Kaiser (HRR)

Kaiser (HRR)

Als römisch-deutsche Kaiser bezeichnet die neuere historische Literatur die Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, um sie einerseits von den römischen Kaisern der Antike und andererseits von den Kaisern des Deutschen Reichs im 19. und frühen 20. Jahrhunderts zu unterscheiden.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte der Begriffe „Römischer Kaiser“ und „Deutsch“

Früh- und Hochmittelalter

Die mittelalterlichen Herrscher des Reiches sahen sich – in Anknüpfung an die spätantike Kaiseridee und die Idee der Renovatio imperii, der Wiederherstellung des römischen Reichs unter Karl dem Großen – in direkter Nachfolge der römischen Caesaren und der karolingischen Kaiser. Sie propagierten den Gedanken der Translatio imperii, nach dem die höchste weltliche Macht, das Imperium, von den Römern auf das fränkisch-deutsche Reich übergegangen sei.

Das Gebiet des Ostfrankenreichs wurde erstmals im 11. Jahrhundert als Regnum Teutonicum oder Regnum Teutonicorum (Königreich der Deutschen) bezeichnet.[1] Bereits Otto der Große wurde 962 vom Papst zum Römischen Kaiser gekrönt, nachdem er auch den Titel eines Königs von Italien erworben hatte. Seine Nachfolger behielten diesen Anspruch bei und bestanden auf dem Recht zur Krönung zum Römischen Kaiser, das sie durch einen Krönungszug nach Italien und die Krönung durch den Papst umsetzen konnten. Später wurde das Reich, das neben dem deutschen Königreich auch das italienische und seit 1032 auch das burgundische Königreich umfasste, offiziell als Heiliges Römisches Reich bezeichnet, was erstmals für 1254 belegt ist. Folgerichtig ließen dessen Herrscher sich selbst seit dem 11. Jahrhundert vor ihrer Kaiserkrönung Rex Romanorum (König der Römer) nennen. Mit diesem Titel verbanden sie den Anspruch auf die Kaiserkrone und auf eine supranationale Herrschaft, die deutsche, italienische (Reichsitalien), französische und slawische Sprachgebiete umfasste. Dieser Anspruch wurde vom Papsttum seit Beginn des Investiturstreits im 11. Jahrhundert zunehmend bestritten.

Neben den propagandistischen gab es auch heilsgeschichtliche Gründe für die Anknüpfung an das antike römische Reich. Nach mittelalterlichem Geschichtsverständnis hatte es in der Antike nacheinander vier Weltreiche gegeben: das der Meder, der Perser, der Griechen und der Römer. Im Römischen Reich, in dem Jesus geboren worden war und das sich seit Kaiser Konstantin zu einem Imperium Christianum gewandelt hatte, sahen viele Gelehrte seit Augustinus die endgültige Form der weltlichen Herrschaft, in der sich das Christentum bis zum Ende der Zeiten entfalten werde. Im Reich Karls des Großen und der deutschen Könige sahen sie daher nicht den Nachfolgestaat des 476 untergegangenen weströmischen Reiches, sondern dieses Reich selbst in neuer Form. Dies erklärt auch den im Hochmittelalter aufkommenden Zusatz Heilig in der offiziellen Bezeichnung des Reiches und auch des Kaisers.

Zwar bestand das römische Reich im Osten mit dem Byzantinischen Reich (Ostrom) verfassungsrechtlich ununterbrochen fort. Da das Oströmische beziehungsweise Byzantinische Reich im Jahr 800 jedoch von einer Frau, der Kaiserin Irene regiert wurde, argumentierten die Vertreter der Translatio imperii-Theorie, der Kaiserthron sei vakant und damit vom Papst rechtmäßig auf Karl den Großen übertragen worden. Auf die karolingische Tradition berief sich 150 Jahre später wiederum Otto I., der mit der Annahme des Kaisertitels im Jahr 962 bewusst an die fränkische und die römische Reichsidee anknüpfte.

Spätmittelalter

Die Reichsidee war auch noch im Spätmittelalter lebendig, als die Macht des Kaisertums bereits beträchtlich geschwunden war. Heinrich VII., den Dante fast schon panegyrisch lobte, knüpfte direkt daran an und betonte die Bedeutung des Imperiums als Universalmacht, auch im Sinne der christlichen Heilsgeschichte. Dabei bediente er sich auch des römischen Rechts (wie schon die Staufer über 100 Jahre zuvor). Das imperiale Selbstverständnis Heinrichs VII., seine Kaiseridee, rief allerdings auch den Widerstand Frankreichs und des Papstes hervor.

