- KZ Hinzert
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Das SS-Sonderlager Hinzert (auch KZ Hinzert) war ein deutsches Haft- und Konzentrationslager in der Nähe von Hinzert-Pölert bei Trier im Hunsrück (heute Rheinland-Pfalz; an der Grenze nach Luxemburg). Es existierte mit wechselnden Funktionszuweisungen von 1939 bis Anfang März 1945.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Polizeihaft- und Erziehungslager des RAD
Ein Barackenlager der Deutschen Arbeitsfront, das 1938 für Arbeiter des Westwalls errichtet worden war, wurde am 16. Oktober 1939 als Polizeihaft- und Erziehungslager eingerichtet. Es war zur „disziplinarischen Behandlung“ und „dreiwöchiger Umerziehung“ von so genannten „Arbeitsscheuen“ bestimmt, die zur Arbeit am Westwall oder den Reichsautobahnen zwangsverpflichtetet waren. Ein Teil des Lagers trug die Bezeichnung „SS-Sonderlager Hinzert“; dort wurden Arbeiter eingewiesen, die als „Rückfällige, notorische Faulenzer oder Gewohnheitstrinker“ länger inhaftiert werden sollten.
Weitere Außenlager, die meisten davon erst 1944 errichtetet, wurden dem Lager Hinzert organisatorisch unterstellt. Die Häftlinge der annähernd dreißig Außenlager wurden häufig auf Feldflugfeldern eingesetzt, um Landebahnen zu erweitern und Bombentrichter einzuebnen.
Konzentrationslager
Am 1. Juli 1940 wurde das Lager durch die Inspektion der Konzentrationslager übernommen, erhielt den Status eines KZ-Hauptlagers und erfüllte seither vielfältige Aufgaben als „Wiedereindeutschungs-“, „Schutzhaft-“ und „Arbeitserziehungslager“. Neben „Arbeitserziehungs-Häftlingen“ wurden zunehmend politische Gefangene in Hinzert eingeliefert. Ab Mai 1942 wurden vermutlich über 2000 Nacht-und-Nebel Gefangene aus Frankreich und den Benelux-Staaten in Hinzert eingeliefert. Vorübergehend waren auch 800 ehemalige französische Fremdenlegionäre deutscher Staatsangehörigkeit untergebracht. Bis zu seiner Räumung 1945 durchliefen das Lager rund 14.000 männliche Häftlinge im Alter zwischen 13 und 80 Jahren.
Das Lager war für 560 Häftlinge ausgelegt, aber zeitweilig mit 1.200 bis 1.500 Menschen völlig überfüllt. Belegbar ist eine Anzahl von 321 Toten. Nach Schilderung von Häftlingen muss von einer weit höheren Opferzahl ausgegangen werden. Die französische Militärverwaltung schätzte 1946 die Zahl der im KZ Hinzert zu Tode Gekommenen auf eintausend.[1]
Obwohl Hinzert kein Vernichtungslager war und nicht über Tötungsanlagen wie z. B. Gaskammern verfügte, kam es neben den Morden durch das Lagerpersonal zu angeordneten „Sonderbehandlungen“, u. a. Ende 1941 zur Tötung von 70 sowjetischen Politkommissaren und 1944 von 23 luxemburgischen Widerstandskämpfern. Die Massenmorde geschahen entweder durch Erschießen oder durch Giftspritzen. Die Leichen wurden im Wald hinter dem SS-Sonderlager verscharrt.
Lagerkommandanten
- Hermann Pister (1885–1948), Oktober 1939 bis Dezember 1941
- Egon Zill (1906–1974), Dezember 1941 bis April 1942
- Paul Sporrenberg (1896–1961), April 1942 bis November 1944
Strafverfolgung
Hermann Pister wurde im Buchenwald-Hauptprozess 1947 zum Tode verurteilt und starb noch vor Vollstreckung des Urteils. Egon Zill, der später Kommandant im KZ Natzweiler und KZ Flossenbürg war, wurde in München 1955 zu lebenslanger Zuchthausstrafe verurteilt, wurde aber schon 1961 entlassen. Walter Sporrenberg wurde erst 1959 verhaftet; er verstarb, bevor er sich in Trier vor Gericht verantworten musste. Ein französisches Tribunal verhandelte in Rastatt im Juni 1948 gegen 15 und im September desselben Jahres gegen weitere sieben SS-Angehörige des Lagers. Sechs der Angeklagten wurden freigesprochen; vier Todesstrafen wurden in zweiter Instanz in Haftstrafen umgewandelt. In weiteren Prozessen mussten sich der ehemalige Lagerarzt, der Lagerkapo und andere Täter einzeln vor Gerichten verantworten.
