K.u.k. Monarchie

K.u.k. Monarchie
Die im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder und die Länder der heiligen ungarischen Stephanskrone

A birodalmi tanácsban képviselt királyságok és országok és a magyar Szent Korona országai

Amtssprache Deutsch und Ungarisch sowie „landesübliche“ Sprachen Polnisch, Tschechisch, Kroatisch, Slowakisch, Serbisch, Slowenisch, Rumänisch, Ukrainisch, Italienisch
Hauptstadt Wien
Staatsform konstitutionelle Monarchie
Staatsoberhaupt Kaiser von Österreich und
Apostolischer König von Ungarn
Regierungschef Vorsitzender des Ministerrates für Gemeinsame Angelegenheiten
Fläche 676.615 km²
Einwohnerzahl 52.800.000
Bevölkerungsdichte 78 Einwohner pro km²
Währung 1 Krone = 100 Heller
Gründung 8. Juni 1867
Nationalhymne siehe Österreichische Kaiserhymnen
Zeitzone UTC+1 MEZ

Österreich-Ungarn (auch als Donaumonarchie oder kaiserlich und königliche Doppelmonarchie bezeichnet) war ein Vielvölkerstaat in Mittel- und Südosteuropa, der nach dem Umbau des Kaisertums Österreich zu einer Doppelmonarchie auf der Grundlage des Österreichisch-Ungarischen Ausgleiches vom 8. Juni 1867 bis zum 31. Oktober 1918 (Austritt Ungarns aus der Realunion) bestand.

Die Österreichisch-Ungarische Monarchie setzte sich aus zwei Staaten zusammen: aus den „im Reichsrat vertretenen Königreichen und Ländern“, inoffiziell Cisleithanien (erst ab 1915 amtlich Österreich genannt), und den „Ländern der heiligen ungarischen Stephanskrone“, inoffiziell Transleithanien. Hinzu kam 1878 das gemeinsam verwaltete Bosnien und Herzegowina. Die verfassungsrechtlichen Ausgleichsvereinbarungen sicherten im Sinne einer Realunion die Gleichberechtigung der beiden (Teil-)Staaten im Verhältnis zueinander. Gemeinsames Staatsoberhaupt war der Kaiser von Österreich und Apostolische König von Ungarn aus dem Haus Habsburg-Lothringen. Von 1867 bis 1916 herrschte Franz Joseph I., danach bis 1918 sein Großneffe Karl I./IV.

Mit einer Fläche von 676.615 km² war Österreich-Ungarn, nach Russland, flächenmäßig der zweitgrößte (ab 1905) und mit 52,8 Mio. Menschen (1914), nach Russland und dem Deutschen Reich, bevölkerungsmäßig der drittgrößte Staat Europas. Sein Staatsgebiet umfasste die heutigen Staaten Österreich, Ungarn, Tschechien, Slowakei, Slowenien, Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Teile des heutigen Rumäniens, Montenegros, Polens, der Ukraine, Italiens, und Serbiens.

Inhaltsverzeichnis

Staatsname

Die Staatsbezeichnung Österreichisch-Ungarische Monarchie wurde vom Kaiser und König im Jahr 1868 förmlich festgelegt. Alternativ wird Österreich-Ungarn auch als k. u. k. Monarchie bezeichnet (kaiserliche und königliche Monarchie). Da die Donau den Doppelstaat auf einer Länge von etwa 1.300 km durchfloss und seinen Hauptstrom bildete, spricht man auch von der Donaumonarchie. Wegen der staatsrechtlichen Konstruktion der beiden Reichsteile ist ebenso die Bezeichnung Doppelmonarchie gebräuchlich; mit dem kaiserlichen Doppeladler, den die Ungarn nicht führten, hat dies nichts zu tun.

Das kaiserliche Österreich wurde bis 1915 offiziell meist die im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder genannt, inoffiziell hingegen in der Politiker- und Juristensprache nach dem Grenzfluss Leitha auch Cisleithanien. Das königliche Ungarn firmierte amtlich als die Länder der heiligen ungarischen Stephanskrone, inoffiziell auch als Transleithanien. Der Begriff Österreich als zusammenfassender Begriff für die cisleithanischen Länder wurde erst 1915 offiziell eingeführt. In der Literatur wurde das kaiserliche Österreich auch als Kakanien bezeichnet – ein Ausdruck, der aus dem Roman „Der Mann ohne Eigenschaften“ von Robert Musil stammt und sich aus dem für die cisleithanische Reichshälfte verwendeten Kürzel k. k. ableitete.

Insignien

Flaggen

Österreich-Ungarn besaß keine gemeinsame Staatsflagge, jedoch eine gemeinsame rot-weiß-rote Seekriegs- und Marineflagge (mit einem gekrönten Bindenschild), zuvor bereits seit 1. Jänner 1787 geführt, und eine gemeinsame, per 1. August 1869[1] eingeführte Handelsflagge (eine Kombination aus der Marineflagge und der ungarischen Reichsflagge, die durch das kleine ungarische Wappen ergänzt wurde). Am 12. Oktober 1915 wurden auf kaiserlichen Erlass für die Marine eine Serie von neuen Flaggen beschlossen[2], darunter auch eine neu gestaltete Kriegs- und Marineflagge. Auf Grund der Kriegsbedingungen kam es jedoch nie zu einer Einführung der neuen Flaggen. Hingegen sah man die neue Kriegsflagge zum Beispiel auf Postkarten abgedruckt. Auch zeigten einige österreichisch-ungarische Flugzeuge die Flagge auf dem Leitwerk.

Die Farben des Hauses Habsburg waren gleichzeitig die Flagge der österreichischen Reichshälfte. Die ungarische Reichshälfte besaß als Flagge eine rot-weiß-grüne Trikolore, versehen mit dem ungarischen Wappen.

Wappen

Von 1867 bis 1915 war der Doppeladler der Dynastie Habsburg-Lothringen („Haus Österreich“) das Hoheitszeichen für gemeinsame (k.u.k.) Institutionen Österreich-Ungarns. Im Jahr 1915 wurde ein neues gemeinsames Wappen eingeführt, welches eine Kombination aus den Wappen der beiden Reichshälften und dem des Herrscherhauses ist. Die Devise indivisibiliter ac inseparabiliter („unteilbar und untrennbar“), soll die Verbundenheit der beiden in der Monarchie vereinigten Staaten darstellen.

Das (mittlere) Wappen der österreichischen Reichshälfte zeigte den von der Kaiserkrone überhöhten Doppeladler mit einem Brustschild, der die Wappen der Kronländer beinhaltete. Als Schildhalter dienten zwei Greife. Das ungarische Wappen wurde von der Stephanskrone überhöht und von zwei schwebenden, weiß gekleideten Engeln flankiert.

Entwicklung

Weg zum Österreichisch-Ungarischen Ausgleich 1848–1867

Die Wurzeln der Österreichisch-Ungarischen Monarchie liegen in der Auseinandersetzung des Kaisertums Österreich mit dem Königreich Preußen um die Vorherrschaft im Deutschen Bund, der am 8. Juni 1815 mit Österreich als Präsidialmacht gegründet worden war. Österreich war für Preußen das Haupthindernis in der vom überregionalen Deutschen Nationalverein gestützten Kleindeutschen Lösung, die einen Zusammenschluss der Länder des Deutschen Bundes unter der Führung Preußens unter gleichzeitigem Ausschluss Österreichs vorsah.

Diese Auseinandersetzung wurde am 3. Juli 1866 in der Schlacht bei Königgrätz („Deutscher Krieg“) zu Gunsten Preußens entschieden. Die für das Kaisertum Österreich schwerstwiegende Folge dieses Krieges war die Isolierung durch die erzwungene Trennung von den deutschen Staaten. Dieser Schwächung der Deutschen in Österreich stand eine Stärkung der Stellung der demographisch dominierenden nichtdeutschen Nationalitäten gegenüber, die das Zerbrechen des schon 1848 schwer erschütterten Vielvölkerstaates befürchten ließ.

Um diese Gefahr zu verringern, musste das Kaiserhaus vor allem das Verhältnis zu den herrschenden Schichten Ungarns entspannen. Die aus der Sicht der Habsburger aufständischen Ungarn konnten im Jahr 1849 nur mit Unterstützung des Russischen Reiches besiegt werden. Mit der Hinrichtung des gemäßigten ehemaligen Ministerpräsidenten Lajos Batthyány und mehrerer seiner Mitstreiter hatte der 20-jährige Kaiser Franz Joseph I. 1850 allerdings eine Kluft aufgerissen, die durch die Abtrennung der Wojwodina, Kroatiens, Slawoniens und Siebenbürgens sowie die Unterstellung Restungarns unter die Militärverwaltung Erzherzog Albrechts nur vertieft wurde.

Kaiser Franz Joseph I.
(um 1885)

Mit der Befreiung der Bauern hatte das Haus Habsburg den ungarischen Adel als eigentlichen Entscheidungsträger des Landes endgültig gegen sich aufgebracht. Dessen passive Resistenz in Form von Ämter- und Steuerverweigerung zog eine permanente Truppenpräsenz nach sich. Als modernisierende Elemente dieser Phase sind neben der Bauernbefreiung die Modernisierung des Schulwesens, das Ende der Patrimonialgerichtsbarkeit und die Einführung des österreichischen Strafgesetzbuches zu verzeichnen.

Die Konfrontation wurde schließlich auch durch den wirtschaftlichen Aufschwung gedämpft, eine substantielle Annäherung war jedoch erst 1865 mit der Wiedereinberufung des ungarischen Landtages und der Zusage der weitgehenden Restitution der ungarischen Verfassung von 1848 durch die kaiserliche Regierung erfolgt. Weitere Schritte waren dringend nötig.

Die Ausgleichsverhandlungen mit den Ungarn standen unter dem Zeichen widerstrebender magyarischer Meinungen. Der im Exil lebende geistige Führer der ungarischen Revolution, Lajos Kossuth, und seine beträchtliche Anhängerschaft im Lande votierten für die Loslösung von Österreich, ein Ausgleich wäre (gemäß Kossuth) der „Tod der Nation“ und würde dem Land das „Zugseil fremder Interessen auferlegen“.

Letztendlich setzte sich jedoch die Meinung des Führers der Liberalen, Ferenc Deák, durch. Er führte ins Treffen, dass ein freies Ungarn mit seinen starken slawischen und deutschen Minderheiten Gefahr liefe, in die Isolation zu geraten und letztendlich zwischen Russland und dem Deutschen Reich zerrieben zu werden. Ein Bündnis mit dem durch das interne Nationalitätenproblem geschwächten Österreich unter der Führung eines Monarchen, der sich im Krönungseid der ungarischen Nation verpflichtet, wäre deshalb vorzuziehen. Den Adel überzeugte er überdies mit dem Hinweis, dass der Ausgleich die Möglichkeit bieten würde, die territoriale und politische Integrität des Großgrundbesitzes zu wahren und die Herrschaft über die nichtmagyarischen Nationen Ungarns fortzusetzen.

