Jutta Gerta Armgard von Ditfurth

Jutta Gerta Armgard von Ditfurth
Interview mit Jutta Ditfurth auf der Grünen-Wahlparty zur Bundestagswahl 1987

Jutta Ditfurth (Geburtsname Jutta Gerta Armgard von Ditfurth; * 29. September 1951 in Würzburg) ist eine deutsche Sozialwissenschaftlerin, Publizistin und Politikerin (ÖkoLinX). Sie ist Mitbegründerin der Partei Die Grünen und war von 1984 bis 1989 einer der drei gleichberechtigten ehrenamtlichen Bundesvorstandssprecher der Grünen.

Inhaltsverzeichnis

Biografie

Ditfurth ist die Tochter der Fotografin Heilwig von Raven und des Arztes, Wissenschaftsjournalisten, Fernsehmoderators und Schriftstellers Hoimar von Ditfurth, der dem Adelsgeschlecht Ditfurth entstammt. Ihr Bruder ist der Historiker und Journalist Christian v. Ditfurth. 1978 ließ sie ihren Namen ändern. In einem Interview mit dem Magazin Stern 1999 sagte sie, sie habe auch die Aufnahme in den „Adelsverband“ im Alter von 18 Jahren abgelehnt, da sie von elitärem Denken abgestoßen werde.[1]

Jutta Ditfurth studierte Soziologie, Politik, Kunstgeschichte, Wirtschaftsgeschichte und Philosophie in Heidelberg, Hamburg, Freiburg, Glasgow, Detroit und Bielefeld mit dem Abschluss 1977 als Diplomsoziologin. In der Folge arbeitete sie als Sozialwissenschaftlerin an den Universitäten Freiburg, Bielefeld und Marburg. Im Winter 1977 zog Ditfurth nach Frankfurt am Main und arbeitete dort zwei Jahre in unterschiedlichen Firmen und Funktionen. Parallel arbeitete sie als Journalistin und Autorin für Printmedien und Rundfunk, ab 1980 hauptberuflich.

Politisch aktiv war sie seit Anfang der siebziger Jahre im Umfeld der undogmatischen Linken. Ihr Engagement erstreckte sich von der internationalistischen Bewegung über die Frauenbewegung (hier beispielsweise gegen den § 218 - Ditfurth selbst hatte nach eigenen Aussagen zweimal eine Schwangerschaft abgebrochen)[2] bis hin zur Anti-AKW-Bewegung. Nach dem Deutschen Herbst von 1977 wurde sie 1978 Mitgründerin der Grünen Liste Wählerinitiative für Demokratie und Umweltschutz (GLW) und der Grünen Liste Hessen (GLH) sowie 1979/1980 Mitbegründerin der Grünen. Neben Thomas Ebermann und Rainer Trampert war sie eine der bekanntesten Symbolfiguren des linken, „ökosozialistischen“ Flügels der Partei. Sie bezeichnete sich selbst als Radikalökologin und Feministin, ihre Gegenspieler in der oft als Realo-Fraktion benannten Strömung (abgeleitet von „realpolitisch“) um den späteren Außenminister Joschka Fischer zählten sie zu den sogenannten „Fundis“ (abgeleitet von „fundamentalistisch“).

Nachdem sie bei der Bundestagswahl 1990, bei der „Die Grünen“ den Einzug in den Bundestag verfehlten, auf der Liste der bayerischen Grünen für den Bundestag kandidiert hatte, verließ sie die Partei im April 1991 wie viele andere linke Grüne vor ihr aus Protest gegen die „Rechtsentwicklung“. Danach war sie zeitweise ehrenamtliche Funktionärin der Mediengewerkschaft IG Medien. Heute ist sie Publizistin und Mitglied der politischen Gruppierung Ökologische Linke, die sie 1991 mit politischen Freunden gründete. Von 1991 bis 1999 war sie Herausgeberin der Zeitschrift ÖkoLinx der Ökologischen Linken. Von einem linkssozialistischen Standpunkt aus kritisierte sie in Büchern und Reportagen die Politik der Grünen. Sie attackierte auch rechtskonservatives und rechtsextremistisches Gedankengut, für das auch linksorientierte neue soziale Bewegungen anfällig seien, was sich in esoterischen und irrationalen Tendenzen äußere.

