- Kaltefleiter
-
Werner Kaltefleiter (* 21. April 1937 in Hagen; † 17. März 1998 in Kiel) war ein deutscher Politikwissenschaftler. Sein Forschungsinteresse galt der Wahlforschung, der Medienforschung sowie Internationale Beziehungen.
Inhaltsverzeichnis
Akademische Stationen
Kaltefleiter studierte ab dem Wintersemester 1957 an der Universität Köln Volkswirtschaftslehre (Wahlpflichtfach Politikwissenschaft), wurde dort promoviert und habilitierte sich ebenfalls in Köln. Von 1970 bis zu seinem Tod lehrte Kaltfleiter in der Nachfolge Michael Freunds als ordentlicher Professor am Institut für Politische Wissenschaft der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, dem er viele Jahre als Geschäftsführender Direktor vorstand. Zudem war er mehrere Jahre Vizepräsident der Kieler Universität und hochschulpolitisch sehr einflussreich.Als der CDU sehr nahestehend wurde er von Teilen der Studentenschaft zunächst scharf angefeindet und hat dies aggressiv und nachhaltig erwidert.
Er war zwischen 1970 und 1974 neben seiner Kieler Lehrtätigkeit Leiter des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Konrad-Adenauer-Stiftung in St. Augustin und hat während seiner dortigen Zeit insbesondere zur angewandten Wahl- und Medienforschung gearbeitet.
Kaltefleiter war ein Schüler des Begründers der politikwissenschaftlichen Kölner Schule, Ferdinand Hermens, bei dem Kaltefleiter zunächst promoviert wurde und sich anschließend mit einer Arbeit über die Rolle des Staatsoberhauptes in parlamentarischen Systemen habilitierte. Kaltefleiters Diplomarbeit (im Fach Volkswirtschaftslehre) entstand bei Alfred Müller-Armack. Ebenfalls noch aus seiner Kölner Zeit stammte die lebenslange Freundschaft zu Alphons Silbermann, der in den 1980er-Jahren Teile seines Archivs dem Institut für Politische Wissenschaft in Kiel überließ.
Politikwissenschaftliche Grundhaltung
Als Schüler Müller-Armacks war Kaltefleiter ein strenger Verfechter einer marktwirtschaftlich verfassten Wirtschaftsordnung. Eng verknüpft mit seinem steten Engagement für die Marktwirtschaft war seine ebenso stete Legitimierung der repräsentativen Demokratie, die nach seinem Plädoyer das Mehrheitswahlrecht nach britischem Vorbild zur Grundlage haben sollte. Diese Forderung brachte ihm von verschiedener Seite permanente Kritik ein. In vielen Presse- und Rundfunkinterviews warnte er bis zu seinem Tod stets vor den Gefahren einer Ausfransung des deutschen Parteiensystems, der allein durch die Einführung eines Mehrheitswahlrechtes begegnet werden könne. Der in der Bundesrepublik Deutschland seit 1949 herrschenden personalisierten Verhältniswahl stand er skeptisch bis ablehnend gegenüber. Mit dem Ausspruch, "Wir brauchen ein Ende der Listokratie", pflegte er Vorlesungen zu diesem Thema unmissverständlich zu beenden.
Außen- und sicherheitspolitisch vertrat er - auf den Ost-West-Konflikt bezogen - ohne Abstriche solche Positionen, die einen rein konfrontativen Kurs mit der Sowjetunion favorisierten. Kaltefleiter war ein Verfechter der europäischen Einigung, warnte aber zusehends vor dem Verlust der Steuerungskapazitäten der EU-Mitgliedsstaaten und damit vor einer überbordenen Brüsseler Bürokratie.
Politisch-wissenschaftliche Interventionen
Elisabeth Noelle-Neumanns Die Theorie der Schweigespirale als Instrument der Medienwirkungsforschung hat Kaltefleiter stark beeinflusst. Er trat im Gefolge der Debatte um diese Publikation massiv für die Etablierung eines privat organisierten Rundfunks (seiner Forderung nach indes neben dem öffentlich-rechtlichen bestehend) ein.