Die Verhandlungen über den Ausgleich mit dem Königreich Ungarn wurden Anfang 1867 abgeschlossen. Am 17. Februar 1867 ernannte Franz Joseph I. die neue ungarische Regierung unter Graf Andrássy. Die Wiener Verhandlungen wurden einen Tag später abgeschlossen. Am 27. Februar 1867 wurde der ungarische Reichstag wiederhergestellt. Am 15. März leistete Graf Andrássy mit seiner Regierung in Buda Kaiser Franz Joseph I. den Treueid. Zugleich traten die Regelungen des österreichisch-ungarischen Ausgleichs in Kraft. Das gilt als Geburtstag der Doppelmonarchie, wenn auch die Ausgleichsgesetze erst im Dezember 1867 von den Parlamenten beider Staaten beschlossen waren. Franz Joseph I. selbst wurde am 8. Juni 1867 in Buda zum König von Ungarn gekrönt.

Doppelmonarchie 1867–1914

Franz Joseph I. war formal das gemeinsame konstitutionelle Staatsoberhaupt (Personalunion), unter dessen Leitung sowohl die Außenpolitik, die gemeinsame Armee und Kriegsmarine sowie die dazu nötigen Finanzen in den entsprechenden „k.u.k. Reichsministerien“ mit Sitz in Wien gemeinsam verwaltet wurden (Realunion). Alle anderen Angelegenheiten konnten Österreich und Ungarn von nun an getrennt regeln (es kam jedoch freiwillig zu einem gemeinsamen Währungs-, Wirtschafts- und Zollgebiet). Mit dem Abschluss des Ausgleichsvertrages waren jedoch keinesfalls alle Streitpunkte ausgeräumt. So hatte sich Ungarn eine Adaptierung alle zehn Jahre ausbedungen.

Die Verhandlungen dazu wurden von den Ungarn vor allem mit dem Ziel der Schwächung der noch vorhandenen Bande und der Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Position gegenüber Cisleithanien geführt. Die sich jeweils über viele Monate, ja Jahre, hinziehenden Verhandlungen der entsprechenden Kommissionen schufen ein Klima der permanenten Konfrontation und belasteten das Verhältnis zwischen den beiden Reichshälften bis zur Planung eines Militäreinsatzes. Es zeigte sich, dass der Einfluss Franz Josephs I. als ungarischer König auf die ungarische Innenpolitik weit geringer war als jener auf die Regierungen in Cisleithanien als österreichischer Kaiser. Eines seiner letzten Druckmittel gegenüber den Ungarn blieb die Androhung der Einführung allgemeiner und freier Wahlen.

Der Ausgleich mit Ungarn, der den Ungarn eine weit reichende staatliche Autonomie gebracht hatte, führte allerdings zum Protest anderer Nationalitäten, insbesondere der Slawen. Konkrete Forderungen nach einem ähnlichen Ausgleich wurden vor allem von den Tschechen für die Länder der böhmischen Krone (Böhmen, Mähren, Österreichisch-Schlesien) erhoben. Die unberücksichtigten Interessen anderer Nationalitäten und die ungarischen Assimilierungsversuche (z. B. die Magyarisierungspolitik in der heutigen Slowakei) führten zu ethnischen Spannungen und zu Begriffen wie „Völkerkerker“. Andererseits prosperierte die Doppelmonarchie als gemeinsamer Wirtschaftsraum mit gemeinsamer Währung.

Die nichtdeutschen Nationalitäten hatten in Österreich wesentlich mehr Rechte als in Ungarn. Dies betraf vor allem den Unterricht in der Muttersprache (obwohl höhere nichtdeutsche Schulen oft erkämpft werden mussten), die Verwendung der Muttersprache bei Ämtern und Behörden (Antworten in der Sprache des Antragstellers mussten allerdings erst gesetzlich vorgeschrieben werden) und die Vertretung im Reichsrat, dem Parlament Österreichs.

Diese Vertretung wurde allerdings sehr unterschiedlich genützt. Die Polen Galiziens arbeiteten – durch Steuergeschenke und Investitionen geködert – oft konstruktiv mit und stellten zeitweise Minister oder sogar den Ministerpräsidenten (Kasimir Felix Badeni, Agenor Gołuchowski der Ältere, Agenor Gołuchowski der Jüngere, Alfred Józef Potocki, Leon Biliński). Viele tschechische Politiker bestritten die Zuständigkeit des Reichsrates für die Länder der böhmischen Krone grundsätzlich, sodass dort schon früher als in anderen Kronländern die Direktwahl der Abgeordneten vorgeschrieben werden musste. Tschechische Reichsratsabgeordnete machten die Beratungen des Abgeordnetenhauses immer wieder durch Lärmorgien unmöglich (Obstruktionspolitik), worauf die Regierung dem Kaiser die Vertagung des Reichsrates vorschlug und mit provisorischen Verordnungen weiterregierte.

In Ungarn waren die nichtmagyarischen Nationalitäten, die fast die Hälfte der Bevölkerung ausmachten, durch Schulgesetze und Wahlrecht diskriminiert. Im Unterschied zu Österreich, wo dies 1907 gelungen war, wurde in Ungarn bis zum Ende der Doppelmonarchie kein allgemeines Männerwahlrecht eingeführt. Vorrechte von Stand und Besitz waren in Ungarn wesentlich stärker maßgebend als in Österreich. Die herrschende Schicht Ungarns arbeitete im Rahmen ihrer politischen Möglichkeiten daran, Ungarn möglichst vollständig von Österreich unabhängig zu machen.

Österreich-Ungarn im Jahr 1899

Als der Berliner Kongress 1878 Österreich-Ungarn die Okkupation Bosniens und der Herzegowina, beide formal weiterhin Bestandteile des Osmanischen Reiches, gestattete, wollten Österreich und Ungarn das neue Verwaltungsgebiet in ihren Staat eingliedern. Die salomonische Lösung war dann, dass Bosnien und Herzegowina weder zu Cis- noch zu Transleithanien geschlagen, sondern vom gemeinsamen k.u.k. Finanzministerium verwaltet wurde.

Kaiser und König Franz Joseph I. war nach dem Ausgleich penibel darauf bedacht, seine beiden Reichshälften gleich zu behandeln. Dies erstreckte sich bis zur Frage der Namensgebung für neue Schiffe der k.u.k. Kriegsmarine; Franz Joseph I. lehnte Namensvorschläge ab, die Ungarn benachteiligt hätten. Der nach dem Selbstmord von Kronprinz Rudolf 1889 designierte Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand hingegen verbarg seine Abneigung gegen die herrschende Klasse Ungarns und ihre Magyarisierungs- und Erpressungspolitik gegenüber der Krone nicht und plante in seiner Militärkanzlei (er war Generalinspektor der gesamten k.u.k. bewaffneten Macht) im Schloss Belvedere einen auf die Armee gestützten Umbau der Doppelmonarchie nach dem Tod Franz Josephs I. Sein Vorhaben, aus der Doppelmonarchie durch gleichberechtigte Beteiligung der Südslawen als drittes Staatselement (Trialismus) eine „Tripelmonarchie“ zu machen, wäre wohl nur im Bürgerkrieg mit den Ungarn zu realisieren gewesen. Außerdem hätten die dann nach wie vor benachteiligten Tschechen wohl nicht unbeteiligt zugesehen. Auf Initiative Franz Ferdinands wurden außerdem Modelle zur Umwandlung der Monarchie in einen ethnisch-föderativen Staat entworfen (Modell der Vereinigten Staaten von Groß-Österreich nach Aurel Popovici), die jedoch nicht zur Realisierung kamen. Bei den Olympischen Spielen 1900–1912 nahm neben den Mannschaften aus Österreich und aus Ungarn eine eigene Mannschaft aus Böhmen teil.

1908 brach im Osmanischen Reich die jungtürkische Revolution aus. Österreich-Ungarn wurde dadurch daran erinnert, dass Bosnien und die Herzegowina zwar von der k.u.k. Monarchie seit dreißig Jahren okkupiert und verwaltet wurden, jedoch formal Teile des Osmanischen Reiches geblieben waren. Franz Joseph I. sah nun die Chance, „Mehrer des Reiches“ zu sein, und stimmte dem Annexionsplan des k.u.k. Reichsfinanzministers zu. Der einseitige, von keiner internationalen Konferenz unterstützte Rechtsakt, das Hoheitsgebiet der k.u.k. Monarchie auf Bosnien und Herzegowina zu erstrecken, verursachte in Europa größere Unruhe („Bosnienkrise“). Dabei wurde klar, wie wenige Verbündete Österreich-Ungarn im Kriegsfall haben würde.

1908 beging Franz Joseph I. auch sein Jubiläum, 60 Jahre Kaiser von Österreich zu sein. Kaiser Wilhelm II. und fast alle Oberhäupter der deutschen Teilstaaten gratulierten aus diesem Anlass persönlich in Wien. Ungarn sah sich „nicht zu Kundgebungen veranlasst“, war Franz Joseph I. doch bis zu seiner Krönung in Ungarn 1867 als Fremdherrscher empfunden worden. In Prag und Laibach kam es 1908 zu Ausschreitungen gegen die Deutschen als herrschendes Volk des Kaisertums Österreich.

Der Weg in den Krieg – Julikrise 1914

Hauptartikel: Julikrise

Am 28. Juni 1914 besuchten Franz Ferdinand und seine Frau Sophie Herzogin von Hohenberg Sarajevo, die Hauptstadt des 1908 annektierten Bosnien. An jenem Tag beging Serbien zum ersten Mal den Veitstag als offiziellen Staatsfeiertag, den Jahrestag der Schlacht auf dem Amselfeld, an dem 1389 die Serben vernichtend von den Türken geschlagen worden waren. Nationalisten, die ein vereintes Serbien (und somit Gebiete der Monarchie, in denen Serben lebten) forderten, empfanden den Besuch des Paares als Provokation. Während einer Autofahrt durch Sarajevo wurde das Paar von dem serbischen Attentäter Gavrilo Princip erschossen, was zu einer schwerwiegenden Staatskrise, der sogenannten Julikrise, führte.

Nach dem Attentat von Sarajevo erhielt Kaiser und König Franz Joseph ein Treuebekenntnis des deutschen Kaisers Wilhelm II., der ihm versicherte, „im Einklang mit seinen Bündnisverpflichtungen und seiner alten Freundschaft treu an der Seite Österreich-Ungarns [zu] stehen“. Dieses Treuebekenntnis, das nicht voraussetzte, dass weit reichende Entscheidungen Österreich-Ungarns vorher mit dem Deutschen Reich abgesprochen wurden, empfanden politische Beobachter als Blankoscheck. Wie weit zu diesem Zeitpunkt der europäische Krieg bereits im Kalkül der deutschen Führung lag, ist in der historischen Forschung bis heute umstritten (siehe Fischer-Kontroverse).

