KZ Gurs

KZ Gurs
Blick auf die Gedenkstätte Gurs
Blick ins Innere der Gedenkstätte Gurs

Das Camp de Gurs in der französischen Ortschaft Gurs am Rand der Pyrenäen war bereits vor dem Zweiten Weltkrieg das größte französische Internierungslager und wurde zunächst für politische Flüchtlinge und Spanienkämpfer genutzt. Während der deutschen Besetzung Nordfrankreichs im Zweiten Weltkrieg wurde es zum Internierungslager für deutsche Staatsbürger, Bürger anderer Staaten und schließlich Juden. Formell stand das Lager in dieser Zeit unter französischer Verwaltung. Hilfslieferungen von Wohlfahrtsorganisationen erleichterten in geringem Maß das Überleben im Lager.

Am 22. Oktober 1940 wurden 6538 deutsche Juden aus Baden, der Pfalz und dem Saarland nach Gurs verschleppt (Bürckel-Wagner-Aktion). Ihre Transporte kamen aus Mannheim (2335), Heidelberg (1380), Karlsruhe (900), Baden-Baden (106), Freiburg und Konstanz. Allein hier im Lager verstarben von ihnen ungefähr 2000 Menschen. An die Deportation der badischen Juden erinnert das zentrale Mahnmal in Neckarzimmern, in Mannheim erinnert ein Wegweiser auf dem Bahnhofsvorplatz an die Deportation.

Obwohl im unbesetzten Vichy-Südfrankreich des Marschall Pétain gelegen, wurden hier 1942 und später internierte Menschen nach Deutschland „ausgewiesen“. Tausende verstarben bereits im Lager oder gelangten von hier über Zwischenstationen in die Vernichtungslager der durch Deutschland besetzten Ostgebiete.

Einigen wenigen gelang ab 1941 über internationale Hilfsorganisationen und persönliche Kontakte die Emigration in sichere Drittländer.

Inhaltsverzeichnis

Heimatländer der Gefangenen

Die Gefangenen verschiedener Nationalitäten in Gurs kamen zu unterschiedlichen Zeiten dorthin:

Spanien

Die französische Verwaltung unterschied vier Gruppen:

Brigadisten: Soldaten der Internationalen Brigaden - aus ganz Europa (Russland, Deutschland, den baltischen Staaten, Österreich, der Tschechoslowakei etc.) Einigen gelang die Flucht. Einige sind zur französischen Fremdenlegion gegangen.

Basken: (bask. Nationalisten - gudaris) (Gudari, baskisches Wort, das Soldat oder Krieger meint, von guda (Krieg) und der Nachsilbe -ari, die einen Beruf bezeichnet.

Die gudaris waren Angehörige der baskischen Armee (Eusko Gudarostea) während des Spanischen Bürgerkriegs. Die Mitglieder der ETA bezeichnen sich ebenfalls als gudaris.) Die meisten gudaris konnten auf Grund der Nähe ihrer Heimat Unterstützung in Frankreich finden und schließlich entkommen.

Flieger / Bodenpersonal: Bodenpersonal der Luftwaffe der Spanischen Republik. Durch ihren Beruf als Mechaniker war es für sie relativ leicht, französische Arbeitgeber zu finden, so dass sie das Lager verlassen durften.

Spanier: Personen ohne verwandtschaftliche, politische oder persönliche Beziehungen in Frankreich, die keiner der drei übrigen Gruppen angehörten, zuvor in der Landwirtschaft oder anderen schlecht bezahlten Berufen gearbeitet hatten und die Frankreich als Last ansah. Sie wurden größtenteils über den Grenzübergang Irun repatriiert, von wo sie ins Camp de Miranda de Ebro verschleppt wurden.


Frankreich

Mahnmal zur Erinnerung an die Deportation Freiburger Juden in das Konzentrationslager Gurs vor der Universität Freiburg

Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges nutzten anfangs die Regierung von Édouard Daladier, später das Vichy-Regime das Lager für Strafgefangene zusammen mit "Unerwünschten", nach dem Waffenstillstand vom 22. Juni 1940 für jüdische Familien aus der von Deutschen besetzten Zone.