1981 initiierte Kaltefleiter die Gründung der Gesellschaft für Sicherheitspolitik und Rüstungskontrolle als ideeller Trägerin des Instituts für Sicherheitspolitik (ISUK) an der Universität Kiel, dessen Gründungsdirektor er wurde. Ziel war laut Kaltefleiter die emotionsfreie Erhellung des Konfliktpotentials in der Welt. Nicht nur das militärische Kräfteverhältnis und die Fragen des Gleichgewichts, der Abrüstung in Ost und West sollen durchleuchtet werden sondern auch ökonomische Hintergründe, deren Kenntnis zur Vermeidung militärischer Auseinandersetzungen von Bedeutung ist. [1]
Er war zudem 1981-98 Veranstalter des jährlichen "Postgraduate Summer Course on National Security" in Kiel, an dem renommierte Wissenschaftler, Akteure aus Regierungen und Befreiungsbewegungen sowie Militärangehörige teilnahmen. Zwischen 1982 und 1988 gehörte er als ein von der schleswig-holsteinischen CDU-Landesregierung entsandtes Mitglied dem ZDF-Fernsehrat an.
Zwischen 1991 und 1993 organisierte Kaltefleiter zusammen mit seinem Schüler und Freund Karl-Heinz Naßmacher (Universität Oldenburg) einen Arbeitskreis zur "Neuordnung der Parteienfinanzierung" in Deutschland. Da das Bundesverfassungsgericht 1992 die seiner Zeit bestehende Form des Parteiengesetzes hinsichtlich der Wirksamkeit der Regelungen zur Parteienfinanzierung als mit dem Grundgesetz in wesentlichen Teilen unvereinbar verworfen hatte, hatten sich die Schatzmeister von CDU, SPD, CSU, B´90/Die Grünen sowie der FDP unter der Leitung von Kaltefleiter und Naßmacher zur Vorformulierung eines neuen Parteiengesetzes in Bonn getroffen, das dann 1994 in Kraft trat.
Werner Kaltefleiter hat regelmäßig Kolumnen für die Tageszeitung Handelsblatt, für die Wochenzeitung Welt am Sonntag sowie für die Zeitschrift Impulse verfasst.
Parteipoltisches Engagement
Kaltefleiter war ein Konservativer abseits von politischem Opportunismus und hat als CDU-Mitglied immer wieder Positionen der Bundespartei in Frage gestellt. Belegt ist die Kontroverse zwischen ihm und Teilen von CDU/CSU hinsichtlich der Bewertung des chilenischen Diktators Pinochet. Kaltefleiter wurde in den 1970er Jahren vom Strauß-Flügel der CSU - regelmäßig im CSU-Presseorgan Bayernkurier - angegriffen. Doch referierte Kaltefleiter 1991 während der Klausurtagung der CSU in Wildbad Kreuth (nunmehr auf ausdrücklichen Wunsch des damaligen CSU-Parteivorsitzenden Theo Waigel) zum Thema der Entwicklung des deutschen Parteiensystems und dem Standort der CSU im Parteiensystem nach der Wiedervereinigung.
Kaltefleiters parteipolitische Ambitionen waren von nur kurzer Dauer. Als CDU-Direktkandidat im Bundestagswahlkreis Rendsburg-Eckernförde versuchte er 1980 mit einem an US-amerikanische Event-Wahlkämpfe angelehnten Konzept das Direktmandat zu gewinnen. Er unterlag jedoch der damaligen SPD-Bundestagabgeordneten und späteren schleswig-holsteinischen Ministerpräsidentin Heide Simonis.[2]. Kaltefleiter ist nach 1980 parteipolitisch als Mitglied des CDU-Landesausschusses Schleswig-Holstein in Erscheinung getreten.[3]
Ehrungen
1984 erhielt Kaltefleiter aus der Hand des damaligen schleswig-holsteinischen Kultusministers Peter Bendixen das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse für sein Engagement zur Förderung und Erhalt der Hochschulautonomie in Deutschland.
