Kaliummangel

Kaliummangel
Klassifikation nach ICD-10
E87.6 Hypokaliämie
Kaliummangel
ICD-10 online (WHO-Version 2006)

Als Hypokaliämie (griech. hypo- - wenig, niedrig; -ämie - im Blut) (auch Kaliummangel oder Kaliumdefizit) wird ein Zustand bezeichnet, der durch zu wenig Kalium im Blut gekennzeichnet ist. Je nach Ausprägung kann die Hypokaliämie harmlos bis lebensbedrohlich sein. Den Ausgleich einer Hypokaliämie durch Kaliumzufuhr bezeichnet man als Kaliumsubstitution.

Inhaltsverzeichnis

Ursachen

Hypokaliämie kann eine Vielzahl von Ursachen haben. Am offensichtlichsten ist eine mangelnde Kaliumzufuhr, im Wesentlichen über die Nahrung. Für gewöhnlich aber tritt Hypokaliämie auf nach übermäßigem Kaliumverlust. Meist ist er verbunden mit übermäßigem Wasserverlust, der das Kalium aus dem Körper ‚spült‘. Typischerweise ist das die Folge von Erbrechen und Durchfall. Im Rahmen eines Conn-Syndroms kann es ebenfalls durch übermäßige Kaliumausscheidung in der Niere zu einer Hypokaliämie kommen. Manche Medikamente beschleunigen ebenfalls die Kaliumausscheidung, zum Beispiel Schleifendiuretika wie Furosemid oder verschiedene Abführmittel. Darüber hinaus schwankt der Serum-Kaliumspiegel aber auch infolge von Schwankungen im Säure-Basen-Haushalt. So sinkt der extrazelluläre K+-Gehalt bei einem pH-Anstieg von 0,1 um ca. 0,4 mval/L. Eine weitere Ursache ist der renale Kaliumverlust im Rahmen einer sog. Kaliumverlustniere.

Auswirkungen

Kalium ist essentiell für viele Körperfunktionen, besonders für Muskel- und Nerventätigkeit. Kalium kommt als Kation mit einer Konzentration von etwa 150 mmol/l vor allem intrazellulär vor, die extrazelluläre Konzentration beträgt etwa 3,5 bis 5,0 mmol/l, auch im Blut. Mehr als 98 % des Kaliums im Körper befindet sich im Intrazellulärraum.

Der osmotische Gradient des Kaliums zwischen intrazellulärem und extrazellulärem Raum ist für die Funktion der Nervenzellen essentiell. Insbesondere wird Kalium benötigt, um die Zellmembran zu repolarisieren und den Ruhezustand wiederherzustellen, nachdem ein Aktionspotenzial weitergeleitet wurde.

Ebenso ist Kalium essentiell für die normale Muskelfunktion. Große Abweichungen vom normalen Kaliumspiegel können Lähmungserscheinungen an der Muskulatur der Gliedmaßen hervorrufen (Hypokaliämische Lähmung), unter anderem können größere Abweichungen die Herzfunktion gefährden. Die intensivmedizinisch relevanteste Wirkung der Hypokaliämie ist daher auch die Wirkung auf das Herz. Eine Hypokaliämie sensibilisiert das Herz für die arrhythmogene Wirkung von Digitalispräparaten und Katecholaminen. Bei Hypokaliämie neigt das Herz zu Rhythmusstörungen. Häufig sind Extrasystolen, aber auch Vorhofflimmern und Kammerflimmern bis hin zum Herzstillstand und Tod möglich.

Pathophysiologische Vorgänge am Herzen

Bei den Effekten einer Hypokaliämie am Herzen muss zwischen Schrittmacher und Kammergewebe unterschieden werden. Am Schrittmacher verursacht die extrazellulär verminderte Kaliumkonzentration ein niedrigeres Nernst-Potential. Die spannungsgesteuerten Kationenkanäle dort, so genannte Funny Channels (siehe HCN-Kanal), reagieren darauf überschießend, sie öffnen stärker bei negativeren Membrampotentialen. Das Schrittmacher-Aktionspotential steigt daher steiler an, der Schrittmacher gibt sein Signal nun öfter ab: positive Chronotropie, Tachykardie. Am Kammergewebe ist Kalium wichtig bei der Repolarisation nach einem Aktionspotential. Da die Kaliumkanäle dort nur aktiv sind, wenn auf der Außenseite Kalium gebunden ist, sinkt die Leitfähigkeit für Kalium bei Hypokaliämie ab. Der Einfluss der anderen Ionen auf das Membranpotential nimmt zu (gemäß Goldmann-Gleichung). So kommt es paradoxerweise zu einer Depolarisation der Herzmuskelzellen. Nachdem einmal ein Aktionspotential ausgelöst wurde, sind die Zellen für die kaliumabhängige Repolarisation nicht mehr durchlässig genug; die Herzmuskelzelle verbleibt depolarisiert und ist damit in der Systole arretiert. Dieser Vorgang an der Einzelzelle ist natürlich zunächst statistischer Natur, einzelne Zellen geraten aus dem Takt, womit die o.g. Rhythmusstörungen gut erklärbar sind[1].

Therapie

Die Therapie richtet sich nach der Ursache. Zur Normalisierung eines erniedrigten Kaliumspiegels ist häufig eine enterale Substitution, das heißt eine orale Zufuhr ausreichend, beispielsweise durch Zufuhr besonders kaliumhaltiger Lebensmittel, aber auch durch Kalium-Brausetabletten. Kalium ist in vielen Nahrungsmitteln enthalten, z. B. in Bananen (hoher Kaliumgehalt) und Orangen, Kartoffeln, Avocados, Spinat, Tomaten und Gemüsesäften, getrockneten Früchten (zum Beispiel Aprikosen, Rosinen), Fleisch, Milch, (trockenen) Bohnen und Pilzen. Außerdem ist es in Meersalz sowie insbesondere in Totes-Meer-Salz enthalten.

Bei intensivmedizinisch relevantem Kaliummangel mit Gefahr von Herzrhythmusstörungen wird zum Einen möglichst die Ursache des Kaliummangels behoben (z. B. Ausgleich einer Alkalose), zum Anderen aber wird durch parenterale Kaliumsubstitution ein normaler Serum-Kaliumspiegel angestrebt.

Der Ersatz erfolgt grundsätzlich langsam (d. h. über Stunden), da die Infusion eines stark kaliumhaltigen Bolus zum Herzstillstand führen kann.

Einzelnachweise

  1. Schmidt/Thews, Physiologie des Menschen, 29. Auflage, Seiten 478, 719, 802
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