Am 23. Juli stellte Österreich-Ungarn ein Ultimatum an Serbien, da man davon ausging, dass Serbien entscheidenden Anteil an dem Attentat hatte. Die Antwort aus Belgrad war nachgiebig und kooperativ.[3] Die Serben hatten allerdings nicht alle Bedingungen der k.u.k. Monarchie hundertprozentig akzeptiert. Österreichisch-ungarische Spitzenpolitiker und Militärs nahmen daher gern die Gelegenheit wahr, die serbische Antwort als unzureichend abzulehnen. In völliger Verkennung der Weltlage und der Schwäche der Monarchie motivierten sie den 84-jährigen Kaiser und König, der seit 48 Jahren keinen Krieg mehr zu führen gehabt hatte, zur Kriegserklärung an das südöstliche Nachbarland, die am 28. Juli erfolgte.

Dies bewog Russland zur Generalmobilmachung, da sich das Zarenreich aufgrund des Panslawismus als Behüter der slawischen Völker sah und den Balkan als eigenes Einflussgebiet betrachtete. Das Russische Reich erklärte Österreich-Ungarn den Krieg. Hierauf trat für das Deutsche Reich der Bündnisfall ein. Dieses trat an der Seite von Österreich-Ungarn in den Krieg ein. Da Russland mit Frankreich und Großbritannien verbündet war (Entente), kamen diese beiden Russland zu Hilfe, womit der „Große Krieg“ – später Erster Weltkrieg genannt – nicht mehr aufzuhalten war.

Österreich-Ungarn im Ersten Weltkrieg

Hauptartikel: Österreich-Ungarns Armee im Ersten Weltkrieg

Österreich-Ungarn war vor allem im wirtschaftlichen Bereich noch weniger als Deutschland auf einen langen Krieg vorbereitet. Manche Historiker sehen die Monarchie sogar als am wenigsten vorbereitete europäische Großmacht. Seine schwache politische und wirtschaftliche Struktur machte es für den modernen totalen Krieg besonders verletzlich, es hatte weniger Ressourcen für den Krieg zur Verfügung als jede andere Großmacht. Aber die politischen Führer in der Julikrise hatten nur einen kurzen Konflikt erwartet, der die politischen Probleme lösen sollte, ohne dass die schwache politische und wirtschaftliche Struktur der Monarchie zum Tragen kam.[4]

Wie die deutsche Politik war auch die österreichisch-ungarische noch zu sehr in der veralteten Vorstellung der Kabinettskriege der vergangenen Jahrhunderte verhaftet. Diese stark anachronistische Kabinettspolitik, die Völker und Grenzen einfach verschob, wurde aber oft gemischt mit moderner Politik, die den Volkswillen scheinbar berücksichtigte, aber in Wahrheit meist nur ein Deckmantel, nur leere Hülle ohne Inhalt war.[5]

Bei allen Unzulänglichkeiten der Wiener Diplomatie räumt der Historiker Gary W. Shanafelt ein, dass in der Situation des Ersten Weltkrieges auch die Fähigkeiten eines Metternich nicht ausgereicht hätten, um in den Leidenschaften dieses Krieges und bei den unlösbaren Nationalitätenproblemen Österreich-Ungarns, sei es durch einen Frontwechsel, sei es durch das Ausscheiden aus dem Krieg und die Einnahme einer neutralen Position, die Monarchie unversehrt, unter Wahrung ihres Großmachtstatus, in die Nachkriegszeit hinüberzuretten.[6]

Italien blieb zunächst neutral. Es sah sich trotz des Bündnisses (Dreibund) mit Österreich-Ungarn und dem Deutschen Reich nicht in der Pflicht, da es ein Defensivbündnis gewesen war und Italien die Mittelmächte (womit nicht die Größe der Macht, sondern die Lage in Mitteleuropa gemeint war) für die Verantwortlichen des Kriegsausbruches hielt.

Italien stellte an Österreich-Ungarn die Forderung, italienischsprachige Gebiete der k.u.k. Monarchie, das Trentino, Triest, Istrien und Teile Dalmatiens, abzutreten. Österreich-Ungarn wollte allenfalls das Trentino (Welschtirol) abtreten. Deutschland erkannte die Gefahr, dass die Entente Italien in ihr Lager ziehen könnte, und mahnte Österreich-Ungarn, die Forderungen Italiens anzunehmen. Die Entente versprach im Vertrag von London Italien mehr: 1915 wechselte der ehemalige Bündnispartner Österreich-Ungarns die Seiten und begann in der Hoffnung, das Risorgimento abschließen und beide Küsten der Adria („mare nostro“ = „unser Meer“) beherrschen zu können, seinen Krieg gegen Österreich-Ungarn.

Der Fragilität des Vielvölkerstaates zum Trotz kämpfte die österreichisch-ungarische Armee bis zum Ende des Krieges. In Galizien musste die Armee zu Kriegsbeginn im Spätsommer 1914 schwere Niederlagen gegen die russischen Angriffsarmeen hinnehmen. Unersetzliche Verluste erlitt bereits in diesen Großkämpfen insbesondere das k.u.k. Offizierkorps. Vorübergehend gab es sogar die Furcht, die Russen könnten bis Wien vordringen. Die russische Bedrohung Ungarns und anderer lebenswichtiger Gebiete der Monarchie konnte erst ab Frühjahr 1915 abgewendet werden. Der deutsche Verbündete ging mit starken Kräften an der Ostfront in die Offensive und zwang die Russen schließlich zum Großen Rückzug aus Galizien und zur Aufgabe Polens. Allerdings verschärfte sich die Lage im Sommer 1916 erneut, als sich das k.u.k. Heer der Brussilow-Offensive des wiedererstarkten Zarenreichs gegenübersah. Wiederum stützte das Deutsche Reich den bedrängten Bündnispartner in größter Not, ein russischer Durchbruch konnte verhindert werden. 1916/17 konnte dann der neue Kriegsgegner Rumänien mit wiederum entscheidender deutscher Hilfe geschlagen werden. Die im Spätsommer 1916 entstandene große Gefahr für die Südflanke der Donaumonarchie war somit beseitigt.

Serbien, von der Wiener „Kriegspartei“ als leichte Beute betrachtet, leistete 1914 erbitterten Widerstand gegen drei Offensiven der Donaumonarchie. Stark geschwächt, konnte es erst im Herbst 1915 mit deutscher und bulgarischer Hilfe niedergerungen werden, wodurch die Landverbindung zum türkischen Verbündeten geöffnet wurde. Italien gelang es auch in zwölf Isonzo-Schlachten (Isonzo = slowenisch Soča, Fluss nahe der heutigen Grenze zwischen Italien und Slowenien) nicht, in den angeblich „weichen Unterleib“ der k.u.k. Monarchie einzudringen; im Gegenteil, nach der 12. Schlacht rückten die österreichisch-ungarischen Truppen mit Unterstützung der deutschen 14. Armee bis an den Piave in Oberitalien vor. Auch im Gebirgskrieg in den Dolomiten (Südtirol) blieb Italien erfolglos. Die Adria wurde eher von der k.u.k. Kriegsmarine beherrscht als von Italien.

Kriegsgefangene alliierte Soldaten wurden unter anderem in den im heutigen Österreich gelegenen, großen Lagern Sigmundsherberg und Feldbach festgehalten. Große Internierungslager befanden sich in Drosendorf, Karlstein an der Thaya und Grossau.

Die 1917 gehegte Hoffnung, dass der Waffenstillstand mit Russland, dem dort im selben Jahr die Oktoberrevolution folgte, die Wende zu einem Sieg der Mittelmächte einleiten würde, erfüllte sich aufgrund der mittlerweile eingetroffenen Streitkräfte der Vereinigten Staaten nicht.

Die Überlegenheit des Deutschen Reiches, das wesentlich mehr Menschen, Rohstoffe und Waffen für den Krieg aufbringen konnte, ließ die k.u.k. Monarchie im Lauf des Krieges immer mehr unter den Einfluss des deutschen Generalstabes gelangen. Dieser wollte auch nach dem Kriegseintritt der USA 1917 auf Seiten der Entente lange nicht einsehen, dass der Krieg nicht mehr zu gewinnen war. Die deshalb geheim erfolgten Friedensbemühungen Kaiser Karls I. blieben vergeblich. Im Hinterland gab es 1918 große Versorgungskrisen und Streiks, in der Bocche di Cattaro (Bucht von Kotor) in Dalmatien meuterten Matrosen.

Ende der Doppelmonarchie

Als der Reichsrat, das Parlament der österreichischen Reichshälfte, im Mai 1917 nach mehr als drei Jahren parlamentsloser Regierung wieder einberufen wurde, legten Abgeordnete aus den Kronländern Bekenntnisse zu Nationalstaaten ab:

Die Polen Galiziens wollten sich einem neu entstehenden polnischen Staat anschließen, die Ukrainer Galiziens keinesfalls unter polnische Herrschaft gelangen. Die Tschechen strebten einen tschechoslowakischen Staat an, die Slowenen und Kroaten wollten mit den Serben einen südslawischen Staat bilden.

Die Deutschen Böhmens und Mährens wollten das von den Tschechen beschworene frühere böhmische Staatsrecht nicht anerkennen, da sie befürchteten, in den Ländern der böhmischen Krone als Minderheit unter tschechische Herrschaft zu geraten.

In Ungarn konnten sich die nichtmagyarischen Nationalitäten kaum artikulieren, da sie im Budapester Reichstag auf Grund des minderheitenfeindlichen ungarischen Wahlrechts kaum vertreten waren und alle anderen Äußerungen der Kriegszensur unterlagen. Slowaken, Rumänen und Kroaten sahen aber wenig Anlass, weiterhin unter magyarischer Oberhoheit zu leben.

Ein Ausweg aus dieser rechtlich und politisch verfahrenen Situation ließ sich im Krieg ebenso wenig finden wie vor 1914. Am 16. Oktober 1918 erließ Karl I./IV. letztlich das Völkermanifest. Dieses Manifest sollte den Anstoß dazu geben, die österreichische Reichshälfte unter der Schirmherrschaft des Kaisers in eine Konföderation freier Völker umzuwandeln. Die Nationalitäten Österreichs wurden dazu aufgerufen, eigene Nationalräte (Volksvertretungen) zu bilden.

Die ungarische Regierung, die die Lage gründlich verkannte, machte dem König keinen ähnlichen Vorschlag. Karl IV. war politisch zu schwach, ein solches Manifest über die Köpfe der ungarischen Regierung hinweg zu publizieren. Die Nationalitätenfragen Österreichs ließen sich jedoch nicht von denen Ungarns trennen: Die Kroaten im österreichischen Dalmatien wollten den südslawischen Staat mit den Kroaten des ungarischen Kroatien gründen, die österreichischen Tschechen die Tschechoslowakei mit den ungarischen Slowaken.

Der mit dem Manifest unternommene Versuch, die Neuordnung der k.u.k. Monarchie unter wenigstens nomineller Führung durch das Haus Habsburg zu ermöglichen, musste somit fehlschlagen. Nationale Wünsche waren weitaus stärker als verbliebene Reste dynastischer Loyalität.