Unter den Unerwünschten befanden sich Deutsche, die wegen ihrer Herkunft oder politischen Haltung nach Frankreich geflohen waren und als ausländische Staatsangehörige einer feindlichen Nation angesehen wurden. Unter ihnen befand sich eine bedeutende Zahl deutscher Juden, die vor dem Naziregime geflohen waren, wie z.B. Hannah Arendt, die 1933 vor den Nazis nach Frankreich geflohen und im Mai 1940 in Gurs interniert worden war.

Linke, militante Franzosen (Gewerkschafter, Sozialisten, Anarchisten und Kommunisten), die nach dem Deutsch-Sowjetischen Nichtangriffspakt als gefährlich angesehen wurden. Die Ersten dieser Gruppe wurden am 21. Juni 1940 eingeliefert. Doch die Mehrzahl unter ihnen wurde noch vor Ende des gleichen Jahres in andere Lager verlegt.

Pazifisten, die es ablehnten, in der Rüstungsindustrie zu arbeiten.

Repräsentanten der französischen extremen Rechten, die mit der Wehrmacht und der Nazi-Ideologie sympathisiert hatten.

Mit der Unterzeichnung des Waffenstillstands vom 22. Juni 1940 zwischen Frankreich und Deutschland, fiel die Region, in der sich das Lager befindet, in die "unbesetzte" Zone, die vom Vichy-Regime kontrolliert wurde und das Lager wurde unter eine zivile Verwaltung gestellt.

Der von der Regierung Daladier eingesetzte Militärkommandant verbrannte vor dem Übergang der Autorität die Akten und ließ die spanischen republikanischen Internierten entkommen, die in der französischen Bevölkerung untertauchten. Andererseits bewirkte der Brand der Akten, dass eine große Zahl von ehemaligen Internierten nach dem Krieg große Schwierigkeiten hatten, Entschädigungen für die Dauer ihrer Internierung zu erhalten.

700 dieser Gefangenen, die wegen ihrer Nationalität oder ihrer Nähe zum Nazi-Regime zurückkehrten, wurden zwischen dem 21. August - dem Ankunftsdatum einer Inspektionskommission, die vom Dritten Reich entsandt war - und Oktober freigelassen.

Belgien

Juden: Ab dem 10. Mai 1940, fünfzig Familienkonvois, in der Mehrheit Juden, von den Deutschen nach der Besetzung Belgiens nach Frankreich deportiert.

Niederlande

Das erste Kontingent kam am 21. Mai 1940 in Gurs an, elf Tage nach dem deutschen Überfall auf die Niederlande.


Andere vom Dritten Reich besetzte Länder

Bürger anderer Staaten, wie Österreich, der Tschechoslowakei, Italien oder Polen, die unter dem Einfluss des Dritten Reiches standen.

Deutschland

Viele der aus Deutschland deportierten Juden stammten aus dem Badischen. Viele Städte erinnern daher durch Denkmäler an die Deportation, so z.B. in Mannheim am Hauptbahnhof oder in Freiburg im Breisgau.


Lagerstatistiken:

Spanien
(5. April bis 31. August 1939)
Basken 6.555
Brigadisten 6.808
Flieger 5.397
sonstige Spanier 5.760
Total 24.520
Sonstige
(1. September 1939 bis 30 April 1940)
Total 2.820
Unerwünschte Personen
(1. Mai bis 24. Oktober 1940)
Spanier 3.695
Deutsche und Österreicher 9.771
Franzosen 1.329
Total 14.795
Internierte nach dem Anti-Juden-Gesetz (Vichy)
(25. Oktober 1940 bis 31. Oktober 1943)
Deutsche aus Baden 6.538
Aus dem Lager St. Cyprien 3.870
Spanier 1.515
Sonstige 6.262
Total 18.185
Zuletzt unter dem Vichy-Regime Internierte
(9. April 1944 bis 29. August 1944)
Total 229
Gefangene nach der Befreiung
(30. August 1944 bis 31. Dezember 1945)
Deutsche Kriegsgefangene 310
Spanische Antifrankisten 1 475
Kollaborateure mit der deutschen Besatzung 1.585
Total 3.370
Résumé
Bis vor der Befreiung 60.559
Summe nach der Befreiung 3.370
Internierte Personen (1939-1945) 63.929