Der Zusatz „Deutscher Nation“ taucht in der Literatur erstmals 1438 auf, im Antrittsjahr von Albrecht II.. 1486 wird er erstmals in einem Gesetzestext erwähnt. Die Betonung des deutschen Charakters des Römischen Reiches verstärkt sich seit Ende des 15. Jahrhunderts, als die Macht des Kaisers in Reichsitalien de facto nicht mehr ins Gewicht fiel und sich im Wesentlichen auf das deutsche Herrschaftsgebiet beschränkte. Auch im Abwehrkampf gegen Karl den Kühnen von Burgund wurde diese Terminologie verwendet.

Im Reich setzte sich mehr und mehr die Ansicht durch, dass der König (bzw. zukünftige Kaiser) von den Kurfürsten gewählt würde, der dann entweder vom Papst zum Kaiser gekrönt wurde oder – ab der Frühen Neuzeit – ohne Bestätigung durch den Papst in das Kaiseramt nachrückte. Das Papsttum hingegen hatte im Mittelalter immer darauf bestanden, dass es über die „Eignung“ des Kaisers selbst entscheiden könnte – was im Reich auf erheblichen Widerstand stieß (siehe Staufer). Der offizielle Königstitel bis zur Ottonenzeit lautete Rex Francorum („König der Franken“) im Regnum Francorum orientalium („Königreich der östlichen Franken“), danach Rex Romanorum („Römischer König“).

Nach der Kaiserkrönung wurde die Titulatur ergänzt um den kaiserlichen Zusatz semper Augustus „immer Mehrer des Reiches“, da man Augustus fälschlich vom lateinischen Verb augere (deutsch: „vermehren“, „vergrößern“) ableitete. Der Begriff Mehrer stand dabei für die Pflicht des Herrschers, die Rechte des Imperiums zu schützen und zu erhalten. Konkret bedeutete dies, dass der Kaiser die Entfremdung von Reichsrechten wie Regalien (wie in Italien) oder den Verlust von Gebieten (wie im westlichen Grenzraum an Frankreich) zu verhindern hatte. Allerdings wurde dieser Zusatz zum Teil auch vor der Kaiserkrönung gebraucht.

Neuzeit

Seit Maximilian I. (1508) nannte sich der neugewählte König auch „Erwählter Römischer Kaiser“, auf eine Krönung durch den Papst wurde fortan mit Ausnahme Karls V. verzichtet.

Der letzte Kaiser des „Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation”, Franz II. führte als Titel divina favente clementia electus Romanorum Imperator, semper Augustus „von Gottes Gnaden erwählter Römischer Kaiser, zu allen Zeiten Mehrer des Reichs“, und war nur in einem Nebentitel Germaniae Rex „König in Germanien“ (seit Maximilian I., 1508). Nachdem sich Napoléon Bonaparte selbst zum Kaiser der Franzosen proklamiert hatte, rief sich der Kaiser am 11. August 1804 als Franz I. zum Kaiser von Österreich aus, um einem Statusverlust vorzubeugen und die habsburgische Kaiserkrone weiterzuführen. Durch die Gründung des Rheinbundes unter französischem Protektorat und unter dem Druck eines französischen Ultimatums, sah sich Franz II. gezwungen, am 6. August 1806 die Kaiserkrone niederzulegen. Aus Sorge, dass die Reichskrone in französische Hände gelangen könnte und die österreichischen Länder durch die lehnsrechtliche Bindung an das Reich de jure unter napoleonische Herrschaft gelangen könnten, löste er das Reich als Ganzes auf, wobei er damit seine Kompetenzen als Reichsoberhaupt eindeutig überschritt.

Rezeption des Begriffs in den Geschichtswissenschaften

Im allgemeinen Sprachgebrauch und in der älteren Literatur wird die Bezeichnung deutscher Kaiser für die „Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation“ verwendet. Im 18. Jahrhundert wurden diese Bezeichnungen auch in offiziellen Dokumenten übernommen. Da sich nachfolgend die Mehrheit der deutschen Fürstentümer und Königreiche in einem neuen „kleindeutschen” Reich (Deutsches Reich) zusammenschlossen und mit der Reichsgründung 1871 den deutschen einheitlichen Nationalstaat bildeten, musste die neuere historische Literatur nunmehr zwischen den „deutschen Kaisern“ als römisch-deutsche Kaiser und „preußisch-deutsche Kaiser“ als den Deutschen Kaiser unterscheiden.

Siehe auch

Literatur

  • Peter Moraw: Heiliges Reich, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 4, Sp. 2025ff.
  • Ernst Schubert: König und Reich. Studien zur spätmittelalterlichen deutschen Verfassungsgeschichte, Göttingen 1979 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 63).
  • Hans K. Schulze: Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter, Bd. 3, Stuttgart u.a. 1998.

Einzelnachweise

  1. vgl. Carlrichard Brühl, Die Geburt zweier Völker, Köln u.a. 2001, S. 69 ff.; Rex Teutonicus ist damit früher belegt als der Begriff des regnum (besonders Brühl, S. 73 f.)

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