Am 21. Oktober 1918 bildeten die deutschen Abgeordneten des Reichsrates die Provisorische Nationalversammlung für Deutschösterreich. Am 30. Oktober setzte die Nationalversammlung unter Vorsitz von Karl Seitz den deutschösterreichischen Staatsrat (Vorsitz: ebenfalls Seitz, Staatskanzler: Karl Renner) als Vollzugsausschuss ihrer Beschlüsse ein, der die Staatsregierung berief.

Am 28. Oktober 1918 übernahmen die Tschechen in Prag von den k.k. Behörden unblutig die Macht und riefen die Tschechoslowakische Republik aus. Galizien schloss sich dem neu entstehenden Polen an. Slowenen und Kroaten wurden am 29. Oktober Mitgründer des neuen südslawischen Staates. Die ungarische Regierung kündigte am 31. Oktober 1918 die Realunion mit Österreich auf, womit Österreich-Ungarn aufgelöst war. (Die drei gemeinsamen Ministerien konnten nur noch die Trennung administrieren.) In Siebenbürgen übernahmen die Rumänen die Macht.

Die Aufteilung der Österreichisch-Ungarischen Monarchie gemäß den Pariser Vorortverträgen nach dem Ersten Weltkrieg

Am 11. November wurde Kaiser Karl I. von den republikanisch gesinnten deutschösterreichischen Spitzenpolitikern dazu bewogen, auf jeden Anteil an den Staatsgeschäften zu verzichten; eine förmliche Abdankung hatte er abgelehnt. Am selben Tag entließ der Kaiser die funktionslos gewordene k.k. Regierung von Ministerpräsident Heinrich Lammasch. Am 12. November 1918 fand in Wien die letzte Reichsratssitzung statt, am selben Tag rief der Staat Deutschösterreich die Republik aus. Am 13. November leistete der letzte Habsburger-Monarch als König Karl IV. von Ungarn den gleichen Verzicht (Ungarn blieb Königreich ohne König). In den Pariser Vorortverträgen (Vertrag von Saint-Germain mit Österreich und Vertrag von Trianon mit Ungarn) wurden Gebietsabtretungen und Grenzen der Nachfolgestaaten der Monarchie offiziell festgelegt.

Die Verträge bestätigten die völkerrechtliche Anerkennung der Nachfolgestaaten Volksrepublik Ungarn, Polen, Tschechoslowakei, Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen (ab 1929 Königreich Jugoslawien) sowie Gebietsabtretungen an Italien und Rumänien. Deutschösterreich wurde der Anschluss an die neue Republik (Deutsches Reich) verboten, ebenso die Verwendung des Begriffs „Deutsch“ im Staatsnamen; der Vertrag wurde daher mit der „Republik Österreich“ geschlossen, der bis dahin geführte Staatsname ”Deutschösterreich” schien nicht mehr auf. Ungarn musste zugunsten der Tschechoslowakei, Rumäniens, des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen sowie Österreichs auf zwei Drittel des bisherigen Staatsgebietes verzichten und die Habsburger entthronen.

Die vielen Irredenten, die schließlich zur Auflösung der Monarchie führten, waren aber nach Cornwall letztlich nur erfolgreich, weil es die Habsburger verabsäumt hatten ihr eigenes Haus in Ordnung zu halten.[7]

Reichsteile und Länder

Der Fluss Leitha bildete streckenweise die Grenze zwischen den beiden Reichshälften Österreich und Ungarn (entspricht der heutigen burgenländischen Westgrenze). Daraus leiteten sich die Bezeichnungen Cisleithanien („Land diesseits der Leitha“ für die westliche Reichshälfte) und Transleithanien („Land jenseits der Leitha“ für die östliche Reichshälfte) ab. Cisleithanien hieß offiziell Die im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder (vorher inoffiziell, seit 1915 offiziell Österreich genannt), die einzelnen Länder wurden als Kronländer bezeichnet. Die Länder Transleithaniens wurden offiziell als Die Länder der heiligen ungarischen Stephanskrone bezeichnet.

Von beiden Reichshälften gemeinsam verwaltet wurde das zuvor zum Osmanischen Reich gehörige Land Bosnien und Herzegowina, das 1878 besetzt und 1908 unter Inkaufnahme der Bosnischen Annexionskrise in den Reichsverband eingegliedert wurde. Die folgenden Tabellen zeigen die Ergebnisse des Zensus vom 31. Dezember 1910.[8]

Karte Österreich-Ungarns
  • Cisleithanien
1. Böhmen
2. Bukowina
3. Kärnten
4. Krain
5. Dalmatien
6. Galizien und Lodomerien
7. Küstenland
8. Österreich unter der Enns
9. Mähren
10. Salzburg
11. Österreichisch Schlesien
12. Steiermark
13. Tirol
14. Österreich ob der Enns
15. Vorarlberg
  • Transleithanien
16. Ungarn mit Vojvodina und Siebenbürgen
17. Kroatien und Slawonien
  • 18. Bosnien und Herzegowina
Im Reichsrat vertretene Königreiche und Länder (Cisleithanien) 1910
Land Hauptstadt (Einwohner) Fläche in km² Einwohner
Königreich Böhmen Prag (224.000) 51.948 6.769.000
Königreich Dalmatien Zara/Zadar (14.000) 12.833 646.000
Königreich Galizien und Lodomerien Lemberg (206.000) 78.493 8.025.000
Erzherzogtum Österreich unter der Enns Wien (2.031.000) 19.822 3.532.000
Erzherzogtum Österreich ob der Enns Linz (71.000) 11.981 853.000
Herzogtum Bukowina Czernowitz (87.000) 10.442 800.000
Herzogtum Kärnten Klagenfurt (29.000) 10.327 396.000
Herzogtum Krain Laibach (47.000) 9.955 526.000
Herzogtum Salzburg Salzburg (36.000) 7.153 215.000
Herzogtum Ober- und Niederschlesien Troppau (31.000) 5.147 757.000
Herzogtum Steiermark Graz (152.000) 22.426 1.444.000
Markgrafschaft Mähren Brünn (126.000) 22.222 2.622.000
Gefürstete Grafschaft Tirol Innsbruck (53.000) 26.683 946.000
Küstenland Triest (161.000) 7.969 895.000
Vorarlberg Bregenz (9.000) 2.601 145.000
Länder der heiligen ungarischen Stephanskrone (Transleithanien) 1910
Land Hauptstadt Fläche in km² Einwohner
Königreich Ungarn Budapest (882.000) 282.297 18.265.000
Königreich Kroatien und Slawonien Agram (80.000) 42.534 2.622.000
Fiume mit Gebiet Fiume (39.000) 21 48.800
Unter gemeinsamer Verwaltung der beiden Reichsteile 1910
Land Hauptstadt Fläche in km² Einwohner
Bosnien und Herzegowina Sarajevo (52.000) 51.082 1.932.000

Im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Groß- und Mittelmächten hatte Österreich-Ungarn keine kolonialen Ambitionen. Die einzige außereuropäische koloniale Besitzung der Doppelmonarchie bestand zwischen 1901 und 1917 in einer kleinen Konzession in der chinesischen Stadt Tianjin (Tientsin). Das Kaiserreich China musste dieses Gebiet aufgrund der erfolgreichen Beteiligung Österreich-Ungarns an der im Jahr 1900 erfolgten Niederschlagung des Boxeraufstandes abtreten. Die Konzession lag am östlichen Flussufer des Hai He (Peiho), umfasste ungefähr eine Fläche von 62 ha und zählte um die 40.000 Einwohner.[9][10] Im Süden wurde das Gebiet von der italienischen Konzession begrenzt, im Osten von Bahnanlagen, im Norden und Westen vom Hai He. Administriert wurde es vom jeweiligen k.u.k. Konsul, der in seinen Aufgaben unter anderem durch eine kleine militärische Garnison unterstützt wurde. An öffentlichen Gebäuden befand sich auf dem Gebiet der Konzession neben dem Konsulat und der Kaserne noch ein Gefängnis, eine Schule, ein Theater sowie ein Krankenhaus. Mit der Kriegserklärung Chinas an die Mittelmächte im August 1917 wurde das Territorium wieder dem chinesischen Staat einverleibt. Im September 1919 gab Österreich mit der Unterzeichnung des Vertrags von Saint-Germain (Artikel 116) schließlich jeglichen Anspruch auf das Territorium auf. Mit einem gleichlautenden Artikel im Vertrag von Trianon folgte Ungarn im Juni 1920.

Politik

Verfassung

Eine gemeinsame Verfassung des Doppelstaates gab es nicht. Die legistische Grundlage der Donaumonarchie bildeten die drei folgenden Gesetze, die – gleichlautend – in Österreich und Ungarn Gültigkeit hatten:

  • die Pragmatische Sanktion Kaiser Karls VI. vom 19. April 1713,
  • das Verfassungsgesetz (damals inoffiziell Delegationsgesetz genannte), für Cisleithanien (Österreich) als Teil der Dezemberverfassung vom 21. Dezember 1867, in Ungarn (Transleithanien) zuvor bereits mit Gesetz XII/1867 kundgemacht, und
  • das Zoll- und Handelsbündnis vom 27. Juni 1878.

Die Pragmatische Sanktion war eine Thronfolgeregelung und hatte – da Karl VI. keinen männlichen Nachkommen besaß – den Effekt, die Herrscherrechte seiner Tochter Maria Theresia und ihrer Nachkommen festzuschreiben. Die Delegationsgesetze Österreichs und Ungarns legten fest, welche Angelegenheiten die beiden Staaten gemeinsam zu führen hatten. Das Zoll- und Handelsbündnis mit gemeinsamer Währung, gegenseitiger Niederlassungsfreiheit und gegenseitiger formloser Anerkennung von Unternehmens- und Patentregistrierungen war eine freiwillige Vereinbarung der beiden Staaten.

Der Kaiser von Österreich war in Personalunion auch König von Ungarn und somit zugleich König von Kroatien und Slawonien. Dies geschah nunmehr im eigenen Recht Ungarns und nicht mehr in Ableitung aus der österreichischen Kaiserwürde.

Die den Delegationsgesetzen zufolge gemeinsamen Angelegenheiten, Außenpolitik und Armee, wurden durch gemeinsame Ministerien verwaltet: Außen-, Kriegs- und Finanzministerium; dieses nicht für die gesamten Finanzen der Doppelmonarchie, sondern nur zur Finanzierung der gemeinsamen Angelegenheiten. Diese Konstruktion wurde als Realunion bezeichnet. Institutionen, die beide Reichshälften betrafen, wurden als „k. u. k.“ (kaiserlich und königlich) bezeichnet.

Die Regierung von Cisleithanien wurde als „k. k.“ („kaiserlich-königlich“) bezeichnet, wobei sich königlich auf die böhmische Königswürde bezog, die der österreichische Kaiser ebenfalls innehatte. Regierung und Institutionen der ungarischen Reichshälfte wurden mit „kgl. ung.“ („königlich ungarisch“) oder „m. kir.“ (magyar királyi) bezeichnet.