Bei der Europawahl 1999 kandidierte Ditfurth als politische Aktion als „Gegnerin des Nato-Krieges mit deutscher Beteiligung gegen Jugoslawien“ auf Einladung eines linken Bündnisses (NAR) in Griechenland auf einer internationalen Liste. Ihre Abrechnung mit Joschka Fischer und den Grünen veröffentlichte sie 1999 als Fortsetzungsserie in dem politisch konservativen Boulevardmagazin Neue Revue.[3]

Ende 2000 beteiligte sie sich an der Bildung der Wählervereinigung ÖkoLinX-Antirassistische Liste, für die sie im April 2001 als ehrenamtliche Stadtverordnete in das Frankfurter Stadtparlament einzog und die Fraktion ÖkoLinX-ARL im Römer bildete.

Der Stadtverordnetenvorsteher von Frankfurt am Main erteilte ihr im Oktober 2004 eine Rüge, nachdem sie als einzige Vertreterin der Fraktion ÖkoLinX-Antirassistische Liste im Römer geäußert hatte, Hartz IV zwinge die Betroffenen in einen „Reichsarbeitsdienst“. Zudem hatte sie die darin vorgesehenen Ein-Euro-Jobs als „staatlich verordnete Zwangsarbeit“ bezeichnet.

2007 veröffentlichte sie nach sechs Jahren Recherche eine Biografie über Ulrike Meinhof.[4][5]

Im Mai 2008 legte sie ihr Amt als Frankfurter Stadtverordnete nieder.[6]

Politische Positionen

Jutta Ditfurth, 2008

Inhaltlich steht Jutta Ditfurth für eine ökologisch-sozialistische Grundposition, wie sie sie beispielsweise in ihrem Buch Entspannt in die Barbarei ausgedrückt hat:[7]

„Es gibt eine lange Tradition von Linken, auch wenn sie nicht die Mehrheitslinie bildeten und bilden, die begriffen haben, dass die soziale nicht von der ökologischen Frage zu trennen ist, weil die Wurzel der Ausbeutung des Menschen und der Natur dieselbe ist: die kapitalistische Produktionsweise mit ihrer Profitlogik und ihrem Verwertungszwang.“

Ditfurth gilt als scharfe Kritikerin des später dominanten Realo-Flügels der Grünen um Joschka Fischer, sie führte ein eigenes Archiv über die Grünen, und kritisiert eine Aufweichung und Entstellung der ursprünglichen Ziele der Grünen bis zur Unkenntlichkeit (etwa Friedenspolitik, Anti-AKW-Bewegung) seit 1985. Statt an einem grundlegenden Wandel in der Gesellschaft seien die Grünen in den 1990er Jahren eher an Machtpositionen und Verteilung von staatlicher Förderung an Freunde (Nepotismus) interessiert gewesen, eine Gruppe aus dem Frankfurter Sponti-Milieu um Joschka Fischer und Daniel Cohn-Bendit sowie um die damalige Redaktion der Zeitschrift Pflasterstrand habe viele der ursprünglichen Grünen aus der Partei vertrieben. Da sie in den 1990er Jahren bei taz, Frankfurter Rundschau, Der Spiegel und anderen damals linksliberalen Medien (die damals für realpolitische Regierungsbeteiligungen der Grünen warben) aufgrund ihrer Angriffe nicht mehr publiziert wurde, nutzte sie eine Artikelreihe in der Neuen Revue für ihre „Abrechnung mit Junker Joschka“, von dem (nach ihrer Darstellung) auch der Begriff Fundi (Fundamentalismus) für parteiinterne Kritiker seines Kurses – wie sie – stammte.[3]

Ebenso kritisiert sie eine neue Generation in den Grünen um Oswald Metzger, Matthias Berninger oder Cem Özdemir, die nichts mehr mit den ursprünglichen Zielen der Grünen zu tun habe. Diese pragmatischen Jungpolitiker hätten auch in der FDP oder CDU Parteikarrieren starten können, so Ditfurth. Oswald Metzger ist im April 2008 tatsächlich zur CDU übergetreten.