Bekannte Häftlinge

Lou Albert-Lasard - Hannah Arendt - Marie Arning - Jean Améry - Ilse BingGeorg BredigHelga CazasLotte Eisner - Eugen Eppstein - Lisa Fittko - Manuel Garcia-Barrado - Johanna Geissmar - Alice Herz - Walter Hochmuth - Gertrud Isolani - Fritz KahmannMaria Leitner - Robert LiefmannMax Lingner - Léo Maillet – Hanna Meyer-Moses - Alfred Mombert - Paul Niedermann - Peter Pringsheim - Alexandra Ramm-Pfemfert - Charlotte Salomon - Ernst Scholz - Thea Sternheim - Luise Straus-Ernst - Elsbeth WeichmannKarl WilczynskiKonrad Wolff

Siehe auch

Literatur

  • Frauen aus Deutschland in der französischen Résistance. Reihe Arbeiterbewegung: Forschungen, Dokumente, Biografien, hg. v. Ulla Plener. Berlin 2005 ISBN 3-929390-80-9
  • Anonym: Die Stadt ohne Männer. Im Sammellager von 18.000 Frauen; in: Basler Nachrichten, 22. Juli 1940.
  • Benito Bermejo, Sandra Checa: Libro Memorial, Españoles deportados a los campos nazis (1940–1945), 2006
  • Anja Clarenbach: Gertrud Isolani und Heinrich Eduard Jacob: Korrespondenz über "Stadt ohne Männer"; in: "EXIL. Forschung, Erkenntnisse, Ergebnisse", Nr. 2, XIV. Jg., Frankfurt am Main 1994, S. 37-50, ISSN 0721-6742.
  • Lisa Fittko: Mein Weg über die Pyrenäen. Erinnerungen 1940/41. München: dtv 1989, ISBN 3-423-62189-3.
  • Gertrud Isolani: Stadt ohne Männer (Tatsachen-Roman). Zürich: Falken-Verlag 1945. Neuauflagen: Hamburg 1959, Basel 1979.
  • Claude Laharie: Le camp de Gurs 1939-1945. Un aspect méconnu de l´histoire de Vichy Societé Atlantique d´Ímpression, Biarritz 1993 ISBN 2-84-127000-9 (Erstauflage: Pau 1985 mit etwas anderem UT)
  • Max Lingner: Gurs. Bericht und Aufruf. Zeichnungen aus einem französischen Internierungslager Dietz, Berlin 1982 ISBN 3-87-682757-4
  • Gabriele Mittag: Es gibt Verdammte nur in Gurs. Literatur, Kultur und Alltag in einem südfranzösischen Internierungslager. 1940-1942 Attempto, Tübingen 1996 ISBN 3-89308-233-6
  • Hanna Schramm Menschen in Gurs. Erinnerungen an ein französisches Internierungslager (1940 - 1941 Mit einem dok. Beitrag zur französischen Emigrantenpolitik (1933 - 1944) von Barbara Vormeier. Georg Heintz, Worms 1977 ISBN 392133313X (darin Seite 363: Stand der Gefangenenzahlen am 21. August 1940)
  • Richard Zahlten: Dr. Johanna Geissmar. Von Mannheim nach Heidelberg und über den Schwarzwald durch Gurs nach Auschwitz-Birkenau. 1877-1942. Einer jüdischen Ärztin 60 Jahre danach zum Gedenken Hartung-Gorre Verlag, 2001. 68 S. ISBN 3896496611

Weblinks

43.264722222222-0.731666666666657Koordinaten: 43° 15′ 53″ N, 0° 43′ 54″ W


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