Der nach dem Ausgleich des Jahres 1867 am 14. November 1868 vom Kaiser und König festgelegte Herrschertitel und Staatsname:

  • Bei im Namen des Kaisers abgeschlossenen Verträgen:
    Kaiser von Österreich und Apostolischer König von Ungarn
  • Persönliche Bezeichnung:
    Seine K. u. K. Apostolische Majestät
  • Staatsname:
    Österreichisch-Ungarische Monarchie (schon in einem am 2. Juni 1868 kundgemachten Staatsvertrag mit Schweden und Norwegen verwendet)

Die Verwendung des Namens Österreich erfolgte in der inländischen Staatspraxis sparsam, wohl aus Rücksicht auf die nichtdeutsche Mehrheit im Kaisertum Österreich. Einerseits regelte im Staatsgrundgesetz vom 21. Dezember 1867 (RGBl. 142/1867) Artikel 1, es bestehe „für alle Angehörigen der im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder … ein allgemeines österreichisches Staatsbürgerrecht“. Andererseits wurde das Staatsgebiet häufig mit dem Begriff „die im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder“ umschrieben, ein Begriff, der außerhalb amtlicher Texte stets durch Österreich ersetzt wurde. Erst 1915 wurde dies auch offiziell so bestimmt.

Herrscher und Ministerpräsidenten

Hauptartikel: Liste der Ministerpräsidenten Österreich-Ungarns (1867–1918)

  • Franz Joseph I. 1867–1916
    • 8. Juni 1867 Krönung zum König von Ungarn (I. Ferenc József)
    • 21. November 1916 gestorben
  • Karl I./IV. 1916–1918
    • 21. November 1916 mit dem Tod seines Vorgängers automatisch Kaiser und König; die Krönung in der österreichischen Reichshälfte sollte nach dem Krieg stattfinden
    • 30. Dezember 1916 Krönung zum König von Ungarn als Karl IV. (IV. Károly)
    • 11. November 1918 Regierungsverzicht in der österreichischen Reichshälfte (keine Abdankung)
    • 13. November 1918 Regierungsverzicht in der ungarischen Reichshälfte (keine Abdankung)

Nach dem österreichisch-ungarischen Ausgleich von 1867 hatte jede der beiden Reichshälften ihren eigenen Ministerpräsidenten, der mit Zustimmung des Monarchen sein eigenes Kabinett berief. Aufgrund der Verfassungs- und der realpolitischen Entwicklung der Habsburger Monarchie (bis 1918) blieb der österreichische Ministerpräsident ausschließlich vom Willen des Kaisers abhängig (ein Misstrauensvotum, das zum Rücktritt verpflichtete, gab es im Reichsrat nicht), der ungarische Ministerpräsident vom Willen des Königs und der ungarischen Aristokratie. Insbesondere in der österreichischen Reichshälfte wechselten die Amtsträger ab den frühen 1890er Jahren häufig; nur wenige Politiker konnten prägenden Einfluss gewinnen.

Direkt vom Kaiser ohne Vorschlag eines Ministerpräsidenten besetzt wurden die für den österreich-ungarischen Gesamtstaat verantwortlichen Ämter des k. u. k. Außenministers, des k. u. k. Kriegsministers (jede Reichshälfte hatte zusätzlich noch eigene Landesverteidigungsministerien, die für die jeweilige Landwehr – Kaiserlich Königliche Landwehr beziehungsweise Königlich Ungarische Landwehr – zuständig waren) und des k. u. k. Finanzministers (zuständig für das Budget der k.u.k. Armee und des Außenministeriums, jede Reichshälfte hatte zusätzlich noch eigene Finanzministerien). Österreich-Ungarn hatte als Ganzes keinen Regierungschef; im Ministerrat für gemeinsame Angelegenheiten führte der Außenminister den Vorsitz, dieser trug aber zumindest zur Zeit des Außenministers Friedrich Ferdinand von Beust (1867–1871) den zusätzlichen Titel Reichskanzler.

Militärwesen

Hauptartikel:

Bevölkerung

Für die folgenden Aufstellungen wird die Volkszählung vom 31. Dezember 1910 zu Grunde gelegt.[11]

Gesamteinwohnerzahl

Gesamtbevölkerung 1910:

Gebiet Absolutzahl Prozent
Cisleithanien 28.571.934 55,6
Transleithanien 20.886.487 40,6
Bosnien und Herzegowina (Kondominium beider Reichsteile) 1.931.802 3,8
Insgesamt 51.390.223 100,0

Umgangssprachen in Österreich-Ungarn

In den Volkszählungen 1910 wurde in Österreich-Ungarn die Umgangssprache ermittelt. Juden gaben in Altösterreich meist Deutsch als Umgangssprache an, ebenfalls Beamte, die zwar Deutsch nicht als Muttersprache hatten, aber durch den Einsatz im Verwaltungsapparat vorwiegend deutsch sprachen. Exakte Zahlen über die nationale Zuordnung existieren nicht.

Umgangssprachen in Österreich-Ungarn aus: Distribution of Races in Austria-Hungary Historical Atlas, William R. Shepherd, 1911
Sprache Absolutzahl Prozent
Deutsch 12.006.521 23,36
Ungarisch 10.056.315 19,57
Tschechisch 6.442.133 12,54
Polnisch 4.976.804 9,68
Serbisch und Kroatisch 4.380.891 8,52
Ruthenisch (Ukrainisch) 3.997.831 7,78
Rumänisch 3.224.147 6,27
Slowakisch 1.967.970 3,83
Slowenisch 1.255.620 2,44
Italienisch 768.422 1,50
Sonstige 2.313.569 4,51
Insgesamt 51.390.223 100,00
In den Kronländern der österreichischen Reichshälfte

Umgangssprachen 1910:

Land Hauptumgangssprache andere Sprachen (mehr als 2 %)
Böhmen Tschechisch (63,2 %) Deutsch (36,8 %)
Dalmatien Kroatisch (96,2 %) Italienisch (2,8 %)
Galizien Polnisch (58,6 %) Ukrainisch (40,2 %)
Niederösterreich Deutsch (95,9 %) Tschechisch (3,8 %)
Oberösterreich Deutsch (99,7 %)
Bukowina Ukrainisch (38,4 %) Rumänisch (34,4 %), Deutsch (21,2 %), Polnisch (4,6 %)
Kärnten Deutsch (78,6 %) Slowenisch (21,2 %)
Krain Slowenisch (94,4 %) Deutsch (5,4 %)
Salzburg Deutsch (99,7 %)
Österreichisch-Schlesien Deutsch (43,9 %) Polnisch (31,7 %), Tschechisch (24,3 %)
Steiermark Deutsch (70,5 %) Slowenisch (29,4 %)
Mähren Tschechisch (71,8 %) Deutsch (27,6 %)
Tirol Deutsch (57,3 %) Italienisch (42,1 %)
Küstenland Slowenisch (37,3 %) Italienisch (34,5 %), Kroatisch (24,4 %), Deutsch (2,5 %)
Vorarlberg Deutsch (95,4 %) Italienisch (4,4 %)

Religionen

Religionskarte. Aus: Andrees Allgemeiner Handatlas

In Österreich Ungarn 1910:

Religion/Konfession Gesamtstaat Österreichische
Reichshälfte
Ungarische
Reichshälfte
Bosnien und
Herzegowina
Katholiken 76,6 % 90,9 % 61,8 % 22,9 %
Protestanten 8,9 % 2,1 % 19,0 % 0 %
Serbisch-Orthodoxe 8,7 % 2,3 % 14,3 % 43,5 %
Juden 4,4 % 4,7 % 4,9 % 0,6 %
Muslime 1,3 % 0 % 0 % 32,7 %

Nationalitätenproblem und Reformkonzepte

Ethnische Karte Österreich-Ungarns (Volkszählung 1880) aus Andrees Handatlas, 1881
Alphabetisierungsrate in Österreich-Ungarn (Volkszählung 1880)

Spätestens seit dem Revolutionsjahr 1848 entwickelte sich durch den wachsenden Nationalismus, der zusehends auch die geschichtslosen Nationen ergriff, das Nationalitätenproblem im Habsburgerreich zur Existenzfrage. In einem Europa der sich bildenden Nationalstaaten, in dem der Nationalismus als absolut stärkste politische Kraft empfunden wurde, entwickelte sich der übernationale Vielvölkerstaat in den Augen der meisten Europäer, aber auch vieler seiner Bewohner, immer mehr zu einem lebensunfähigen Anachronismus. Die Frage, ob das Nationalitätenproblem des Habsburgerreiches überhaupt lösbar war, wird grundsätzlich heute eher bejaht als verneint.[12]

Reformkonzepte zur Rettung der Monarchie wurden genug entwickelt, oft undurchführbar und unpraktisch. Eines dieser Konzepte wurde 1867 sogar durchgeführt: der Ausgleich mit Ungarn. Die Verwirklichung des Dualismus war aber aus der Not geboren, in welche die deutsche Vorherrschaft in Österreich, nach den Niederlagen im italienischen und im Deutschen Krieg, geraten war. Mit Deutschland und Italien waren zwei neue Nationalstaaten entstanden, in der Donaumonarchie wurde nur ein reiner Machtausgleich mit den Magyaren durchgeführt. Die Herrschaft über die übrigen Völker der Monarchie, die eine Mehrheit in der Bevölkerung ausmachten, wurde zwischen ihnen und den deutschen Österreichern zweigeteilt. Die Ungarn hatten also, als die entwickeltste Nation neben den Deutschen, ebenfalls eine Vorrangstellung erhalten, die sie in den folgenden Jahrzehnten auch am zähesten und unnachgiebigsten verteidigten. Ungarn wurde bis zum endgültigen Zusammenbruch der Monarchie, durch seine Politik der Zwangsmagyarisierung und sein undemokratisches Wahlrecht, sogar einer der reaktionärsten Staaten Europas. Ungarn war ein Pseudo-Nationalstaat, er wurde trotz seiner gemischten nationalen Zusammensetzung wie ein Nationalstaat regiert.[13]

In Zisleithanien zeigten Rechtsprechung und Verwaltung eine wesentlich gerechtere Behandlung der slawischen und romanischen Nationalitäten, wenn auch die österreichische Verwaltungspolitik gegenüber den Slowenen in der Südsteiermark und bis kurz vor Kriegsausbruch auch in Krain sowie die Exzesse des Alldeutschtums in Böhmen im einzelnen vielfach als Gegenbeispiele herangezogen werden könnten. Die schlechtere Behandlung der Nationalitäten in Ungarn lag aber nicht in der Verfassung begründet, sondern an der Praxis der Behörden, an dem Versagen von Justiz und Verwaltung bzw. der Politik.[14]