Gedenkstätte
„Hinzerter Kreuz“
Ausländische Häftlinge, wie beispielsweise französische Opfer der „Nacht-und-Nebel-Aktion“ und vor allem luxemburgische Staatsbürger, machten einen großen Teil der Inhaftierten und der Todesopfer aus. Daher wurde bereits 1945 durch Luxemburger das so genannte „Hinzerter Kreuz“ aufgestellt, und der Gedenkstein ist nicht nur auf Deutsch, sondern auch auf Luxemburgisch beschriftet.
Ehrenfriedhof
1946 ließ die französische Militärregierung einen Ehrenfriedhof anlegen, auf dem alle in den Massengräbern gefundenen Opfer bestattet wurden, die man nicht identifizieren konnte. Die Friedhofskapelle wurde am 4. November 1948 eingeweiht. Noch heute ist die Gedenkstätte Hinzert in vielen Karten irreführend als „Ehrenfriedhof“ verzeichnet, was ihrer Rolle als Gedenkstätte des Sonderlagers nicht ganz gerecht wird.
Dokumentations- und Begegnungsstätte
Am 11. Oktober 1986 wurde auf dem Friedhof an der Gedenkstätte ein Denkmal des ehemaligen luxemburgischen Häftlings Lucien Wercollier als zentrales Mahnmal eingeweiht. Die Inschrift ist lateinisch und deutsch gehalten; sie lautet „In ardorem humanitatis, pacis et iustitiae“ bzw. „Durchdrungen von Menschlichkeit, Frieden und Gerechtigkeit“.
1989 gründeten Privatleute in Eigeninitiative den Förderverein Dokumentations- und Begegnungsstätte ehemaliges KZ Hinzert e. V.
1991/1992 legte die Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz eine Gedenkstättenkonzeption für Rheinland-Pfalz und die beiden dort befindlichen KZ-Gedenkstätten in Osthofen und Hinzert vor. Dieser Konzeption folgend begann 1994 die Installation eines Informationssystems, das die sog. „Stätten der Unmenschlichkeit“ im Umkreis des ehemaligen Lagers in mehreren europäischen Sprachen (Deutsch, Englisch, Französisch, Polnisch) erläutert.
Das offizielle Dokumentations- und Begegnungshaus (entworfen vom Saarbrücker Architekturbüro Wandel, Hoefer und Lorch, die dafür 2006 den Preis des Deutschen Stahlbaues erhielten), wurde am 10. Dezember 2005 in Anwesenheit ehemaliger Opfer aus Luxemburg, Frankreich und den Niederlanden eröffnet. Dort befindet sich nun auch eine Dauerausstellung zum Lager, zur Leidensgeschichte seiner Opfer und zu den Gräueltaten der Täter.
Bildergalerie
Katafalk für 321 Opfer
Literatur
- Albert Pütz: Das SS-Sonderlager, KZ Hinzert 1940–1945 : eine juristische Dokumentation; Frankfurt am Main: Lang, 1998
- Albert Pütz: Das SS-Sonderlager/KZ Hinzert 1940–1945: Angehörige der ehemaligen Lager-SS, Gestapo und NS-Justiz vor Gericht. Teil 2; Frankfurt am Main: Lang, 2001; ISBN 3-631-37679-0
- Uwe Bader, Beate Welter: Das SS-Sonderlager / KZ Hinzert; in: Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, Band 5; München 2007; ISBN 978-3-406-52965-8; auch als Sonderdruck der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz, ISBN 978-3-406-57790-1.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Uwe Bader, Beate Welter: Das SS-Sonderlager / KZ Hinzert; S. 31
49.6988888888896.8927777777778Koordinaten: 49° 41′ 56″ N, 6° 53′ 34″ O
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