Ditfurth selbst steht politisch weiterhin für Linke Politik, Kritik an Überwachung, Forderungen nach einem sofortigen Atomausstieg und Direkte Demokratie ein.

Siehe auch

Veröffentlichungen

  • mit Rose Glaser: Die tägliche legale Verseuchung unserer Flüsse und wie wir uns dagegen wehren können. Ein Handbuch mit Aktionsteil. Rasch und Röhring, Hamburg/Zürich 1987, ISBN 3-89136-163-7
  • Träumen, Kämpfen, Verwirklichen. Politische Texte bis 1987. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1988, ISBN 3-462-01903-1
  • Lebe wild und gefährlich. Radikalökologische Perspektiven. Kiepenheuer & Witsch, Köln 1991
  • Feuer in die Herzen. Plädoyer für eine ökologische linke Opposition. Carlsen, Hamburg 1992, ISBN 3-551-85002-X; stark erweiterte und aktualisierte Neuausgabe: Econ, Düsseldorf/Wien 1994, ISBN 3-612-26157-6; erweiterte und aktualisierte Neuausgabe: Feuer in die Herzen. Gegen die Entwertung des Menschen. Konkret-Literatur-Verlag, Hamburg 1997, 3-89458-159-X
  • Was ich denke. Goldmann, München 1995, ISBN 3-442-12606-1
  • Blavatzkys Kinder. Lübbe, Bergisch Gladbach 1995, ISBN 3-404-12380-8 (Thriller)
  • Entspannt in die Barbarei. Esoterik, (Öko-)Faschismus und Biozentrismus. Konkret-Literatur-Verlag, Hamburg 1996, ISBN 3-89458-148-4
  • Die Himmelsstürmerin. Roman. von Schröder, München/Düsseldorf 1998, ISBN 3-547-72108-3; Ullstein, München 2000, ISBN 3-548-24844-6 (über Gertrud Elisabeth von Beust, ihre Urgroßmutter)
  • Das waren die Grünen. Abschied von einer Hoffnung. Econ, München 2000, ISBN 3-548-75027-3
  • Durch unsichtbare Mauern. Wie wird so eine links? Kiepenheuer & Witsch, Köln 2002, ISBN 3-462-03083-3 (Autobiografie)
  • mit Manfred Zieran (Hrsg.): „Wir sind dem blinden Prozess der Evolution nicht ausgeliefert“. Murray Bookchin über Kommunismus, Anarchismus und Biozentrismus. Ein Interview. Syndikat – A, Moers 2004
  • Ulrike Meinhof. Die Biografie. Ullstein, Berlin 2007, ISBN 3-550-08728-4; ebd. 2009, ISBN 978-3-548-37249-5
  • Rudi und Ulrike. Geschichte einer Freundschaft. Droemer Knaur, München 2008, ISBN 978-3-426-27456-9

Weblinks

Fußnoten

  1. Stern: Was macht eigentlich…Jutta Ditfurth?. 25. April 1999
  2. Interview mit Cosmopolitan, Ausgabe 8/1988
  3. a b Zahltag, Junker Joschka!. Zuerst veröffentlicht in der Neuen Revue. 1999
  4. Stern: Ditfurth über Meinhof: „Sie war die große Schwester der 68er“. 18. November 2007
  5. Reinhard Mohr in Spiegel Online: Ditfurth über Meinhof: Terroristen ausmisten. 20. November 2007
  6. Brief an das Wahlamt der Stadt Frankfurt/Main vom 26. Mai 2008
  7. Jutta Ditfurth: Entspannt in die Barbarei. Konkret-Literatur-Verlag, Hamburg 1996, S. 157

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