Da auch in der österreichischen Reichshälfte die Verhältnisse, insbesondere zwischen Deutschen und Tschechen, immer schlechter wurden, wurden die Forderungen nach Umgestaltung der Monarchie immer dringender. Das südslawische trialistische Programm stand während des größten Teiles der letzten zwei Generationen des Habsburgerreiches an erster Stelle der Reformpläne, wobei in seiner konservativen Form die Slowenen nicht inbegriffen waren.[15] Dabei sollte neben dem österreichischen und dem ungarischen Reichsteil ein südslawisches Reich unter kroatischer Führung entstehen, der zahlenmäßig und an historischer Tradition stärksten südslawischen Gruppe des Reiches. Dieser südslawische Staat sollte im Interesse des Gesamtreiches einerseits Ungarn schwächen und andererseits großserbischen Ambitionen entgegenwirken. Der Trialismus schloss allerdings eine umfassendere Lösung des Nationalitätenproblems aus. Der kroatische Trialismus zog, wie Hohenwarts Plan zur Versöhnung der Tschechen im Jahr 1871, nur den nationalen Status einer einzelnen Volksgruppe in Betracht. Die österreichische Nationalitätenfrage war jedoch so verwickelt, dass die Behandlung einer dieser Fragen offensichtlich die aller anderen beeinflusste.[16]

Das Konzept des Trialismus hatte in den letzten Jahrzehnten der Monarchie, durch den serbischen und damit verbundenen südslawischen Antagonismus, neben der naturgemäßen Ablehnung durch Ungarn ohnehin wenig Chancen auf Realisierung. Hatte der Trialismus, neben kroatischen konservativen Kreisen, zeitweise auch den Thronfolger Franz Ferdinand als Förderer, so entwickelten sich dessen Reformpläne aber bald in die Richtung einer umfassenden Föderalisierung. Seine gegen Ungarn gerichteten Pläne bezogen sich in erster Linie auf die ungarischen Nationalitäten, nicht weil sie sozial und politisch benachteiligt waren, sondern weil er sie für staatstreu hielt. Dieses Ziel konnte der vorerst von Franz Ferdinand favorisierte Kronländerföderalismus, der keinerlei Rücksicht auf ethnische Verhältnisse nahm, jedoch kaum verwirklichen. Schließlich wurde der Thronfolger zum Kristallisationspunkt der großösterreichischen Bewegung, die eine Föderalisierung aller Völker des Reiches auf ethnischer Grundlage vorsah, obwohl er deren prononciertester ideologischer Stütze, dem Föderalisierungskonzept Popovicis, letztlich auch nicht völlig zustimmen konnte. Franz Ferdinand legte sich technisch nie auf einen dieser Pläne fest, seine Absichten widersprachen einander manchmal und waren häufig verschwommen. Er verfolgte einen Zickzackkurs zwischen einem ethnischen und einem historisch-traditionellen Föderalismus, kam zuweilen wieder auf den Trialismus zurück und vertrat eine Art von verwässertem Zentralismus.[17]

1905 wurden in Mähren mit dem so genannten Mährischen Ausgleich vier Landesgesetze beschlossen, die eine Lösung der deutsch-tschechischen Nationalitätenprobleme gewährleisten und somit einen österreichisch-tschechischen Ausgleich herbeiführen sollten.

Das bekannte Personalitätsprinzip Karl Renners sah eine territoriale Gliederung in Kreise vor, wobei sich der autonome Status auf die einzelnen Individuen bezog. Im Wesentlichen hat sich der Nationalitätenkampf vor 1914 selbst in seinen radikalen Formen, mit Ausnahme der alldeutschen, serbischen und zum Teil italienischen und ruthenischen Propaganda, doch vorwiegend mit der Reform des Reiches befasst und nicht mit den Zielen und Methoden, die zu seiner Auflösung führen sollten. Aber vom Zustandekommen eines wirklich allseits befriedigenden nationalen Ausgleichs war die Monarchie 1914 noch weit entfernt. Da ein etwaiger habsburgischer Bundesstaat aber meist aus bloßen Torsos von Nationen bestanden hätte, mussten auch die Föderalisierungskonzepte scheitern.[18]

Magyarisierungspolitik in Ungarn

Nach dem Ausgleich mit Österreich kam es 1868 innerhalb der ungarischen Reichshälfte zu einem ungarisch-kroatischen Ausgleich. Dieser Ausgleich sicherte Kroatien und Slawonien eine beschränkte Autonomie zu. In den anderen Teilen Ungarns nahmen die Spannungen unter den Volksgruppen jedoch zu.

Gründe für diese Spannungen waren sowohl die Magyarisierungspolitik der ungarischen Regierung als auch die Zunahme der Intoleranz der Nationalitäten untereinander. Im Gegensatz zu den im Königreich Ungarn lebenden Minderheiten wie Slowaken oder Rumänen hatte der Nationalismus der Magyaren die Staatsmacht auf seiner Seite und war somit in der stärkeren Position, obwohl die ethnischen Ungarn nur etwa die Hälfte der Bevölkerung stellten.

Die Umsetzung der an sich liberalen Minderheitengesetzgebung hatte in einer solchen Atmosphäre kaum Erfolg. Das Nationalitätengesetz von 1868 bestimmte zwar Ungarisch als Staatssprache, ließ jedoch Minderheitensprachen auf regionaler, lokaler und kirchlicher Ebene zu. Doch diese Regelung wurde oft nicht in die Tat umgesetzt, und die Minderheiten sahen sich Assimilierungsversuchen ausgesetzt. Ab 1875 wurde unter Ministerpräsident Kálmán Tisza (1875–1890) eine konsequente Magyarisierungspolitik betrieben, um alle Nichtmagyaren in 40 Jahren zu Ungarn zu machen.

Bereits im Revolutionsjahr 1848 ergriffen slowakische Angehörige des ungarischen Parlaments die Initiative, um sich beim Kaiser Unterstützung gegen die Magyarisierungspolitik zu holen. Es wurde eine Erklärung mit „Forderungen der slowakischen Nation“ abgegeben, welche man dem Kaiser und der ungarischen Nationalregierung übergab. Gefordert wurde die Föderalisierung Ungarns, die Konstituierung einer ethnisch-politischen Einheit, die Festlegung der slowakischen Grenzen, ein eigener Landtag, eine slowakische Nationalgarde, nationale Symbole, das Recht auf Gebrauch der slowakischen Sprache, allgemeines Wahlrecht und eine gleichberechtigte Vertretung im ungarischen Parlament.

Die Magyaren jedoch sahen dadurch ihre Machtstellung in Oberungarn, wie sie die heutige Slowakei nannten, in Gefahr und reagierten mit Kriegsrecht und Haftbefehlen gegen die slowakischen Nationalführer. In Wien und Böhmen wurden slowakische Exilregierungen errichtet, die Hoffnungen der Slowaken wurden aber enttäuscht. Nach der Revolution ließ man die Ungarn mit ihrer zentralistischen Verwaltung gewähren. Der Ausgleich von 1867 lieferte die Minderheiten nun völlig der Magyarisierungspolitik Budapests aus. Zwischen 1881 und 1901 hatten die Slowaken keine eigenen Abgeordneten im ungarischen Parlament, auch danach waren es im Verhältnis weniger, als ihr Bevölkerungsanteil ausmachte. Versuche Budapests vor und während des Ersten Weltkriegs, dem serbischen und rumänischen, auf Expansion bedachten Nationalismus mit Zugeständnissen entgegen zu wirken, kamen zu spät. Die rigorose Magyarisierungspolitik, die vor allem unter der slowakischen und deutschsprachigen Bevölkerung Transleithaniens Erfolge verzeichnete, ließ den Bevölkerungsanteil der Magyaren auf knapp über die Hälfte anwachsen. Zwischen 1880 und 1910 stieg der Prozentsatz der sich als Magyaren bekennenden Bürger Ungarns (ohne Kroatien) von 44,9 auf 54,6 Prozent. Mit Hilfe eines reaktionären Wahlrechts, das nur den privilegierten Teil der Bevölkerung zur Wahl zuließ, 1913 waren nur 7,7 % der Gesamtbevölkerung wahlberechtigt (oder durften öffentliche Ämter bekleiden). Eine Pseudo-Reform kurz vor Kriegsende sah ganze 13 % als wahlberechtigt vor. Damit wurde die reaktionäre Struktur des Vielvölkerstaates Ungarn zementiert.[19]

Auswanderung aus Österreich-Ungarn

Auswanderer aus Österreich-Ungarn auf einem Schiff der Austro-Americana in Triest

Zwischen 1876 und 1910 wanderten rund 3,5 Millionen (andere Zahlen geben bis zu 4 Millionen an) Einwohner der Doppelmonarchie aus. Sie waren arm und arbeitslos und erhofften sich in einem anderen Land bessere Lebensbedingungen. Etwa 1,8 Millionen Menschen kamen davon aus der cisleithanischen Reichshälfte und etwa 1,7 Millionen aus der transleithanischen Hälfte. Fast drei Millionen von ihnen hatten als Reiseziel die Vereinigten Staaten von Amerika, 358.000 Personen wählten Argentinien als neue Heimat, 158.000 gingen nach Kanada, 64.000 nach Brasilien und 4.000 wanderten nach Australien aus. Der Rest verteilte sich auf andere Länder.

Allein im Jahre 1907 verließen rund eine halbe Million Menschen ihre Heimat. Die Regierungen Österreichs und Ungarns waren besorgt, da sich unter den Auswanderern viele junge arbeitsfähige Männer befanden. 1901–1905 wurden allein in Österreich 65.603 Liegenschaften, davon 45.530 kleinere Parzellen, von Auswanderern öffentlich versteigert. Ausgewanderte schrieben an ihre daheim gebliebenen Bekannten und Familienangehörige oft begeistert von „drüben“ – manchmal waren gleich bezahlte Schiffsfahrkarten beigelegt.

Die wichtigsten Ausgangshäfen für die Auswanderer waren Hamburg und Bremen, wo die Schiffe der großen Reedereien, die Norddeutsche Lloyd und die Hamburg-Amerika-Linie, anlegten. Dauerte eine Schifffahrt nach New York zur Mitte des 19. Jahrhunderts mit den ersten Dampfschiffen noch rund ein Monat, so betrug die Fahrtzeit um 1900 bei gutem Wetter nur noch eine Woche. Von Triest aus mit der Austro-Americana dauerte eine Reise nur noch 15 Tage. Jährlich führten 32 bis 38 Fahrten in die USA. Die Reisebedingungen waren für die zumeist armen Auswanderer oft miserabel. Für die Reedereien, die am Komfort für die weniger wohlhabenden Passagiere sparten, war das Auswanderergeschäft äußerst lukrativ und daher sehr hart umkämpft.

Die meisten Auswanderer kamen aus Galizien im heutigen Polen und in der Ukraine. Von 1907 bis 1912 waren es 350.000, wie aus einer Interpellation von polnischen Reichsratsabgeordneten an verschiedene österreichische Minister am 12. März 1912 hervorging.[20]

Bildung

Im Bereich der allgemeinen Volkbildung kam es durch die allgemeine Unterrichtspflicht zu einem kontinuierlichen Rückgang des insbesondere in den östlichen und südlichen Reichsteilen noch vielfach vorhandenen Analphabetentums. Dieses blieb jedoch weiterhin ein erhebliches bildungspolitisches Problem und behinderte die Teilnahme von weiten Bevölkerungskreisen am gesellschaftlichen und politischen Leben.