Werke (Auswahl)
- Konsens ohne Macht? Eine Analyse der Bundestagswahl vom 19.9.1965 in: Hermens, Ferdinand A.: "Verfassung und Verfassungswirklichkeit, Jahrbuch 1966" Westdeutscher Verlag, Köln 1966
- Zur Chancengleichheit der Parteien, in: Hermens, Ferdinand A.: "Verfassung und Verfassungswirklichkeit, Jahrbuch 1968 Teil 2", Westdeutscher Verlag, Köln 1968
- Wirtschaft und Politik in Deutschland (1966, ²1968)
- Die Funktionen des Staatsoberhauptes in der parlamentarischen Demokratie, Westdeutscher Verlag, Köln 1970
- Im Wechselspiel der Koalitionen - Analyse der Bundestagswahl 1969(mit Arend,Peter; Kevenhörster,Paul; Zülch,Rüdiger)in: Hermens, Ferdinand A.: "Verfassung und Verfassungswirklichkeit, Jahrbuch 1970 Teil 1" Carl Heymanns Verlag, Köln 1970
- Zwischen Konsens und Krise - Analyse der Bundestagswahl 1972 (1973)
- Geheimhaltung und Öffentlichkeit in der Außenpolitik (zus. mit Krogh, P., 1974)
- Minoritäten in Ballungsräumen - Ein deutsch- amerikanischer Vergleich (zus. mit Eisenstadt, M. G., Bonn 1975)
- Vorspiel zum Wechsel. Eine Analyse der Bundestagswahl 1976 (1977)
- Weltmacht ohne Politik - Das amerikanische Regierungssystem nach den Wahlen von 1976 (zus. mit Keynes, E., Berlin 1979)
- Empirische Wahlforschung. Eine Einführung in Theorie und Technik (zus. mit Nißen, P., 1980)
- Parteien im Umbruch, Düsseldorf 1984
Herausgeber (Auswahl)
- "Verfassung und Verfassungswirklichkeit, Jahrbuch" ab 1972 gemeinsam mit Ferdinand A.Hermens, Duncker Humblot, Berlin 1972 ff.
- "Conflicts, Options, Strategies In A Threatened World" (mit Ulrike Schumacher) Papers presented at the International Summer Course on National Security, 1981 ff., Schriften des Instituts für Politische Wissenschaften an der Universität Kiel
- "Libertas Optima Rerum" Schriften des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel, E.S.Mittler und Sohn,Herford 1984 ff.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Kieler Nachrichten vom 19.11.1982, zitiert nach Politik in Schleswig-Holstein im Spiegel der Presse Nr. 12, 1985 bearbeitet von Bernd Bronstert, Institut für Politische Wissenschaft der Universität Kiel
- ↑ Dieser Wahlkampf 1980 war durch eine starke Polarisierung - auch innerhalb der CDU - geprägt, ausgelöst durch die Person des Kanzlerkandidaten von CDU und CSU Franz-Josef Strauß. Im Gefolge dieser Entwicklung verlor die CDU in Schleswig-Holstein bei der Bundestagswahl 1980 sämtliche Direktmandate, die bei der Bundestagswahl 1976 gewonnen werden konnten. Vgl. Peter Schindler, Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestags 1980-1984, Nomos, Baden-Baden 1986, S. 70.
- ↑ Sein Nachfolger als Direktkandidat im Bundestagswahlkreis Rendsburg-Eckernförde zur Bundestagswahl 1983 war der ehemalige schleswig-holsteinische Ministerpräsident Gerhard Stoltenberg.
Personendaten NAME Kaltefleiter, Werner KURZBESCHREIBUNG deutscher Politologe, Wahlforscher und Politiker (CDU) GEBURTSDATUM 21. April 1937 GEBURTSORT Hagen STERBEDATUM 17. März 1998 STERBEORT Kiel
Wikimedia Foundation.