Nichtjuden befürwortete, prangerte er die Ungerechtigkeit des Urteils an. Weltbekannt wurde Lion Feuchtwangers Roman Jud Süß von 1925. 1934 baute eine angloamerikanische Filmproduktion von Lothar Mendes Jew Süss darauf auf, in der Oppenheimer zu einem Aufsteiger im Sinne des Selfmademan wird, der sein Volk aus dem Ghetto zu befreien hofft. Es war ein Versuch, mit dem vor dem Antisemitismus im gerade etablierten Dritten Reich gewarnt werden sollte. In Deutschland und Österreich wurde der Film verboten. Rolf Schneider schrieb 1991 Süß und Dreyfus.

Bekannt wurde der Stoff vor allem durch den antisemitischen UFA- (bzw.Terra)-Propagandafilm Jud Süß, den Veit Harlan drehte und der 1940 Uraufführung hatte. Am Drehbuch waren außerdem Eberhard Wolfgang Möller und Ludwig Metzger beteiligt. Harlan ließ seinen Jud Süß in der Frankfurter Judengasse hausen, einem Ghetto, das mit drangvoller Enge, Schmutz und Unrat die negativen Klischees des Dritten Reiches unterstrich. 1941 erschien im Ufa-Buchverlag, Berlin von J. R. George der Roman zum Film „mit 16 Bildern aus dem gleichnamigen Terra-Film“.

Bis zur Gegenwart wurden die im Hauptstaatsarchiv Stuttgart verwahrten äußerst umfangreichen Prozessakten noch nicht vollständig durchgearbeitet. Damit ist die Quellengrundlage für eine Beurteilung von Joseph Süß Oppenheimer aus historischer Sicht noch nicht in genügender Dichte erschlossen.

Literatur

  • Wilhelm Hauff: Jud Süß Erstausgabe 1828, wieder: Darmstadt, Winkler, 1984 ISBN 3-538-06201-3
  • Lion Feuchtwanger: Jud Süß. Erstausgabe 1925, Aufbau-Verlag 1991, ISBN 3-351-01660-3
  • Selma Stern: Jud Süß. Ein Beitrag zur deutschen und zur jüdischen Geschichte. Berlin 1929, wieder: München 1973
  • Paul Kornfeld, Jud Süss, 1929
  • Barbara Gerber: Jud Süß: Aufstieg und Fall im frühen 18. Jahrhundert. Ein Beitrag zur historischen Antisemitismus- und Rezeptionsforschung (Hamburger Beiträge zur Geschichte der deutschen Juden, 16), Hamburg 1990
  • Sigismund von Dobschütz: „Die Vorfahren der Elisabeth Goldschmidt aus Kassel und Mannheim.“ - Erstveröffentlichung: Hessische Familienkunde (HFK), Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft der familienkundlichen Gesellschaften in Hessen, Band 24, Heft 4/1998, Seite 161f., Verlagsdruckerei Schmidt, Neustadt / Aisch, 1998; ISSN 0018-1064. - Neuveröffentlichung mit Ergänzungen und Korrekturen: „Maajan – Die Quelle“, Heft 76, Schweizerische Vereinigung für jüdische Genealogie, Zürich 2005; ISSN 1011-4009.
  • Hellmut G. Haasis: Joseph Süß Oppenheimer, genannt Jud Süß. Finanzier, Freidenker, Justizopfer Reinbek: Rowohlt TB, 2001, ISBN 3-499-61133-3
  • Anne von der Heiden: Der Jude als Medium. Jud Süß. Zürich, Berlin 2005, ISBN 978-3-935300-72-8
  • Alexandra Przyrembel, Jörg Schönert (Hgg) Jud Süss: Hofjude, literarische Figur, antisemitisches Zerrbild Frankfurt: Campus, 2006 (Vgl. Weblinks: Tagungsbericht Hamburg 2004, Tagungsband) Insbesondere auch über Hauff
  • "Jud Süss – Propagandafilm im NS-Staat" (Ausstellungskatalog, Stuttgart, 14. Dezember 2007 bis 3. August 2008, Redaktion: Ernst Seidl), Haus der Geschichte Baden-Württemberg, Stuttgart 2007, ISBN 3-933726-24-7

Film

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Lexikon des Judentums, Bertelsmann-Lexikon-Verlag, Gütersloh 1971, ISBN 3-570-05964-2, Sp. 600
  2. http://www.aillyacum.de/Dt/18-Jh/Oppenheimer.html Leben und Sterben des Joseph Süß Oppenheimer nach Darstellung des Grossen vollständigen Universal-Lexikons von Johann Heinrich Zedler

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