Analphabetismus

Prozentsatz der Analphabeten (Personen älter als 6 Jahre):[21]

1880 1900 Abnahme der Analphabetenrate
von 1880 bis 1900
Österreichische Reichshälfte 34,4 27,4 7,0
Böhmen 8,5 5,3 3,2
Dalmatien 87,3 73,6 13,7
Galizien 77,1 63,9 13,2
Niederösterreich 8,5 6,0 2,5
Oberösterreich 8,6 5,8 2,8
Bukowina 87,5 65,2 22,3
Kärnten 39,6 24,0 15,6
Krain 45,4 31,4 14,1
Salzburg 11,7 8,7 3,0
Österreichisch-Schlesien 11,8 11,2 0,6
Steiermark 27,8 18,0 9,8
Mähren 10,4 7,8 2,6
Tirol und Vorarlberg 9,7 7,1 2,6
Küstenland 56,8 38,2 18,6
Ungarische Reichshälfte 58,8 41,0 17,8

Neben dem Grundschulwesen bestand parallel für den Militär-Nachwuchs ein eigenes Schulsystem, welches speziell auf militärische Anforderungen ausgerichtet war. Eine Übersicht über diese Schule findet sich in den folgenden beiden Artikeln:

Wirtschaft

Bergbau

Der Bergbau erwirtschaftete per 1889 78,81 Millionen Gulden. Die wichtigsten abgebauten Rohstoffe waren Braun- und Steinkohle sowie Salz. Weiters von Bedeutung waren Graphit, Blei und Zink. An Edelmetallen konnten 3543,5 Tonnen Silber abgebaut werden. Der Goldbergbau spielte schon damals praktisch keine Rolle mehr – 1889 wurden lediglich rund 13 Kilogramm Gold abgebaut.

Industrie

Banknote der Doppelmonarchie

Die österreichisch-ungarische Wirtschaft veränderte sich während der Existenz der Doppelmonarchie erheblich. Die technischen Veränderungen beschleunigten sowohl die Industrialisierung als auch die Urbanisierung. Während die alten Institutionen des Feudalsystems immer mehr verschwanden, breitete sich der Kapitalismus auf dem Staatsgebiet der Donaumonarchie aus. Zunächst bildeten sich vor allem um die Hauptstadt Wien, in der Obersteiermark, in Vorarlberg und in Böhmen wirtschaftliche Zentren heraus, ehe im weiteren Verlauf des neunzehnten Jahrhunderts die Industrialisierung auch in Zentralungarn und den Karpaten Einzug hielt. Resultat dieser Struktur waren enorme Ungleichheiten in der Entwicklung innerhalb des Reiches, denn generell erwirtschafteten die westlich gelegenen Wirtschaftsregionen weit mehr als die östlichen. Zwar war bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts im annähernd gesamten Staatsgebiet die Wirtschaft rapide gewachsen und das gesamte Wirtschaftswachstum konnte sich durchaus mit dem anderer europäischer Großmächte messen, doch aufgrund des späten Einsetzens dieser Entwicklung blieb Österreich-Ungarn weiterhin im internationalen Vergleich rückständig. Haupthandelspartner war vor dem Ersten Weltkrieg mit weitem Abstand an erster Stelle das Deutsche Reich (1910: 48 % aller Exporte, 39 % aller Importe), gefolgt von Großbritannien (1910: knapp 10 % aller Exporte, 8 % aller Importe). Der Handel mit dem geografisch benachbarten Russland hatte dagegen nur ein relativ geringes Gewicht (1910: 3 % aller Exporte, 7 % aller Importe). Haupthandelsgüter waren landwirtschaftliche Produkte.

Verkehr

Eisenbahn

Hauptartikel: Kaiserlich-königliche österreichische Staatsbahnen

Der Eisenbahntransport expandierte in Österreich-Ungarn rapide. Schon im Vorgängerstaat, dem Kaisertum Österreich, war 1841 von Wien ausgehend ein bedeutender Anteil an Schienenverbindungen entstanden. Grund dafür war, dass die Regierung das große Potenzial des Eisenbahnverkehrs für militärische Zwecke erkannt hatte und somit viel in deren Ausbau investierte. Wichtige Zentren wie Pressburg, Budapest, Prag, Krakau, Graz, Laibach und Venedig wurden in das Netz integriert. 1854 waren etwa 60–70 Prozent der 2000 Streckenkilometer unter staatlicher Kontrolle. Allerdings begann die Regierung zu diesem Zeitpunkt große Streckenabschnitte an Privatinvestoren zu verkaufen, um der finanziellen Belastung Herr zu werden, die infolge der Revolution von 1848 und des Krimkriegs entstanden war.

Von 1854 bis 1879 wurde beinahe das komplette Schienennetz von privaten Investoren übernommen. In dieser Zeit erweiterte sich die Streckenlänge in Cisleithanien um 7952 Kilometer, in Ungarn um 5839 Kilometer, was zur Folge hatte, dass neue Gebiete vom Bahnnetz erschlossen wurden. Von nun an war es möglich, auch weit entfernte Gebiete zu erreichen und in den wirtschaftlichen Fortschritt zu integrieren, was zu Zeiten, als der Transport noch von Flüssen abhängig war, nicht möglich war.

Ab 1879 begannen die Regierungen in Österreich und Ungarn das Bahnnetz wegen der schwerfälligen Entwicklung während der weltweiten Wirtschaftskrise in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts wieder zu verstaatlichen. Zwischen 1879 und 1900 wurden in Cisleithanien und Ungarn mehr als 25.000 Kilometer neue Bahnstrecken angelegt. Während dieser Periode gelang es der Doppelmonarchie, mittels Bahneinsatzes die Transportkosten im Inneren zu reduzieren und neue Märkte außerhalb des Landes zu erschließen.

Schifffahrt

Die S.S. Wien (7.367 t) war eines der größten Passagierschiffe des Österreichischen Lloyds und wurde für Fahrten in den Orient eingesetzt.
Die S.S. Kaiser Franz Joseph I. (12.567 t) der Austro-Americana war das größte je in Österreich fertig gestellte Passagierschiff.

Aufgrund der Besitzungen im Österreichischen Küstenland sowie am weiteren Balkan verfügte Österreich über mehrere Seehäfen. Der bedeutendste davon war Triest, wo die österreichische Handelsmarine mit ihren beiden bedeutendsten Gesellschaften Österreichischer Lloyd und Austro-Americana sowie einige Werften ihren Sitz hatten, und auch die k. u. k. Kriegsmarine zahlreiche Schiffe anfertigen und ankern ließ. Dem Aufschwung voraus ging jedoch der Niedergang Venedigs, das zudem von 1815 bis 1866 keine Konkurrenz für Österreich-Ungarn darstellen konnte, da es Teil der Monarchie war. Zuvor konnte die Handelsmarine kaum Bedeutung erlangen, angesichts der großen Konkurrenz in Venedig. Auch die Kriegsmarine erlangte erst zur Zeit Österreich-Ungarns große Bedeutung. Die Gründung einer solchen scheiterte lange am Geldmangel des Hauses Habsburg.

Der wichtigste Hafen für die ungarische Reichshälfte war Fiume, von wo aus die ungarischen Schifffahrtsgesellschaften, deren bedeutendste die Adria war, operierten. Ein weiterer wichtiger Hafen war Pola – vor allem für die Kriegsmarine.

Im Jahr 1889 zählte die österreichische Handelsmarine 10.022 Schiffe, wovon 7.992 Fischereischiffe und -Boote waren. Für den Küsten- und Seehandel bestimmt waren 1.859 Segler mit 6.489 Mann Besatzung und einer Ladekapazität von 140.838 Tonnen sowie 171 Dampfschiffe mit einer Ladekapazität von 96.323 Tonnen und einer Besatzung von 3.199 Mann. In einem Gesetz vom 19. Juni 1890 wurde zur Förderung des Baus von Dampf- und Segelschiffen aus Eisen oder Stahl im Inland für den Schiffsbetrieb zur See die Befreiung von der Erwerb- und Einkommensteuer auf die Dauer von 15 Jahren gewährt. Dies betraf vor allem den Bau und Betrieb von kleinen Dampfern für die Küstenschifffahrt in Dalmatien.

Die Erste Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft (DDSG) wiederum war bis Ende der Donaumonarchie die größte Binnenschifffahrtsgesellschaft der Welt, während der Österreichische Lloyd eine der größten Hochsee-Reedereien der damaligen Zeit, mit Reisezielen im Orient, sowie ab Errichtung des Suez-Kanals, auch in Asien, war. Vor Kriegsausbruch zählte er 65 mittlere bis große Dampfschiffe. Die Austro-Americana zählte vor Kriegsausbruch etwa ein Drittel davon, verfügte aber mit der S.S. Kaiser Franz Joseph I. über das größte österreichische Passagierschiff. Im Gegensatz zum Österreichischen Lloyd steuerte die Austro-Americana fast ausschließlich Ziele in Nord- und Südamerika an. Bis zum Kriegsausbruch 1914 beförderte die Gesellschaft unter anderem 101.670 Auswanderer von Österreich-Ungarn in die Vereinigten Staaten.

Siehe auch: Marinesektion, Österreichische Handelsmarine

Kultur und Wissenschaft

Besonders der wirtschaftliche Aufschwung der Donaumonarchie ist mit Franz Josephs I. Namen verbunden, der nach wie vor auf vielen Wiener Prachtbauten aus dieser Zeit als Inschrift zu lesen ist. Nach der 1857 vom Kaiser angeordneten Schleifung der mittelalterlichen Stadtbefestigungen Wiens war Platz für eine die gesamte Innenstadt umfassende Prachtstraße geworden. Entlang dieser Straße, der Wiener Ringstraße, fertig gestellt 1865, entstanden nicht nur die Palais der reichen Bankiers und Großindustriellen, sondern auch der Erweiterungsbau der kaiserlichen Hofburg, große Museen, die die kaiserlichen Kunst- und Natursammlungen beherbergten, ein Parlamentsgebäude für den Reichsrat, die Neue Universität, das Neue Rathaus, das Hofburgtheater und eine zum Andenken an die Errettung des Kaisers vor einem Attentäter im Jahre 1853 gestiftete Votivkirche.

Der Suizid des Architekten Van der Nüll, Miterbauer der Wiener Oper, als Reaktion auf eine Kritik des Kaisers, veranlasste Franz Joseph, zu kulturellen Angelegenheiten nur noch sehr zurückhaltend Stellung zu nehmen. Es heißt, der Kaiser habe sich bei allen möglichen kulturellen Anlässen nur noch mit der stereotypen Phrase: „Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut!“ geäußert.

Obwohl Franz Joseph I. oft als schwarzer Reaktionär und grauer Bürokrat beschrieben wurde, blühte besonders in den Jahren um 1900 unter seiner Regierung die Geisteskultur in Österreich-Ungarn wie nie zuvor und nie danach. Allerdings nahm der Monarch – im Gegensatz zu seinem Sohn Kronprinz Rudolf – nie selbst aktiv an den neuen kulturellen und intellektuellen Strömungen Anteil; sie berührten ihn nicht, während sein späterer Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand oft wütend dagegen auftrat.

Wien war Anziehungspunkt für viele Wissenschaftler wie Christian Doppler und Ludwig Boltzmann, darunter eine Reihe späterer Nobelpreisträger wie Albert Einstein, der von Franz Joseph 1911 kurzzeitig zum Universitätsprofessor in Prag ernannt worden war. Philosophen der Moderne wie Ludwig Wittgenstein, der aus einer österreichisch-ungarischen Großindustriellenfamilie stammte, und Ernst Mach beeinflussten die Arbeit der Mitglieder des Wiener Kreises bis in die 1920er Jahre. Nicht zufällig fallen Sigmund Freuds wichtigste Arbeiten an der medizinischen Fakultät der Universität Wien in die Zeit um 1900.

Auf dem Gebiet der Bildenden Kunst entwickelte sich Gustav Klimt vom Dekorationsmaler der Ringstraßen-Bauten über die Wiener Secession zum Vorreiter der modernen Malerei. Die Zurückhaltung des Kaisers erlaubte es dem Architekten Adolf Loos, genau gegenüber dem barocken inneren Burgtor der kaiserlichen Hofburg im Jahre 1910 sein umstrittenes erstes schmuck- und ornamentloses Wohnhaus zu bauen. Franz Joseph soll die Hofburg seit damals stets durch andere Tore verlassen haben.

Auch die Österreichische Filmgeschichte begann in Österreich-Ungarn. In Wien wurden 1896 die ersten beweglichen Bilder Österreichs von den Gebrüdern Lumière präsentiert, und bis zur Gründung der ersten österreichischen Filmproduktionsgesellschaften Ende der 1910er Jahre waren hauptsächlich französische Filmgesellschaften für die noch sehr bescheidene Filmproduktion verantwortlich. Während des Ersten Weltkriegs entstanden mehrere Kriegswochenschauen, die patriotisch und unter Aufsicht der kaiserlichen Zensurbehörde vom Frontgeschehen berichteten. Auch Propagandafilme wurden in großer Anzahl hergestellt, und 1918, das letzte Jahr der Habsburger-Herrschaft, war mit rund 100 Spielfilmen das produktivste Jahr der österreichischen Filmindustrie zur Zeit der Monarchie.

Im heutigen Budapest, seit 1777 Universitätsstadt, war schon 1834–1841 das Nationalmuseum und 1864 das Palais der Akademie der Wissenschaften errichtet worden. Nach dem Ausgleich 1867 waren die Ungarn bestrebt, ihre Hauptstadt zur Konkurrentin Wiens werden zu lassen. Buda (Deutsch: Ofen) am rechten Donauufer war mit der Königsburg lang die bedeutendste Stadt des Königreiches gewesen, wurde aber im 19. Jahrhundert vom am linken Ufer gelegenen Pest überholt. 1872 wurden die beiden Städte zu Budapest vereinigt. Opernhäuser, Theater, Bibliotheken und Museen wurden errichtet, in Pest erhielt die Stadt eine Ringstraße (körút). Am Pester Donauufer entstand das riesige neugotische Parlamentsgebäude. Bei Neubauten um 1900 wurden Jugendstil und ungarischer Nationalstil angewandt, oft eine Mischung beider.

Siehe auch

Literatur

  • Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild (das Kronprinzenwerk), 24-bändige landeskundliche Enzyklopädie über alle Kronländer der Monarchie, Hofdruckerei, Wien 1885–1902
  • Zeffiro Ciuffoletti: Das Reich der Habsburger 1848–1918. Photographien aus der österreichisch-ungarischen Monarchie. Brandstätter, Wien 2001, ISBN 3-85498-163-5
  • A. I. Hickmann (Hrsg.). Geographisch-statistischer Taschen-Atlas von Österreich-Ungarn, 3. Auflage, Wien und Leipzig.
  • Franz Hubmann: Das k. und k. Photoalbum – Ein Bilderreigen aus den Tagen der Donaumonarchie. Ueberreuter, Wien 1991, ISBN 3-8000-3389-5
  • Michael Ley: Donau-Monarchie und europäische Zivilisation. Über die Notwendigkeit einer Zivilreligion. (=Schriftenreihe: Passagen Politik), Passagen Verlag, Wien 2004, ISBN 978-3-85165-637-4
  • Bernd Rill: Böhmen und Mährer – Geschichte im Herzen Mitteleuropas, 2 Bde., Katz, 2006, ISBN 3-938047-17-8
  • Hazel Rossotti: In der Donaumonarchie 1848–1918. Komet, Wien 2005, ISBN 3-89836-253-1
  • J. Ulbrich: Das Staatsrecht der österreichisch-ungarischen Monarchie (= Handbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart in Monographien. Bd. 4: Staatsrecht der außerdeutschen Staaten. I). Freiburg i. Br. 1884
  • Adam Wandruszka (Hrsg.): Die Habsburgermonarchie 1848–1918. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1973–2000 (derzeit 11 Bände)
  • Christiane Zintzen (Hrsg.): Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild. Aus dem Kronprinzenwerk von Erzherzog Rudolf. Böhlau, Wien 1999, ISBN 3-205-99102-8

Film

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Peter Diem: Die Symbole Österreichs. Kremayr & Scheriau, Wien 1995, ISBN 3-218-00594-9, S. 92/93
  2. The flags and arms of the modern era
  3. Vladimir Dedijer: Die Zeitbombe. Sarajewo 1914. Europa-Verlag Wien 1967, S. 788.
  4. Gary W. Shanafelt: The Secret Enemy: Austria-Hungary and the German Alliance 1914–1918. New York 1985, ISBN 0-88033-080-5. S. 35–36 und Alexander Fussek: Die Haltung des Österreichischen Ministerpräsidenten Stürgkh zu Kriegsbeginn 1914. In: Österreich in Geschichte und Literatur 13 (1969). S. 235–239. Hier: S. 235
  5. Günther Dolezal: Baron (Graf) Burián als Außenminister: Die Verhandlungen mit Deutschland über Polen 1915 und 1916 sowie 1918. 1. Teil: Die Verhandlungen mit Deutschland über Polen 1915 und 1916. Ungedr.Diss. Wien 1965. S. 204
  6. Gary W. Shanafelt: The Secret Enemy: Austria-Hungary and the German Alliance 1914–1918. New York 1985, ISBN 0-88033-080-5. S. 190
  7. Mark Cornwall: The Dissolution of Austria-Hungary. In: Mark Cornwall (Hrsg): The Last Years of Austria-Hungary. Essays in Political and Military History 1908–1918. Exeter 1990. S. 117–142. ISDN 0-85989-306-5. S. 129
  8. Volkszählung vom 31. Dezember 1910, veröffentlicht in: Geographischer Atlas zur Vaterlandskunde an der österreichischen Mittelschulen. K. u. k. Hof-Kartographische Anstalt G. Freytag & Berndt, Wien, 1911.
  9. Agstner Rudolf: 225 Jahre diplomatische und konsularische Präsenz (.doc), Österreichisches Außenministerium, abgerufen am 10. Juni 2007
  10. Pressetext: Wien und Peking im Spiegel der Zeit – Chronik der diplomatischen Beziehungen, abgerufen am 10. Juni 2007
  11. Volkszählung vom 31. Dezember 1910, veröffentlicht in: Geographischer Atlas zur Vaterlandskunde an der österreichischen Mittelschulen. K. u. k. Hof-Kartographische Anstalt G. Freytag & Berndt, Wien 1911.
  12. Robert A. Kann: Zur Problematik der Nationalitätenfrage in der Habsburgermonarchie 1848–1918'’. In: Adam Wandruszka, Walter Urbanitsch (Hrsg.): Die Habsburgermonarchie 1848–1918. Band 3: Die Völker des Reiches. 2. Teilbband. Wien 1980. S. 1304–1338, ISBN 3-7001-0217-8. S. 1304
  13. Robert A. Kann: Die Habsburgermonarchie und das Problem des übernationalen Staates. In: Adam Wandruszka, Walter Urbanitsch (Hrsg.): Die Habsburgermonarchie 1848–1918. Band 2: Verwaltung und Rechtswesen. Wien 1975, S. 1–56, ISBN 3-7001-0081-7. S. 47–49
  14. Robert A. Kann: Die Habsburgermonarchie und das Problem des übernationalen Staates. In: Adam Wandruszka, Walter Urbanitsch (Hrsg.): Die Habsburgermonarchie 1848–1918. Band 2: Verwaltung und Rechtswesen. Wien 1975, S. 1–56, ISBN 3-7001-0081-7. S. 47–49
  15. Robert A. Kann: Das Nationalitätenproblem der Habsburgermonarchie. Geschichte und Ideengehalt der nationalen Bestrebungen vom Vormärz bis zur Auflösung des Reiches im Jahre 1918. Band 1: Das Reich und die Völker. Graz/Köln 1964. S. 441
  16. Robert A. Kann: Das Nationalitätenproblem der Habsburgermonarchie. Geschichte und Ideengehalt der nationalen Bestrebungen vom Vormärz bis zur Auflösung des Reiches im Jahre 1918. Band 2: Ideen und Pläne zur Reichsreform. Graz/Köln 1964. S. 256 und 262-263
  17. Robert A. Kann: Das Nationalitätenproblem der Habsburgermonarchie. Geschichte und Ideengehalt der nationalen Bestrebungen vom Vormärz bis zur Auflösung des Reiches im Jahre 1918. Band 2: Ideen und Pläne zur Reichsreform. Graz/Köln 1964. S. 193–197
  18. Robert A. Kann: Die Habsburgermonarchie und das Problem des übernationalen Staates. In: Adam Wandruszka, Walter Urbanitsch (Hrsg.): Die Habsburgermonarchie 1848–1918. Band 2: Verwaltung und Rechtswesen. Wien 1975, S. 1–56, ISBN 3-7001-0081-7. S. 52 und Robert A. Kann: Zur Problematik der Nationalitätenfrage in der Habsburgermonarchie 1848–1918. In: Adam Wandruszka, Walter Urbanitsch (Hrsg.): Die Habsburgermonarchie 1848–1918 Band 3: Die Völker des Reiches, 2. Teilbband. Wien 1980. S. 1304–1338, ISBN 3-7001-0217-8. S. 1338
  19. Wolfdieter Bihl: Der Weg zum Zusammenbruch. Österreich-Ungarn unter Karl I.(IV.). In: Erika Weinzierl, Kurt Skalnik (Hrsg.): Österreich 1918–1938: Geschichte der Ersten Republik. Graz/Wien/Köln 1983. Bd.1, S. 27–54. Hier S. 44
  20. H. F. Mayer, D. Winkler: In allen Häfen war Österreich – Die Österreichisch-Ungarische Handelsmarine. Wien 1987, S. 88 ff
  21. Anton L. Hickmann (Hrsg.): Geographisch-statistischer Taschen-Atlas von Österreich-Ungarn, 3. Auflage, Wien und Leipzig 1909



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